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gen. Doch während sie einander umarmten und sich den Gefühlen der Zärtlichkeit überließen, heftete sie voll Bcsorgniß mehr als gewöhnlich ihre Augen aus sein Gesicht, und sah dann scheu im Garten umher, ob nicht irgend etwas Ungeheures sich zeigte. Es stand nicht lange an, so stieß G a b r i o l l o einen tiefen Seufzer aus, und indem er seine Gattin fest an sich drückte, rief er: „Weh wirk Hülfe! Ich sterbe!" Mit diesem Ausrufe sank er rücklings in das Gras. Andrerala hob ihn .auf, ängstlich rufend! „Gott, mein Geliebter, was ist dir?,, Gabriel l o antwortete nicht, aber ein kalter Tod- desschwcißstand ihm auf der Stirne, erzitterte an allen Gliedern, und in wenig Augenblicken verschied er.
Die Angst und die verzweiflungvolle Lage der unglücklichen Gattin geht über alle Beschreibung. Sie weinte bitterlich, rief mehrmals den Thcuren, den sic mehr als ihr Leben liebte — aber umsonst! Als sie seinen Körper erkalten sah, und an seinem Tode nicht mehr zweifeln konnte, zerfloß sie in Thronen, und lief dann, von Angst, getrieben, um ihre vertraute Kammerfrau zu rufen. Sie entdeckte ihr den ganzen Vorgang, und nachdem sie vereinigt das Gesicht des Abgeschiedenen mit ihren Thräuen gebadet hatten, rief sie aus: „Da es dem Himmel gefallen hat, mir ihn zu rauben, so will auch ich nicht länger leben. Aber bevor ich meinem Da- seyn ein Ende mache, laß uns zur Rettung meiner Ehre dafür sorgen, die enge Verbindung zu verbergen, die unter uns bestand, und den Körper zu beerdigen, dessen edler Geist, ach! entflohen ist."
Die Vertraute antwortete ihrer Gebieterin : „O meine Theuerste, denkt nicht darauf, euch selbst das Leben zu nehmen. Eine solche That würde euch um das Vergnügen bringen, den Geliebten in jener Welt wieder zu sehen. Ihr würdet dann an einen schlimme« Ort gerathen» wohin
euer Gemahl wohl sicher nicht gegangen ist, dann er war ein guter junger Mann. Tröstet euch, und denkt lieber darauf, feiner armen Seele durch Gebet und andere Mittel zu nützen, wenn er vielleicht ein Vergehen auf sich gehabt haben sollte, das noch gebüßt werden müßte. Den Leichnam , denk' ich, begrabe» wir im Garten ; hier wird man ihn nie aufspüren, weil seine Besuche an diesem Orte ein Geheimniß sind. Billigt ihr die scn Vorschlag nicht, so laßt uns > jh>, über die Mauer hin an die Straße bringen, wo er liegen mag. Morgen wird man ihn finden, in sein Haus bringen, und seine Freunde werden ihn begraben."
(Die Fortsetzung folgt.)
Der kluge Narr.
Die Herzogin d'Anville war sehr auf das Lottospiel erpicht, und sie verfehlte nicht, bei jeder Ziehung ein Loos zu nehmen. Nun träumte ihr, sie müsse,.um etwas zu gewinnen, ihre Nummern von einem Narren wählen lassen. ,Sie begab sich demnach in das Narrenhaus, und ließ sich von dem Aufseher einen Narren verführen, der nicht ganz den Verstand verlöre« hatte, so daß man mit ihm sprechen konnte. Sie theilte ihm nun ihr Anliege« wegen der drei Zahlen mit. Er läßt sich, eine wichtige Prophctenmiene annehmend, Feder, Dinte und Papier reichen, und schreibt die Glückszahlsn auf. Dann zeigt er der Herzogin den Zettel mit den Worten : „Lesen Sie, und merken Sie sie sich hie Zahlen genau, — Wissen Sie sie nun auswendig?"— „Ja!" — Darauf zerreißt er den Zettel in drei Stücke, roltt diese einzeln zusammen, verschluckt sic und fetzt hinzu:- „Nehmen Sie diese Zahlen 5 morgen wird gezogen, ich stehe Ihnen dafür , daß Sie herauskommen; die Terne kann Ihnen nicht entgehen.