ein Edelmann, Messer- Negxo de Portacarara. Er hatte Kinder, und unter diesen eine Tochter, Andrer ola, ein schönes junges Mädchen. Sie liebte einen der Nachbarn ihres Vaters, einen jungen Mann von niederer Herkunft, aber edlem Gemüth und angenehmer Bildung: Gabriollo mar sein Name. Eine Vertraute des Mädchens entdeckte dem Jünglinge die Neigung ihrer Freundin, und verschaffte ihm zugleich Gelegenheit, sie häufig in einem schönen Garten ihres Vaters zu besuchen. Sie liebten sich in­nig, uns um ihren Bund unzertrennlich zu knüpfen, heiligten sie ihn heimlich durch das Band der Ehe, und setzten nun um so ruhiger ihre frohen Zusammenkünfte fort.

In einer Nacht, als Andrer ola schlief, träumte sie sich in ihres Vaters Garten an G a b r i o l l o's Seite. Sie um­armten sich freudig, ober in der Umar­mung glaubte sie eine ihr unbekannte Ge­stalt von finsterem und furchtbarem An­sehen zu erblicken. Das Ungeheuer nä­herte sich ihr, und auf einmal faßte es ihren Geliebten, riß ihn trotz ihrer Gegen­wehr aus ihren Armen, eilte hinweg mit ihm und verschwand unter der Erde. A n- drer ola versank in liefen Kummer und erwachte. Zwar freute sie sich, nur ge­träumt zu haben, aber eine schauderhafte Erinnerung an diesen Traum blieb in ihrer Seele zurück, und da G a b r i o l l o sie um eine Zusammenkunft in der folgen­den Nacht bat, wandte sie alles an, diese zu hindern. Als er aber dringender bat, beschied sie ihn, aus Furcht, er möchte sonst ihre Treue in Verdacht ziehen, aus den folgenden Abend in ihren Garten. Sie brach eine Menge rother und weißer Rosen, und erwartete damit ihren Gelieb­ten an dem Rande einer klaren lieblichen Quelle.

Gabriollo kam. Nach der zärtlich­sten Umarmung fragte er seine Geliebte: warum sie ihm gestern zu kommen vcrbo-

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ten hatte? And rer ola erzählte ihm ihren Traum, und die traurigen Eindrücke, die ihr davon geblieben waren. G a b r i- ollo konnte sich des Lächelns nicht enthal­ten, und sagte, es sep thöricht, auf Träu­me zu bauen; sie wären nichts weiter, als die Frucht eines erhitzten Geblüts, und täglich erfahre man, wie wenig sie bedeu­ten.Wenn ich, fuhr er fort, auf der­gleichen Hirngefpinnste achten wollte, so war' ich sicher nicht hier. Höre meinen Traum, den ich in der vorigen Nacht hatte. Mir schien es, ich jagte in einer schönen anmuthigen Waldung. Ich hatte rin Reh erhascht, das schönste, das ich je­mals sah. Es schien mir weißer zu seyn als der Schnee, und in wenig-n Augen­blicken war es so vertraut mit mir, daß es nicht von meiner Seite wich. Ich selbst hing so an dem Thiere, daß ich aus Furcht, cs möchte mich verlassen, ihm ein goldenes Halsband anlegte, mit einer gol­denen Kette, woran ich cs leitete. Es schlief mir zur Seite, und ich saß, das Haupt auf die Brust gesenkt, als ein Wind­hund herbeifprang, schwarz wie Kohlen, ausgehungert und furchtbar von Ansehen. Er rannte auf mich zu. Ich wollte ihn abwehren, da fühlte ich schon seine Zahne in meinem Busen. Es riß mir das Herz aus dem Leibe, und eilte hinweg damit. Ich schrie laut auf vor Schmerz, und er­wachte plötzlich. Ich griff an meinen Bu­sen, fand aber keine Wunde, und lachte über den eingebildeten Schmerz. Was ist nun aber das alles? Keines von die­sen wunderbaren und schrecklichen Dingen ereignet sich jemals, und auch mir ist auf diesen fürchterlichen Traum nichts Schreck­liches weiter begegnet, und wird auch nichts begegnen.

Hatte Andrerola vorhin gefürchtet, so ward ihr Herz jetzt noch weit mehr beängstiget. Indessen verbarg sie ihre Furcht so viel möglich vor ihrem Gelieb­ten, um in ihm keinen Verdacht zu erre-