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sie näher znhorcht, wird sie gcw-ahr, das Geräusch komme nicht gerade von Seiten der Thüre her; es wiro an einer Stelle des Täfclwcrks gehört. Die Gräfin er­greift mit der einen Hand ihren Hirsch­fänger, und mit der andern eine Pistole, und stellt sich nahe an die Verdächtige Stelle hin; Vernier ist gleichfalls auf seiner Hut. Indem sie solchergestalt hor­che», öffnet sich eine geheime Thür; sic wird heftig an die Gräfin zurückgestoßen, so daß sie einen Augenblick dahinter zu- rücktrcte» muß. Zwep von Kops bis zum Fuß bewaffnete Männer teeren barfuß herein; der erste leuchtet dem andern mit einer Blendlaterne vor. Sobald die Grä­fin nur wieder hinter der Thüre Vorkom­men kann, hohlt sie mit ihren, Hirsch­fänger in einem so frischen Hiebe aus, daß dem einen Spitzbuben die Hand mit der Laterne auf den Boden absällt. Der zweite, durch einen so muthigcn Wider­stand in Furcht gejagte Mörder entflieht eiligst, ohne sich weiter um feinen Spieß­gesellen zu bekümmern. Die Gräfin und Vernier fasten hieraus den besiegten- scwicht beim Magen, mit ganz leiser Be­deutung, wenn unglücklicher Weise fein Geschrei die im Nebenzimmer schlafenden Personen aufwcckte, würde man ihm auf der Stelle den Garaus machen. Diese Drohung hält ihn im Zaume. Er gicbt nur ein schwaches Geächze von sich, >n- dcß er geknebelt, und an einer der Bett- pfosien mit Streifen gebunden wird, in die zu dem Ende die Bettücher zerschnit­ten werden.

Die Gräfin bringt den übrigen Theil der Nacht in dieser schrecklichen Lage zu; dem gebundenen Böservicht wird, ob er gleich jeden Augenblick ohnmächtig wer­den will, keine Hülfe geleistet.

Beim Anbruch der Morgenröthe ruft Vernier dem Kutscheraus dem Fenster zu, er kommt. Das Haus ist verlassen, die Ei-

gcnlhümcr sind daraus verschwunden. Er schaudert zurück, als er die Gräfin mit einem Blutsirvm umgeben sieht, welcher aus der Wunde des schändlichen Bösc- wichts geflossen ist, dem immer damit er sich nicht rühre, die Pistole auf die Brust hat gehalten werden müssen. Der Be- dlenic eilt hinweg und schirrt die Pferde an, um fo schnell als möglich von diesem Orte des Gräuels und des Verbrechens hinwegzukommcn. Während der Wagen zurecht gemacht wird, läßt die Gräfin ihre Tochter und die Kammerfrau auffiehen; verbietet ihnen aber in das Zimmer hcr- cinzukommen, unter dem Vorwände eines besonder» kleinen Geschäfts, das sie darin vorhabe. Als sie angezogcn find, macht ihnen Vernier die kleine Hintcrlhüre des Kabinets auf, und führt sie an die Kut­sche; sie steigen hinein, ohne irgend etwas von der während der Nacht vorgefallcncn schrecklichen Begebenheit zu vcrmuthen, durch welche ihr friedlicher Schlaf nicht im mindesten gestört worden war: dem Kutscher wurde gleichfalls besohlen, nichts davon zu sagen; die zarte Jugend deS Fräuleins schien diese Vorsicht nothwen- dig zu machen.

Vernier kommt zur Gräfin zurück, und hilft ihr die Bande deS gelungenen- scwichts noch fester zuschnüren. Hierauf geht er mit ihr in das Kämmerlein, und da es nun Heller geworden ist, sehen sie unter dem Bette, das Dernier einige Mi­nuten vorher wcggcfchoben hat, um die kleine Thüre leichter öffnen zu können, einen Leichnam ausgestreckt liegen. Sie untersuchten ihn und entdeckten, er seh fast ganz kürzlich ermordet, und ihm das Herz aus dem Leibe ausgcriffcn worden. Augenblicklich fällt ihnen das gestern Abend ausgetragene eckelhaste Gericht ein. Don dem schrecklichsten Argwohne betroffen und verstört, sinkt die Gräfin beinahe in Ohn­macht, aber ihr Bedienter unterstützt sie.