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Amts- «nö Anzeigehiatt für äev Oberamtsbezirk Calw.
Nr. 186
Donnerstag, den 12 August 1926.
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101. Jahrgang
Besatzungsabbarr im Rheinland.
Verminderung der Besatzung Anfang September.
TU Paris, 12. Aug. Im Quai d'Orsay ist amtlich mitgeteilt worden, dag die Herabsetzung der Besatznngstruppen eine beschlossene Sache sei und noch im Lause des nächsten Monats zur Ausführung gelange. Zahlen über die Verminderung des Besatzungshseres sind nicht bekannt geworden. Auch die deutsche Botschaft, die in letzter Zeit die Verhandlungen geführt'hat, ist nicht im Besitz von zuverlässigem Zahlenmaterial.
Nach einer Morgcnblättermeldung aus Paris wird am Quai d'Orsay erklärt, die Verhandlungen mit Deutschland in der Räumungsfrage seien noch nicht abgeschlossen. In Aussicht genommen sei eine
Verminderung von 70000 auf 50V00 bis 52000 Mann.
Jedoch werde die teilweise Räumung der zweiten und dritten Zone von verschiedenen Bedingungen abhängig gemacht werden, deren Erfüllung von Deutschland zugcsagt werden müsse.
Nach anderen Meldungen ist eine Verminderung der alliierten Truppen um etwa 10 VW Mann vorgesehen. Frankreich werde seine Vesatznngsarmee von 58 060 auf etwa 50 000, die Engländer und Belgier von 12 000 auf 10 000 Mann herab- ssetzen, sodatz von etwa Mitte September ab nur noch ca. 60000 Mann alliierter Truppen im Rheinland stehen würden.
England bestätigt die Verminderung der Besatzungstruppen.
TU London, 12. Aug. Der amtliche englische Funkdienst bringt folgende bemerkenswerte Aeußerung zur Verminderung der Desatzungskräfte im Rheinland:
„Eine Verminderung der Besatzungstruppen im Rheinland wird im nächsten Monat durchgeführt werden, wobei mehrere tausend Mann französischer Truppen zurückgezogen werden."
Es darf bei dieser Gelegenheit in Erinnerung gebracht werden, daß diese Verminderung der Besatzungstruppen einen Teil der „Bersöhnungspolitik" darstellt, die seinerzeit in Locarno verkündet wurde. Damals wurde die Kölner Zone geräumt und das englische Hauptquartier nach Wiesbaden verlegt unter
Tll Berlin, 12. Aug. Gestern mittag vor 12 Uhr fuhr Reichs- Präsident von. Hindenburg vor dem Reichstagsgebüude vor. Er wurde vom RcichstagsprÄsidenten Löbe und dem Direktor des Reichstags empfangen und in die reservierte Mittelloge des Plenarsaales geleitet. Beim Eintritt des Reichspräsidenten erhoben sich die Versammelten von ihren Plötzen. Das Reichs- Kabinett war vollzählig vertreten, ebenso waren die preußischen Minister erschienen. In der Diplomatenloge wohnten die Vertreter der fremden Mächte der Feier Lei. Der Stadt- und Domchor unter Leitung von Prof. Hugo Rudel trug ein altes Volkslied „An die deutsche Nation" vor. Darauf hielt Reichsinnenminister Dr. Külz die Festrede, der wir folgendes entnehmen:
Der Gedenktag der Verfassung von Weimar trage eine ernstes Gepräge, er sei ein Tag der Einkehr, der Selbstbesinnung und der nationalen Sehnsucht. Erst «ine spätere Zeit werde die letzten Maßstäbe für die Zeit seit 1914 finden. Er hoffe, daß dann von unserem Volke geschrieben stehe: „Durch Not und Niederbruch empor zu neuer Höhe". Jeder Einzelne müsse am Schicksal seines Vaterlandes Mitarbeiten. Kein Volk und kein Staat /könne sich auf die Dauer behaupten, wo nicht restlos alle Kräfte entfaltet werden. Wenn ein Volk sich in der Zeit des Nicder- chruchs eine neue Verfassung gebe, so müsse in ihr verkörpert sein der Wille zur nationalen, kulturellen und wirtschaftlichen Wieder- gebürt-
Die Verfassung von Weimar erfülle dieses Erfordernis. Man könne nicht leugnen, daß der hohe ethische Gehalt der Verfassung von Weimar in weiten Kreisen des deutschen Volkes verkannt werde. Dies sei darin begründet, daß die Verfassung des Kaiserreiches der Abschluß einer über viele Jahrzehnte sich -erstreckenden geschichtlichen Entwicklung gewesen sei, geboren in -dm Augenblick, als der alte deutsche Traum von der Einheit eines deutschen Reiches sich erfüllt hatte. Die Verfassung von Weimar dagegen sei entstanden, in der Zeit der tiefsten nationalen Not und sei gekommen als Abschluß der Revolution. Es «gebe kein zweites Beispiel in der Geschichte, wo ein Volk in einer Aeit so furchtbarer Heimsuchungen so schnell Will«« und Kraft zu einer neuen Ordnung seines staatlichen Lebens gefunden habe. Rach Lage der Dinge sei die Schaffung der Weimarer Verfassung der Sieg des staatlichen Selbsterhaltungswillen des deutsch«» Volks gegenüber dem von außen u. innen andrängend. Vernichtungswillen gewesen. Pflicht der Verantwortlichen sei es, di«
gleichzeitiger Verminderung der eirglisch. Streitkräfte von 15000. auf 9000 Mann. Die belgischen Streitkräfte wurden gleichzeitig in die zweite Zone geführt und auf etwa 7—8000 Mann herabgesetzt. Eine gewisse Verminderung fand auch bei den französischen Truppen statt, die aber trotzdem ein großes Uebcrgewicht an Besatzungstruppen behielten. Es ist jedoch zum Ausdruck gebracht worden, daß Briand, sobald er die innerpolitischen Schwierigkeiten in einer zufriedenstellenden Weise überwunden haben würde, seine besondere Aufmerksamkeit wiederum diesen Vesatzungsmaßnahmen zuwenden würde. Briand hat nach Bildung der neuen Regierung in einem Interview erklärt, daß er die Looarnopolitik energisch weiterbctreiben werde und eine Verminderung der französischen Bcsatzungstruppen im Rheinland wird daher in London als die beginnende Erfüllung der seinerzeit gegebenen Versprechungen angesehen.
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Sitzung des ReichskabiZretts.
TU Berlin, 12. Aug. Wie die Morgenblättcr erfahren, wird die für heute.angesetzte erst« Sitzung des Reichskabinetts nach den Ferien schon am Vormittag beginnen und wahrscheinlich den ganzen Tag'in Anspruch nehmen, da die in Berlin anwesenden Minister ausführlich über den Stand der Arbeiten in ihren Ressorts berichten werden. Abschließende Entscheidungen sind nicht zu erwarten. Zur Beratung stehen vor allem Dölker- bundsfragen, Rheinlandsfragen, das Arbeitsbeschaffungsprogramm im Zusammenhang mit der Finanzlage des Reiches, das Reichsehrenmal am Rhein und der Stand der Verhandlungen mit der Reichsbahngesellschaft. Einige Kabinettsmitgliedrr werden Ende der Woche die Reichshauptstadt zur Fortsetzung ihres Urlaubes wieder verlassen.
Reichstag und Handelsprovisorium.
Tll Berli», 12. Aug. Wie der demokratische Zeiiungsdienst erfährt, wird voraussichtlich Ende dieser Woche der handelspolitische Ausschuß des Reichstags zusammentreten, um auf Grund des Ermächtigungsgesetzes vom 10. Juli 1926 zu dem deutsch-französischen Handelsprovisorium Stellung zu nehmen. Das Handelsabkommen soll am 21. August in Kraft treten.
Ideen der Weimarer Verfassung dem deutschen Volke näher zu bringen, um die Teilnahme der Nation an ihrer' eigenen Zukunst zu beleben. Eine Verfassung sei nichts Unvergängliches, aber ihr Bestand werde umso gefestigter sein, je stärker die politischen und wirtschaftlichen Kräfte des Volkes der Gesamtheit dienstbar gemacht werden. Die Verfassung von Weimar tue das. Sie sei als Staatsgrundgesetz Magna charta der deutschen Republik, sie gebe neuen Inhalt der Staatsidec, der Volksidce und der Menschheitsidee.
Die Staatsgewalt gehe vom Volke aus. Sie sei der neue deutsche Staatsgedanke gewesen. Seinen- Inhalt zu erfüllen, sei nicht Sache der Verfassung, sondern des Volkes. Es läge den Republikanern fern, ein Pharisäertum der Republik aufzurichten und kritiklos all das schmälern zu wollen, was der Kaiserstaat an Großem und Bleibendem geleistet habe, aber Achtung und Ehrfurcht vor der Vergangenheit entbinde nicht von der Pflicht, dem Staate der Gegenwart und Zukunft zu dienen. Es scheine deutsches Schicksal zu sein, daß wir um die innere Volkseinheit noch lange würden kämpfen müssen. Jnteressenpolitik verdränge noch allzuoft die großen gemeinsamen politischen Ideen und das Gefühl der Volkseinheit; das Zugehörigkeitsgeftchl zu einem Volke sei die Voraussetzung zu dem von der Verfassung gewollten inneren Frieden. Wohl könnten nicht alle die gleiche politische Meinung haben, aber alle müßten von dem Bewußtsein durchdrungen sein, daß wir Mitglieder einer großen Volksgemeinschaft seien. Ueberall in der Verfassung zeige sich das Bestreben, dem inneren Frieden zu dienen. Das deutsche Volk als Ganzes stelle die Verfassung hinein in den Kreis der Pflichten gegen die Menschheit, von dem Willen beseelt, dem äußeren Frieden zu dienen".
An der Spitze allen Fühlens und Handelns stehe der nationale Gedanke, aber das Zusammenleben der Völker bringe mit Naturwendigkeit innere Berührungspunkte, Gemeinschaftsbedürfnisse. Es müsse das Ziel der Menschheitsentwicklung sein, das völkervereinend« stSrker wirk» zu lassen, als das völkertrennende. Dieses Ziel habe di« Verfassung erkannt, wenn sie den Geist der VölkerversShmmg als Erziehungsziel ausstelle. Man habe diesen Geist als pazifistischen Geist gescholten, aber es komme darauf an, was man unter Pazifismus verstehe. Wenn Pazifismus eine Weltanschauung sei, die kein Verständnis dafür habe, daß der natürliche Selbsterhaltungswille eines Dolles auf seine WehchMMt dringe, daß «S eines Menschen und «ineS
Tages-Spiegel.
Wie aus Paris gemeldet wird, soll Anfangs September eine Be«. Minderung der Besatzungstruppen cintreten-
In Berlin und i» den große» Städten des Reiches fauden am gestrigen Vcrfassungstagc Feiern statt.
Das Reichskabinctt tritt heute zum crsteninal nach den Ferien wieder zu einer Sitzung zusammen.
Der handelspolitische Ausschuß des deutschen Reichstags wird in den nächsten Tagen zusammentreten, um sich mit dem deutsch-frauz. Handelsprovisorium zu beschäftigen.
Die ordentliche Session des stanz. Parlaments ist gestern mit einet Sitzung von Senat und Kammer geschlossen worden.
Der stanz. Finanzausschuß hat eine Erhöhung der Eiscnbahn- tarife beschlossen.
In Belgien steht die sofortige Liquidierung des gesamten sequestrierten Besitzes bevor.
Das Handelsdepartemrnt in Washington wird einen Bericht veröffentlichen, der eine Revision des Dawesplanes vorbereite» soll.
Volkes unwürdig sei, sich ohne Widerstand knechten zu lassen, dann verkörpere ein solcher Pazifismus keine berechtigte Idee. Wenn aber der Pazifismus eine Bewegung sei, die darauf abziele, daß der Krieg immer mehr verschwinde, daß im Zusammenleben der Völker immer mehr die Macht des Rechts und nicht das Recht der Macht das bestimmende Gesetz werde, daß die Streitfragen zwischen den Völkern so weit wie möglich durch friedlichen Ausgleich und nicht durch mechanische physische Gewalt entschieden würden, dann sei dieser Pazifismus die größte Mensch- heitsidee, die es gebe.
Noch auf Jahre hinaus werde das deutsche Volk einen dornenvollen Weg wandern müssen, aber wenn am Ende dieses Weges die innere uiÄ> äußere Freiheit stehe, dann dürfe keine Mühe zu groß, keine Arbeit zu schwer sein. Man müsse bekennen, daß staatsbürgerliche Solidarität und nationales Gemeinschaftsgefühl noch der Vollendung harrten. Alle, die es aufrichtig meinten mit dem Geiste der Weimarer Verfassung» sollten sich zu gemeinsamer Arbeit an den großen und hehren Zielen der Verfassung znsammenfinden. Der alte Staat sei gestürzt, ein neuer Staat sei gekommen, aber das deutsche Volk sei geblieben. Nach der Festrede des Neichsinnenministers ergriff Reichskanzler Marx das Wort zu folgenden Ausführungen:
Es ist ein erfreuliches Zeichen der Wiedererstarkung der Lebenskräfte des deutschen Volkes, daß in immer weiteren Volkskreisen sich die Ueberzeugung Bahn bricht, die Weimarer Verfassung bietet die Plattform, auf der allein der Wiederaufbau unseres Vaterlandes vor sich gehen kann. Wenn heute überall in deutschen Landen der Geburtstag der Verfassung in schlichten» aber eindrucksvollen Feiern begangen wird, so geschieht dies nicht nur, um dankbar der Schöpfer der Verfassung zu gedenken und ein offenes Bekenntnis zu ihr und ihren ethischen Grundsätzen ahzulegen. Es geschieht zu gleicher Zeit, um der Liebe und Treue Ausdruck zu verleihen, die uns alle mit unserem deutschen Vaterland verbindet. Noch immer stehen große Volksteile ablehnend dem neuen Staate gegenüber. Aber wie auch die Einstellung des einzelnen sein mag, darin sind wir alle einig: dem Wöhle unseres Vaterlandes und unseres Volkes zu dienen, still Inhalt und Ziel all unseres Denkens und Handelns sein. Geloben wir am heutigen Tage in diesem Dienst an Volk und Va- terland uns gegenseitig zu überbieten, und niemals den Glauben an die deutsche Zukunft preiszugeben. Ich bitte Sie, Herr Reichspräsident, und Sie, ineine Damen und Herren, in diesem Sinne mit mir auszurufen: Unser geliebtes deutsches VaterlaiH das in der Republik geeinte deutsche Volk, sie leben hoch! '
Senator Vorah
zum Elemeneeaubrief.
TU London, 12. Aug. Senator Borah veröffentlicht durch „Exchange" im Zusammenhang mit dem Briefe Elemenceaus an den Präsidenten Loolidge ein« Erklärung, in der er zunächst betont, daß man die vielen niederträchtigen Anschuldigungen, die in dem Briefe vorhanden seien, nur der Liebe Elemenceaus zu seinem Lande zuschreiben müsst. Die Behauptung, datz Amerika sich bemühe, in Frankreich zu intervenieren, sei absuä». Wenn Frankreich die Schuldenstreichung wünsche, dann müßten alle Schulden- und Reparationszahlungen eingeschlossen sein. Es müsse eine Garantie dafür geschaffen werden, datz der Weg eines solchen allgemeinen Schuldenverztchtes der ganzen Menschheit und Europa zugntekommr, und nicht den imperialistischen Plänen, die gerade den Dvlkerp das Lebenslicht ausbliesen, die in EMer NM: PK den Kries verantwortlick feien.
Die Berfaßrmgsfeier der Reichsrsgienmg.
Die Heier im Reichstag