8. Seite — Nr. 21
Montag, den 28. Januar 1810
Auf Vorposten am Rhein
BerN«, 26. 2an. (PK.-Sonderbericht.) Kalt und dunkel sind die Winternächte am Rhein. Man schützt sich gegen die Kälte, so gut es geht. Der Posten hat dicke Filzstiefel an, stapft aber trotzdem noch von einem Fug auf den anderen, um der Kälte zu wehren, die langsam am Körper hochkriechen will. Dunkel ist es, so dunkel, daß man kaum fünf Meter weit sehen kann. Es ist ruhig, vom Feind hört man nichts, und dach hat die Nacht ihre Geräusche. Die Wasser des Stromes fluten und rauschen immerzu. Gerade vor dem Postenstand liegt ein großer Strudel. Bei Tag steht man die Kreise, die der Strudel zieht. Bei Nacht hört man sein Brausen, das manchmal kurz abbricht zu einer jähen Stille, um sofort wieder lauter und unregelmäßig einzusetzen. Aber dieses Geräusch ist dem Posten längst vertraut.
Seit Tagen führt der Rhein Treibe'?. Große und kleine Schollen treiben, wirbeln und schieben sich durcheinander. Das Knirschen der vorbeitreibenden und sich berührenden Schollen ist zu einem längst bekannten Laut in der nächtlichen Rheinmelodie geworden. Und doch, irgend etwas stimmt nicht. Laute, die der Posten noch nie vorher gehört hat, werden im Dunkeln wach, erst leise und fern, dann lauter und näher — und nun...
Seine Sinne werden hellwach. Er lauscht und späht ins Dunkel, aber seine Sinne können nicht erfassen, was sich da draußen tut. Sind es Schritte, die sich heranschleichen, sind es Menschen, Tiere, oder was mag es sonst sein? Furcht kennt der Posten nicht, aber er gibt doppelt acht. Von rückwärts aus dem Dunkel nähern sich Schritte. Anruf: Parole! Es ist der diensttuende Offizier, der die Wachen abgeht. Der Posten meldet und berichtet, was er gehört hat. „Das ist der Eisgang", meint der Offizier. „Es klingt aber anders!" Sie gehen beide nach vorn und lauschen hinaus in die Nacht. Tatsächlich, das sind Geräusche, die bisher nicht hier zu hören waren. Einmal klingt es wie sich nähernde Schritte, dann wieder, wie wenn Stangen aneinander sich reiben, dann wie Boote, die auf Strand gesetzt werden. Die anderen Wachen werden verständigt und melden, daß auch sie ähnliche Geräusche schon seit einiger Zeit hören.
Doch da, was ist das? Sind die Franzosen verrückt geworden? Plötzlich steigen am feindlichen Ufer Leuchtraketen hoch, und in ihrem fahlen Licht bietet sich ein grandioses Schauspiel. Schwere Eisschollen treiben den Rhein hinab und schieben sich an der Uferböschung zu hohen, dichten Wällen auf.
Die Schollen schieben sich ineinander, bäumen sich auf und brechen klirrend auseinander. Es ist ein Lärmen und Krachen und ein herrliches Schauspiel. Der Posten lacht. Also das waren die geheimnisvollen Geräusche, und der Franzmann hat sie auch gehört und ist nervös geworden. Die französischen Posten jagen Leuchtkugel auf Leuchtkugel in den nächtlichen Himmel. Sie befürchten einen deutschen Angriff. Sogar einzelne Gewehrschüsse pfeifen herüber.
Der Offizier geht weiter die Posten ab. Das Geschiebe und Lärmen dauert an, aber die Posten melden ihm stolz: „Auf Posten nichts Neues." Die Nacht geht weiter, die Posten wachen am Strom, am Morgen liegt ein dichter, hoher Eiswall an beiden Ufern des Rheins. W. Gerth.
Die Rlefenaufgaöe -er Natzrungsmittelverieilung
Die Nahrungssicherung, d.h. eine totale Versorgung gehört zu den wichtigsten Waffen der Kriegswirtschaft. Der geordnete und reibungslose Ablauf der Warenerfassung und Warenlenkung ist für die Stoßkraft der Wehrmacht wie für die Haltung der Bevölkerung von schwerwiegender Bedeutung. Prüfen wir nun heute nach 5 Monaten Kriegs-rnährungswirtschaft den Verlauf der Nahrungsmittelversorgung und -Verteilung, so müssen wir anerkennen, daß die Rationierung bzw. die gerechte Verteilung der Lebensmittel funktioniert hat. Die Marktordnung hat die Aufgabe der totalen Versorgung im wesentlichen gemeistert.
Die geordnete Erfassung und Lenkung, Bearbeitung und Verteilung der Nahrungsmittel stellt dabei eine große Aufgabe dar, die sich nur die wenigsten im eigentlichen Ausmaß denken können. Es sorgen zum Beispiel rund 55 000 Nährstandskaufleute aller Sparten für die erste Stufe einer geordneten Lebensmittelverteilung. Etwa 380 000 Lebensmittelgeschäfte verteilen unmittelbar an den Verbraucher. Dazwischen sind aber noch andere Sparten des Nahrungsmittelgewerbss eingeschaltet, insbeson
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
dere Verarbeitungsbetriebe, die in vielen Fällen das gewonnene Erzeugnis erst zu einem schmackhaften Nahrungsmittel verarbeiten. Dazu gehört zum Beispiel die Mühlenindustrie mit rund 31000 Betrieben, die Obst- und Esmüseverwertungs- industrie mit 1300 Betrieben usw. Es bedurfte allerdings einer Arbeit von mehreren Jahren, bis der Reichsnährstand diesen Apparat in zäher Arbeit für seine Aufgaben, die gerade in der heutigen Zeit ungeheure Leistungen erfordern, ausgerichtet hatte. Heute erweist es sich aber als das einzig Richtige, daß der Reichsnährstand vom Erzeuger bis zum Verteiler alle Stufen der Erzeugung, Be- und Verarbeitung und der Verteilung zusammengefatzt hat.
Kinderarbeit
Das Gcwerbeaufsichtsamt Berlin teilt mit: Durch das auch während des Krieges gültige Gesetz über Kinderarbeit und über die Arbeitszeit der Jugendlichen vom 30. April 1938 ist Kinderarbeit grundsätzlich verboten. Ausnahmen sind nur zulässig mit Genehmigung des Gewerbeaufsichtsamtes für Kinder über zwölf Jahren und zwar nur dann, wenn dem Unternehmer vor Beginn der Beschäftigung die Arbeitskarte des Kindes ausgehändigt worden ist. Die Kinder dürfen, falls die behördliche Genehmigung erteilt ist, nicht vor 8 Uhr morgens, insbesondere nicht vor Schulbeginn, sowie nicht nach 19 Uhr beschäftigt werden. Das immer wieder beobachtete Austragen von Zeitungen, Backwaren, Milch und dergleichen vor 8 Uhr und vor Schulbeginn ist daher unzulässig. Dieses Verbot findet auch auf die Beschäftigung eigener Kinder Anwendung. Zuwiderhandlungen werden streng bestraft.
Schützt auch das Geflügel vor Kalte
Während der kalten Zeit ist es wichtiger als sonst, das Augenmerk auf den Hühnerstall zu legen. Die Tiere sind dann fast ausschließlich auf diesen Raum angewiesen. Der Stall ist gut zu isolieren. Wenn er nicht doppelwandig ist, müssen mindestens die Rückwand und zur Hälfte die Seitenwände mit Strohmatten versehen werden; desgleichen die Decke, die nicht höher als 2,29 bis 2,60 Meter sein braucht. Die Fenster müssen zugedichtet, also gut verschließbar sein und etwaige Luftlöcher an der Rückwand zngestopft werden. Damit sei jedoch nicht gesagt, daß die Luftzufuhr von draußen abgesperrt werden muß. Im Gegenteil! Gerade im Winter ist für gute, regelmäßige Lüftung zu sorgen, damit die Hühner sich im Stall auch wohl fühlen können. Als Einstreu nimmt man jetzt am besten langes und vor allem trockenes Stroh. Es ist wärmer als Sand oder Torfmull und regt die Tiere zum Scharren an, so daß sie fast nie untätig in den Ecken sitzen und frieren. Bei der Fütterung wäre noch zu erwähnen, daß das Weichfuttsr möglichst im Stall, und zwar in angewärmtem Zustand zu geben ist. Zum Anmengen benutzt man am besten warme entrahmte Frischmilch oder Molke. Wenn auch ein großer Teil der entrahmten Frischmilch für die Ferkel verbraucht wird, so ist doch anzunehmen, daß bei etwas gutem Willen noch ein Gefäß voll für unsere Hühner absällt, die ein gutes Eiweißsutter darstellt.
Allerlei Frostleiden
Kräftigen, frischen Menschen kann der Frost nicht viel an- haben, desto gefährlicher aber kann er schwächlichen, gegen das llr.wetter nicht genügend geschützten Personen werden. Erfrorene Ohren und Nasen sind die Folgen des Frostes, ebenso Frostbeulen an Händen und Füßen. Ja selbst, daß Menschen erfrieren, kommt in der rauhen Jahreszeit nicht selten vor. Allen diesen Gefahren aber kann-man begegnen, wenn man die nötige Vorsicht walten läßt. Die Kälte, die unsere Haut zuerst trifft, führt an der betreffenden Stelle eine Stockung der Säfte herbei. Eine Schwellung macht sich bemerkbar, und die Haut nimmt eine blaurote Färbung an. Finger und Zehen, Nasen und Ohren können am ehesten davon betroffen werden. Hat der Frost schärfer eingewirkt, so bilden sich Blasen, die Geschwüre hinterlassen und Eiterungen zur Folge haben. Schließlich können einzelne Glieder gänzlich absterben. Will man die Folgen einer leichten Erfrierung beseitigen, so hüte man sich zvnächst, allzu rasch den betreffenden Körperteil wieder zu erwärmen. Vielmehr reibe man die erfrorenen Stellen mit Schnee oder kaltem Wasser ab. Schwere Fälle erfordern unbedingt die Hilfe des Arztes. Am leichtesten erfrieren die Ohren, die ziem
lich dünn sind und vom Kopfe mehr oder weniger abstehen. Aehnliches gilt von der Nase. Die Hände erfrieren oft, wenn zu enge Handschuhe getragen werden. Die Füße frieren nicht so leicht, besonders nicht, wenn das Schuhwerk in Ordnung ist.
— Verloren gegangene Reichskleiderkartcn werden nicht e-, setzt. Es mehren sich die Fälle, in denen von einzelnen Volkn- genossen behauptet wird, sie hätten ihre Reichskleiderkarte verloren und benötigen deshalb eine Ersatzkarte. In diesen Fällen kann eine neue Kleiderkarte nicht ausgestellt werden. Der bisherige Karteninhaber kann höchstens bei nachgewiesenem dringendem Bedarf im Einzelfall ausnahmsweise einen Bezugsschein erhalten..
Der Msnd ist aufgegangen
Zeitbild von Ludwig Bäte
Der Saal, den man notdürftig aus einer zerschossenen Scheune gebaut hatte, war bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Truppe hatte einen berühmten Vortragsmeister aus Berlin cingeladen. Freilich kannten ihn nur wenige, aber die sprachen mit leuchtenden Augen von ihm und waren den ganzen Tag in tiefer, gelassener Fröhlichkeit. Auch die anderen gingen gespannt hin, nachdem sie erfahren hatten, daß es eine besondere Unterhaltung geben würde. In den Seelen der Soldaten brannte etwas. Damals war das schon leise gekommen, als man durch wellendes Korn und durch die Nebhänge des Rheins fuhr und die Berge in gewaltiger Schönheit aufstiegen. Wie sehnsüchtig manches Auge an der Lerche hing, die einsam über den Gräben sang! Wie begierig die Hände nach den Büchern griffen, in denen von dem Lande gesprochen wurde, das man doch so wenig kannte, wenn es auch die Heimat war. Aber in den Unterständen lachten ihre Schönheiten in hundert Bildern von den Lehmwänden.
Auf einer Erhöhung, von der sonst der Oberst sprach, stand der Mann, eine hohe Gestalt und schon leicht ergraut. Unter den buschigen Augenbrauen ein paar gütige, stille Augen. Einfach und schlicht sprach er einige Geschichten. Er erzählte von alten Tagen. Vergangene Geschlechter trugen ihr tiefes, treues Leben durch ihre Zeit. Dämmerige Säle, blanke Mahagonimöbel, bunte Gärten und darüber Lavendelduft und Nosenruch, zierliche Lieder aus verstaubten Spinetten. Dahinter rauschte das Meer. Von eines Hundes rührender Treue sprach er, von selbstgenllgsamen Menschen im dritten Stock. Seine Stimme floß wie ein klarer Wiesenbach über Hellen Kieseln. Eine Amsel sang, und oben wandelten heitere Wolken.
Dann füllte ein wunderbares Gedicht den dämmerigen Raum. Ein einfacher Mann schuf es einst, als der norddeutsche Abend über den Wiesen hing. „Der Mond ist aufgegangen..." Stille. Nur die beiden Kerzen am Pult knisterten. Hin und wieder hebt sich eine Brust zu tiefem Atemzuge. Deutsches Land!
lieber den fernen Bergen verglutete der Tag, tiefrote Streifen glommen. Eine Glocke sang über die Dorfdächer. Hinten quollen Nebel aus den Wiesen, dicht, in breiten Schwaden. Das Posthorn klang verloren zu den Wanderern am Waldrand herauf. Aus den Wipfeln klomm der MonÄ. Zusehends wurde er runder und voller. Dann stieg er wie eine goldene Scheibe am tiefblauen Himmel hoch. Sterne wachten in überreicher Fülle auf und tauchten dem unendlichen Raum in geheimnisvollen Glanz. Wie die dunklen Linden rauschten, die Fliederbüsche dufteten! In der Kammer wiegte die Mutter ihr Kind, der Mann dengelte seine Sense, und mit stillem Blick sah der Großvater nach oben, ein Patriarch, der mit den Sternen Zwiesprache hielt. Langsam tropften die Worte. Wie das Heimweh brannte!
Der bärtige Mann stützte schwer das Haupt. Wie ein Steinbild lehnte der Hauptmann am Pfosten. Da hob sich die Stimme zu visionärer Größe: „Wölbst endlich sonder Grämen aus dieser Welt uns nehmen durch einen sanften Tod." Sie hatten es oft vergessen, nun stand es wieder in voller Klarheit vor ihnen. Da hinten giftiger Geifer, der alles das ersticken wollte, was aus den Tiefen der Ewigkeit gestiegen war und über dem die Sterne Gottes in eigenem Glanze leuchteten: Deutsches Land!
st 0 ^ ^ von wo ff. 0 ^ ^ 6
vuncn osu-c« neirre« veeno/cu
(73. Fortsetzung.)
Mit größter Spannung verfolgten die Zuschauer besonders Klaus.
„Es gefällt mir nicht, sein Laufen." sagte Manager Krause zu dem Staatssekretär. „Er läuft zu ichwer Das Federnde in seinem Laufe fehlt. Vergleichen Sie die Leute miteinander "
Der Staatssekretär nickte und beobachtete stumm weiter.
„Es ist der erste Tag Bedenken Sie. wie lange Klaus Michael ausgesetzt hat."
„Das ist es eben Der Jammer! Das hat den Mann für die Olympiade unbrauchbar gemacht"
„Sie geben Klaus Michael wenig Chancen."
„Gar keine Siegeschancen."
„Sie sehen zu schwarz, mein Bester."
„Ausgeschlossen. — Herr Staatssekretär. Sie müssen sich doch überlegen, welche ungeheure Nervenle.slung Klaus Michael zur Olympiade erwartet Die Aufregung der Masse, die Spannungsströme teilen sich den Akteuren mit. Ich glaube nicht, daß Klaus Michael noch genügend Nerven- kräfte in sich hat. um zur Olympiade erfolgreich stehen zu können. Ich glaube es nicht einmal von Werner Michael."
„Die Olympiade wird's zeigen "
Nach Beendigung des halbichnellen Laufens teilte Klaus dem Staatssekretär mit, daß lein Training für heute beendet sei. Er schien angestrengt zu sein.
„Schon?"
„Ja. ich muß mich erst wieder einlaufen."
„In vier Wochen ist die Olympiade."
„Und wenn sie über acht Tage ist, so dürfte ich heute keinen Augenblick länger trainieren."
Als er nach raschem, herzlichem Abschied wieder im Auto saß, fragte ihn der Staatssekretär: „Haben Sie in bezug auf Diät bestimmte Wünsche?"
„Ich danke. Herr Direktor Holtamer vom Sinsheimer Zuchthaus war so freundlich, sie der hiesigen Gefängnisverwaltung zu übermitteln "
„Das war gut so. Herr Direktor Holtamer war Ihnen recht gut gesinnt."
„Ich bin ihm zu größtem Danke verpflichtet," sagte Klaus mit großer Wärm'.
» *
A
Selbstverständlich waren am ersten Trainingstage auch eine Anzahl Berichterstatter auf dem Sportplätze, und am nächsten Tage sprach sich die Presse über Klaus pessimistisch aus.
Die Reporter stellten fest, daß Klaus Michaels Training einen lehr stumpfen Eindruck gemacht habe. In der „B. Z. kam sogar ein Arzt. Geheimrat Dr Silling, zu Worte, der auf Grund seines medizinischen Rüstzeugs bewies, daß es ausgeschlossen iei. daß die Brüder Michael zur Olympiade den Sieg an sich reißen könnten.
Sehr vernünftig ließ sich der Berliner „Dörsencourier" aus. der allen den guten Rat gab, die Olympiade abzuwarten und nicht schon jetzt die Pferde scheu zu machen.
Das Wort wirkte, und die Diskussion über das wahrscheinliche Resultat der Olympiade unterblieb Aber die Spannung stieg von Tag zu Tag.
» »
Frau Maya von Syrtinghall war in Begleitung Mister urlinbrokes und einigen hervorragenden amerikanischen Portsleuten in Berlin eingetroffen.
Ihr erster Gang war. Werner aufzusuchen, den sie mit Kerpen zusammen in der gemeinsamen Wohnung in Charlottenburg antraf.
Sie fand ihn sehr bedrückt. Alle Herzlichkeit in seinem Ton vermochte den Eindruck nicht zu zerstreuen.
„Du bist voll Sorgen. Werner?"
Er nickte schwer.
„Es ist um Klaus."
„Was ist mit ihm?"
„Er schafft's nicht. Er quält sich ab, und doch geht es nicht mehr Seit vier Tagen treiben wir kein anderes Training als halbschnelles Laufen, und es strengt Klaus schwer an. ^ Er läuft ganz stumpf?
Sie iah die namenlose Qual, die in seinen jungen, schönen Zügen arbeitete.
„Es sind noch über zwei Wochen Zeit."
„Was sind zwei Wochen Wir haben fünfzehn Jahre gebraucht, um soweit zu kommen. Von Kind an Tag um Tag sind wir gelaufen, haben kaum einen Tag versäumt."
Frau Maya nahm seine Hand.
„Liebster, ich verstehe von alledem nichts, aber ich sage mir immer, daß Klaus wohl erst ein paar Wochen laufen muß, ehe er das lange Aussetzen wieder wettgemacht hat. Hast du nicht mit Klaus über alles gesprochen?"
„Ja Er spricht wenig. Oft bleibt er Antworten schuldig.
Er leidet unter einer Zwangsidee. Er sagt sich ständig, daß Hanna die Wahrheit über sein Schicksal erfahren könnte. Der Gedanke quält chn unaufhörlich,"
Hilflos hörte es die schöne Frau und verbiß die aufsteigenden Tränen.
Sie fühlte sich weiter denn je von dem ersehnten Glück entfernt.
« »
«
Herr Purlinbroke aus Neuyork war aufs tiefste betroffen, als er durch Maya die von Werner ausgesprochene Befürchtung erfuhr
„Läßt sich da gar nichts tun? Wenn ich zu der jungen Dame hinfahre und sie aufkläre?"
„Um Gottes willen, das wäre ihr Tod."
„Kann man die Brüder nicht trainieren sehen?"
„Morgen früh fahren wir nach Charlottenburg."
Als sie am nächsten Tage zusammen auf dem Sportplätze standen, ließ der Amerikaner kein Auge von den prächtigen Gestalten der beiden Brüder.
„Famose Burschen!"
Seine Augen glitten taxierend an ihnen herunter.
„Eigentlich etwas zu groß als Läufer. Seit wann laufen sie?"
„Seit dem siebenten Lebensjahre, glaube ich."
Gespannt verfolgte er den halbschnellen Lauf.
„Ich glaube, der Werner sieht etwas ichwarz. Heute war das Laufen bestimmt ohne Tadel. Und die Luft ist ihm nicht knapp geworden. Er scheint sich nicht ausgeben zu wollen "
Werner hatte dasselbe Gefühl wie der Amerikaner, und es spornte ihn zu stärkster Leistung an.
.Was nun?" fragte er Klaus.
.Eine Stunde Turnen."
.Kein Hürdenlauf? Es wäre sicher recht gut."
,Heute nicht. Werner."
.Wollen wir nicht einmal hundert Meter springen?" .Nein, Bruder, am Tage vor der Olympiade, nicht eher." .Aber warum nicht. Bruder?"
,Es tut mir leid, wenn ich unseren gespannten Zuschauern nichts für's Auqe biete, aber ich muß an mich denken, nicht an die anderen. Ich will Sieger sein, Werner "
Wie aus Bronze gegossen waren seine Züge. Nur Wille lebte in ihnen.
Beim Turnen überraschte Klaus alle durch lein ausgezeichnetes Können am Reck. Der junge Körper bewies, daß er von seiner Geschmeidigkeit nichts eingebüßt hatte.
Alle wurden hoffnungsvoller, als sie ihm zuschauten. Besonders Mister Purlinbroke iah vergnügt aus die drei.
„Ich glaube, Miß Syrtinghall, wir werden mit dem Klaus eine famose Ueberrajchung erleben."
(Fortsetzung folgt.)