K. Seite — Nr. 221
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter
Dienstag, den 21. September IW
Im Westwall-Vorfeld
Die „OT." beim Wiederaufbau in den Vorfelddörfern
NSK. Dort drüben liegen die Spicherer Höhen. Erinnerungen steigen in uns auf: Hier ist die Stätte, wo der Geist des Frontarbeiters, der sich beim Vormarsch überall bewährte, geboren wurde. Hier arbeiteten im Jahre 1839 unsere Männer erstmalig rm Angesicht der feindlichen Front, hier gab es den ersten Beschütz auf den Baustellen, die ersten Verwundeten und die ersten Toten. Für mannhafte Haltung auf diesen Baustellen erhielten auch die ersten Frontarbeiter das EK. Hier wurde der Westwallschafsende zum Frontarbeiter
Und heute nun sind in diesem Gebiet des Vorfeldes wieder Frontarbeiter, die zum Teil schon halb Frankreich gesehen haben, am Werk. Ihr Einsatz gilt der Beseitigung von Kriegsschäden in den vorgeschobenen deutschen Dörfern, der Herrichtung der Wohnungen und Höfe für den Empfang der Bevölkerung, die jetzt Zug um Zug wieder heimlehrt. Durch Saarbrücken sind wir vorhin gekommen. Die Stadt, die wir von der Zeit her kennen, da sie noch ohne Bevölkerung war, bietet jetzt wieder ein Bild des normalen Lebens. Die Geschäfte sind geöffnet, irgendwo sehen wir einen Wochenmarkt, in die Eäststätten ist der Betrieb zurückgekehrt, die Strotzen sind angefüllt- mit frohen, glücklichen Menschen. Nur die Schilder „Herzlich willkommen in der Heimat" erinnern daran, datz der Strom der Heimkehrer immer noch fließt.
Hier in den Dörfern des Vorfeldes aber ergeben sich noch andere Bilder. Wenn auch die Kriegsschäden nicht mit dem zu vergleichen sind, was wir in Frankreich oder Belgien sahen, so sieht man doch hüben wie drüben Sprengtrichter, Granateinschläge, zerstörte Brücken, vom Luftdruck der Explosionen abgedeckte Dächer, aus den Angeln gesprungene Türen, herabgefallenen Putz. Nur wenige Bewohner sind in diese weit vorgeschobenen Dörfer bereits zurückgekehrt. Und dennoch herrscht Leben in ihnen, ein fleißiges Getriebe, wie man es wohl nicht einmal zu normalen Zeiten sehen würde.
Die Straßen der Ortschaften, durch die wir jetzt hindurchfahren, bilden einen einzigen großen Bauplatz. Fast an jedem Haus legen die Frontarbeiter Hand an. Hier zimmern die Schreiner ein neues Scheunentor, dort schneiden Zimmerleute die Balken für einen neuen Dachfirst, drüben stehen die Maurer aus Gerüsten, um Löcher im Mauerwerk, die von Eranateinschlä- gcn Herllhren, auszubessern oder der Hausfassade einen ganz neuen Putz zu geben. Hoch über uns turnen Dachdecker auf Leitern und Dachbalken. Ziegel um Ziegel hängen sie ein, damit ein neues, schmuckes Dach bald fertig werde.
Im Innern der Häuser werken Stukkateure und Tapezierer, denn nicht nur das Aeutzere erhält ein neues Gesicht, sondern auch die Stuben selbst sollen blitzsauber an die Heimkehrer übergeben werden.
Viele Häuser stehen schon im neuen Schmuck da. Ihre Dächer und Fensterscheiben blitzen in der Sonne, und als Stempel stillen und fleißigen Schaffens hebt sich weiß vom Fensterglas das Zeichen der OT. ab. Die Frontarbeiter haben die Fertigstellung ihrer Arbeit quittiert.
Die Aufgabe der OT. im Westwallvorseld geht aber über die reinen Wiederherstellungsarbeiten hinaus. Im Zuge des Einsatzes werden gleichzeitig die Grundlagen zu einer umfassenden Dorfverschünerungsaktion im Sinne der Landesplanung gelegt. Viele Häuser, die schon vor dem Kriege baufUlig und alt waren, sind zum Abbruch bestimmt, der jetzt von den OT.-Männern durchgeführt wird. Sie werden im Rahmen des zweiten Bauabschnittes durch neue, solide Bauten ersetzt, in die die Heimkehrer dann einziehen. An Stelle unschöner, das Dorfbild verunstaltender Schuppen und Scheunen werden neue gebaut, die sich gut in das Gesamtbild der Siedlung einfügen. Auch da, wo die Fluchtlinie und damit die gerade Stratzensjih- rung durch vorgebaute Häuser gestört wird, legt man die störenden Gebäude nieder und schafft dafür Neubauten oder baut man entsprechend der Notwendigkeiten das Vorhandene um.
So finden wir die Froniarbeiter an einigen Stellen an neuen Straßenführungen arbeitend. Verbreiterungen werden geschaffen, neue Plätze angelegt, Bürgersteige und Radfahrwege gebaut und Straßenbefestigungsmauern zementiert.
Das Zeichen der OT. drückt dem Vorfeld des Westwalles auch jetzt wieder das Gepräge auf. Unter ihm werden die Ortschaften nicht nur wieder gut. sondern sie werden besser, als sie vor dem Kriege waren. Die Heimkehrer sollen eine schönere Heimat wiederfinden. Hansjörg Klöckner. (X)
verschiedenes
Der lange Abend
Jeden. Tag bricht die Dunkelheit ein wenig früher herein. Es sind immer nur Minuten, die das fortschreitende Jahr von uns nimmt, und doch wachsen sie an zu Stunden, die im Sommer noch mit Tageshelle ausgefüllt waren und jetzt bereits im Dämmerschleier des Abends verschwinden.
Der Tag wird kurz, der Abend lang — das ist das erste Zeichen des Herbstes. Zuerst ist man traurig darüber, denkt bekümmert den langen Hellen Abenden nach, die man noch im Freien verbringen konnte, seufzt ein wenig, wenn jeden Tag ein wenig früher die Lampe eingeschaltet werden muß Bald aber kommt etwas anderes, was wir ganz vergessen hatten: die Freude an dem langen Abend, die Freude an den stillen Stunden im Heim, der friedliche Genuß des Feierabends nach einem langen und reichlich ausgefüllten Arbeitstag.
Wir alle sind heute weit stärker als in gewöhnlichen Zeiten eingespannt in das große Räderwerk der Arbeit. Umso mehr
aber empfinden wir das Glück des Feierabends, wenn wir von der Arbeit heimkommen und wenn nun noch ein paar stille Ruhestunden vor uns liegen. Nun gilt es, den langen Abend irgendwie auszufüllen, und das tut jeder auf seine Weise. Zunächst erlebt man jetzt im Herbst, wo sich das Leben wieder mehr ruf das Haus konzentriert, wieder viel stärker als im Coming das Glück des Familienlebens. Denn solange es abends lang? hell war, waren auch immer irgendwelche Familienmitglieder unterwegs, vielleicht auf dem Sportplatz, vielleicht saß man noch in einem kleinen Gartenlokal beim Glase Vier im Freien, vielleicht spielten die Kinder bis zur Dunkelheit vor dem Haus oder man machte einen Spaziergang durch die abendlichen Straßen. All das fällt jetzt fort. Da rückt die Familie einander wieder näher.
Der verkannte Zahnstocher
Wenn heute eine regelmäßige Zahn- und Mundpflege in wei- testen Kreisen unseres Volkes zur Selbstverständlichkeit geworden ist, so verdanken wir diese begrüßenswerte Tatsache nicht zulebt der immer wieder einsetzenden Aufklärungsarbeit- der Gesundheitsberufe, die eine Zahnpflege weniger aus kosmetischen als vielmehr aus gesundheitlichen Gründen fordern. Vielfach beschränkt man sich allerdings bei der Reinigung des Gebisses ans -die Zahnbürste, ohne zu bedenken, daß auch andere Instrumente wertvolle Dienste zu leisten vermögen. So wird in letzter Zeit von hervorragenden zahnärztlichen Forschern des In- und Auslandes immer wieder auf die Bedeutung eines Seidenfadens uni des Zahnstochers zur Zahnrelnigung aufmerksam gemacht. Zweifellos erfüllt der Zahnstocher dann seinen Zweck, wenn es gilt festgeklemmte Speiseteilchen ans den Zahnzwischenräumen zu ent! fernen; denn die verhältnismäßig weichen Borsten der Zahnbürste sind nicht imstande, in diese Zwischenräume einzudringen so daß Gefahr besteht, daß hier, durch den Zersetzungsprozeß der Speisereste begünstigt, gefahrdrohende Vakterienherde entstehen. Notwendig ist es allerdings, mit einer gewissen Sorgfalt den Zahnstocher zu benutzen und nicht hier für alle möglichen Gegenstände des täglichen Gebrauchs eine neue Aufgabe zu erblicken. Als zweckmäßig erweisen sich vielmehr jene hygienisch verpackten Holzstäbchen, die als solche geeignet sind, mitzuhelseu im K ampf gegen die Zahnfäule.
— Lustschutzehrenzeichen für besondere Verdienste. Mit Rück ficht auf die Kriegsverhältnisse hat der Reichsluftfahrtminister und Oberbefehlshaber der Luftwaffe die Möglichkeit geschaffen, das Luftschutzehrenzeichen in besonderen Füllen außerhalb der sonst vorgesehenen Fristen zu verleihen. 2n Betracht kommen solche Fälle, in denen sich die Vorzuschlagenden im Zusammenhang mit feindlichen Luftangriffen besonders ausgezeichnet haben, ohne daß jedoch die Verleihung des E. K. oder des Kriegsverdienstkreuzes in Betracht kommen.
Der Reichsarbettsdtensl für die weibliche Jugend hilf» der Bäuerin lin HauS und
dem Bauern aus dem Feld.
Aufnahme: Liselotte Purver (M).
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Die Arbeitsmaid verrichtet einen Teil der Feldarbeit für den «ungezogenen Bauern
Aufnahrne: Liselotte Purper (M).
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Sie hielt seinen drohenden Blicken stand, ohne mit der Wimper zu zucken.
„Und was wollen Sie von mir?" fragte Grith, mit einer Stimme, die trotz des glänzenden Dolches vor ihren Augen nicht ängstlich klang. In ihrem Antlitz lag eine eiserne Entschlossenheit.
Er steckte diabolisch lächelnd das Stilett ein.
„Zuerst geben Sie mir mal Ihr Handtäschchen 'rüber. Außerdem geschähe es sehr zu Ihrem Vorteil, wenn Sie mir auch die soeben auf dem Bahnhof empfangene Mappe mit den Raimundaktien aushändigen würden. Oder glauben Sie, daß ..."
„Die sollen Sie haben!" unterbrach Grith und zog blitzschnell die Hand mit dem Revolver aus der Tasche.
„Sitzen bleiben! Bei der geringsten Bewegung, die Sie machen, drücke ich ab. Legen Sie die Hände aus den Rücken!"
Sie stand auf und drückte dem überraschten Verbrecher die Mündung der Waffe auf die Stirn. ^
Lipinski sah sie mit haßerfüllten Augen an.
Sie griff mit der linken Hand in seine innere Brusttasche, zog das Stilett heraus und warf es unter die Bank, was ein wütendes Zähneknirschen des Mannes hervorrief. Dann versuchte sie, den 'Arm weit von sich streckend, die Notbremse zu ziehen.
Lipinski. der jede ihrer Bewegungen genau verfolgte, wartete nur auf den Augenblick, in dem sie die Waffe von seiner Stirn löste. Denn um die Notbremse zu erreichen, muhte sie wenigstens zwei Schritte nach links machen.
Im selben Augenblick, als das geschah, fuhr seine Hand nach vorn und schlug ihren Arm zur Seite. -
Der Revolver entlud sich zwar, doch ging die Kugel in die Polsterung.
Er stürzte mit einem raschen Sprung auf sie los und umklammerte ihr Handgelenk. Die Waffe entlud sich ein zweites Mal, doch ohne zu treffen. Dann fiel sie polternd zu Boden. Lipinski legte seinen Arm um ihre Brust und drückte Grith auf die Polster. Das Gewicht seines Körpers nahm ihr den Atem. Einen Augenblick lang war alles finster um sie. Dann fühlte sie plötzlich, wie seine rechte Hand sich um ihre Kehle legte, um sie am Schreien zu verhindern.
Sie wehrte sich mit Händen und Füßen. Sie kratzte, biß und versuchte ihn mit ihren Beinen zu umklammern, um ihn zu Fall zu bringen. Doch war sie der brutalen Kraft dtzs Mannes nicht gewachsen.
Obwohl ihre Fingernägel sich tief in seine rechte Hand gruben, die schon stark blutete, ließ sein Griff nicht locker. Er preßte ihr die Kehle mit solcher Gewalt zusammen, daß sie seine Adern dunkel heroortreten sah.
Sie sagte sich verzweiflungsvoll, daß er sie schließlich überwältigen würde. Sie sah nur noch schwach das unrasierte Gesicht des Mannes. Ihre Blicke umflorten sich und gelbe Funken tanzten vor ihren Augen.
Aber als schon ihre Hände, die sich zuletzt nur mehr schwach zur Wehr setzten, schlaff herunterfielen, vernahm sie in ihrem Unterbewußtsein noch ein leises Klopfen an der Tür.
Dann verlor sie die Besinnung. "
*
Rolf Hartung, der es kaum erwarten konnte. Grith von seinem glänzenden Erfolg bei Kapitän Paulsen Mitteilung zu machen, stand bei der Einfahrt des Zuges in Nargi am Fenster seines Abteils und blickte suchend über den Bahnsteig.
Es war nicht ganz einfach, bei dieser jammervollen Beleuchtung einen einzelnen Menschen aus der Menge herauszufinden. Doch sah er auf einmal dicht vor der Trinkhalle, in der Dunkelheit nur undeutlich erkennbar, ein junges Mädchen in weißem Kostüm stehen, das suchend über den Bahnsteig blickte.
Das mußte Grith sein.
„Grith! Grith!" rief er einige Male hinüber. Doch das junge Mädchen hörte merkwürdigerweise nicht. Einmal blickte sie sogar zu ihm herüber, doch ohne 'ein Zeichen des Erkennens zu geben. Er rief noch zweimal, als sie nicht reagierte, verließ er sein Abteil und stürzte auf sie zu „Grith! Hörst du denn nicht?" Aber, dann blieb er enttäuscht stehen. Das war ja gar nicht Grith. „Verzeihen Sie, ich glaubte ..."
Das Mädchen kam auf ihn zu.
„Entschuldigen Sie. Sie sind sicherlich Herr Madochey?"
Er schüttelte den Kopf.
„Nein, das bin ich nicht."
Das junge Mädchen einfach stehen lassend, blickte er wieder über den Bahnsteig. Aber von Grith war nichts zu sehen. Sollte sie nicht mitgekommen sein? Er konnte es sich nicht gut denken. Sie hatte doch genug Zeit gehabt.
Kopfschüttelnd ging er zu seinem Wagen zurück und stieg wieder ein. Als er sich aber zum Fenster hinausbeugte, sah er noch in letzter Minute ein junges Mädchen in weißem Kostüm über den Bahnsteig laufen und in einem der letzten Wagen einsteigen. '
Das mußte nun aber Grith gewesen sein. Vielleicht hatte sie im Wartesaal erst eine Erfrischung eingenommen und sich dabei verspätet. Anders konnte er sich ihr langes Ausbleiben nicht erklären.
Er zog sein Fenster hoch, trat auf den Gang hinaus und ging von Wagen zu Wagen. Gleich hinter dem Speisewagen traf er auf den Schaffner, der ihn darauf aufmerksam machte, daß in den letzten'vier Wagen nur Damen der Zutritt gestattet sei.
Hartung zog einen Geldschein aus der Tasche und drückte ihn dem Mann in die Hand. . '
„Ich bin sogleich wieder zurück. Ich möchte nur eine junge Dame abholen."
„Das ist natürlich etwas anderes. Bitte sehr." D^r Beamte lächelte ihm freundlich zu und verschwand im Speise-
wagen.
Fortsetzung solch.) -