8. «eite Nr. 150
Naaolder Tagblatt „Der Gesellschafter'
Freitag, den 30. Juni 193g
Sonnenstich oder Hitzschlag
Gewöhnlich werden die Begriffe von Sonnenstich und Hitzschlag wahllos für zwei einander ähnliche Erscheinungen gebraucht. Während man unter Sonnenstich die unter starker Sonnenbestrahlung von Kopf und Nacken herbeigeführten Krankheitserscheinungen versteht, bedeutet der Hitzschlag einen bei schwüler, feuchter Witterung, besonders bei körperlicher Anstrengung austretenden Erschöpfungszustand. Sonnenstich äußert sich dagegen dadurch, daß der Betroffene plötzlich unter Herzschwäche und Luftmangel zusammenbricht und bewußtlos wird. Das Gesicht ist stark gerötet und die Haut recht warm bis heiß, so daß die Körpertemperatur bis 42 Grad Celsius Fieber anzeigt. Allerdings weist der vom Hitzschlag betroffene Kranke ebenfalls Herzschwäche auf, der in schweren Fällen Delirien folgen.
Bei Sonnenbädern hüte man sich vor Uebertreibungen und vergesse nie, Kops und Nacken zu beschatten. Zu Hause und in Arbeitsräumen sorge man stets für gute Lüftung und Kühlung der Arbeitsstätten. Den vom Sonnenstich oder Hitzschlag Betroffenen bringt man sofort Hilfe, indem man ihn an einen schattigen Ort bringt, seine Kleider lockert, den Kopf hoch lagert und diesen sowie Brust und andere entblößte Körperteile mit kühlendem Wasser besprengt. Handelt es sich um einen schlimmeren Fall, so daß der Atem aussetzt, so ist schleunigst künstliche Atmung geboten, schon bevor der Arzt eintrifft.
Auf Wanderungen soll man zum Schutze gegen die Gefahren zu starker Sonnenbestrahlungen stets nur leichte, poröse Kleidung anlegen und Sei längeren Märschen durch brütende Sonnenhitze unbedingt den Kopf durch eine leichte, die Sonnenglut ableitende Kopfbedeckung schützen. Zur Löschung des Durstes ist auch übermäßiges Wassertrinken kein geeignetes Mittel, weil die Schweißabsonderung dadurch in hohem Maße gefordert wird. Ueber- mäßigen Alkoholgenuß sollte man unbedingt vermeiden. Am geeignetsten sind kalter Kaffee oder die überall in Ausflugsorten, Sommerfrischen usw. erhältlichen kühlenden und durstlöschenden Getränke aus Fruchtsüften oder Ptrcme.
Wann ist ein Platz im Znge belegt?
lieber die Frage, wie ein Platz im Zuge zu belegen ist, herrschen unter den Reisenden immer noch die verschiedensten Ansichten. Während der eine seinen Anspruch durch eine auf den Sitz geworfene Zeitung wirksam angemeldet zu haben glaubt, versucht der andere sein Recht auf den Platz durch einen ins Gepäcknetz gelegten Hut oder durch den an den Kleiderhaken gehängten Mantel zu sichern. Beides reicht jedoch nicht aus. Die am 1. Oktober 1938 in Kraft getretene neue Eisenbahn- Verkehrsordnung klärt diese — namentlich in der Hauptreisezeit — immer wieder aufkommende Streitfrage durch folgende eindeutige Bestimmung: Wer seinen Platz verläßt, ohne ihn deutlich sichtbar — nicht durch Zeitungen und Zeitschriften — zu belegen, verliert den Anspruch darauf.
Buntes Allerlei
Licht verlofch bei der Operation
In einem Krankenhaus von Chesterfield, England, spielte sich eine dramatische Szene ab. Während einer besonders schwierigen Operation ging das elektrische Licht aus. Der Chirurg ließ sofort bei der Polizei anläuten, und nach wenigen Minuten waren Polizisten mit Taschenlampen zur Stelle, so daß die Operation glücklich zu Ende geführt werden konnte.
Der „unbekannte" Mascagni Der Komponist der „Cavalleria Rusticana", Pietro Mascagni, der mit seiner ersten „veristischen" Oper aus dem sizilianischen s Vauernleben im Jahre 1890 die Reihe der modernen Musikora- ! men in Italien eröffnet«, ist jetzt mit der großen Medaille der ! Musikakadcmie Santa Cevili ausgezeichnet worden. Bei der gro- i ßen Feier in Rom, die zu Ehren des jetzt 76jährigen Mascagni ! stattfand, führte der auch in Deutschland bekannt und beliebt , gewordene Meister Bernardo Molinari den Dirigentenstab. , Man hörte bei dieser Gelegenheit auch Stücke aus anderen Wer- s len des italienischen Tonmeisters.
9
Warum erledigt er nicht, wie sie vorhin Vorschlägen hatte lassen, seine Geschäfte mit dem Inspektor, den ihr Brude> manchmal zu solchen Arbeiten mit herangezogen hatte, und der sich jetzt in allen diesen Dingen besser auskennt wie sie selbst?
„Ernst Overbeck", liest sie auf der Karte.
Im kleinen Salon begrüßt sie sehr höflich ein mittelgroßer, kräftiger Mann von etwa vierzig Jahren.
„Gute Manieren scheint er wenigstens zu haben", stellt das Mädchen bei sich fest, um sich dann an den Besucher zu wenden.
..Sie kommen ii- Sachen unserer Versicherung und wollen durchaus mich persönlich sprechen, obgleich ich mich um diese Dinge bisher nie bekümmert habe und Ihnen daher kaum etwas werde sagen können. Bitte, nehmen Sic Platz!"
Der Mann blickt aus klugen Augen zu ihr hin.
„Ich muß vielmals um Entschuldigung bitten", sagt er dann mit einem Lächeln, das Verzeihung heischt. „Ich mußte Ihrer Leute halber etwas von der Wahrheit abweichen..."
„Was soll das heißen?" fragt Gina ein wenig empört.
„Das soll heißen, daß der Name, den Sie auf meiner Karte gelesen haben, wohl richtig ist, nicht aber der angegebene Beruf. Ich bin Kriminalkommissar und beauftragt, festzustellen, wer der Mörder Ihres Bruders des Barons Adalbert von Facius, ist..."
Ein klein bissel neugierig ist das Mädel jetzt doch,
Overbeck ist der erste Kriminalbeamte, mit dem es zu tum hat. Und es muß festftellen, daß er ganz anders aussieht als das Bild, das sie sich bisher aus Romanen und Filmen von einem Detektiv gemacht hat. Aber die Musterung fällt nicht ganz zu Overbecks Ungunsten aus.
„Es ist mein Bemühen, Ihnen möglichst alle Aufregung zu ersparen, die vielleicht mein Besuch mit sich bringen könnte", sagt er dann sehr freundlich. „Ich werde also meine Fragen auf das Nötigste beschränken-
Don seinen eigenen Mene« getötet
Ein dramatischer Zwischenfall ereignete sich in Grimston, Großbritannien. Ein Imker, der. von einem Schwarm seiner Bienen überfallen worden war, stürzte hilferufend durch die Straßen der Stadt. Vor seinem Hause brach er ohnmächtig zusammen. Bevor ein Arzt herbeigerufen werden konnte, war der Bienenzüchter bereits an den Folgen der zahllosen Stiche gestorben.
Was bedeutet TV 3718?
Wer veim Passieren von Parkplätzen sich die Wagen näher anphaut, der wird oft eigenartige Kennzeichen daran festgestellt haben. Es ist nicht so, daß z. B. TV gleichbedeuten wäre damit, daß der Wagen einem Turnverein gehört. Wenn auch schon viele Wagen in unserem Vaterlande laufen, so gibt es doch kaum Turnvereine, die eigene Wagen besitzen, geschweige denn ein eigenes Kennzeichen haben. Wagen mit dem Kennzeichen TV haben ihren Standort in unserem nunmehr zum Vaterland zurückgekehrten Gau Tirol-Vorarlberg. Um Jrrtümer zu vermeiden, geben wir nachstehend die neuen Kennzeichen der im vergangenen Jahre ins Reich heimgekehrten Gaue wieder: W gleich Wien, Nd gleich Niederdonau, Od gleich Oberdonau, Sb gleich Salzburg, St gleich Steiermark, K gleich Kärnten, TV gleich Tirol-Vorarlberg, S gleich Sudetengau.
Schmetterlinge verfinstern den Himmel
Daß Heuschrecken den Himmel verfinstern können, ist bekannt. Seltener ereignet es sich, daß Schmetterlinge in so gewaltigen Scharen auftreten, daß sie der Sonne den Weg zur Erde versperren. Aus dem Departement Drome in den französischen Alpen wird von einem solchen Naturereignis berichtet. Während mehrerer Stunden zogen riesige Schwärme von Schmetterlingen über dem Gebirge hin. Nur einige, die wahrscheinlich vom Flug erschöpft waren, fielen zur Erde nieder. Die alten Leute aus dieser Gegend wissen, daß ähnlich große Schmetterlingsschwärme bereits im Jahre 1880 beobachtet wurden. Man nimmt solche Ereignisse als sichere Anzeichen für einen plötzlichen Witterungsumsturz. In der Tat zog nach einigen Stunden ein Gewitter herauf, das nach wochenlanger Hitze einen erfrischenden Regen brachte.
Aenderungen im deutschen Rundfunksendernetz
In der Nacht vom 20. zum 21. Juni 1939 erhielten die Rundfunksender Graz und Klagenfurt Eleichwellenbetrieb auf Welle 886 kHz (338,6 Meter), die Rundfunksender Nürnberg und Innsbruck auf Welle 5.19 kHz (578 Meter). Gleichzeitig wurde der Rundfunksender Linz auf' Welle 1267 kHz (236,8 Meter) um- gescheitet. Die neue Eleichwellensendegruppe Eraz-KIagenfurt sendet eigenes Programm, die Eleichwellensendegruppe Nürnberg-Innsbruck und der Rundfunksender Salzburg wurden an München und der Rundfunksender Linz an Wien angeschlosscn.
Muß der Hund bellen?
Törichte „Hundemoden" — Das Neueste aus Amerika — Der stumme Hund
Wir haben uns langsam daran gewöhnt, daß auch der Hund in die Mode hineingezogen worden ist. Es gibt seit einiger Zeit ausgesprochene Modehunde und — unmoderne Hunde. Zu den „unmodernen" Hunden gehören zum Beispiel seit längerer Zeit der Mops und der Spitz. Sogar dem Pudel begegnet man immer seltener. Zu den ausgesprochen „modernen" Hunden gehören allerhand Zwergrassen, die sogenannten „Drahthaarigen" und die eigentümlichen Hunde, die Schafen so verblüffend ähnlich sehen. Wo ist der alte liebe „Affenpintscher" geblieben, wo der Bernhardiner? Gewiß begegnet man ihnen noch, aber selten, und es handelt sich entweder um ältere „Herrchen", die zäh an ihren Lieblingen festhalten, oder um wirkliche Kenner, die vernünftige Hunde und keine „Modetiere" wollen. Womit keineswegs gesagt sein soll, daß viele Modehunde nicht nebenbei durchaus richtige und schöne Hunde seien.
Aber man hat viel neue Spielarten gezüchtet und man züchtet immer weiter. Dagegen ist gar nichts zu sagen, vorausgesetzt, daß richtige Hunde mit allen normalen Hundeeigenschaften dabei herauskommen. Jetzt aber erreicht uns eine kleine Nachricht aus den Vereinigten Staaten, daß es
oort erstmalig gelungen sei, eine Hundeart zu züchten, die nicht mehr bellt.
Vielleicht gibt es den einen oder anderen nervösen Zeitgenossen, der bei dieser unwahrscheinlichen Nachricht etwas erleichtert aufgeatmet hat. Nicht bellende Hunde — schön! Das hat sich mancher schon lange gewünscht. Es sind meist dieselben Leute, die nicht nur gegen das Vellen der Hunde, sondern auch gegen Kinderlärm, überhaupt gegen jedes Geräusch sind, dessen Schallwellen ihre ungemein empfindlichen Ohren treffen können. Möglich, daß diese Leute die Meldung von den nicht bellenden Hunden aus Amerika mit Genuß gelesen haben. Jeden wirklichen Hundeliebhaber aber hat das kalte Grausen gepackt. Ein Hund, der nicht mehr bellen kann? Was ist das eigentlich? Eigentlich — gar kein Hund mehr. Niemand wird bestreiten, daß Hunde, die eine gewisse angeborene Leidenschaft für das Vellen haben, also sogenannte „Kläffer", erheblich lästig fallen können. Aber das sind doch wohl Ausnahmen. Im allgemeinen bellt ein Hund nur dann, wenn er nach seinem Hundeverstand Grund dazu zu haben glaubt. Er bellt also, wenn jemand an der Tür ist, und das bezeugt seine Wachsamkeit, er bellt, wenn ihn ein anderer Hund reizt, und das ist ebenso natürlich, und er bellt auch mitunter, wenn er sich aus tiefstem Hundeherzen über etwas freut. Soll man ihn wegen eines solchen Vellens schelten?
Schließlich und endlich macht auch hier die Erziehung enorm viel aus. Gut erzogene Hunde bellen nie ohne Grund. Es kommt naürlich darauf an, für welchen Zweck ein Hund erzogen wird. Ein Blindenhund muß natürlich anders erzogen werden, das heißt, er muß bei anderen Gelegenheiten sein Organ benutzen, als etwa ein Polizei- oder Meldehund. Bei jedem Wachhund ist es durchaus erwünscht, wenn er gegebenenfalls von seinem Organ recht kräftig und nachhaltig Gebrauch macht.
Aber ein Hund, der gar nicht mehr bellen kann? Dem man die Stimme — vorausgesetzt, daß das überhaupt mög- s lich ist — einfach „weggezüchtet" hat? Gewiß macht er kei- l neu überflüssigen Lärm mehr, und vielleicht legen seine Besitzer nicht den geringsten Wert darauf, daß er wachsam sei. Aber dieser stumme Hund, der nur noch frißt und spazieren geführt wird, der also endgültig zum Dekorationsstück degradiert worden ist, müßte doch gerade für seine Besitzer eine beständige Anklage sein. Solche Leute sollten sich doch dann eine anständige Schildkröte halten, also ein Tier, das bekanntlich auch recht anhänglich sein kann und nicht den geringsten Laut von sich gibt, auch wenn es — man behauptet das von Schildkröten — hundert Jahre alt wird.
MrlMaf!
Hauptversammlung Deutsche Linoleumwerke. In der HV. der
Deutsche Linoleumwerke AG., Bietigheim-Württemberg, in der ein AK. von 18 429 200 RM. nominal mit einer Stimmenzahl von 154 292 vertreten war, wurde der Abschluß für das Geschäftsjahr 1938 ohne Aussprache genehmigt (10 Prozent, davon 2 Prozent an den Anleihestock). Außerdem wurde eine aus formalen Gründen erforderliche Ergänzung des Jnteressenge- meinschaftsvertrages mit der Continentalen Linoleum Union s genehmigt.
! Fritz Häuser AG.» Backnang. Die HV. der Fritz Häuser AG., Backnang, nahm den Abschluß für das Geschäftsjahr 19338 sowie den Geschäftsbericht zur Kenntnis und beschloß, eine Dividende von 6 Prozent (i. V. 5) auf das AK. von 4 Milk. RM. zu verteilen. Im Bericht wird hervorgehoben, daß die Betriebe mit der gleichen Gefolgschaftsstärke wie im Vorjahr voll beschäftigt waren.
Wiirtt.-Hohenz. Privatbank AE. Die Württembergisch- Hohenzollerische Privatbank AG.. Tübingen, berichtet für 1938, daß die Kreditwünsche voll befriedigt werden konnten. Die Bankeinlagen haben gegenüber dem Vorjahr zugenommen. ebenso hat sich auch der Bestand an eigenen Effekten erhöht, desgleichen hat sich die Liquidität gebessert. Das Institut weist einen Ueberschuß von 31866 (36 467) RM. ! aus. woraus 6000 RM. an die gesetzliche Rücklage dotiert > und eine chprozentige Dividende verteilt wird (wie im Vor- l fahr).
möchte aber zugleich bitten, mir auch alles zu sagen, was Sie wissen."
„Aber natürlich, Herr Kommissar, natürlich werde ich das tun, meinem armen Bruder bin ich das ja schon
„Ich freue mich, daß meinem Amt und meiner Aufgabe keine Schwierigkeiten bereitet werden."
Und nun läßt sich Overbeck kurz die Vorgänge im Herrenhaus schildern von dem Augenblick an, da Rögg die Glocke zog und die Schreckensbotschaft ins Haus brachte
- „Es ist Wenig, was Sie mir sagen können", meint er ! dann, „und überdies ist das alles schon in den ersten : Niederschriften festgelegt. Demgegenüber wird Sie ge- ! wiß interessieren, daß wir in einer Hinsicht wenigstens : etwas weiter sind..."
! „Was wissen Sie?" unterbricht ihn Gina voller Spannung. „Wissen Sie, wer meinen Bruder tötete?" > Overbeck schüttelt ^>en Kopf.
! „Wenn ich das wüßte, würde ich nicht hier sitzen und Fragen stellen. Eine untergeordnet scheinende, aber vielleicht für die kommende Untersuchung sehr wertvolle Feststellung war mir immerhin beschieden. Ich kann Ihnen sagen, aus'was für einer Waffe die Kugel abgefeuert wurde ...!"
„Das wissen Sie! Oh, sprechen Sie doch!"
„Die Waffe kann ich Ihnen ziemlich genau beschreiben Vielleicht können Sie mir dann weiterhelfen und mir sagen, ob einer Ihrer Bekannten eine solche be
sitzt ..."
„Einer meiner Bekannten? Haben Sie denn schon einen begründeten Verdacht?"
„Verdacht... hm, vielleicht in bezug auf einen gewissen Personenkreis, nicht aber auf eine bestimmte Person. Aber lassen Sie mich Ihnen zuerst das Gewehr
erklären..."
„Haben Sie es denn gesehen? Ach nein, Sie sagten ja..."
„Ich bin wohl einigermaßen sachverständig im Waffenwesen, ich ziehe meme Schlüsse aus dem aufgefundenen Geschoß. Und das verrät mir allerhand. Es handelt sich um eine sogenannte Expreßpatrone mit einem Kaliber von 11,6 Millimeter..." l „Damit weiß ich noch nichts anzufangen."
„Das glaube ich Ihnen sehr gern. Aber ich kann ! Ihnen sagen, wie ungefähr das Gewehr aussehen mag, ! das wir als Mordwaffe betrachten müssen. Man ver- ! wendete die Expreßpatronen vor der Einführung des ! Stahlmantelgeschosses und des rauchlosen Pulvers. Dar- I ans ergibt sich, daß es sich um ein Hahngewehr han- ! dein muß, nicht um einen modernen Selbstspanner. Also
wollen Sie sich bitte vorstellen: eine Büchse mit Damast- lauf, unseren Gußstahl kannte man damals bei den Jagdwaffen noch nicht. Und dann noch etwas: die Expretzpatronen waren keine handelsübliche Ware, sie fanden nur in teueren, meist nach Wünschen der Besteller gelieferten Waffen Verwendung. Demnach darf ich schließen, daß das gebrauchte Gewehr in seinem Äußeren dem einer Luxuswaffe jener Zeit entspricht. Und wiederum folgere ich aus dem gleichen Umstand, daß weder ein Wilddieb noch ein wirtschaftlich nicht aus Rosen gebetteter Förster oder Bauernjäger die Waffe besitzen kann. Wissen Sie, wo wir sie suchen müssen?"
Gina gibt ihm keine Antwort. Vielleicht hat der Kommissar auch gar nicht auf eine solche gewartet, er fährt in seinen Ausführungen so.t:
„In den Waffenschränken der Herrenhäuser der Umgebung müssen wir sie suchen, nirgends anderswo. Und nun denken Sie bitte nach: eine Büchse, wahrscheinlich eine Doppelbüchse mit Damastläufen, mit äußeren Hähnen, und sicherlich nach dem Geschmack der Zeit mit Schloßgravur, Schnitzerei, Gold- und Elfenbeineinlage. Haben Sie irgendwo in den Jagdzimmern der benachbarten Gutshäuser oder in der Hand eines Jägers aus Ihrem Bekanntenkreis eine solche Waffe gesehen?"
Gina senkt den Kopf, damit der Beamte ihre Erregung nicht bemerken soll. Sie weiß es nur zu genau: eine solche Waffe trug am Todestag des Bruders Heinold von Rögg, ihr Verlobter ...
„Sie überlegen", spricht Overbeck leise, „demnach scheint mir, als wenn Sie sich auf den Anblick einer solchen Büchse besinnen könnten..."
„Nein!" sagt in diesem Augenblick Gina von Facius schroff. „Ich kann mich nicht besinnen, je so ein Gewehr gesehen zu haben."
Overbeck ist etwas überrascht. Warum plötzlich diese Entschiedenheit und Bestimmtheit, nachdem das Mädchen eben noch so sehr mit der Antwort auf seine Frage beschäftigt zu sein schien?
„Ich würde Sie bitten", wiederholt er deshalb eindringlich, „doch recht genau nachzudenken. Ich muß wissen, wo eine solche Büchse im Schrank steht, und wer eine solche an jenem für Ihren Bruder so verhängnisvollen Tag getragen hat."
Nun liegt auch in seiner Stimme ein harter, zwingender Klang.
„Ich kann Ihnen aber nichts sagen..."
(Fortsetzung folgt.)