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Nr. 182

Amis- unä Anzeigeblatt für äen Oberamlsbezirk calrv

Samstags den 7. August 1926.

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101. Jahrgang

Das MWastsprovi

Günstige Beurteilung in Paris.

Kokanoivsti über das deutsch-französisch« Wirtschaftsprovisorium.

TU Paris, 7. Aug. Handelsminister Dokanowski erklärte Nach Sldjchluß des deutsch-französischen Wirtschaftsprovisoriums einem Vertreter desPetit Parisien", die Unterzeichnung des Abkommens bilde den Abschluß langwieriger Verhandlungen. Die deutsche Zurückhaltung habe ihren Hauptgrund in der Un­beständigkeit der französischen Währung und in der beständigen Entwertung des Frankens gehabt. Die vorbereiteten Stabilisie- rungsmatznahmen hätten diese Hindernisse hinweggeräumt. Eines der wichtigsten Ergebnisse der Unterzeichnung des Vertrages sei, daß er einen Schritt zur allgemeinen europäischen Besriedung be­deute und die Wiederaufnahme freundlicher Beziehungen zwi­schen den beiden ehemals feindlichen Ländern fördere.

Weitere Einzelheiten aus dem Handelsprovisorium.

Zu dem deutsch-französischen Handclsprooisorium erfährt die Telunion noch folgende Einzelheiten: »

In dem Abkommen ist ungefähr die Hälfte der Fragen ge­regelt, die in den fast zweijährigen Verhandlungen zur Sprache gekommen sind. Es ist das erste Abkommen, das auf Grund des Ermächtigungsgesetzes zum Abschluß von Handelsverträgen zu­standegekommen ist. Es wird am Montag abend im Reichs­auzeiger veröffentlicht werden und dann den gesetzgebenden Kör­perschaften, dem Reichsrat und den Reichsratsausschüssen zuge­leitet werden, sodatz, wenn nicht besondere Schwierigkeiten ein- treteu, das Abkommen am 20. August in Kraft treten kann. Das Provisorium gilt auf 8 Monate. Wichtig ist in dom Abkommen eine gewisse automatische Sicherung gegen französische Zollerhö­hungen. Danach können die französischen Zölle um 10 Prz. nur dann erhöht werden, wenn der französische Großhandelsindex eine Steigerung von 50 Prozent aufweist. Geregelt sind fer­ner Fragen des Reiseverkehrs und der Niederlassung auf der Grundlage der Meistbegünstigung. Die Zulassung von Aktien­gesellschaften, soweit diese überhaupt erforderlich ist, geschieht vollkommen paritätisch. Für die französischen Mandatsgebiete gelten mit Ausnahme der Kolonien Marokko und Indochina die­selben Abmachungen wie mit dem Mutterland,:. In Kolonien mit eigenen Zolltarifen genießt Deutschland die Meistbegünsti­gung. In der Niederlassuugsfrage konnte Endgültiges noch

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nicht abgemacht werden. Deutschland hat sich mit der Zusage des möglichsten Wohlwollens begnügt. Es ist aber kein Zweifel darüber gelassen worden, daß dieser Zustand nur wählend der 6 Monate des Provisoriums erträglich ist. Auch auf dem Ge­biet« der konsularischen Vertretungen besteht die Meistbegünsti­gung. Deutsche Konsulate sind unter anderem in Algier und Le Havre vorgesehen. Di« deutsche Delegation glaubt, die Interes­sen der deutschen Landwirtschaft und Industrie ausbalanziert zu haben. Die französischen Wünsche auf Zulassung von Wein und Aepfeln sind nicht durchgedrungen. Für die Einfuhr französi­scher Weine und Aepfel gilt also der autonom« deutsche Zoll­tarif.

Der Temps zum Abschluß des Handelsprovisoriums.

TU Paris, 7. Aug. Der Temps schreibt zu dem Abschluß des deutsch-franz. Handelsprovisoriums, dpß das Abkommen das Vorwerk zu einer Gesamtregelung der wirtschaftlichen Be­ziehungen zwischen Frankreich und Deutschland bedeute. Der Vertrag sei ein Anfang, von dem mau eine glückt. Entwicklung der Beziehungen beider Länder und einen Ausgangspunkt für eine Politik der Gleichordnung der wirtschaftlichen Interessen Deutschlands und Frankreichs erwarten könne, von der man in Frankreich wie in Deutschland die besten Resultate für die Be­festigung des Friedens im Westen erhoffe. Der Temps erinnert an die Erklärungen, die Briand dem Vertreter de: Neuen Freien Presse gegenüber gemacht hat und fährt fort, daß die Absichten des franz- Außenministers von dem aufrichtigen Geiste der Ein­tracht und des Friedens getragen feien, aber es hänge nicht al­lein von Frankreich ab, ob diese Politik der Entspannung heil­same Wirkungen erziele, es sei erforderlich, daß Deutschland mit derselben Aufrichtigkeit antworte, und daß es nicht versuche, aus der Politik von Locarno sofortige Vorteile zu ziehen. Die Andeutungen der letzten Tage ließen vermuten, daß Deutsch­land aus seiner Zulassung zum Völkerbund und aus der Politik der Annäherung die Gelegenheit zu einem Kuhhandel herlciten wolle, die man nur schwer als das Anzeichen eines guten Wil­lens auslegen könne- Es hänge jetzt von Deutschland ab, den Beweis des Geistes der Versöhnung und der Aufrichtigkeit um des Friedens willen zu geben.

Poirrearss ImrmZpolmk.

Am die Ratifizierung

der Schuldenabkommen.

Das Finanzprvjekt der Regierung im franz. Senat.

TU Paris, 7- Aug. Der Senat ist gestern nachmittag um 3 Uhr zusammengctreten, um die beiden von der Kammer ange­nommenen Finanzprojekte über die Einsetzung der Amortisa­tionskasse und die Devisenkäufe der Bank von Frankreich durch­zuberaten. Zu Beginn der Sitzung legte der Ministerpräsident »ein Senat die beiden Gcsetzesprojekte vor, die darauf vom Senat an die Finanzkommission zur Prüfung überwiesen wur­den. Die Finanzkommission ist darauf sofort zusammengctreten, um die Gesetzesvorlagen durchzuberaten. Es scheint, daß sich der Senat gestern nicht mehr mit den Regierungsvorlagen be­schäftigt hat, sondern daß erst in der heutigen Vormittagssit­zung trotz des Drängens des Ministerpräsidenten das Projekt durchberaten wird.

Wicderstand gegen die Ratifizierung des Washingtoner Schuldenabkommens.

TU Paris, 7. Aug. Für heute Nachmittag ist die Kommis­sion des Auswärtigen der Kammer zusammenbcrufen worden, um den Berichterstatter für die bevorstehenden Verhandlungen über die interalliierten Schulden zu ernennen. Man erwartet, daß die Finanzkommission und die Kommission des Auswärti­gen der Kammer am Montag eine gemeinsame Sitzung abhalten werden, in der der Ministerpräsident Erklärungen über die Ab­sichten de Regierung in Bezug auf die Ratifizierung des Lon­doner und Washingtoner Abkommens geben wird. Die Absicht der Regierung, in nächster Woche bereits die Ratifizierung der Schuldenabkommen mit London und Washington vor die Kam­mer zu bringen, haben überall lebhafte Diskussionen ausgelöst.

In den Wandelgängen der Kammer herrschte gestern nachmit­tag auf die Ankündigung der Regierung, noch vor den Ferien die Ratifizierung der Schuldenabkommen zu verlangen, eine außerordentliche Nervosität. Die Gruppe der demokratisch-repu­blikanischen Union (Gruppe Marin) und die Awischengruppe für öfentliches Wohl traten zusammen. Die republikanisch-demokra­tische Union, die Gruppe Marin, beschloß, gegen, die Ratifizie­rung zu stimmen. Die Zwischengruppe für öffentliches Wohl sandte eine Delegation zu Poincare, die thm erklärte, daß die Regierung ihren Beistand finden werde. Mn wichtiges Mit­glied der FinamkommMon erklärte in den Wandelgängen, daß

die Negierung in der Kommission keine Mehrheit für die Ratifi­zierung finden würde.

Die Negierung ließ gegenüber den pessimistischen Erklärun­gen in den Wandelgängen aiikündigen, daß sie bisher die Kom­mission nicht davon in Kenntnis gesetzt habe, daß die Regierung auf eine Ratifizierung vor den Ferien bestehe. Es ist möglich, daß die Regierung infolge des Widerstandes der Parlamenta­rier sich in letzter Stunde zum Rückzug in dieser Frage ent­schließt.

In der Kammer verlautet, daß infolge der neuen Spannung die Frage der Ratifizierung nicht im heutigen MiiMcrrat, son­dern erst am Montag geprüft werde. Die Haltung der Par­teien und der Zwisthengruppe der Kammer ist zum Teil in ab- .fÄwächenver Weise wiedergegebcn worden. So behauptet der Temps", die Gruppe Marin habe die bedingte Ratifizierung der Schuldenabkommen beschlossen und die Zwischengruppe für öffentliches Wohl beabsichtig; lediglich eine Adresse an das ame­rikanische Volk zu richten. Das Finanzministerium suchte die Gerüchte, wonach sich i» parlamentarischen Kreisen große Schwie­rigkeiten gegen die Ratifizierung bemerkbar machen, dahin ab­zuschwächen, daß erklärt werde, Poincare habe sich lediglich mit dem Präsidenten der Finanzkommission darüber geeinigt, daß ein Spezialberichterstattcr zur Prüfung der Abkommen von London nach Washington sofort bestimmt würde, daß aber keine Entschei­dung über die Debatte bereits vor den Ferien beabsichtigt sei.

Der Kulturkampf in Mexiko.

Die mexikanische Regierung gibt nach?

TU NewyoA, 7. Aug. In Mexiko werden für den kom­menden Sonntag neue Riescndemonstrationen der Arbeiter­schaft erwartet. Der Vermittlungsvorschlag der Kirche Perus wurde vom Präsidenten Calles abgelehnt. Er war aber bereit, die Entscheidung über den Streit dem Parlament zu überlassen. Die Meldungen aus Mexiko lauten durchweg wieder ernster. Die Presse Newyorks fährt mit dem Abdruck mexikofeindlicher Mel­dungen fort. Die amerikanische Regierung erklärte, daß sie, falls es nötig sei, die amerikanischen Bürger in Mexiko mit allen Mitteln gegen Enteignung schützen werde. ES verlautet, daß der amerikanische Botschafter in Mexiko am 13. August vorüber­gehend Mexiko verlassen werde, nachdem er vorher eine scharfe Note wegen der mexikanischen .Petroleuntmaßnahmen überreicht habe.

Tages-Spiegel.

Das deutsch-französische Wirtschaftsprovisorium findet in Paris eine günstige Aufnahme-

Poincare hat sich entschlossen, die Ratifikation der Schuldender» träge mit Amerika und England noch vor den Parlaments­ferien zu fordern.

In der franz. Kammer stößt die Forderung Poincares bezüglich der Ratifikation der Schuldcnverträge auf starken Wiedcr- stand.

Briand besprach gestern mit dem russischen Botschafter Rakowski die Frage der russischen Schulden an Frankreich.

Der amerikanische Staatssekretär Mellon hatte eine Unterredung mit Mussolini und erklärte sich befriedigt über dessen Finanz­pläne.

Ein polnischer Ministerrat hat gestern beschlossen, den Posten eines Generalinspektors der Armree z» schaffen, der Pilsudski zugcdacht ist.

Die deutsche Frobenins-Expedition hat ihre 14wöchige schwierige Fahrt durch die Zentral-Nubischc Wüste erfolgreich abgeschlos­sen. Die wissenschaftlichen Ergebnisse sind außerordentlich befriedigend.

Rückkehr normaler Verhältnisse- TU Newport, 7. Aug. Die letzten Meldungen aus MexikS erklären einmütig, daß im Lande wieder normale Verhältnisse zurückgekehrt seien, und die Regierung überall die Truppe« von den Kirchen zurückziehe. Nach genauen Feststellungen find bei den Unruhen in der Stadt Mexiko 20 Personen getötet uni 40 verwundet worden-

Völkergemeinschaft und Nation.

Ein Vortrag Dr -Seipels.

TU Aachen, 6. Aug. Zu einem Vortrag überVölkerge­meinschaft und Nation", den Dr. Seipel am Mittwoch abend im Rahmen der Herbsttagung der katholischen Akademiker im Neuen Kurhaus hielt, war eine große Anzahl Vertreter der weltlichen und geistlichen Behörden erschienen. Dr. Seipel führte u. a. aus:

Daß wir über die Nation hinauskommen müssen, um zu der Gemeinschaft der Völker zu kommen, scheint unbestreitbar zu sein- Heute haben wir die Aufgabe, über die Völker hinaus die Völkergemeinschaft aufzustellen. Gerade in unseren Tagen ist die Völkergemeinschaft dringend notwendig. Als Beweis will ich folgendes anführen: Die Verträge, die den Weltkrieg been­den sollten, enthielten das Kapital vom Völkerbund. Möge man diesen Völkerbund, wie er durch die Verträge unter einem Diktat der Sieger eingeführt worden ist, bewerten wie man will, auf jeden Fall sehen wir, daß die Idee der Völkergemeinschaft zu jener Zeit, als die Verträge geschaffen wurden, als ein unbe­dingtes Postulat vor den Menschen gestanden hat. Niemand, am wenigsten der Völkerbund selbst, darf es wagen, von einer überstaatlichen oder übernatürlichen Organisation zu sprechen, wenn er vom Völkerbund redet.

Der Völkerbund, wie er jetzt besteht, ist eine Bereinigung der einzelnen Völker. Aber es ist noch nicht gelungen, ein wirkliches Band zu finden, daß diese lose Bereinigung zu einer Gemeinschaft machen könnte.

Es fehlt das Band der Autorität. Der tiefste Grund, warum es nicht gelingt, aus den Rationen eine Völkerbundsgemein­schaft zu machen, ist nicht etwa, wie man glauben möchte, die übermächtige Stärke der Nationen, sondern es ist die Schwäche der Nationen. Wir können nicht die Brücke schlagen von der Nation zur Völkergemeinschaft, weil wir keine iragfähigen Pfeiler haben. Der Begriff Nation ist ein sehr vielseitiger- Manche Nationen, die sich so nennen, sind eigentlich nur Titu­laturnationen, weil sie gar nicht eine innere geschlossene Einheit darstellen und andere sind Nationen, im hohen Sinne, und da beobachten wir, daß das Nationalbewußtsein oder die Ueberspannung des nationalen Selbstbcwußtseins gar nicht gleichen Schritt hält mit der wirklichen Entwicklung der Natio­nen.

Wir stehen vor großen Gefahren gerade auch in unserer Zeit. Diesen Gefahren müssen wir entgegenwirken.

Wir dürfen nicht hoffen, von der Nation zur Völkerge­meinschaft zu kommen, wenn wir nicht erst an unserer Ration selber arbeiten, ftchem wir sie zu der richtige« KSoüsgemeinschaft mache«.