5. Seite — Nr. 134
Naaolder Tagblatt »Der Gesellschafter
Montag, de« 12. Juni 1939
Bauer« iu Tuchfühlung
Landwirte aus aller Welt beraten in Dresden — Deutsche Bauern schulen sich in Leipzig
Es ist gewiß kein Zufall, daß fast zur gleichen Zeit in den zwei benachbarten sächsischen Großstädten Leipzig undDresden zwei Großveranstaltungen abgelsalten werden, die sich in gleicher Weise an den deutschen Bauern und die Landwirte aus aller Welt wenden. In Leipzig ruft die Reichsnährstands-Ausstellung zum Besuch. In Dresden tagen die Vertreter aus 54 Staaten beim 18. Internationalen Landwirtschaftskongretz. Zwischen beiden Städten findet unter diesen Umständen ein reger Austausch statt. In Dresden hat die Agrarwissenschaft, die Theorie den Vorrang. Dort berichten die Wissenschaftler und Forscher, die Präsidenten internationaler Organisationen über die fortschrittlichen Erkenntnisse auf dem Gebiete der Landwirtschaft, der Erzeugungsformen wie der Betriebstechnik und Organisationsprobleme. In Leipzig dagegen steht die unmittelbare Anschauung einer auf die praktischen Bedürfnisse und den nicht völlig mit hohen wissenschaftlichen Erkenntnissen vertrauten Bauern ausgerichteten Ausstellung, kurz gesagt, die Praxis, an erster Stelle. In unstreitig vielen Fällen bestätigt eine Lehrschau der Leipziger Ausstellung Erkenntnisse und Vorschläge, die zur gleichen Zeit in Dresden vom Katheder des Forschers begründet und vorgetragen werden.
Wir dürfen es als Anerkennung unserer landwirtschaftlichen Arbeit betrachten, daß der diesjährige internationale Landwirtschaftskongreß eine Rekordbeteiligung aufweist, wie sie vergangenen Aussprachen zwischen den Landwirten aller Welt nur ganz selten zuteil geworden ist. Es fällt doppelt ins Gewicht, daß trotz vielfältiger ausländischer Angriffe gegen die deutsche Agrarpolitik, trotz der hochgespannten und böswillig vergifteten internationalen Atmosphäre so viele internationale Fachleute die Reise nach Dresden nicht gescheut haben. Dies ist zweifellos der beste Beweis für das hohe Ansehen, das Deutschlands Landwirtschaft in der übrigen Welt genießt. Sachliche Ueberlegungen haben über unsachliche und wahrheitswidrige Ereuelpropaganda den Sieg davongetragen. Die Wahrheit und die Leistung wog mehr als politische Motive. Was auch in den verschiedenen Begrüßungsreden und Eröffnungsansprachen des Dresdener Kongresses deutlich zum Ausdruck kam, nämlich die hohe Anerkennung und Bewunderung, die den Leistungen und dem Weg der neuen deutschen Agrarpolitik im Auslande gezollt werden, das hat letzten Endes zu der erwähnten Rekordbeteiligung geführt, auf die Deutschland mit Recht stolz sein darf.
Die Landwirtschaft im Dritten Reich zählt zweifellos zu den modernsten Landwirtschaften der Welt. Sie hat sich unter der tatkräftigen Führung einer autoritären Regierung entwickelt. Wer ihr seine Anerkennung nicht versagt, der erkennt damit auch die fruchtbare Aufbauckrbeit sind die günstigen Auswirkungen des nationalsoziglistifchen Regierungssystems mittelbar an. Man darf natürlich auch nicht übersehen, unter welchen Umständen der deutsche Bauer zu solchen Hochleistungen geführt werden konnte, von denen auf zahlreichen Dresdener Referaten wie aus den Lehrschauen der Leipziger Ausstellung Zeugnis abgelegt wird. Der Zwang zur Erzeugungsschlacht,'die dringende Notwendigkeit, deutsches Bauerntum zu erhalten und aus der Not der Systemzeit zu erretten, trugen wesentlich zu den Erfolgen bei. Wenn die Nahrungsmittelversorgung im Eroßdeutschen Reiche trotz der gewaltigen Erfolge nicht immer mit der gleichen Flüssigkeit und Leichtigkeit bewerkstelligt werden kann wie in anderen Ländern, so fällt dies nicht auf den Bauern zurück. Es ist eine Zwangsläufigkeit, die sich aus dem großen politischen Schicksalskampf ergibt, zu dem uns eine feindliche Umwelt gezwungen hat.
Noch niemals hat eine Nährstandsschau solchen Zulaus gehabt wie die von Leipzig. Obwohl keinerlei außergewöhnliche Verkehrserleichterungen Reiseabsichten nach Leipzig unterstützten, übertrifft die Besucherzahl alles, was bisher bei vergangenen Nährstandsausstellungen beobachtet werden konnte. Von Stand zu Stand, von Lehrschau zu Lehrschau, drängen sich die Bauern, um sich über alle Möglichkeiten einer Leistungssteigerung und Arbeitseinsparung zu orientieren. Nichts kann die Auslandsmären von einem passiven Widerstand des deutschen Bauern gegen die Forderung des Tages besser widerlegen, als jener Zustrom nach Leipzig, jenes Interesse für die Lehrschauen. Es ist heute nicht mehr notwendig, den Bauern für die Mechanisierung als solche zu gewinnen. Er interessiert sich ganz von selbst für den prak
tischen Einsatz moderner Maschinen, mit denen er höhere Nutzeffekte Herauswirtschaften kann. So darf man der Schau in Leipzig den gleichen Erfolg Voraussagen wie jenem Dresdener Kongreß, auf dem die theoretischen Grundlagen für die landwirtschaftliche Praxis erörtert werden.
Meine Nachrichten ans aSer WM
Nationalsozialistische Wissenschaft in Front. Vom 8. bis 10. Juni findet in der Hauptstadt der Bewegung die erste Jahrestagung der Wissenschaftlichen Akademie des NS.- Deutschen Dozentenbundes statt. Mit dieser Tagung sind die Akademien der Universitäten Göttingen, Kiel und Tübingen zum ersten Mal als wissenschaftliche Kampftruppen der Bewegung in die große Oeffentlichkeit getreten.
Eautag der Westmark in Trier. Im Rahmen des Gauta» l ges der Westmark legte Reichsminister Rust den Grundstein . zur Trierer Hochschule für Lehrerbildung. Den festlichen Rahmen dazu bildete ein Aufmarsch der Formationen auf dem Neubaugelände.
Dr. Frick stiftet wertvolle Büchersammlung. Reichsminister Dr. Frick stattete während seines Ungarn-Besuches am : Donnerstag der Universität Debrecen einen Besuch ab. Dem Rektor der Universität gab der Minister bekannt, daß er ^ dem königlich-ungarischen Kultusminister Dr. Homan die ^ Mitteilung von einer Vücherspende gemacht habe, die für ? die Universität Debrecen bestimmt sei. Die Bibliothek um«
! faßt 18 000 Doktordissertationen sowie eine Auswahl des s neueren deutschen Schrifttums. Anschließend unternahm der ^ Reichsminister einen Ausflug in die Pußta und weilte abends bei der deutschen Kolonie.
Lord Stanhope mutz gehen. Die „Thetrs"-Katastrophs : wird, so meldet „Daily Herald", ihren Abschluß mit dem ! Rücktritt des ersten Lords der Admiralität, Lord Stanhope,
^ finden. Sein Ausscheiden aus der Regierung werde sofort ^ nach dein Abschluß der Untersuchung über dgs Unglück statt- - finden. Man könne dessen sicher sein, daß mit dein Wechsel ' auf dem Posten des ersten Lords der Admiralität auch an- s dere Wechsel im Kabinett erfolgen würden.
Russell freigelassen. Das Arbeitsministerium hat die Freilassung des vor einigen Tagen in Detroit unmittelbar vor der Ankunft des britischen Königspaares verhafteten angeblichen Führers der Irischen Republikanischen Armee, Russell, gegen Kautionshinterlassung angeordnet. Die Freilassung erfolgte, nachdem mehrere Kongreßmitglieder den Boy- ! kott des offiziellen Empfanges des Bundeskongrestes für i das Königspaar angedroht hatten, falls Roosevelt ihren s Freilassungsappell abschlägig bescheide.
Fall der Tschiangkaischek-Währung. Die sogenannte gesetzliche Währung der Tschiangkaischek-Regierung ist infolge eines am Donnerstag gefaßten Beschlusses der britischen Banken, die weitere Stützung dieser Währung aufzugeben, schon in kürzester Zeit ungeheuer gesunken. Die Wertminderung beträgt innerhalb 24 Stunden fast 25 v. H. In Pekinger politischen Kreisen ist man der.Meinung, England habe den Beschluß, die weitere Stützung der chinesischen Währung ^ aufzugeben, aufgrund der Tatsache gefaßt, daß die Frie- : densbewegung im nationalistischen China rasche Fortschritte j mache.
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! Rechte SLeaßenseite emhalten!
! Auf den deutschen Straßen wird rechts gefahren. Die Straßen«
^ Verkehrsordnung bestimmt sogar, daß „auf der rechten Seite der Fahrbahn rechts", d. h. also scharf rechts gefahren werden mutz. Der Verkehrssäugling, d. h. der Mann oder die Frau, die den Führerschein erwerben wollen, lernen dies bestimmt. Leider ! scheinen sie es schon bald wieder zu vergessen. In den letzten ! Jahren ist für die Verbreiterung und den Ausbau des deutschen Straßennetzes unendlich viel getan worden. Was nützen aber noch so breite Straßen, wenn einzelne Autofahrer, die sich erhaben dünken über alle geltenden Bestimmungen und Vorschriften, statt ^ wie vorgeschrieben auf der rechten Seite der Fahrbahn genau auf der Mitte der Straße oder sogar auf der linken Seite fahren- und das in einer Art und in einem Tempo tun, als ob sie unentwegt eine unsichtbare Wagenreihe auf der rechten Seite überholen müßten?! Die Vorschrift des Rechtsfahrens gilt selbstverständlich auch für die schnellen Wagen. Die linke Seite der Fahrbahn darf nur beim Ueberholen befahren werden.; diese Regel ist ebenso einfach gehalten wie einfach zu befolgen. Die motorisierten Verkehrsstreifen werden in Zukunft gerade auf die wilden Fahrer, die die einfachsten Verkehrsregeln verletzen, ein besonderes Auge haben.
Die Freude am erquickenden Bad
Eine der angenehmsten Freuden des Sommers mit seinen heißen Tagen ist ein erquickendes Bad. Der Drang nach der Bewegung, Luft, Licht und Wasser erfaßt um diese Zeit Jung und Alt. Glücklich die Gegenden, in denen die Natur durch Bäche» Flüsse und Seen dem Vadeleben fördernd entgegenkommt. Aber das Baden will mit Vernunft betrieben sein. Die Beachtung der elementaren Baderegeln kann manches Unglück verhüten. In erhitztem Zustande soll man nicht ins Wasser springen, da das Herz infolge des plötzlichen Temperaturwechsels in den meisten Fällen seine Tätigkeit aussetzt. Oft werden beim Baden auch Wirbel und kalte Strömungen gefährlich. Meist sind solche Stellen an besuchten Badeplätzen bekannt, in unbekannten Gewässer« mutz jedoch auch der beste Schwimmer Vorsicht üben. Nichtschwimmer ! sollen sich nicht zu weit hinauswagen, jedenfalls nicht so weit, daß sie den Boden unter den Füßen verlieren. Der Kopfsprung ist gewiß eine sportliche Leistung, aber im trüben und weniger bekannten Wasser kann ein unter diesem aufragender Stein oder Pfahl gefährlich werden. Unnötig langes Verweilen im Wasser soll gleichfalls vermieden werden.
Mirischos!
ReichsLank in der ersten Juniwoche
Nachdem in der letzten Maiwoche nur eine verhältnismäßig ! geringe Neubeanspruchung der Reichsbank zu verzeichnen war, die sich auf 454 Mill. RM. stellte, ist bereits in der ersten Juni- ! woche der überwiegende Teil dieser zusätzlichen Kreditmittel wieder zurückgeflossen. Die Bestände an Gold betragen unverändert 71 Mill. RM., diejenigen an Devisen bei einer Abnahme um 0,2 Mill. RM. 5.75 Mill. RM. Auf der Passivseite erscheint der Umlauf an Reichsbanknoten um 333 auf 8192 Mill. RM., an Rentenbankscheinen um 12 auf 372 Mill. RM. und an Scheidemünzen um 27 auf 1786 Mill. RM. verringert. Mithin stellt sich der gesamte Zahlunqsmittelumlauf auf 10 350 Mill. RM. gegenüber 10 772 iMll. RM. am Ende der Vorwoche, 10 438 Mill. RM. zum gleichen Zeitpunkt des Vormonats um 8169 Mill. RM. zum entsprechenden Vorjahrstermin.
Die Erbschaftssteuer im Jahre 1937. Die Finanzämter veranlagten für 1937 insgesamt 54571 Erwerbsanfalle mit einem Vermögenswert von 971,6-Mill. RM. Das hierfür ermittelte Steuersoll belief sich auf 87,6 Mill. RM., die durchschnittliche Höhe des Erwerbs lag bei einem Vermögenswert je Vermögensfall von 17 805 RM., wofür eine Steuer von 1605 RM. veranlagt wurde.
Wiirtt. Vereinigte Möbelfabriken Schildknecht u. Null «. Gerber AG., Stuttgart. Die Gewinn- und Verlustrechnung schließt nach Bildung einer freien Rücklage von 9900 RM. mit einem Reingewinn von 16 000 RM. ab, woraus wiederum eine Dividende von 5 Prozent «erteilt wird. Im Geschäftsbericht wird hervorgehoben, daß die Umsatzsteigerung im Jahre 1938 sich fortgesetzt habe.
Hotel Europäischer Hos in Stuttgart AG. Die Hotel Europäischer Hof in Stuttgart AG. erzielte 1938 einen Gewinn von 21036 RM., um den sich der Verlustvortrag von 1937 in Höhe von 64 965 RM. auf 43 929 RM. ermäßigt. Dieser Verlust wird auf neue Rechnung vorgetragen.
Die Mechanische Trikotweberei Mattes «. Lutz AE., Besigheim, erzielte einen Reingewinn von 77187 (51842) RM., der sich um den Vortrag auf 89 950 (62 763) RM. erhöht. Hieraus werden erstmalig 6 Prozent Dividende verteilt.
Knorr-Dividende wieder 12 Prozent. Die Verwaltung der E. H. Knorr AE., Nahrungsmittelfabriken Heilbronn a. N.. schlägt der am 10. ds. Mts. stattfindenden HV. für das am 31. März 1939 beendete Geschäftsjahr eine Dividende von wieder 12 Prozent vor. Hiervon werden 8 Prozent an die Aktionäre ausgeschüttet und 4 Prozent an die Deutsche Golddiskontbank abgeführt. Nach dem Bericht der Verwaltung hat sich der Umsatz im abgelaufenen Geschäftsjahre gegenüber dem Vorjahr sowohl mengen- wie wertmäßig gehoben. Durch weiteren Ausbau der Produktionsmittel konnte die Erzeugung gesteigert werden.
Schluchsee-Werk AG., Freiburg i. Brsg. Nach dem Bericht der Schluchsee-Werk AG., Freiburg i. Brsg., blieben die Zuflüsse zu den Sammelbecken 1938 unter denen des Vorjahres. Dennoch erreichte die Jahreserzeugung mit 165 (159) Mill. kWh den höchsten Stand seit Bestehen. Für die Mittelstufe mit Alb- und Mettmabeileitung wurde Bauinangriffnahme und Finanzierung beschlossen, wodurch die Leistung und Erzeugung verdoppelt werden. Die hierzu erforderlichen 50 Mill. RM. werden durch die bereits beschlossene Kapitalerhöhungum 17 Mill. RM. und durch Anleiheaufnahme von rund 35 Mill. RM. aufgebracht. Die Gesellschaft verteilt aus einem Reingewinn von rund 562 000 RM. eine Dividende von wieder 4 Prozent.
Die Indexziffer der Großhandelspreise stellt sich für den Monatsdurchschnitt Mai auf 106,5 (1913 gleich 10ltz; sie ist gegenüber dem Vormonat (106,4) kaum verändert. Die Indexziffern der Hauptgruppen lauten: Agrarstoffe 107,8 (plus 0,5 v. H.), Kolonialwaren 94,1 (plus 2,2 v. H.), industrielle Rohstoffe und Halbwaren 94,2 (minus 0,3 v. H.) und industrielle Fertigwaren 126,8 (minus Oft v. H.).
KStA 4^4444414^.
Roman von Klara Haidhausen.
llrhebrrrechtsschutz durch Verlagsanstalt Manz, Negensburg. K8. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
„Darüber wollen wir heute nicht mehr rechten, sondern nur daran denken, wie vielen, denen Du in diesen Jahren geholfen hast, Eure Trennung zum Segen wurde. — Was aber das andere betrifft," Frau Hormann lächelte fein, „darüber wollen wir nicht allzustreng wägen. Wo die Motive so lauter sind, darf man getrost ein bißchen kühn in der Wahl der Mittel sein. Außerdem gehe ich wohl auch kaum fehl in der Annahme, daß der Plan in Frau Ilses phantasiebegabtem Köpfchen geboren wurde. Sei es wie es sei — die Hauptsache ist, daß alles so restlos geglückt ist."
„Restlos?" sagte Ditha ernst. „Franz zürnt noch, Mütterchen, und ich weiß nicht . -
„Aber ich weiß, Kindchen!" unterbrach Frau Hormann mit leisem Lachen. „Darüber mach' Dir keine unnötigen Sorgen mehr! — Männer sind in mancher Beziehung sehr schwerfällig. Sie müssen sich in ihrer angeborenen Gründlichkeit erst Stufe um Stufe mit dem Verstand zur Erkenntnis einer Situation durcharbeiten, die wir Frauen mit dem Herzen — oder, wenn Du willst mit dem Instinkt — im Sprung erfassen. Laß Franz nur Zeit, Ditha, dann kommt er schön langsam schon auch dahin, wo wir beide jetzt schon sind."
Dankbar hob Ditha die Hand Frau Hermanns an ihren Mund. Dann erhob sie sich. „Ich muß leider wieder fort, Mama, — nicht wahr, Du entschuldigst mich für heute! Ich hätte Dir ja so vieles zu sagen, aber . . ."
„Ich weiß, — Du mußt zu Erika zurück. Ihr gehört jetzt Deine ganze Kraft. Wirst Du sie retten können?"
'„Ich hoffe es mit Gottes Hilfe," sagte Ditha stark.
„Mit Gottes Hilfe!" wiederholte Frau Hormann ernst. «Da» ist ein gutes Wort. Ach werde nicht aujhören, Gott
zu bitten, daß er Deine Bemühungen segnet. — Aber nun kleide Dich um, ich habe Dir ein Bad bereithalten lassen. Und dann trinkst Du noch rasch eine Tasse Tee bei mir. Die Nacht ist lang und wird Deine volle Kraft in Anspruch nehmen."
„Wie schön das ist, wieder eine Mutter zu haben! Hab Dank, Du Liebe, für all Deine Sorge."
Da hob Frau Hormann die Augen zu dem Bild des toten Gatten hinauf und legte beide Hände auf Dithas Schultern: „Der da droben und ich, wir segnen Dich, mein Kind!"
-Es war Nacht geworden. Die Stunden gingen
und jede von ihnen ließ einen Schimmer Hoffnung mehr zurück in Klein-Erikas Krankenzimmer, in dem außer Ditha auch Franz Hormann und Direktor Lindner stumme, treue Wache hielten.
Sie wußten alle drei, daß diese Nacht die Entscheidung für das geliebte kleine Leben bringen würde und keines dachte daran, seinen Platz zu verlassen. Nur Frau Ilse lag nach der großen Erschöpfung durch den Blutverlust noch immer in tiefem Schlaf, der ihr barmherzig diese Stunden martervollen Wartens ersparte.
Gegen 11 Uhr wies Ditha mit stillem Leuchten in den Augen den Freunden die feucht glänzende Hand, die sie eben von der Stirn des nun ganz ruhig gewordenen Kindes zurückgezogen hatte. „Schweiß," sagte sie bebend.
Heinz Lindner hob fragend das verkämpfte Gesicht. „Das ist ein gutes Zeichen?"
„Das beste!" Franz faßte mit schmerzhaftem Druck seine Hand. „Sie ist gerettet."
„Gerettet!" Der stille, ernste Mann, der bis dahin mit bewundernswerter Fassung alles ertragen hatte, erlag dem Übermaß der Freude. In die Knie gebrochen preßte er die Stirn auf den Rand des Bettes und ein schlitterndes Schluchzen durchbebte seinen Körper. „Oh mein Gott!"
Beruhigend legte Ditha die Hand auf seinen Kopf. „Fassen Sie sich, Heinz! Unser Liebling soll ruhig seiner Genesung entgegenschlafen dürfen, nicht wahr?"
Dieser Appell verfehlte seine Wirkung nicht — Direktor Lindner erhob sich sofort. Unfähig, in arme Worte kleiden
zu können, was sein Herz so übermächtig bewegte, streckte er den beiden Freunden in stummen Dank die Hände hin. „Ich gehe zu Ilse," sagte er dann leise. „Sie soll bei ihrem Erwachen gleich die frohe Botschaft hören."
Versonnen blickte Franz Hormann ihm nach, als er mit einem langen Blick auf das schlafende Kind — einem Blick, in dem seine ganze Seele lag, das Zimmer verließ. Der ging nun und nahm sein Weib in die Arme und war glücklich, ach wie glücklich! — Und er? —
Auch Ditha war Heinz Lindner mit den Augen gefolgt und sah nun glücklich lächelnd zu Franz hinüber. „Wie schön unser Beruf ist, Franz, nicht wahr? Wenn wir auch nichts sind als Werkzeuge in eines Höheren Hand, so dürfen wir doch mit unseren geringen Kräften mithelfen an der Erhaltung kostbaren Lebens. Ich empfinde das immer wie ein unendlich köstliches Geschenk, für das ich nie genug danken kann."
Franz nick.e ^ ,wer. Er vermochte nicht so wie sie, sich dem Glück der Stunde hinzugeben. Da saß sie nun, ganz durchsonnt von ihrer tiefen Freude, kaum Armeslänge von ihm entfernt, und, wie's ihm schien, doch so unendlich weit — weit! Die Frau, die da mit solch leuchtenden Augen von ihrem Beruf sprach, war eine andere als die, die er gestern an seinem Herzen gehalten hatte. Lore Berger, die hatte ihm gehört, ganz ihm — eine Ditha Günther aber würde er teilen müssen mit ihrem Beruf, mit der leidenden Menschheit, die ein Anrecht auf ihre Kraft und fhr großes Können hatte.
Es war ein schwerer Kampf, der die Brust des sinnenden Mannes durchtobte, doppelt schwer, weil die Stille des Krankenzimmers eine Aussprache verbot und alles bange Fxagen mit verdoppelter Wucht unbeantwortet und ungelöst auf die zweifelnde Seele zurücklastete.
Mit bangem Herzen sah Ditha das müde Gesicht und die traurigen Augen des geliebten Mannes. Aber sie wagte nicht mehr ihn zu stören. Jetzt mußte er mit sich selber fertig werden. Allein mußte er den Weg zu ihr finden, ohne ihre, ohne irgendwelche andre Hilfe. —
(Fortsetzung folgt.)