5. Seite - Nr. 117
Nayolder Tayblatt „Der Gesellschaster'
Montag, den 22. Mai 1838
Der «nübelMndUchL Westwall
Feststellungen der ausländischen Presse: Unzerstörbar, unüberwindlich
NSK. Die Auslands-Pressestimmen spiegeln den Eindruck wider, den der deutsche Vefestigungswall im Westen allgemein in den politischen und militärischen Kreisen des Auslandes ausgelöst hat. Im gegenwärtigen Augenblick der Besichtigung des Westwalls durch den Führer und der damit verbundenen Demonstration der ungeheuren Widerstandskraft dieses grössten Befestigungswerkes sind daher die Auslandsstimmen besonders interessant, die sich in den leisten Monaten bereits mit der Entstehung der Westbefebigungsn befassen.
Von dem Augenblick an, da die ersten Nachrichten über den Vau der Westbefestignngen an die Oeffentlichkeit gelangten, hat die gesamte Auslandspreise dieses Thema aufgegriffen und in fast allen Fällen sich die Feststellung der Uuüberwindlichkeit dieser Anlagen zu eigen gemacht. Während der Großteil der Zeitungen der deutschen Absicht, hier eine nicht zu durchbrechende Widerstandslinie zu errichten, gerecht wurde, blieb es einigen jüdischen Schreiberlingen Vorbehalten, die Absichten Deutschlands zu verdrehen und uns Angriffspläne zu unterstellen. In allen Fällen aber spiegelt sich der Respekt wider, den der Vau dieser gewaltigsten Befestigungslinie, die heute der französischen Maginot- Linie gegenübersteht, dem Ausland einslösst. Die Wieder- aabs einiger ausländischer Pressestimmen soll das unterstreichen.
Die „Neue Basler Zeitung" stellt am 30. September 1938 fest:
„Die Rheinzone ist eine einzige gigantische Festung, wie sie auf der ganzen Welt in diesem Ausmaß nirgends vorhanden ist. Die neuesten und schwersten Kaliber der Artillerie mögen stunden- und tagelang auf diesen Stahlhöckern herumtrommeln — es wird nichts nützen. Giftiger Kampfstoff mag die Betonbauten umschleichen und umweben — der Eintritt wird ihm verwehrt. Mächtige Panzer mögen mit Wucht an die Betonklötze anrennen — unüberwindlich".
Die gleiche Zeitung stellt am 13. Oktober die deutsche Ve- festigungslinie den französischen Anlagen gegenüber und erklärt:
„Bei den neugeschaffenen deutschen Festungsanlagen, welche zum Unterschied von der französischen Linie die ganze Westorenze entlang ohne Lücken angelegt wurden, sind natürlich die Erfahrungen der Festungsbautschnik anderer Staaten stark berücksichtigt. Der Vorteil, den sie diesen älteren Anlagen voraus haben, ist ,daß sie die Entwicklung der Angriffswasfen in den letzten Jahren ebenso berücksichtigen konnten wie auch ihre Feuerkraft das Modernste darstellt."
Nach diesen Zeitungsstimmen sei nun die Ansicht eines militärischen Fachmannes, des argentinischen Generals Francisco Fasola Castano wiedergegeben, der sich mit der strategischen Lage in Europa beschäftigt und zu dem Schluß kommt: „Diese Linie stellt ein gigantisches Bollwerk aus Beton und Stahl dar, das mit allen Errungenschaften der neuzeitlichen Wissenschaft ausgestattet ist und für den Notfall mit den wirksamsten Batterien, Stacheldrahtverhauen, Minen, Unterkunftsräumen, elektrischen Einrichtungen usw., d. h. mit aktiven und passiven Zerstörungsmitteln aller Arten, ausgerüstet ist. An dieser Linie, der „Todt-Li- nie", wird das französische Heer zerbrechen."
Eine französische Zeitung, die „ Valence Nepubli- cain ", schreibt am 1. Oktober 1938:
„Zwei Hindernisse aus Beton, die gut bewaffnet sind, erstrecken sich zwischen den beiden Ländern. Wir haben auf unserer Seite die Maginot-Linie, die — wie es scheint — nicht zu durchbrechen ist. Eine Gefahr allerdings bleibt! Das ist die, daß diese Linie sich nicht durch Belgien bis zum Zuidersee verlängert. Die Deutschen dagegen haben das besser gemacht. Sie haben dreifach, ja vierfach, ihre Anlage errichtet, die sich in ihrer Länge von der Schweiz bis zur Nordsee erstreckt."
Am 10. November 1938 schilderte die „Türkische Post", Istanbul, ihren Lesern in einem großen Aufsatz den deutschen Wall im Westen und schließt mit der Feststellung:
„Die Widerstandskraft der Eesamtzone liegt also in dem Zusammenwirken aller Angriffs- und Abwehrwaffen, in ihrer Anpassung an natürliche und künstliche Hindernisse... In den großen Verteidigungswerken, die für die Besatzung bestimmt sind, sorgen gute llnterkunftsräume für die Erhaltung der Kampf-
! kraft der Mannschaften. In sicheren Stollen und Hohlräumen j ! können sie die stärkste Artillerieschlacht überstehen, um in den ! ' Kampf einzugreifen, falls es der feindlichen Infanterie gelingen sollte, über das Abwehrfeuer des Verteidigers hinaus überhaupt an die befestigte Zone heranzugelangen. An dem Netz von Einzelwerken aber, mit ihren zahllosen ME.-Nestern und Hindernissen aller Art wird sich auch die tapferste Armee verbluten."
Der in Winnipeg, Manitoba, erscheinende „ Nordwe - ^ sten" berichtet am 9. November 1938 über die deutschen § Westbefestigungen und erklärt: j
„Man wird den deutschen Fachleuten zustimmen müssen in der , Annahme, daß die Festungslinie mit den heutigen Mitteln der i Kriegstechnik so gut wie unüberwindbar ist, da ihr Erbauer sich nicht nur die Erfahrungen der Festungsbautechnik anderer Staaten zunutze machte, sondern darüber hinaus die Entwicklung der Angriffs- und Abwehrwaffen bis in die jüngste Zeit mitberücksichtigen konnte."
Die „ StraitsTime s Singapore, stellt am 27. Ja- i nuar 1939l fest: j
„In llebereinstimmung mit den modernsten Erfahrungen und j Theorien im Festungsbau ist die deutsche Maginot-Linie keine § fortlaufende zusammenhängende Anlage, sondern zusammenge- letzl aus einer Unzahl von ein^.aen Festungsanlagen oder Bun- l ' kern, von der jede eine unabhängige, für sich allein verteidi- > aungssähige Einheit ist. Dieses Bauwerk, das bisher in der s Welt ohne Gleichartiges dasteht, ist eine einzige enge Linie von ! Festungen an der gesamten Grenze entlang." s
, Die norwegische Zeitung „ A f t e n p o st e n ", Oslo, ! schreibt in ihrer Ausgabe vom 22. Oktober 1938: j
„Wesentlich ist noch, daß die Todt-Linie, von der deutsche Fach- j leute behaupten, daß sie mit den heutigen Mitteln der Kriegs- i technik nicht mehr zu üdermindcn sei, so gut getarnt ist, daß man : beinabe an das alte Sagenmotiv von der Tarnkappe erinnert j wird." !
Und nun zum Abschluß sei noch eine polnische Stim m e zitiert, die gerade angesichts der gegenwärtigen polnischen und militärischen Ambitionen unseres östlichen Nachbarn besonders interessant wird. Die „Depescha", Warschau, vom 3. November 1938, schildert ausführlich die deutschen Befestigungsanlagen im Westen und erklärt:
„Der Maginet-Linie entsprach bisher nichts auf deutscher ! Seite. Erst im Mai KM entschloß sich Reichskanzler Hitler zum ? Aufbau einer ähnlichen riesigen Verteidigungslinie längs der s Westgrenze Deutschlands. Diese Linie ist unsichtbarer als die s Maginot-Linie. Geradezu phantastisch ist das Vautempo dieser s riesigen Befestigungen, mährend man nämlich an der Maginot- i Linie rund sechs Jahre arbeitete, vollendeten die Deutschen schon ! in sechs Monaten die Befestigungen. Nach Meinung der Fach- , leute nutzten dis Deutschen die Erfahrungen der anderen Staaten aus und machten sich auch die technischen Erfahrungen seit ! 1933 zunutze." >
! Gibt es einen besseren Beweis, daß die deutsche Westbefe- j i stigung unüberwindlich ist als diese Zusammenstellung von s ° Auslandsstimmen aus uns gewiß nicht immer freundlich ge- s sinnten Zeitungen. Die Tatsache des deutschen Westwalls ist z j zu einem militärischen Faktum geworden, das die Strategie : Europas völlig gewandelt hat. Deutschlands Hände sind bei ! etwa drohenden Konflikten frei, und die deutsche Wehrmacht > kann in der Sicherheit, daß im Westen kein Feind in unser i Land eindringen kann, mit Wucht ihre Schläge gegen jeden ! Angreifer führen, der an einer anderen Stelle unsere Si- j cherheit zu bedrohen wagt. H. Staa.
— Einstellungstermin für den weiblichen Arbeitsdienst. Der
! 1. Oktober 1939 ist Einstellungstermin für den Rcichsarbeits- j dienst für die weibliche Jugend. Es wird darauf hingewiesen,
^ daß Meldungen zu diesem Termin rechtzeitig, spätestens im Laufe ! des Monats Juni, bei der für den Wohnort der Bewerberin zu- ! ständigen Bezirksleitung einzureichen sind. Die erforderlichen ! Merkblätter und Antragsformulare liegen bei den Polizeibehör- ! den kostenlos aus, oder sind bei der zuständigen Bezirksleitung anzufordern. j
— Achtung, jetzt mit der Kohlsliegenbrkümpfung beginnen!
Nach den Feststellungen des Pflanzenschutzamtes Stuttgart hat die Kohlfliege in den letzten beiden wärmeren Tagen auf den Fildern mit einer starken Eiablage an dem soeben gepflanzten Frühkraut begonnen. Um die Schädigungen, die durch die Larven der Kohlfliege hervorgerufen werden, zu verhüten, muß jetzt sofort die Bekämpfung einsetzen. Zur Bekämpfung geeignet sind folgende Mittel: 1. V,06prozentige Sublimatlösung (6 Er. auf 10 Liter Wassers in Menge auf ein Zehntel- bis ein Zwan
zigstel-Liter je Pflanze. Sublimat greift Metall an, so daß bei der Anwendung nur Holz-, Emaille- oder Tongcfäße benützt werden dürfen. Sublimat ist sehr giftig, daher bei Gebrauch größte Vorsicht. Sublimat ist erhältlich in Apotheken, Drogerien usw. bei Vorlage eines vom Bürgermeister ausgestellten Eiftscheines. 2. Gleichfalls zur Bekämpfung geeignet ist eine 0,3prozentige Obst- baumkarbolineum-Lösung (30 Gramm auf 10 Liter Wasser) oder eine 0,06prozentige Kortofinlösung. Die Lösungen werden um den Stengelgrund der Pflanzen so gegossen, daß der Boden rings um die Pflanze durchnäßt wird. Die erste Behandlung muß spätestens vier Tage nach dem Auspflanzen erfolgen. Weitere Behandlungen sind notwendig nach acht bis zehn Tagen und 20 Tagen, da natürlich bei günstigem Wetter ständig Eiablagen erfolgen.
Sühne für das Verkehrsunglück in -er Neckarstraße Stuttgart, 19. Mai. Am 30. April, 4 Uhr morgens, raste der 25jährige verheiratete Wilhelm Roos aus Bad Cannstatt im Alkoholdusel mit seinem 2-Liter-Kraftwagen mit mindestens 70 Kilometer Stundengeschwindigkeit durch die Neckarstraße abwärts. Bei der Schillerstraße überrannte er die rechtsseitige Straßenbahnverkehrsinsel, auf der ein 32jähriger Mechaniker und Familienvater stand, der von der Nachtschicht nach Hause zurückkehrte und den tollen Fahrer vorbeilassen wollte. Der Mann wurde von dem Wagen erfaßt und 40 Meter weit nach vorne auf die Straße geschleudert. Die LichtsSule wurde glatt abrasiert, so daß sie über das Wagendach flog und am Hinteren Nummernschild hängen blieb. Der Mechaniker erlitt so schwere und zahlreiche Verletzungen, daß er auf dem Transport zum Krankenhaus starb. Er hinterließ eine Frau, die ein Kind erwartet. In Anbetracht der Schwere und Bedeutung des Unglücksfalles wurde Roos vom Schnellschöffengericht abgeurteilt, und zwar wurde ihm eine Strafe von einem Jahr Gefängnis auferlegt. Außerdem erging sofortiger Haftbefehl gegen ihn. Künftighin werden sämtliche Kraftfahrer, die in betrunkenem Zustande angetroffen werden, in Haft genommen.
Gefängnis für Kindesmißhandlung Heilbronn. 19. Mai. Der 25 Jahre alte, in Scheidung lebende Wilhelm Schall von hier stand wegen Kindesmißhandlung vor Gericht und wurde für eine seinem acht Monate alten Kind gegenüber begangene Roheit mit drei Monaten Gefängnis exemplarisch bestraft. Schall hatte Anfang dieses Jahres aus ganz geringfügigem Anlaß sein Kind mit der Faust so geschlagen, daß es bei einer tags darauf beim Heilbronner Stadtarzt vorgenommenen Untersuchung noch rote Striemen aufwies. Staatsanwalt und Vorsitzender benutzten die Gelegenheit, dem rohen Patron ganz energisch zu verstehen zu geben, daß die Kinder im nationalsozialistischen Deutschland ganz besonderen Schutz genießen!
Nottweiler Gerichtsurteile
Rottweil, 18. Mai. Der 31 Jahre alte Hausierer Philipp Schwarzenberger benützte seine Besuche dazu, um Diebstahlsmog- lichkeiten in ungenügend beaufsichtigten Wohnungen auszuspionieren. So stahl er im Lause des Monats März 1939 in Talheim, Kr. Tuttlingen, und in Spaichingen Herrenschuhe und einen Photoapparat. Schwarzenberger kam mit einer Gefängnisstrafe von neun Monaten davon. — Zu drei Monaten Gefängnis verurteilte des Schöffengericht die 32 Jahre alte Paula Holzer aus Seedorf, Kr. Rottweil, die sich schon oft an fremdem Gut vergriffen hat. Ihre Methode bestand darin, daß sie sich mit Herren in Kaffeehäusern traf, mit diesen zechte, ohne selbst einen Pfennig in der Tasche zu haben, und sie bei paffender Gelegenheit bestahl. — Wegen gefährlicher Körperverletzung stand ein 28jähriger Mann aus Eosheim, Kr. Tuttlingen, vor dem Richter, weil er am Fasnachtsdienstag einen anderen Mann ohne nachweisbaren Grund mit dem Messer in den Oberschenkel und in den Oberarm gestochen hatte. Da der Messerheld sich bisher straflos geführt hatte, ließ das Gericht mildernde Umstände walten und verurteilte ihn nur zu einer Geldstrafe von 100 RM. — Als ein Gauner wurde der 30 Jahre alte Christian Engel aus Ravensburg entlarvt. Im April d. I. hatte dieser mit verpflastertem Gesicht eine 82 Jahre alte Frau in Rottweil aufgesucht und ihr vorgeschwindelt, er habe einen Verkehrsunfall gehabt und benötige, um im Krankenhaus Aufnahme zu finden, einen Anzahlungsbetrag von 23 RM. Die gutgläubige Frau siel auf den Schwindler herein. Das Schöffengericht Rottweil verurteilte den gewissenlosen Gauner zu zwölf Tagen Gefängnis.
Roman von Klara Laidhausen.
llrheberrechtSschutz durch Verlagscmstalt Manz, Regensburg. 50. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
Er wird Achim fein Versprechen halten, allem törichten Wünschen des eigenen Herzens zum Trotz — gleich jetzt wird er sprechen und eine Schranke aufrichten geg"" sich selbst, gegen alles unerlaubte Wünschen der eigenen Brust. Darum, nur darum hat er sie ja hierher geführt.
Klar und deutlich klang seine Antwort zurück, auch die Stimme gehorchte dem starken Willen einer eisernen Selbstdisziplin: „Ja, eine Botschaft meines Freundes Friede!, Fräulein Lore, die Ihnen wohl kaum ganz unerwartet kommt. Er läßt Sie durch mich fragen, ob er Sie bitten darf, seine Frau zu werden."
Gottlob, es war gesagt, nun mochte sie das Urteil sprechen.
Und unentwegt spann die düstere Schicksalsnorne weiter an der Kette von Mißverständnissen, die diesen beiden füreinander bestimmten Menschen immer wieder den Weg zueinander versperrten.
Ditha war im Übermaß der Erregung aufgesprungen — geisterblaß, am ganzen Körper zitternd stand sie dem geliebten Manne gegenüber. Er warb für einen andern — mein Gott, das hätte nicht kommen dürfen! Einen deutlicheren Beweis dafür, daß er selbst nichts, gar nichts für sie empfand, konnte es wohl nicht geben.
Konnte man denn so stürzen — so von der Höhe des Glückes in einen Abgrund von Qual? Umsonst — alles umsonst! All die süßen Träume der letzten Wochen, das ganze töricht selige Hoffen, das glückliche Wissen auf dem Wege hierher — alles Irrtum — vorbei, vorbei! In vierzehn Tagen wird sie das Doktorhaus wieder verlassen, arm, ärmer wie sie gekommen.
So müde ist sie plötzlich, so unsagbar müde! Ihre Augen schwimmen voll Trauen, kaum gehorcht ihr die Stimme, als
sie leise sagt: „Ich danke Ihnen, Herr Doktor, daß Sie es mir erspart haben, Ihrem Freunde selbst meine Antwort geben zu müssen. Denn ich kann seine Frau nicht werden."
In jäher Schwäche taumelt sie, greift haltsuchend nach der Lehne der Bank. Der hohe Hacken des Hellen Brokatschuhes verfängt sich tu einer vorspringenden Wurzel — sie stürzt. Doch schon hat Franz sie aufgefangen und läßt sie behutsam auf die Bank gleiten. Sein Arm umfaßt ihre Schultern, mit geschlossenen Augen lehnt ihr Kopf an seiner Brust.
Zart löst Franz Hormann mit der freien Linken den goldenen Reif aus dem dunklen Haar, damit er die weiße Stirn nicht drücke, tastet im Instinkt seines Berufes nach dem Pulsschlag der eiskalten Mädchenhand. Seine Gedanken aber gehen andere Wege. „Ich kann seine Frau nicht werden," hatte sie gesagt, also war der Weg frei für seine Liebe und fein Werben! Heiß und berauschend wie schwerer Wein ist dieser Gedanke in seinem Blut. Was hindert ihn jetzt, sie fester in seine Arme zu schließen, sie mit seinen Küssen aus der momentanen Lethargie zu köstlichem Leben und Lieben zu wecken?
Aber Franz Hormann ist nicht der Mann, die Schwäche eines Weibes auszunützen — die stets geübte eiserne Selbstbeherrschung hält auch diesem Ansturm des heißen Blutes stand. Nur auf dem dunklen Scheitel ruhen seine Lippen einen Herzschlag lang und wie ein Hauch nur streift seine Stimme voll namenloser Zärtlichkeit über Ditha hin: „Schneewittchen, süßes, süßes Schneewittchen!"
Da hebt sie M den Kops, beugt sich so brüsk vor, daß sein Arm ihre Schultern freigeben muß. Was soll das nun wieder — was soll ihr diese Zärtlichkeit, da er doch so sehr gewillt war, sie einem anderen zu überlassen?
Ein unendlich bitterer Gedanke durchzuckt sie. Hat sie sich ihm in ihrer Schwäche und Unbeherrschtheit verraten? Ahnt er, daß sie ihn liebt — und bietet ihr dafür in seiner großen Güte — sein Mitleid?
Wie von einem Peitschenschlag getroffen bäumt ihr Stotz sich auf, gibt ihr Kraft, plötzlich ganz ruhig zu sein, ja sogar zu lächeln, als sie nun zu ihm auffieht. Nur jetzt ihn täu-
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schen um jeden Preis, nur ihn nicht ahnen lassen, wie es in ihr aussteht, wie alles in ihr sich windet in trostloser Demütigung. Sie denkt in ihrer Aufregung nicht über diese Stunde hinaus, nicht daran, daß er doch erfahren muß, wer sie ist und warum sie in sein Haus kam. Sie weiß jetzt nur das eine, daß sie als Siegerin diesen Platz verlassen muß.
Gottlob auch die Stimme gehorcht, klingt leicht und fest: „Verzeihen Sie bitte, Herr Doktor — ich habe Sie hoffentlich nicht allzusehr erschreckt. Es ist schon vorüber. Nur" — eine warme Bitte schwingt auf — „ich möchte nach Haufe, nicht mehr unter die vielen Menschen und in den lauten Trubel zurück. Ich möchte vor allem Ihrem Freund nicht mehr begegnen müssen. Es tut mir so sehr leid," — nun zitterte ihre Stimme doch ein wenig — „aber ich kann nicht anders."
Besorgt sah Doktor Hormann in ihr blasses Gesicht, die müden Augen, die — der Mond schien hell genug, daß er es erkennen konnte — allen Glanz verloren hatten. Beruhigend, tröstend, unendlich weich, wie man zu einem müden Kinde spricht, klangen seine Worte: „Sorgen Sie heute um nichts mehr, Fräulein Lore! Ich werde alles für Sie regeln. Wir werden jetzt nach Haufe fahren. Und morgen, wenn Sie ruhig geworden sind, werden Sie mir sagen, warum Sie Achims Werbung nicht annehmen können, — dann werde ich ihm schreiben."
Da wandte ihm Ditha mit einer raschen Bewegung das plötzlich seltsam belebte Gesicht voll zu. Gottlob, nun bot er ihr selbst die beste Gelegenheit, völlige Klarheit zu schaffen. Freilich, sie weiß nur zu gut, daß sie im Vegr : ist, die Türe zum Glück ganz zuzuschlagen, aber sie kann ...-st anders.
„Den Grund, Herr Doktor?" Ihre Stimme klingt merkwürdig hell und spröde. „Den kann ich Ihnen auch jetzt gleich sagen. Als Herrn von Friedels Freund haben Sie schließlich ein Recht darauf, ihn gleich zu erfahren."
Franz beugte sich näher zu ihr, suchte ihre Augen. „Nur als Achims Freund, Fräulein Lore? Nicht auch als der Ihre, der beste, treueste, den Sie auf Erden haben?"
(Fortsetzung folgt.)