10. Seite — Nr. 111
Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter'
Samstag, den 13. Mai 1938
Was macht Japan?
Ostasien spricht in Europa mit
Die Bemühungen um eine Festlegung der, man kann schon nicht mehr sagen, politischen und diplomatischen, sondern der militärischen Fronten der Weltpolitik haben bisher in erstaunlichem Matze einen Faktor auher Acht gelaffen: Japan und den Fernen Osten. Nicht daß die verantwortlichen Staatsmänner die Entscheidungen Tokios nicht aufmerksam beobachtet hätten! Aber in dem grotzen Spiel, das die demokratischen Mächte seit Wochen angezettelt haben, vermißte man doch die Rücksicht auf das schwere Gewicht des Fernen Ostens, der weit mehr als in der Vorkriegszeit und im dritten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts in die europäische und damit in die Weltpolitik eingetreten ist. Diese Unachtsamkeit hat jetzt eine Umkehrung erfahren. Die Frage: Was macht Japan? bewegt die Gemüter in England, Frankreich und Sowjetrutzland mit außerordentlicher Gewalt. Sie lastet auf den Entschlüssen der englischen Regierung ebenso sehr wie auf den Entscheidungen Stalins. Die Fühlungnahme zwischen dem japanischen Außenminister Arita und dem englischen Botschafter in Tokio läßt darauf schließen, daß Japans Entscheidungen und Einwünde den Eifer der englischen Einkreisungspolitik auf jeden Fall beeinflußen und ihn wahrscheinlich ganz erheblich dämpfen.
Dis japanische Außenpolitik wird von zwei Faktoren wesentlich bestimmt: dem Krieg mit China und dem Antikomintern-Abkommen, also dem sogenannten weltpolitischen Dreieck Berlin—Rom—Tokio. Beide Faktoren hängen eng miteinander zusammen und bedingen sich gegenseitig. Der Krieg mit China ist auch ein Kampf mit der Komintern, die sich des chinesischen Volkes zum Angriff auf die japanische Stellung im Fernen Osten bedient. Der Kampf gegen die Komintern aber wieder zwingt die Japaner, jenes chinesische Regime zu zerbrechen, das sich zum Widerstand gegen Japan der Mitarbeit der bolschewistischen Internationale versichert hat. Soweit es möglich war, haben es die Japaner sorgfältig vermieden, die Brücken zu den drei großen Demokratien, also zu England, Frankreich und den Vereinigten Staaten, vollständig abzubrechen. Auch mit Sowfetrußland versuchten sie, soweit es mit der Ehre und Würde Tokios vereinbar war, strittige Fragen wie den Zwischenfall im vorigen Sommer, die Schießereien bei Schanfeng und den Streit über die Fischereirechte in den sowjetrussischen Gewässern gütlich zu regeln. '
Auf solche Art diplomatisch und militärisch gewappnet verfolgte Japan bisher seine ostasiatische Politik. Sie erforderte von der Diplomatie ebenso viel Anpassungsfähigkeit, wie sie vom Wirtschaftsleben des Kaiserreiches Opfer und vom japanischen Soldaten im weiten chinesischen Raume Tapferkeit und Heldentum verlangte. Der Erfolg blieb nicht aus, auch wenn er den hochgeschraubten Erwartungen nicht immer vollständig entsprach. China kämpft hoffnungslos in der Defensive. Allein sein Widerstand ist nicht gebrochen und zwingt die japanische Heeresleitung zu einer scharfen und rigorosen Kriegssührung. Es ist nur zu verständlich, wenn jede Veränderung der weltpolitischen Konstellation, vor allem der Abschluß neuer Militärallianzen, die japanische Politik zu einer Ueberprllfung ihrer Positionen veranlaßt. Erste Anzeichen dieser Aeberprüfung waren schon in den verschiedenen Kabinettssitzungen der japanischen Regierung ersichtlich. Die verständnisvollen und zustimmenden Erklärungen japanischer Politiker und japanischer Zeitungen zum Mailänder Militärpakt sind weitere Etappen auf dem gleichen Wege, der nun zur Aufnahme englisch - ja - panischerGespräche geführt hat.
Japans versöhnliche Haltung gegenüber den Demokratien und Sowjetrutzland in den letzten Jahren hat an die Selbstbeherrschung der Nation harte Anforderungen gestellt. Die Sprache in Moskau, London, Paris und Washington empfand das japanische Volk mit Recht als anmaßend, kränkend und drohend. Allein, solange man in den genannten Hauptstädten nur leere Drohungen ausstieß und wohl vorbereitete Entrüstungsstürme entfesselte, hielt man sich in Tokio reserviert und tat alles, die Spannung nicht zu verschärfen. Wenn nunmehr Amerika seine Flottenstreitkräfte
in demonstrativer Weye im Pazijiiiyeu Ozean ;,r.a..>uun- zieht und England und Frankreich mit den Eowjetru«.'n den Abschluß eines militärischen Dreibundes vorbereiten, so muß , auch Japan an seine Sicherheit denlen. Es heißt, Sowjet- Wußland verlange von England und Frankreich ein uneingeschränktes Militärbündnis, das sich auf jeden Fall kriegerischer Verwicklungen, also auch auf fernöstliche Auseinandersetzungen zwischen den Russen und einer ostasiatischen Nation, erstreckt. England hat diesen sowjetrussischen Vorschlag nur ungern angenommen. Es möchte sich und die Sowjetrussen nur in Europa binden und im Fernen Osten keine festen Verpflichtungen übernehmen. Allein, wenn ! Moskau auf der fernöstlichen Garantie besteht und den Abschluß einer auf Europa beschränkten Militärallianz, die Hilfeverpflichtung für osteuropäische Staaten, ablehnt, was dann?
> » Man darf wohl annehmen, daß dieses „Was dann?" eine I wichtige Rolle in der japanisch-englischen Fühlungnahme s spielt. Wenn europäische Staaten wie England und Frank- s reich den Sowjetrussen fernöstliche Garantien geben, so muß Japan eine solche Politik als Bedrohung der eigenen Sicherheit empfinden. Es kann diesen Angriff nicht unbeantwortet lassen und weiter in Reserve bleiben. Wo Tokio Unterstützung suchen und finden wird, darüber besteht in der ganzen Welt kein Zweifel. Der Antikomintern-Pakt und das deutsch-italienische Militärbündnis weisen dabei die Richtung. Die englische Zurückhaltung gegenüber den sowjetrussischen Plänen wird unter solchen Umstünden doppelt verständlich. London will Tokio nicht reizen und dennoch Moskau gewinnen. Eine Quadratur des Kreises! Das letzte Wort in den schwebenden Verhandlungen wird deshalb nicht so schnell gesprochen sein. Und am Ende bleibt London nur die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten, die beide wenig erfolgversprechende Aussichten verheißen.
Warum singt der Vogel?
Neue Antwort auf eine alte Frage Von Dr. H. Frieling.
Die Natur handhabt ihre Instrumente — die Vogelkehlen — wie ein Komponist, der eine Symphonie erdichtet: erst tasten ein paar vorsichtige Stimmen nach der rechten Tonart, dann fallen hier und da neue Instrumente ein, verquicken sich harmonisch mit den anderen, und schließlich braust und jubelt ein volles Orchester im frühlingsgrünen Wald. Da gibt es keine Mißtöne, denn das feierliche Kirchenlied der Amsel schmiegt sich wunüerbar in die jauchzenden Hynmen der Singdrossel, wie eine Flöte bläst die Mönchsgrasmücke ihre Siegfriedsmelodie, der Specht aber rührt die Trommel, und der Kuckuck ist der Baß der Holzbläser. ,
Warum eigentlich singen die Vögel? Verfolgen sie damit einen bestimmten Zweck, vielleicht um einander zu gefallen? Warum aber singen sie auch dann noch, wenn sie längst gepaart sind und das Brutgeschäft seinen Lauf nimmt? Warum nun? Darf man überhaupt so fragen? Wie großartig ist die Vogelsymphonie am frühen Maienmorgen, ist sie nicht ebenso zwecklos wie eine Komposition, wie jedes erhabene Kunstwerk, das menschlicher Genius schuf? Ist nicht die Natur mehr als ein raffinierter Mechanismus, ist sie nicht die größte Künstlerin, die auch uns nur lehren kann, von deren Geist wir ein klein wenig in uns spüren? Schönheit läßt sich nicht zergliedern, der ganze Zauber lenzesfroher Vogelbotschaft wäre ausgelöscht, wenn wir die Vogellieder nach Zweck und Absicht unterscheiden und alle Schönheit nur als Zufall gelten lasten wollten.
Man soll nicht immer fragen — und dennoch: das ist ja gerade das Erhabene natürlicher Schöpfung, daß sie Schön- > heit, Ordnung und Harmonie mit Sinn und Lebenszweck j zu vereinen weiß. Wie eine Schneckenschale herrlich schön ! sein kann und doch den Zweck erfüllt, das Tier darin zu ? schützen, so ist es auch mit dem Vogelsang. Er ist einer rein ! naturwissenschaftlichen Deutung durchaus nicht abhold. Wir j machen den Versuch!
! Da ruft der Pirol seinen Flötenton, wie „Vogel Bülow"
! klingt es. Es ist ganz leicht, ihn nachzuahmen, und bald schon
zeigt sich auch die Wirkung: er schweigt. Dann läßt er eia rauhes Rätschen hören und kommt heran; denn nun pfeift er plötzlich ganz nah bei uns. Wir locken weiter; und — s wahrhaftig — da fliegt der goldene Vogel schon herbei, ^ schwenkt dicht vor unseren Augen wieder in die Zweige und zieht sich scheu zurück. Wir hatten ihn angelockt. Gewiß vermeinte er, einen Kameraden zu erblicken. Da wir nun kein Weibchen, sondern ein Männchen angelockt haben, kann der , Ruf doch sicher auch den Männchen gelten. Und so war es i wohl bloß der Neid der Konkurrenz, der uns den Pirol so in unsere Nähe spielte. Nun sind wir dem Geheimnis auf j die Spur gekommen und merken bald überall, daß der Vo- : gel durch seinen Gesang sein Brutgebiet verteidigt. Macht i man sich nämlich einmal den Spaß und verzeichnet auf einer Karte die Stellen, wo eine Drossel jeden Morgen singt, dann erkennt man, daß jede wirklich ihr bestimmtes Gebiet hat und daß die einzelnen Reviere ziemlich gleich weit voneinander entfernt liegen. Noch deutlicher sieht man dies vielleicht an zwei Grasmückenmännchen, die auf einem einzigen Busch singen und von denen jedes den anderen zu übertönen sucht — bis sich die beiden Minnesänger balgen und die herumstiebenden Federn beredtes Zeugnis von jenem Sängerkrieg ablegen. Da sind sich also zwei zu nahegekommen und haben die unsichtbaren, dafür aber hörbaren Grenzen überschritten, die jeder singende Vogel um sich errichtet.
! Es ist ähnlich wie am Badestrand: da will sich jeder llr- i lauber seine Sandburg schaufeln, in der die anderen nichts s zu suchen haben. Deshalb errichtet er ein Fähnchen, schreibt auch vielleicht den Namen in der Sand, mit Muscheln zierlich ausgelegt, und reserviert sich so den Platz.
Der Vogel kann weder Warnungstafeln noch Fähnchen anbringen — er singt. Ader er macht sein Brutrevier in anderer Weise kenntlich. So kreisen die Bussarde über ihrem Horstgebiet, der Kiebitz vollfllhrt über der Wiese, auf der das Weibchen brütet, seinen Taumelflug, und die Bekassine ergeht sich in ihren sonderbaren Balzsturzflügen. Das alles gilt natürlich nur für Vögel, die nicht gesellig brüten. Bei ihnen ersetzt die gemeinschaftliche Eebietsverteidigung die Bemühungen des einzelnen, und so sehen wir es bei Möwenkolonien, in die ein Feind eindringt: wie eine weiße Wolkenwand erhebt sich die ganze Möwenschar und vertreibt laut schreiend den Störenfried.
Natürlich richtet sich darüber hinaus der Gesang der Singvögel auch an die Weibchen. So weiß das Weibchen der Nachtigall, wenn es in der Nacht über Land zieht, von der Südreise heimkehrend, daß da, wo ein Männchen singt, die Möglichkeit der Ehe und des Nistens wohl besteht. Aber die einzige Bedeutung des Vogelgesanges kann eben in der Benachrichtigung der Weibchen nicht liegen. Vielmehr bedeutet er im allgemeinen: hier bin ich, hier habe ich allein Anrecht auf Weibchen und Nistplatz. Artgenoffen, die vielleicht die Absicht haben, sich hier häuslich niederzulassen, seien hiermit gewarnt! Nun verstehen wir auch, weshalb der Pirol auf uns zugeflogen kam. Er wollte uns hinauswerfen!
Aber noch mehr läßt sich durch unsere Deutung erklären: Jeder, der einmal einen Stubenvogel gehalten hat, wird bemerkt haben, daß Lärm, Musik und überhaupt anhaltende Töne und Geräusche den Sangeseifer erhöhen. Das kommt von einer instinktiven Neigung, den vermeintlichen Gegner, der sich in Gefangenschaft ja nicht sehen läßt, zu llbertönen! So ist der Vogelgesang rein naturwissenschaftlich betrachtet eine Art Selbst- und Revierschutz, eine Verteidigungswaffe ganz eigener Art. Schönheit und Nützlichkeit vereinigen sich wohl selten zu so erhabener Größe.
Die Erfahrung lehrt l
datz Sie ohne Ihre «ewohute Tage». Zeitung nicht auskommeu können, den« Sie müssen miterleben und mithöre». was sich in Ihrer nächsten llmgebon» und auf der ganzen Welt ereignet
„Für v!ch nur jubelt die Erde!"
lZum 78. Geburtstag Cäsar Flaischlens am 12. Mai.)
Von Dr. Heinrich Schleichert.
Wenn Cäsar Flaischlen noch lebte, würde er am 12. Mai 75 Jahre alt werden. Aber am 16. Oktober 1920 starb er, der Dichter der Sonne, der Freude, der Lebensbejahung. Sechs Wochen, bevor er damals in seiner wiirttembergi- schen Heimat die Augen für immer schloß, hatte er mir aus Ingelfingen am Kocher einen kurzen, jedoch seiner Art sehr eigenen Brief geschrieben, voll sonnenfreudigen Glaubens an das Leben. Niemals hätte ich gedacht, daß schon einen und einen halben Monat später jene Verse Wahrheit werden würden, die der Dichter einst in sein Gedichtbuch „Aus den Lehr- und Wanderjahren des Lebens" geschrieben hatte:
„Ich will in die Sonne sehn, wenn ich sterbe, wie sie in brennenden Wolken verloht... ich will mit der Sonne gehn, wenn ich sterbe in sommerflammendsm Abendrot"...
Sommerslammend war nun des Dichters Todesgang nicht, doch er glänzte in den glühenden, herbstbunten Farben des Weinmonds. In solcher Zeit ging er in seine Heimat, die droben bei der Sonne war und „sank gleich ihr in strahlenden Tod".
Diese Sonnensehnsucht — eine tiefe Eigenart des nordisch gearteten Menschen — durchzieht das gesamte Leben, Wirten und Dichten Cäsar Flaischlens. Schon äußerlich macht sich die Sonnenfreudigkeit des Dichters dadurch geltend, daß alle seine Bücher weiß eingebunden sind und leuchtend goldgelbe Aufschriften tragen. And über alle könnte man ein Wort Johann Georg Fischers, des Landsmannes von Cäsar Flaischlen, setzen: „Ich denke, du bist von deiner Heimat Bergen eisenhaltig, bist von deiner Heimat Sonne sonnen- sreundlich und von ihren Quellen augenhell geworden." —
Der aus Stuttgart Stammende entwuchs einer Ofsiziers- iamilie. Sein Vater hatte Feder und Tintenfaß des Schreibers durchs Fenster geworfen und war unter die Soldaten gegangen. Er, der Major, pflegte zu sagen: „Menschen gibt's genug, aber keine Kerle und viel zu viel Weibsleut'." Und er fügte die markige Lehre hinzu: „Man wird immer, was man ist." Diese Worte klangen auch dem Sohn durchs Blut, der, angewidert durch vielerlei negative Erscheinungen in der deutschen Literatur vor der Jahrhundertwende, seine eigenen Wege ging. Er schuf eine ebenfalls vollkom-
! men eigene Dichtung, eine, die nur Flaischlen schaffen und
> zur Auswirkung im Volke bringen konnte. Schon 1894 hatte ! er erkannt, was die Heimat an hohen Werten gab, als er l damals schrieb: „Die engere Heimat mit ihrer Eigenart j bleibt der stete Nährboden, aus dem sich unser ganzer Volks-
> charakter zu immer neuer Kraft, zu immer reicherer Entfaltung und zu immer vielseitigerer Einheit emporgestaltet." Als er nämlich in dem eben genannten Jahr die Sammlung moderner Prosadichtung „Neuland" herausgab, wies er im Vorwort auf die Stammeseigentümlichkeiten in der deut-
l schen Literatur hin, in Erkenntnis der starken Quellkräfte des Heimatlichen, schon zehn Jahrs, bevor die eigentliche Heimatkunst mit ihren bezeichnendsten theoretischen Schriften um Anerkennung ihrer völkischen Bedeutung rang. In der Art seiner Dichtung ist Flaischlen auch immer ein Schwabe geblieben; seine Kunst erwuchs aus dem Boden der Heimat. Er hat sich den Weg aufwärts — ganz seinem Stammescharakter entsprechend — nicht leicht gemacht.
Man hat sich bisweilen — aber ganz zu Unrecht — über manche lebensstarken Verse des Dichters lustig gemacht, die von geschäftstüchtigen Postkartenfabrikanten in jeder Weife verkitscht wurden. Aber überlegt man sich, welche innere Kraft hinter dieser Art freudig-freundlicher Lebensbejahung steckt, dann wird man anderer Ansicht werden. Daß diese Verse und mit ihnen manche andere auch in größter Not deutschen Männern viel Wertvolles und Erhebendes gaben, beweist ein kleines gelbes Bändchen „Heimat und Welt" von Cäsar Flaischlen, das in unzähligen Stücken hinaus ins Feld ging und dem der Dichter im Geleitwort ein paar Sätze von Frontkämpfern einfügte: „Ich weiß, ich stehe nicht allein, wenn ich sage, daß Ihre Werke uns in diesem Krieg unendlich viel geworden sind"... oder „Erst im Felde habe ich und mancher Kamerad die Kraft in Ihren Werken kennen gelernt, und wir wissen, daß sie fortab zu unserem Leben gehören."
Das „Lied vom deutschen Michel" beschließt er — und es ist, als ob diese Verse gerade jetzt geschrieben wo.t.'n wären:
Deutsche Kanonen, zu Hütern bestellt, bleiben der sicherste Frieden der Welt!"
Es ist wundervoll, diese deutsche Zuversicht in allen Versen des Dichters zu erkennen; nichts kann sie hindern oder hemmen, und im „Gesang der Toten" wird sie glühende Verpflichtung für alle Zukunft: „Ein Hurra dem Sieg unserer deutschen Welt!"
Als Cäsar von Flaischlen lebte,-wußte noch niemand im deutschen Volk etwas von „Kraft durch Freude". Aber seine Verse und viele andere Aeußerungen sind so recht eine Dichtung, die Freude bringt und dadurch Kraft gibt. Eine Gemeinschaft freudiger lebensbejahender Menschen will Flaischlen, wenn er singt: „Hab ein Lied auf den Lippen mit fröhlichem Klang" oder „Hab ein Wort auch für andre in Sorg und in Pein!" — Diese Lebensanschauung wollte er ins Volk tragen; als ihr Künder zog er durchs Land, um durch das Vorlesen seiner Dichtungen Freunde solch freudig- kraftvoller Lebenshaltung zu schaffen. Und dies rief er ihnen in dem Bändchen „Von Alltag und Sonn" zu: „Der ist mein Freund nicht, der die Sonne nicht mag"...
Einen tiefen Blick in die Seele Flaischlens eröffnen solche Worte, und sie lassen erkennen, wie fest des Dichters Glaube in dieser deutsch-nordischen Sonnensehnsucht verankert war. Nichts Höheres, Größeres und Reineres gab es für ihn als die Sonne. Fast alle seine Dichtungen sind ein in ständig neuen Variationen erklingender Hymnus an das Licht, dem wir Leben, Kraft und Freude verdanken. Ob Flaischlen nun wie einer der alten Minnesänger den Lauf des Jahres und Tages mit dem Leben und Erleben der Menschen verknüpft, ob Lieben und Leiden, Sehnsucht und Hoffen aus den Versen klingen, immer wieder leuchtet über allem der unerschütterliche Optimismus mit der klaren Zielsetzung: „Lust- ffchlöffer bauen ist keine Kunst! Aber ein Haus, das auf der 'Erde steht, fest und froh! And wäre es noch so klein und bescheiden! Darin werde Meister!..."
Schon aus dem ersten Werk Flaischlens, den „Nachtschatten", nimmt in gewisser Hinsicht der Kampf um Sonne und Sonntag seinen Anfang. Er geht fort in den Büchern „Toni Stürmer", „Martin Lehnhardt", „Flügelmüde" und dem großen Roman „Jost Seyfried"; er gestaltet sich weiter in den „Zwischenklängen" und den volkstümlich gewordenen Bänden „Von Alltag und Sonn" sowie „Aus den Lehr- und Wanderjahren des Lebens".
Seine Erfüllung findet er in den Nachlaßbänden „Von Derhoim und Drauße" und „Mandolinchen, Leierkastenmann und Kuckuck". Nennt man noch an anderen Werken des Dichters die „Sylvesterparaphrase", „Professor Hardtmut", das „Neujahrsbuch" und „Eedenkbuch", die Lebensidylle „Lotte" und die Taufrede an ein kleines Mädchen „Noni-Loni" — so ist ein lleberblick über das Wesentliche gegeben, was der Dichter dem deutschen Volke schenkte. Seine höchste Aufgabe sah er darin, Verkünder einer klaren, zielsicheren deutschen Lebensbejahung zu sein, Verkünder einer stolzen, sonnensreudigen nordischen Daseinsanschauung.