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Nagold«, Tagblatt .Der «eseMAaste^
Montag, de« 17. April 1§3t
Das ist USA.!
Grauenvolles Elend in einem der reichsten Erdteile — 23 Millionen bedürfen öffentlicher Unterstützung
Reuyork, 14. April. Angesichts der steigenden Unzufriedenheit, mit der durch Roosevelts merkwürdige Politik hervorgerufenen Lage in den Vereinigten Staaten schlägt eine soeben herauskommende Neuyorker amtliche Veröffentlichung über die Aufgaben der öffentlichen Fürsorge wie eine Bombe ein. Edward Torsi, einer der Leiter des städtischen Fürsorgeausschusses Neu- yorks, gab bekannt, daß über 23 Millionen Personen in den Vereinigten Staaten, darnnter 1333 000 allein in Neuyork von öffentlicher Unterstützung abhängig seien. Der Beamte teilt ferner mit, daß über 70 v. H. aller der Familien, die weniger als 1700 Dollar Jahreseinkommen haben, sich in wirtschaftlicher Notlage befänden. Amerika müsse die Tatsache erkennen, daß öffentliche Unterstützung eine dauernde Aufgabe der Regierung sei, da sie nicht in der Lage wäre, allen Arbeitswilligen Arbeit zu geben.
„Gottes eigenes Land" benennen die Yankees die Vereinigten Staaten, stolz auf die einzigartigen Reichtümer des Erdteils. Millionen Tonnen von Weizen, Mais, Zuckerrüben, Baumwolle trägt das Land Jahr für Jahr, Schlachtvieh wächst in riesigen Herden heran, der Boden birgt ungeheure Schätze an Eisenerz, Kupfer, Erdöl, Steinkohle, ja sogar bedeutende Gold- und Silbervorkommen. Die mittlere Volksdichte dieses gesegneten Riesenlandes beträgt 16 Menschen auf einen Quadratkilometer (Deutschland rund 140 Menschen auf einen Quadratkilometer!), Amerika umfaßt dazu unvorstellbare große Gebiete unberührten Acker- und Waldbodens. Die Yankees können mit ihrem Riesengebiet anfangen, was sie wollen, und man sollte nach den Verherrlichungen des dort waltenden demokratischen Systems annehmen, daß die amerikanische Menschheit allgemein in Wohlstand und Zufriedenheit nur so schwelgt. Indessen hat dieses System, wie die Neuyorker Fürsorgekommission amtlich feststellt, zu einem unvorstellbaren Elend von weit über einem Fünftel der Eesamtbevölkerung geführt, lieber 70 v. H. der amerikani- ^ schen Familien mit kleineren Einkommen befinden sich darüber ^ hinaus in wirtschaftlicher Notlage. Das ist Roosevelts System!
Jüdischer Grotzbelrüger
Millionen ergaunert
Amsterdam, 14. April. Gegen den jüdischen Eroßbetrüger Wreszynski beantragte der holländische Staatsanwalt eine Gefängnisstrafe von vier Jahren. Der Staatsanwalt bezeichnte den Angeklagten als den gemeinsten und durchtriebensten Spitzbuben, der ihm je vorgekommen sei. Wreszynski, der sich als argentinischer Konsul ausgab und gemeinsam mit dem englischen Obersten Norris schon früher eine Reihe von Millionenbetrügereien ausgeführt hatte, wurde nach seiner Rückkehr aus Amerika, wohin er ausgewichen war, im Herbst vorigen Jahres in Amsterdam verhaftet. Hier hatte er mehreren seiner Rassegenossen Beträge im Ilmfange von mindestens 10 000 Gulden abgeschwindelt. Aus prozeßtechnischen Gründen konnte der Angeklagte > nur wegen der letztgenannten Betrügereien zur Verantwortung gezogen werden. Im Laufe der Verhandlungen kamen aber auch ^ die bezeichnenden jüdischen Gaunereien zur Sprache, durch die er die Amsterdamer Bank, den Unilever-Konzern und den Vatikan ^ um Millionen geschädigt hatte. §
Die Verhandlung bot das Bild, das man von Prozeßen ge- ' gen derartige internationale jüdische Hyänen gewohnt ist. Als i Zeugen erschienen der amerikanische Generalkonsul, ein Bankdirektor, Geschäftsleute, Angestellte, Hotelportiers, eine jüdi- ! sche Kabarettsängerin, die Geliebte des Angeklagten und andere Opfer. WreszDnski habe gemeinsam mit dem Obersten Norris angegeben, er sei in der Lage, in Deutschland ausstehende aus- ^ ländische Forderungen einzuziehen. Daraufhin hatten die Amsterdamer Bank, der Vatikan und der Unilever-Konzern Mil- lionen-Forderungen dem Wreszynski übertragen, die durch ihn an eine Bank veräußert worden seien. Später habe Wreszynski erklärt?, die deutschen Behörden hätten diese Wertpapiere zu- ! rückgehalten. Durch gemeinsames energisches Vorgehen der Polizeibehörden sei der Schwindel aber bald an den Tag gekommen. Wreszynski habe den Erlös selbst eingesteckt.
Gesetz über Gliederung der sudelendeutschen Gebiete
Berlin, 14. April. Im Reichsgesetzblatt vom 14. April wiro das am 25. März von der Reichsregierung beschlossene „Gesetz über die Gliederung der sudetendeutfschen Gebiete" verkündet, in dem es unter anderem heißt:
Roman von Klara Laidhausen.
Lrheberrechtsschutz durch Verlagsanstalt Man», RegenSburg. ^2. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
Aber Frau Hormann zwang sich selbst zu kühler, ruhiger Freundlichkeit. Wenn ihr auch, seit ihr dieses junge, schöne Geschöpf gegenüberstand, so eigentümlich glücklich zumute war, so als habe ihr diese Stunde etwas lang und schmerzlich Entbehrtes zurückgegeben, etwas, das sie nun hegen und halten müsse, «m es nie mehr zu verlieren, so war es doch wohl verfrüht, einer völlig Fremden gleich im ersten Augenblick mit so viel intimer Zärtlichkeit entgegenzutreten. So b^nügte sie sich damit, Dithas Hand mit warmem, herz- «chen Druck wieder frei zu geben, ihre große Erregung M«nbar gar nicht bemerkend. Das Wort, das einem fieber- ^ft darnach verlangenden Herzen sogleich die Brücke zum Gluck gebaut hätte, blieb ungesprochen, die Erfüllung zweier füreinander bestimmter Menschenschicksale auf Wochen und Monate hinaus verzögert und einem blinden Ungefähr anheimgegeben.
Frau Hormann hatte Ditha und Ilse, die die Freundin natürlich begleitet hatte, aus ihren Überkleidern heraus- geschält und bat sie nun, in dem klematisumsponnenen Erker Platz zu nehmen.
„Sie muffen schon noch bleiben, Aschen," lächelte sie, als diese abwehren wollte, „und müssen Ihrer Freundin ein bißchen über die erste Viertelstunde im fremden Haus hin- Lberhelfen! Außerdem wollen wir doch auch ein Gläschen Wein auf glücklichen Einstand mitsammen trinken. Nicht wahr, Fräulein Berger?"
„Sie sind sehr gütig, Gnädige Frau!" sagte Ditha leise. Ihre Stimme schwankte noch immer bedenklich. Sie fing einen nervösen Blick Ilses auf und verstand die stumme Mahnung, di« darin lag. Mein Gott, ja, sie spielte ihre
Die mit dem Deutschen Reich wieder vereinigten sudetendeutschen Gebiete bilden den Reichsgau Sudetengau, in dem drei Regierungsbezirke mit dem Sitz der Regierungspräsidenten in Aussig, Eger und Troppau gebildet werden.
Nicht in den Reichsgau sondern in das Land Preußen und in die Provinz Schlesien werden eingegliedert die ehemals preußischen Gemeinden des Hultschiner Ländchens. In das ehemals österreichische Land Niederösterreichs werden eingegliedert die an Niederösterreich angrenzenden Gebietsteile bis zu den Gemeinden Beinhöfen, Tannenbrock, Naglitz und Weihenbach. In das ehemals österreichische Land Oberösterreich werden einge- gliedert die Gebietsteile westlich der obengenannten Gemeinden bis zu den Gemeinden Eroß-Zmitsch, Krizowitz, Lhristianberg. Alt-Spitzenberg, Oofolderhaid, Pernek, Parkfried und Neuofen. 2n das Land Bayern und in den Regierungsbezirk Niederbayern-Oberpfalz werden eingegleidert die Gebietsteile nördlich der vorher genannten Gemeinden bis zu den Gemeinden Erafen- ried, Maudhaus ohne Eemeindeteil Gibacht, Poffigkau, Klentsch und Chodenschloß.
Der Reichsminister des Innern erläßt im Einvernehmen mit den beteiligten Reichsministerien die zur Durchführung und Ergänzung dieses Gesetzes erforderlichen Rechts- und Verwaltungs- i Vorschriften. Das Gesetz, das vom Führer, dem Stellvertreter des I Führers sowie den Reichsministern des Innern, der Finanzen und der Justiz unterzeichnet ist, tritt am 15. April 1939 in Kraft.
Deutsch-Manische Verhandlungen am 24. April
Berlin, 14. April. Um die vorbereitenden Arbeiten zur Festlegung der im deutsch-litauischen Abkommen vorgesehenen litauischen Freihafenzone in Memel zu einem vorläufigen Abschluß zu bringen und um die durch die Eingliederung Memels an das Deutsche Reich bedingte engere Durchführung der deutsch-litauischen Handelsvertrages zu gewährleisten, wird sich der Leiter der Wirtschaftsabteilung im litauischen Außenministerium Norkaitis am 17. April nach Berlin begeben. Nach enger und freundschaftlicher Fühlungnahme haben die deutsche und die litauische Regierung den Beginn der Verhandlungen für den 24. Avril vereinbar:.
Aus dem Gerichtssl al
Zuchthaus für gewerbsmäßige Abtreibung Mm» 14. April. Das Schwurgericht Mm verurteilte die einschlägig vorbestrafte W'twe Wilhelmine Kaiser geb. Stumpp aus Ulm wegen gewerbsmäßiger Abtreibung zu einem Jahr acht Monaten Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust.
Fahrlässige Steuerhinterziehung Heidenheim, 14. April. Vor der Großen Strafkammer Kempten hatte sich der verheiratete Fllrchtegott Lorch aus Heidenhcim a. Br. wegen Steuerhinterziehung zu verantworten. Der Angeklagte hatte von einer österreichischen Firma Vaumwollgewebe für eine Firma in Heidenheim gekauft und die Ware in Lindau über die alte Reichsgrenze gebracht. Obwohl damals die alte Zollgrenze noch bestand, konnte der Angeklagte die Ware zollfrei über die Grenze bringen, weil er als Herstellungsland Oesterreich angab, obwohl es sich um außereuropäische Ware handelte. Dadurch wurden 15 259 RM. Zoll- und Umsatzsteuer-Ausgleich hinterzogen. Der Angeklagte bestritt ein Verschulden, mußte aber wegen fahrlässiger Steuerhinterziehung zu 7000 RM. Geldstrafe verurteilt werden.
Ein Zug rast durch die Nacht
1200 Eisenbahner wachen über die sichere und pünktliche Reise im Nachtschnellzug Stuttgart—Berlin
Der Bahnsteig eines Großbahnhofes zur Hauptreisezeit im Winter wie im Sommer wird stets die Stätte mannigfacher und lehrreicher Beobachtungen und Betrachtungen sein. Fremde Laute, Dialekte aller Art schwirren durch die Luft, Menschen aller Länder treffen sich hier. Aengstliche Blicke Unerfahrener begegnen sich mit der stolz zur Schau getragenen Ruhe und Ueberlegenheit des Weltreisenden — cholerische Ausbrüche aufgeregter Fahrgäste, denen namentlich bei Zugverspätungen jede Geduld mangelt, stehen im Gegensatz zu den heimlichen oder offenen Abschiedsszenen verliebter junger Pärchen, denen der Zug viel zu zeitig abfährt — hier fließen Abschiedstränen, dort äußert sich die Wiedersehensfreude in lauten Begrüßungsworten. So vielgestaltig ist das Leben am Bahnsteig und bietet dem aufmerksamen Beobachter Kurzweil und Unterhaltung. Aus dem Lärm des Verkehrs, der aus- und einfahrenden Züge, den Rufen der Lautsprecher, des Betriebspersonals, der Bahnsteigverkäufer ukw. entsteht die Svmvbonie des Eroßbahnhofs —. llnbe-
Rolle herzlich schlecht. Konnte es ihr denn gar nicht gelingen über die qualvoll vibrierenden Nerven Herr zu werden! Wenn schon das Wiedersehen mit Franz' Mutter sie so furchtbar aufregte, wie würde es erst sein, wenn sie Franz selbst gegenüberstand! Ein Glück nur, daß die Mutter — unwillkürlich gab sie der kleinen Frau den teuren Namen
— nicht auf ihr krampfhaftes Ringen um Fassung achtete, sondern in ihrer lebhaften/heiteren Art unentwegt weiterplauderte.
„Leider kann mein Sohn sie nicht gleich begrüßen, Fräulein Berger, er hat gerade heute ziemlich viel Patienten in der Sprechstunde. Die Badesaison geht allmählich an, und ich bin wirklich froh, daß er nun in Ihnen eine treue Gehilfin bekommt. Es liegt wirklich oft zu viel auf ihm und ich bange manchmal heimlich um seine Gesundheit." Sie lachte leicht auf: „Nicht wahr, so find wir Menschen — immer jammern! Mal ist die Praxis zu klein und mal ist sie zu groß
— zufrieden sind wir nie!"
„Oho, Mütterchen," protestierte Ilse lustig — eine Idee zu lustig in ihrer Nervosität — „Sie dürfen sich Lore gegenüber nicht schlimmer machen als Sie wirklich sind! Wären nur alle Menschen in jeder Lebenslage so zufrieden, so eins mit ihrem Schicksal wie Sie . . ."
„Mit meinem Schicksal, Kindchen?" Frau Hormann bewegte zweifelnd den feinen Kopf — „nein, so dürfen Sie nicht sagen! Das schien mir schon manchmal ein wenig zu schwer für mich. — Aber mit dem, der mir's geschickt hat, mit meinem Schöpfer war ich immer eins und das ist das ganze meiner Lebenskunst."
Ergriffen sah Ditha in das liebe, alte Gesicht und eine grenzenlose Innigkeit schwang in ihrer Stimme, als sie leise sagte: „Ich bin sehr glücklich, in Ihrem Hause sein zu dürfen, Gnädige Frau, und ich hoffe nur. daß Sie mit mir zufrieden sein werden."
„Sicher, Kindchen," nickte Frau Hormann, „ich freue mich ja so, daß ich nun auf einmal wieder so viel liebes, junges Blut um mich haben werde. Frau Ilse wird Jbnen
rührt vom dem sie umgebende» Trubel, leiste« die Eisenbahner ihren verantwortungsvollen Dienst. Wer macht sich schon darüber Gedanke«, was alles dazu gehört, einen Zug sicher an sein Ziel zu bringen und wieviel Menschen in angespannter Pflichterfüllung tätig sein müssen, um den gewaltige« Betrieb reibungslos und sicher zu bewältige«.
Würde man z. B. dem Reisenden sage«, daß zur Durchführung seiner Reise von Stuttgart »ach Berlin rund 1200 Eisenbahner tätig sind, — er würde es einfach nicht glauben. And doch ist es so...
Steht da der Schnellzug D 237 Stuttgart—Berlin am Bahn» j steig des Stuttgarter Hauptbahnhofes abfahrbereit. Der Fahr- i gast hat sich am Fahrkartenschalter seinen Fahrtausweis besorgt, vielleicht vorher noch die Auskunftsstelle in Anspruch genom« ! meu und dann am Gepäckschalter sein Reisegepäck aufgegeben. ; Durch die Bahnsteigsperre geht er zum Bahnsteig. Hier steht ! schon der Wagenzug bereit, in dem er sich nun einen Platz aus- ! wählt, wenn er ihn nicht vorbestellt hat. Er weiß jedoch nicht, ! daß dieser Bereitstellung am Bahnsteig bereits eine Menge Ar» s beit vorangegangen ist. Die Wagen mutzte» gereinigt werden, i frisches Wasser wurde eingefüllt, im Winter wird der Zug vorgeheizt, um dann schließlich vom Abstellgleis aus den Bahn- i steig über eine ganze Reihe von Eleissträngen und Weichen, die - von den Stellwerken aus bedient werde», zu erreichen. Mög- i licherweise beobachtet der Fahrgast noch, wie der Zugführer den ! Zug entlang geht und die Wagen mit Gattung und Nummer in > den sog. Fahrtbericht aufnimmt. Die Zugschaffner stehen bereit, ' um den Reisenden behilflich zu sein. Am Ende des Bahnsteiges ! öffnet sich eine Versenkung und ein hochbeladener Gepäckkarren ' bringt das Reisegepäck zum Packwagen, wo es der Eepäckschaff- l ner in Empfang nimmt. Der Wagenmeister prüft durch Ab- ^ klopfen mit einem langen Hammer die Radreifen und untersucht die Wagenuntergestelle sowie die Verbindungen der Wagen mit Schraubenkuppel, Faltenbalg, Brems» und Heizleitungen. Inzwischen ist die Lokomotive an den Zug gefahren. Im Lokomotivschuppen, in dem sie ihren Ruheaufenthalt verbrachte, war der letzte Schliff angelegt worden, ehe sie wieder fahrfertig über Drehscheibe, Gleise und Weichen den Weg zum Bahnsteig nahm. Am Bahnsteig zeigen sich nun geheimnisvolle Lichtzeichen, die nur vom Fachmann verstanden werden und Befehle wie z. B. „Bremsen anlegen!" — „Lösen!" — „Bremsen in Ordnung!" — „Fahrtstraße frei, Signal auf Fahrt!" usw. vermitteln. Die Signale für die Abfahrt des Zuges werden von dem sog. Befehlsturm aus bedient, auf dem der Fahrdienstleiter mit seinen Mel- j debeamten tätig ist. Von hier aus gehen durch Fernsprecher die Befehle an die einzelnen Stellwerke und Weichentürme, von de- ! nen aus die Fahrstraße für den ausfahrenden Zug gestellt wird, s Die Zeiger der Uhr rücken auf wenige Minuten vor Abfahrt.
Da erscheint der „Mann mit der roten Mütze", der Aufsichtsbe- 1 amte. Er nimmt vom Zugführer die Meldung entgegen, daß der j Zug abfahrbereit ist, und gibt sie an den Fahrdienstleiter auf ' dem Befehlsturm weiter, da dieser keine Möglichkeit besitzt, die ^ Vorgänge am Bahnsteig zu beobachten. Durch Lautsprecher wer- . den die Reisenden aufgefordert, ihre Plätze einzunehmen. Die j Schaffner schließen die Türen. Der Auffichtsbeamte hebt seinen
Befehlsstab —-und langsam setzt sich der Zug in Bewe-
i gung, um immer rascher mit höchster Geschwindigkeit in die Nacht ' hinauszujagen. Schon spielen auch die Fernmeldeapparate, Fern- , sprecher, Fernschreiber, Läutewerke usw., um vor dem Zug her- ' zueilen und sein Kommen zu künden.
Auf der Lokomotive stehen Lokomotivführer und Heizer und beobachten die Strecke mit ihren in rascher Folge auftauchenden Signalen. Der Lokomotivführer regelt je nach den Reigungs- i Verhältnissen der Strecke die Fahrgeschwindigkeit durch Dampfgeben oder Bremsen. Der Lokomotivheizer muß das Feuer unterhalten, auf der Strecke Stuttgart—Nürnberg z. B. muß er ! etwa 3 Tonnen Kohlen in den gefräßigen Rachen der Feuer- büchse werfen. Das Wasser im Kessel, das als Dampf zum Antrieb der Lokomotive dient, wird vom Heizer aus dem Tender nachgespeist.
j In dem dahinsausenden Zug gehen die Schaffner von Abteil zu Abteil, prüfen die Fahrtausweise und geben auch Auskünfte und Hinweise, die oftmals sehr angenehm empfunden werden. Im Packwagen ordnet der Packmeister oder Eepäckschaffner das Reisegepäck und die Begleitpapiere nach den Zielbahnhöfen und bereitet das Ausladen vor. lieber und unter Brücken, durch Bahnhöfe, auf der dunkle» Strecke rast der Zug dahin. Auf allen durchfahrenen Bahnhöfen wird der Zug signalmäßig bedient, arbeitet der Draht mit seinen Meldungen. Schranken gehen nieder -ja die ganze Strecke scheint lebendig geworden zu sein.
Trotz Dunkel und Nacht wachen tausende von Augen über die Sicherheit des Zuges und seiner Insassen. Hält der Zug auf einem Eroßbahnhos wie Nürnberg, Leipzig usw., so wiederholen sich die Vorgänge wie auf dem Abfahktbahnhof — nur mit dem
sagen, daß unser Haus früher immer voll Jugend war. Aber seit mein Mann tot ist und ich mit meinem Sohne hierhergezogen bin, habe ich die Fühlung ein wenig verloren. Franz geht ganz in seinem Berufe auf und hat darüber hinaus wenig Bedürfnis nach Berkehr, und ich selbst habe so lange nur meinen Toten gelebt, daß ich darüber fast vergessen habe, wieviel junges Leben draußen in der Welt pulsiert. Erst als Frau Ilse" — liebevoll ruhten die gütigen Augen auf dem Gesicht der jungen Frau — „mir so unerwartet wieder geschenkt wurde, da merkte ich, was ich all die Jahre her entbehrt hatte und daß ich auf dem besten Weg gewesen war, eine grillige, einsame, alte Frau zu werden."
„Nein, lassen Sie nur, Jlschen," wehrte sie, als Ilse lebhaft protestieren wollte „es ist schon so! — Aber nun ist die Gefahr ja glücklich überwunden. Nun habe ich Sie beide — darauf wollen wir anstoßen!"
Si» nahm ein Glas Wein von dem Tablett, welches das Mädchen inzwischen gebracht und vor sie hingestellt hatte und hob es mit liebem Lächeln den zwei Freundinnen entgegen: „Also auf ein recht gutes, frohes Zusammensein!"
Ditha mußte alle Willenskraft aufbieten, um das Glas in den zitternden Händen festhalten zu können, als sie es nun an das der alten Dame stieß. Ihre Augen standen noch immer voll Tränen, aber sie senkten sich nicht mehr vor dem klugen, warmen Blick, der tief in den ihren tauchte. „Möchten Sie sich recht, recht wohl bei uns fühlen!"
Langsam und innig kamen die Worte von Frau Hor- manns Lippen. In diesem Augenblick war ihre ganze, sonstige Lebhaftigkeit und Hast von ihr abgefallsn und nur zögernd lösten sich ihre Augen von Ditha los. Sie fragte sich selbst ein wenig beklommen, was es denn eigentlich sei, das von dem fremden Mädchen her ko übermächtig auf sie einströmte, daß ihr diese Worte, die unter andern Umständen kaum mehr als eine gesellschaftliche Phrase oder höchstens ein herzlich gemeinter Wunsch gewesen wären, wie ein heißes, inbrünstiges Gebet aus ihrem Herzen stiegen.
(Fortsetzung solgt.^