s. Seite — Nr. 73
Rasolde» Tagblatt „Der Gesellschafter"
Montag, den 27. Marz 1939
Darre über die Landflucht
Berlin, 84. März. In der Arbeitstagung der auf der Ordens- bürg Sonthofen versammelten Kreisletter und Eauamtsleiter aus allen Gauen Eroßdeutschlands sprach der Reichsbauernführer Reichsleiter R. W. Darrö. Er kam dabei auf das wichtigste Problem der deutschen Landwirtschaft zu sprechen, die Landflucht, und behandelte die beiden wichtigsten Ursachen dieser gefährlichen Erscheinung. Die erste Ursache bestehe aus ideen- mäßigen Momenten, die zum Teil seit über IVO Jahren im deutschen Volke ihre Wirksamkeit ausübten. Um solche Momente auszuschalten, müsse eine systematische Erziehungsarbeit getrieben werden, deren Träger vor allem die Partei sei. Die zweite Ursache sei materiell bedingt und liege in der in der Vergangenheit üblich gewordenen Unterbewertung der landwirtschaftlichen Arbeit.
Wenn es gelungen sei, fuhr der Redner fort, die Brotversorgung des deutschen Volkes aus eigenem Boden zu sichern, so dürfe dies als ei« großer Erfolg der Erzeugungsschlacht angesehen werden. Ebenso sei es gelungen, die eigene Futterversorgung in höherem Maße zu sichern, als dies je zuvor der Fall war. Weiter sei auch die Zuckerversorgung recht gut gesichert. In diesem Zusammenhang fügte Reichsleiter Darr6 hinzu, daß Deutschland heute nach der Eingliederung Böhmens und Mährens das größte Zuckerexportland Europa» geworden sei. Hinsichtlich der Fleisch- Versorgung wies der Redner darauf hin, daß — obgleich es gelungen sei. den letztjährigen Verbrauch fast ausschließlich aus ^ eigener Produktion zu decken — noch eine stärkere Umstellung auf den Fischverbrauch notwendig sei. Ferner zeigte Reichsleiter ! Darre ganz besonders die Notwendigkeit auf, die noch vorhandene Fettlücke unter allen Umständen aus eigener Kraft zu schließen. -
Im Zusammenhang mit der Behandlung der Auswirkungen j der Landflucht kündigte er für die nächsten Jahre einen Groß- i einsatz von Schleppern an, die teilweise in der Lage sein würden, fehlende Arbeitskräfte zu ersetzen. Unter den Matz- ! nahmen, die getroffen wurden, um das Ausmaß der Landflucht ! in seiner produktionspolitischeu Bedeutung einzudämmen, er- ! wähnte der Redner folgende Einsatzzifferu für das Jahr 1938: Landdienst der HI. 18 ÜOV, Landjahr 28 OVO, Pflichtjahr für Mädchen 6V üüv, Studenten 1V0VÜ, weiblicher Arbeitsdienst 25 000 bis 3V OVO und männlicher Arbeitsdienst SV 000. Weiter seien besonder» hervorzuheben der Hilfseiusatz der Wehrmacht sowie der Partei und ihrer Gliede rungen, _
Memels Wirtschaft
Die Begeisterung der Memeldeutschen über die endgültige Heimkehr in den Verband Eroßdeutschlands hat auch in den Herzen des memelländischen Bauern und Arbeiters wieder neue Hoffnung schwellen lassen. Die Wirtschaft dieser seit zwanzig Jahren von seinem natürlichen Absatzgebiete abgetrennten Landschaft atmet wieder auf. Allein bei einer Berücksichtigung der Aufschwungmöglichkeiten darf man niemals übersehen, daß es namentlich für Memels Bauern höchste Zeit war und die Heimkehr gewissermaßen zur letztmöglichen Stunde erfolgte. Zweierlei Wirtschaftszweige geben dem Leben des Memellandes das Gepräge: dieLand- wirtschaftundderHafen. Während aber der Ausbau des Memeler Hafens in erster Linie eine Angelegenheit der Stadt Memel und darüber hinaus des litauischen Staates war, rührte die Entwicklung der memelländischen Landwirtschaft an das Erundgefüge des bäuerlichen Lebens , auf dem Lande und in den kleinen Ortschaften. Die memel- s ländische Landwirtschaft hat sich nie von dem ihr im Jahre s 1919 zugefügten Schlag erholen können, durch den sie aus j einer natürlichen Wirtschaftseinheit herausgelöst und einem Wirtschaftskörper zugeschlagen wurde zu dem sie niemals in ein gesundes Verhältnis gelangen konnte.
Die Heimkehr Memels ins Deutsche Reich wird beiden Wirtschaftszweigen, der Landwirtschaft sowohl wie dem Memeler Hafen und der memelländischen Industrie, in der etwa 10 v. H. der 150 000 Einwohner des Landes beschäftigt sind, die natürlichen Lebensgrundlagen wiedergeben. ! Das Rückgrat der Industrie ist die holzverarbeitende 2n- , dustrie (Zellstoff-Fabrik Memel mit 1000 Arbeitern), die ! Nahrungs- und Genußmittelindustrie umfaßt 50 Betriebe. > Dem memelländischen Hafen, einer der größten der Ostsee, ist eine Blüte dadurch garantiert, daß Deutschland die wirtschaftlichen Interessen Litauens an diesem Hafen berücksichtigt. Litauen erhält die Möglichkeit, seinen Warenverkehr
Roman von Klara Laidhausen.
LrhederoechtSschutz durch Verlagsanstatt Mauz, RegenSburg. 8, Fortsetzung. Nachdruck verboten.
„Ich glaube, Sie urteilen viel zu hart über Ditha, Doktor, und Sie haben damals von ihrer Jugend zu viel verlangt! Sie war achtzehn Jahre alt und in ihrer großen Unberührtheit noch gar nicht reif für die Ehe. Und dann — Sie sagen ja selbst, daß sie ein verwöhntes Kind war, gewöhnt, alle Wünsche in Erfüllung gehen zu sehen. Ditha wollte vielleicht gar nicht mehr, als nur ihre Macht über Sie erproben, als sie die Bedingung stellte, erst ihr Studium vollenden zu dürfen. Eie wollte wohl nur von Ihnen hören, daß Ihnen kein Opfer zu schwer, kein Warten zu lang sei, um Je als Preis zu gewinnen.
Oder aber — und das ist nicht weniger wahrscheinlich — es war ihr gar nicht ernst mit ihrer Bedingung und sie wartete nur darauf, sich von dem Geliebten im Sturm mattsetzen zu lasten — ihm als jauchzend Besiegte an die Brust zu fliegen. — Wir Frauen sind Rätsel, Doktor, und nicht ganz so leicht zu lösen, wie der weniger komplizierte Mann meist denkt.
Wußten Sie denn überhaupt, Franz, was für ein groß- angelegter, hochwertiger Mensch in Ditha steckte, wußten Sie, daß ein Mädchen wie sie nicht mit dem gleichen Maßstab gemessen werden durfte wie jedes beliebige andere Weibchen? — Ditha wäre es wohl wert gewesen, daß ein Mann um sie gedient hätte, und sie hätte dem Manne, dem sie ihre Seele ganz erschlossen hätte, weit, weit mehr zu geben gehabt, als nur die Liebe, die Sie verlangen! »ine Liebe, zu der nicht mehr gehört als sinnliche Veranlagung, die Ditha in ihrer Reinheit und Unberührtheft allerdings völlig fremd war.*
Mt dem Auslande weiter über den'Memeler Hafen pflegen zu können. Das bedeutet^ daß Memel auch weiterhin das bleiben wird, was es bisher war: der Zubringerhafen Litauens. Der zwanzigjährige wirtschaftliche Niedergang der memelländischen Landwirtschaft und der Ausbau des Memeler Hafens hatte bis heute dem Anwachsen einer Arbeitslosigkeit Vorschub geleistet, die zu beseitigen ohne die Heimkehr des Memellandes ein kaum lösbares Problem darstellte. Die Unwirtschaftlichkeit der bäuerlichen Betriebe bewog zahlreiche Arbeitskräfte auf dem Lande, im Hasen und in der Industrie der Stadt Memel Arbeit zu suchen. Aber längst nicht alle in die Stadt Abgewanderten fanden dort eine ausreichende Lebensmöglichkeit. Aufs Land aber mochten sie nicht zurückkehren, da dort auch weiter viele Hände zum Müßiggang verurteilt waren. Es liegt bei ei- ; nem Vergleich des wirtschaftlichen Standards im Deutschen ' Reich und im Memelgebiet klar auf der Hand, in welcher Weise Deutschland der memelländischen Wirtschaft wieder aufhelsen kann.
Die auf Äem Lande und in der Stadt bestehende Arbeitslosigkeit kann bei dem dringenden deutschen Bedarf nach Arbeitskräften verhältnismäßig leicht beseitigt werden. Alle jene, die bei den Bauern des Memellandes nicht ausrei- l chend beschäftigt werden konnten, finden in der anliegenden ostpreußischen Landwirtschaft, die ebenso wie in anderen Gauen des Reiches nach Landarbeitskräften ruft, eine willkommene und einträgliche Beschäftigung. Nimmt man hinzu, daß in der memelländischen Landwirtschaft die Erzeugung von Veredelungsprodukten, also die Produktion von Tilsiter Käse und Butter und in der Viehhaltung die Schweinezucht vorwiegt, so kann man auch den memelländischen Vau-
Was bezwecken Ame
Gerade die vergangene Woche bietet genügend Beispiele, die das Verhältnis zwischen Zollpolitik, wirtschaftlichen Gegebenheiten und großen weltpolitischen Entscheidungen beleuchten. Es ist zwar oft schon so gewesen, daß die Handhabung der Zollgesetzgebung von politischen Motiven stärker als von wirtschaftlicher Vernunft beeinflußt wurde. Allein die Art und Weise, in der in dieser Woche gerade die Vereinigten Staaten von Amerika geradezu einen Zoll auf weltpolitische Vorgänge erhoben, steht unter der großen Zahl politischer Zollgesetzgebungsakte mehr oder weniger einmalig da. Der Vorgang als solcher ist bekannt. Als Antwort auf die deutsche Neuordnung in Mitteleuropa belegte Amerika die deutschen Waren mit einem zusätzlichen Ausgleichszoll von 25 Prozent. Das amerikanische Schatzamt hat diese Maßnahme zwar in die Form einer Anti- Dumping-Verordnung gekleidet. Allein dadurch ist ihr wahrer Charakter als eine Art von Zollsanktionen nur schlecht verhüllt.
Bei der Handhabung des an sich schon stark eingeschränkten deutsch-amerikanischen Handels hatte sich ein Perfahren daraus entwickelt, das unter dem Namen „Jnkoverfahren" bezweckte, die deutsche Einfuhr mit der deutschen Ausfuhr nach Amerika im Gleichgewicht zu halten. Deutschiano zahlte für bestimmte amerikanische Waren, etwa Baumwolle und Kupfer, einen bestimmten Ueberpreis und verbilligte dafür seine eigenen Ausfuhrwaren für die Vereinigten Staaten. Das deutsch-amerikanische Geschäft, dem auf dieser Grundlage eine gewisse Zukunft bevorstand, funktionierte bisher zur beiderseitigen Zufriedenheit. Durch den sogenannten Ausgleichszoll für deutsche Waren, den das amerikanische Schatzamt in dieser Woche einführte, ist ihm nun ein schwerer Stoß versetzt worden. Es ist jederman ersichtlich, daß Wirtschaftliche Erwägungen dieses unverhältnismäßig hohe Anziehen der Zollschraube nicht bestimmt haben. 2m Gegenteil liegt es klar auf der Hand, daß der Aerger und die Verstimmung über die jüngsten politischen Erfolge Deutschlands die Amerikaner zu dieser jeder wirtschaftlichen Vernunft Hohn sprechenden Maßnahme verleitet haben.
In der Tat läßt es sich nicht einsehen, weshalb die amerikanische Wirtschaft sich bis in diese Märzwoche mit der Verbilligung deutscher Aufuhrwaren für die USA. bereitwilligst abfand und erst nach der Errichtung des Protektorates Böhmen-Mähren in ihr eine Bedrohung der eigenen Interessen erblickte. Die Erhebung des Ausgleichszolls stellt im Gegenteil eine Beeinträchtigung auch der amerikanischen Wirtschafts- und Finnnzinteresscn dar. Sie unterbindet das
ern emen allmählichen Ausstieg, eine Ablösung von der Not und Sorge einer zwanzigjährigen Fremdherrschaft Voraussagen. Die Rettung der memelländischen Landwirtschaft kommt im übrigen der Mehrzahl der Memelländer zugute. Man schätzt, daß einschließlich derjenigen, die ihre Arbeitskraft der Agrarwirtschaft zur Verfügung stellen, mehr als die Hälfte aller Bewohner im Dienste der Landwirtschaft tätig sind. Von den 12 560 Agrarbetrieben zählen nur 80 zu den sogenannten Großbetrieben. Die Mehrzahl, ungefähr zwei Dri"el de^Bekriebe. veriüat bis -n 150 Nektar Land. Allein hieran laßt sich ermessen, wieviel Hoffnung und Le- bensfreude der jüngste politische Erfolg Eroßdeutschlands auf den Höfe' der memelländischen Bauern wieder geweckt hat.
So hat der Entschluß des Führers den Druck von den Herzen vieler zehntausend Menschen genommen, dem sie fast zu erliege« drohten. Die Erwerbslosen sehen einer einträglichen und nutzbringenden Betätigung in kürzester Zeit entgegen. Die Bauern, die ihre persönliche Lebenshaltung jahrelang auf ein Mindestmaß einschränkten, können wieder an Ausgaben für die Verbesterung des Bodens, die Erneuerung und Instandsetzung landwirtschaftlicher Gebäude und Geräte denken. Ein unwürdiger Zustand geht seinem Ende entgegen, der auf die Angleichung der hochwertigen intensiven Landwirtschaft Memels an die anspruchslosere agrarische Produktion Eroß-Litauens zielte. ,
Schneller, als mancher es glauben mag, der den Niedergang und das Unglück der memelländischen Landwirtschaft kennt, werden die Schäden zwanzigjähriger politischer Vergewaltigung und wirtschaftlicher Verarmung beseitigt sein, wird das Memelland sein Wirtschaftsleben dem Aufschwung im benachbarten ostpreußischen Gau anvasten können.
ikas Zollsanktionen?
aussichtsreiche deutsch-amerikanische Geschäft, indem sie die Einfuhr deutscher Waren durch übermäßig hohe Zollsätze erschwert und es dadurch Deutschland unmöglich macht, amerikanische Waren, namentlich Baumwolle und Kupfer, nach denen in Deutschland eine außerordentliche Nachfrage besteht, zu kaufen. Die Unvernunft, die bei dem Entschluß zur Erhebung von Ausgleichszöllen Pate stand, wird besonders dann ersichtlich, wenn man sich vor Augen hält, daß die Vereinigten Staaten 13 Millionen Ballen überschüssiger Baumwollbestände besitzen, die bisher trotz vielseitiger Bemühungen nicht an den Mann gebracht werden konnten.
Man kann sich kaum eine wirtschaftlich unvernünftigere Sachlage vorstellen als folgende: Amerika sucht krampfhaft nach Abnehmern für seine riesenhaften BaumwoNbestände: rs bemüht sich nach Kräften bei allen Handelsvertragsverhandlungen entweder die Beschränkung des Baumwollanbaues in dem Lande des Verhandlungspartners (vor kur- em etwa bei den Verhandlungen mit Brasilien) durchzu- etzen. In jedem Fall ist diesen Bemühungen ein mehr oder weniger großer Mißerfolg beschieden. Im gleichen Augenblick aber versperrt sich die amerikanische Politik den einzig natürlichen und großen Absatzmarkt, auf dem der Berg der 13 Millionen Baumwollwaren in verhältnismäßig kurzer Frist abgetragen werden könnte, nämlich den Markt in Deutschland, dessen hochbeschästigte Wirtschaft durchaus in der Lage und bereit dazu wäre, 3 bis 4 Millionen Ballen zu kaufen, wenn es hierfür die notwendigen Devisen durch Verkäufe deutscher Waren nach Amerika sich beschaffen könnte. Die gesamten inneramerikanischn Auseinandersetzungen über irgendwie geartete Subvention für zusätzliche Baumwollausfuhr sowie alle Versuche zur Unterstützung der amerikanischen Farmer verlören an Schärfe und Schwierigkeit, wenn Amerikas Politik den Interessen der amerikanischen Wirtschaft wirklich Hilfestellung leistete, anstatt ihnen aus sehr durchsichtigen Vorurteilen und dunklen Manövern zuwiderhandeln.
Aber so wie das amerikanische Schatzamt durch die Einführung von Ausgleichszöllen sich ins eigene Fleisch schneidet, so ist auch die politische Seite dieses Sanktionsmanövers ein Schlag ins Wasser. Daß mit wirtschaftlichen Sanktionen eine natürliche politische Entwicklung nicht aufgehalten werden kann, das hat der klägliche Ausgang des Sanktionskrieges gezeigt, den die Staaten der Genfer Liga vor einigen Jahren gegen Italien führten. Trotz jener Sanktionen, die so viel Unruhe in der Weltwirtschaft stifteten, hat Italien sein Imperium erobert. Sollte es aber
Doktor Hormann hatte die erregte junge Frau ruhig aussprechen lasten und schaute auch, als sie geendet hatte, noch eine Weile sinnend vor sich nieder. — Dann aber hob er den Kopf und sah ihr klar und ruhig in die Augen. „Nein, Frau Ilse, nun sind Sie es, die zu hart urteilen! Sie mögen darin recht haben, daß ich zuviel von Dithas Jugend, zuviel von dem verwöhnten Kind verlangte, das sie damals war, und Sie mögen darin recht haben, daß ich zu schroff alle Brücken hinter mir abbrach. Ich hätte kämpfen müssen um mein Glück — Ditha als Kampfpreis hätte diesen Kampf wohl gelohnt.
Der andere Vorwurf aber trifft mich nicht. Ich wußte wohl, was Ditha mir zu geben hatte, ich sah in ihr nicht allein die Frau, wenn ich auch durchaus nicht blind war für ihre süße blonde Schönheit, für den ganzen bestrickenden Zauber ihrer Erscheinung. — Aber ich suchte auch ihre Seele, wußte welche Schätze edelsten Menschentums sie mir zu bieten hatte, wußte, daß sie mir nicht nur Weib sein würde, sondern auch wirklich die Ergänzung meines besseren Jchs, die Erfüllung meines hohen Frauenideals. Wenn ich in ihr nur das Mädchen verloren hätte, das meine Sinne begehrten, dann hätte ich überwinden können und Ersatz gefunden — so aber . . .*
Er stockte und versuchte mit sichtlicher Anstrengung seine große Aufregung niederzukämpfen. Etwas ruhiger fuhr er fort: „Sehen Sie, Frau Ilse, mein Beruf führt mich viel mit Frauen zusammen und — verzeihen Sie, wenn ich das so offen ausspreche — es waren schon manche darunter, die mir gern Herz und Hand geschenkt hätten, wenn ich mich hätte entschließen können, sie darum zu bitten. Schöne, kluge, begehrenswerte Frauen. Ich weiß, daß ich Mama keine größere Freude machen könnte, als ihr eine liebe Tochter ins Haus zu bringen. Ich sehne mich nach Kindern, wie meines Erachtens jeder Mann sich darnach sehnt, in seinen Kindern »in zweites, vollkommeneres Leben weiter zu leben. Aber ich matz jede Frau mit dem Maßstab, der mir der einzig mögliche schien — und kein« war Ditha."
„Und dennoch, Doktor," sagte Ilse mit leisem Vorwurf, „haben Sie nie versucht, den zerrissenen Faden wieder anzuknüpfen! Auch Ditha ist allein geblieben — vielleicht mit de'- gleichen Sehnsucht im Herzen; man kann Brücken, die gebrochen sind, wieder aufbauen, schöner, stärker, tragfähiger als zuvor!"
Franz Hormann strich sich mit der schönen Hand über die Stirn. — „Einmal war ich drum und dran, Frau Ilse," gestand er, „ich sagte Ihnen ja schon — damals als ich dieses Haus erworben hatte und sah, daß meine Praxis gut genug wurde, auch einer verwöhnten Frau ein angenehmes Leben bieten zu können. — Damals schrieb ich an Ditha und bat sie, alles vergessen sein zu lasten und mein zu werden. Aber ein unglücklicher Zufall — oder war'» höher« Fügung — wollte es, daß gerade in diesen Tagen eine F-achzeitung einen Artikel über Dithas glänzende Erfolge in ihrem Beruf und über ihr segensreiches Wirken als Wohltäterin der Armen brachte. Da wurde es mir klar, daß sie das alles nie aufgeben würde, um einem kleinen, unbekannten Landarzt in sein Heim zu folgen und ich war weise genug, den Brief nicht abzusenden. —
Und nun, Frau Ilse, haben wir wohl alles ausgesprochen, was auszusprechen war. — Wir wollen versuchen, Mutter ein fröhliches Gesicht zu zeigen, nicht wahr? Sie soll nicht wissen, daß die alte Wunde immer noch schmerzt. Und wir beide wollen in unserem hoffentlich recht regen künftigen Verkehr vergessen, daß es je «ine Ditha Günther gegeben hat. — Einverstanden?"
Nur zögernd legte Ilse ihre Hand in die dargebotene Rechte des Doktors. Ihr Herz dachte nicht an ein derartiges Versprechen. — Im Gegenteil! Was zuvor noch unsichere, verworrene Bilder einer kühnen Phantasie gewesen waren, begann sich zu verdichten, zu ordnen und zu klären unter dem Einfluß des immer mächtiger, immer fordernder auftretenden Wunsches: die beiden Menschen, die einander so offensichtlich bestimmt waren und allein den Weg niemals finden würden, zusammenzuführen. —
(Fortsetzung folgt.)'