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Nr. 6

Zamslag, äen 7. Januar 1939

113. Jahrgang

Italienischer Protest in Tunis

Juden an den Ausschreitungen hervorragend beteiligt

Rom, 6. Jan. Nach der römischen Morgenpresse hat der ita- lienische Generalkonsul in Tunis am Donnerstag beim fran - zösischen Generalresidenten Vorgesprächen, um gegen die antiitalienischen Kundgebungen anläßlich der Reise Dala- biers Verwahrung einzulegen und der Empörung der italienischen Bevölkerung von Tunis über die wiederholte Schän­dung der italienischen Nationalflagge Ausdruck zu geben.

Nach einem Bericht desPopolo di Roma" aus Tunis sind bei der neuen Verschärfung der antiitalienischen Zwischenfälle, bei denen in verschiedenen italienischen Geschäften die Fenster eingeworfen und an der Italienisch-Französischen Bank die ita­lienischen Fahnen heruntergerissen wurden, wiederum die Ju­den besonders stark vertreten. Nach dem gleichen Be­richt wurden zwei italienische Ladenbesitzer in Tunis aufgesor- dert, die französische Fahne auszuhängen, fylls sie sich nicht Ge­walttätigkeiten ausgesetzt sehen wollten. Bei den neuen antiita­lienischen Zwischenfällen außerhalb Tunis habe die Polizei wieder versagt. Andererseits herrsche unter der arabi­schen Bevölkerung lebhafte Unzufriedenheit, weil die zum Besuch Daladiers erwartete Amnestie von 400 im vergangenen April verhafteten arabischen Nationalisten aus- > geblieben sei. Diese Unzufriedenheit habe sich auch deutlich darin i gezeigt, daß die große Masse der arabischen Bevölkerung den ^ für Daladier veranstalteten Kundgebungen ferngedlie- ; ben sei, ferner bei den Zwischenfällen der arabischen Natio- ; nalistcn beim Einzug Daladiers in Tunis. Den in diesem Zu­sammenhang verhafteten Arabern, zwölf Frauen und sechs Män­nern, sei die von ihrem Rechtsanwalt beantragte provisorische Freiheit verweigert worden.

Auch die norditalienische Presse äußert einmütig ihre schärf­ste Entrüstung über das unerhörte Vorgehen des Pöbels gegen die italienische Bevölkerung von Tunis. DerCorriere della Sera" spricht von einer barbarischen Handlungsweise und un- qualifizierbaren Brutalitäten, die durch eine Gruppe von l ü m- melhaften jüdischen Jünglingen, sogenannten französischenPatrioten", begangen worden seien, «nd bei der Gesamtheit des italienischen Volkes die schärfste Mißbilligung ausgelöst haben. Die Italiener hätten fcststellen müss-n. daß die Polizei nick't imstande war oder keinen Willen i

zeigte, eine Gruppe von etwa 100 Taugenichtsen, die fünf Stun- oen lang ryre unver,lyämte,tcu Ruse gegen Italien ausftietzen, zu zerstreuen. Derartige Gewaltakte, wie die Zerreißung von italienischen Flaggen und die Bedrohung von italienischen Kauf­leuten, hätten sich mehrfach zugetragen

DieStampa" erklärt, die Tunis-Neise Daladiers habe die giftigsten Früchte hervorgebracht, die leicht vorauszusehen wa­ren: Die Aufhetzung der brutalsten Elemente gegen die italieni­sche Kolonie zu einer Handlungsweise, die das italienische Volk zutiefst verletzt habe. Die Italiener hätten sich niemals über die ' wahren Gefühle der Franzosen gegenüber Italien getäuscht.

!Gazzetta del Popolo" spricht im Zusammenhang mit dem - Protest von einer Bekräftigung des unerschütterlichen Glaubens der Italiener in Tunis an die Nation und von unbedingter Er- ! gebung für den König und Kaiser und den Duce. Das Blatt

> wendet sich gegen die Bevölkerungsverhältnisse in Tunis, die

> das Ziel verfolgten, die italienische Bevölkerung dort verschwin- j den zu lassen.

Daladier sprach in Algier !

Paris, 6. Jan. Ministerpräsident Daladier ergriff im An- ! schluß an das vom Eeneralrestdenten von Algerien ihm zu ! Ehren veranstaltete Essen das Wort, um seine Eindrücke über ; seine Reise nach Tunis und Algerien noch einmal zusammenzu- fassen und gleichzeitig die Haltung Frankreichs darzulegen. Da­ladier führte dann aus,daß der Name Frankreichs in der Ebene von Flandern beginne und sich bis an die Ufer des Kongo ausdehne und sein Einfluß bis Asien reiche,,. Frankreich, so führte der Ministerpräsident u. a. weiter aus, wünsche den Frieden mit allen.kern, oenn es wisse, daß sie großen Fra­gen nicht durch einen Krieg gelöst werden können. Wenn man diesen Wunsch aber als ein Zeichen der Schwäche auslege, so rufe er: Halt! Im Grunde verurteilte er die heftige Polemik nicht. Er neige sogar dazu, ihren Urhebern zu danken, die die Fran­zosen dazu veranlaßt, hätten, sich auf Frankreich zu besinnen. Er werde nicht nur keinen Finger breit französischen Gebietes ab­treten, sondern sich auch nicht durch sogenannte juristische For­meln »«schüchtern lassen.

Vernichtende Kritik an Roosevelt

Beunruhigung über die weiteren Maßnahmen des Präsidenten

Washington, 6. Jan. Die Jahresbotschaft Roosevelts zur Er- öffnung des Bundeskongresses ist das Hauptthema der ameri­kanischen Presse. Wenn sich auch ein Teil der Zeitungen seine Eedankengänge zu eigen macht, so kommt in der Hauptsache doch stärkste Kritik und vor allem höchste Beunruhigung über das weitere Vorgehen des Präsidenten zum Ausdruck und in der ge­samten Presse herrscht Besorgnis, ob der Weg, den Roosevelt ein- jchlagen will, zu einem guten Ende führen kann. Mit verbisse­ner Wut scheine Roosevelt die Führung der Weltdcmotratie übernehmen zu wollen, stellen die Blätter fest, knüpfen daran aber eine Reihe höchst bedenklicher Fragen: Worin solle dann diese Führung bestehen? Was ist amerikanische Außenpolitik? Besteht sie etwa in Repressalien gegen die autoritären Staaten, die man wie der führende Handlanger der Rooseveltschen Außenpolitik im Parlament, Senator Pittman, am Mitt­woch so geschmackvoll sagte nicht mit Waffengewalt zu be­zwingen brauche, da man sie ja aushungern könne? Will Roosevelt versuchen, die autoritären Staaten auszuhungern?

Die liberaleWashington Daily News" erklärt, wenn sich das amerikanische Volk auch in vielem mit Roosevelt einig sei. so glaube es doch, daß manche seiner Vorwürfe gegen andere Re­gierungssysteme und manche seiner versteckten Drohungen besser ungesagt geblieben wären. Die Erfahrung habe gezeigt, daß die Vereinigten Staaten ihre Auffassung nicht der übrigen Welt aufdrängen könnten und daß das Verständnis zwischen den Na­tionen durch gegenseitige Beschimpfungen über die Ozeane hin­weg nicht gefördert werde. Die Aufgaben, die Amerika zu Hause zu lösen habe, seien groß genug, um sämtliche Energien des Landes in Anspruch zu nehmen

Washington Herald" sagt, das Land stimme mit Roosevelt darin überein, daß die Wehrmacht kräftig genug sein müsse, um Angriffe auf den Erdteil abzuwehren. Aber das sei nach der überwiegenden Meinung die Grenze der amerikanischen Landes­verteidigung. Roosevelt scheine anderer Ansicht zu sein. Er wolle anderen Ländern sagen, was er von ihnen denke, wolle sie aus der Macht vertreiben und sie selbst für seine demokratischen Ideale retten. Hierzu habe er nicht das Recht und der Bundes­kongreß möge es sich genau überlegen, bevor er ihm derartige Abenteuer gestatte.

Der bekannte amerikanische Journalist Clapper wendet sich gegen die Roosevelt-Rede. Roosevelt habe anscheinend nichts ge­lernt aus der Lektion, die das amerikanische Volk ihm auf seine EhikagoerQuarantäne-Rede" erteilt habe. Er verlange Ab­änderung des Neutralitätsgesetzes, um einen Wirtschaftskrieg im Namen der Demokratien gegen die autoritären Staaten führe« zu können. Glücklicherweise könne er das ohne Ermächtigung durch den Bundeskongreß nicht tun. Roosevelt führe als Grund für seine Vorschläge eine Bedrohuna durch die ,Dik-

taturcn" an, aber Amerika habe von niemand einen miltäri schen Angriffznbefürchten, und kein vernünftiger Mensch rechne damit. Roosevelt glaube, daß Re­ligion, Demokratie und internationale Ver­tragstreue so wesentliche Ideale seien, daß er für ihre Er­haltung kämpfen müsse. Wolle er das Land in einenheiligen ! Krieg" führen? Sei Amerika etwa durch Hitler bedroht?Wol­len wir wreder den Deutschen die Demokratie aufzwingen, die wir doch 1917 versuchten?" Clapper schließt mit den Worten: Roosevelt spiele mit Dynamit, und der Kongreß sollte genau wissen, was er tue, bevor er wieder ins Wasser springe. Wenn man das Vorgehen Deutschlands auch mißbillige, so sei das ^ durchaus noch kein Grund, einen Wirtschaftskrieg zu beginnen. >

Auch die anderen Zeitungen veröffentlichen ähnliche kritische ! Acußerungen, vor allem aus parlamentarischen Kreisen, und man hat den Eindruck, daß der Kongreß sämtliche Forderungen Roose- , velts sorgfältig prüft und debattiert, bevor er über sie entschei­det. Insbesondere wird in der Presse viel erörtert, daß die Ausgaben für die Landesverteidigung immer höher werden. Am Mittwoch beantragte Roosevelt im Nach- tragsetat für Marinezwecke weitere 36,5 Millionen Dollar; am Donnerstag kündigte er einen Landesverteidigungsetat für das nächste Jahr in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar an. Außer­dem verlangte er am Donnerstag weitere 875 Millionen Dollar für Notstandsarbeiten während des Restes des lausenden Etats- fahres. Es ist klar, daß auch in seiner eigenen Partei angesichts seiner herausfordernden Botschaft und der neuen Forderungen starke Bedenken laut werden und viele Amerikaner sich fragen, ob das Land wirklich auf dem rechten Wege ist.

Die größte Neuyorker ZeitungDaily News" schreibt, mit der Ernennung des Juden Frankfurter zum Mitglied des Obersten Gerichtshofes in Amerika habe Roosevelt seine Ab­lehnung der ständig zunehmenden Judenabwehr in Europa un­terstreichen wollen. Dies gehe deutlich aus der Tatsache hervor, daß die Berufung Frankfurters unmittelbar auf die Ausfälle gegen die aukoritaren Staaten in Roosevelts Botschaft an den Kongreß gefolgt sei.Diese Ernennung", so schreibt das Blatt wörtlich,ist einebriiskeHerausforderungdes Anti­semitismus, der gefährlich auf dem Kapitolhügel schwelt." Das Hearst-BlattDaily Mirror" will wissen, daß Bernard Baruch und andere namhafte amerikanische Juden erst kürzlich bei Roose­velt vorgesprochen hätten, um ihn vertraulich vor der Er­nennung Frankfurters zu warnen. Es seien bereits so viele Juden in der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, daß dLr latente Antisemitismus durch die Ernennung Frankfurters nur weiter angefacht werden könne.

»Gin unverschämter Angrisf-

auf die autoritären Staate«

Rom, 8. Jan. Roosevelts Botschaft an den amerika­nischen Kongreß wird von der italienischen Presse als eine neuerliche Kundgebung desPharisäertums" der jüdischen und freimaurerischen Demokratien gebrandmarkt und als ein ebenso plumper wie unverschämter Angriff auf die autoritären Staaten auf das entschiedenste zurückgewiesen und verurteilt. Besonders herr-orgehoben wer­den in diesem Zusammenhang die Kommentare der den: schen Presse. Ferner wird die Reaktion namhafter amerikanischer Kreise als Beweis dafür unterstrichen, daß es auch in den Vereinigten Staaten noch genug Leute gebe, die mit der kriegshetzerischen Politik des Präsidenten keineswegs einverstanden seien.

Wenn, wieMessaggero" schreibt, der amerikanische Präsident »en Einfluß der jüdischen Internationale beherrschend, das Ge­spenst einer angeblichen Bedrohung der Vereinigten Staaten heraufbeschworen habe, so nur. um die maßloie Steige­rung der amerikanischen Aufrüstung irgendwie z »begründen. Wenn er aber in seiner wohlbekannten phari­säischen Art von Religion und internationaler Moral redet, um die Pluto-Demokratien zu verherrlichen und die autoritäre« Regime zu beschimpfen, so könne man ihn an die Verletzung der 14 Punkte Wilsons und an den Raub der deutschen Kolonien erinnern. Was aber die Abrüstung betreffe, vergesse er offen­bar, daß Deutschland nur deshalb ausgerüstet hat, weil die Demokratien die feierlich übernommenen Verpflichtungen sei­nerzeit nicht erfüllt hätten.

Moskau lobt Roosevelt

Der Bolschewismus siehthoffnungsvolle- Anzeichen

Moskau» 8. Jan. Die Botschaft Roosevelts an den Kongreß wird hier mit sichtlicher Befriedigung ausgenommen. Die par­teiamtlichePrawda" stellt mit wahrem Behagen fest, daß dir Botschaft Rooseveltswachsendes Verständnis" gegenüber der Gefahr derfaschistischen Agression" widerspiegele, das in den Vereinigten Staaten jetzt vorherrsche. Die Roosevelt-Botschast zeige, daß der amerikanische Präsident eineweitere Aktivie­rung" der Außenpolitik der Vereinigten Staaten erstrebe sowie eine Verstärkung des Kampfes gegen diefaschistische Agression". Hierzu solle vor allem eine Ueberpriifung des Neutralitätsge- setzes dienen. Im Zusammenhang mit dem Auftreten Roosevelts weift das Bolschewistenblatt schließlich noch auf weiterehoff­nungsvolle Anzeichen" eines Umschwunges in der amerikanischen Politik in Richtung auf eine Verschärfung der Kampagne für den Boykott japanischer Waren und für die Freigabe der Aus­fuhr von Kriegsmaterial nach Sowjetspanie» hin.

Ern Holläuder zu Roosevelts Politik

Amsterdam» 6. Jan. Der bekannte holländische Historiker Pro­fessor Vrugmans beschäftigt sich imTelegraaf" mit der Haltung der Vereinigten Staaten zu Deutsch » lanv und stellt fest, daß fie von sehr materiellen Gründen be­stimmt werde. Es gebe in Amerika einen oberflächlichenIdea­lismus", der darin bestehe, Amerika überall als dasMuster­land" hinzustellen, dessen Beispiel andere Länder nur zu folge« brauchten, um vollständig glücklich zu werden. In seiner Weih- nachtsbotschaft habe Präsident Roosevelt erklärt, Amerika werde der Welt den Frieden bringen. Gleichzeitig mit dieser überheb­lichen Auslassung habe man, wie der Verfasser dann ausführt, den Konflikt mit Deutschland vom Zaune gebrochen. In hohe» Tönen eine noch befreundete Regierung wegen ihrer Maßnah­men gegen die Juden zu kritisieren und den Sittenprediger z« spielen, solche Dinge seien eben nur in Washington möglich. Der Amerikaner sei ein sehr nüchterner Materialist. Ein großer Teil der Ausfuhrmöglichkeiten der Vereinigten Staaten nach Ostasten sei bedroht. Daher müßten neue Absatzgebiete gefunden werden. In erster Linie denke man an Südamerika. Bei de» panamerikanischen Bemühungen Washingtons gehe es durchaus nicht um ideelle Dinge, sondern um den Wunsch, Südamerika z» einem großen Absatzgebiet der Vereinigten Staaten zu machen. Deutschland wolle man aus seiner Stellung auf den südamerikanischen Märkten verdränge». Deshalb fordere Washington es heraus und versuche ei»e« Koufliktzu schaffe».

Programm der Rom-Reise Chamberlains

Unterbrechung der Reise in Paris

Londo«, 8. Jan. Das Programm der Rom-Reise Thamver- lains und Halifaxs wurde am Freitagabend amtlich in London bckanntgegeben. Danach werde» die britischen Minister in Pa­ris Halt machen und von dem französischen Premiermini­ster Daladier sowie dem Außenminister Bonnetempfa»- gen. Nach einem zweistündigen Aufenthalt werden die briti­schen Minister Paris wieder verlassen. Am Mittwochnachmittag werden die britischen Minister in Rom eintreffen, wo fie in der Villa Madama Wohnung nehmen werden. Am Abend wer­den fie an einem Bankett teilnehmen, das Mussolini zu ihren Ehren im Palazzo Venezia gibt. Nach Kranzniederlegungen am Donnerstag werden sie sich zum Quirinal begeben, wo sie vom König von Italien und Kaiser von Aethiopien in Audienz em­pfangen werden. Für den Freitagoormittag ist ein Besuch beim Papst vorgesehen. Außenminister Lord Halifax wird Rom bereits am Samstagvormittag verlassen, um sich znr Sitzung der Glenfer Liga nach Eens zu begeben. Mini­sterpräsident Ehamberlain wird Sonntagabend wieder in Lon­don eintrelien