5. Seite — Nr. 298
Mittwoch, den ZV. Dezember 1839
Ragolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
Ein Tatsachenbericht
Danzig. 19. Dez. In den letzten Wochen verging kein Tag, an dem nicht neue Grabstätten aus den ersten Septembertagen non polnischen Mordbanditen im Auftrag Englands ermordeter Volksdeutscher Kameraden ausgefunden wurden. Nicht alle konnten bisher identifiziert werden. Es ist eine mühselige Arbeit, durch die immer neue und grauenvollere Verbrechen des polnischen Blutterrors aufgedeckt werden, lleber die in der Geschichte beispiellosen Grausamkeiten, mit denen die entmenschte polnische Soldateska die verschleppten Deutschen behandelte, ist in ihrem vollen Ausmaße bisher noch lange nicht alles bekannt geworden. Von manchen Zügen der Verschleppten wird man auch nie etwas erfahren, da kein einziger der entführten Deutschen mit dem Leben davonkam. In einzelnen Ortschaften des Kreises Hohensalza beispielsweise wurden fast alle Männer deutscher Volkszugehörigkeit hingemetzelt. Besonders furchtbar war das Los der Deutschen aus Ostburg, einem nahezu völlig deutschen Dorf wenige Kilometer östlich von Hohensalza. Einer von den wenigen Ostburger Deutschen, die dem grauenvollen Tod entrinnen konnten, war der Schneidermeister Erwin Boy.
2n seinem erschütternden Erlebnisbericht von dem Todesmarsch der Ostburger nach Standau sagt er: „Als wir Männer nun alle dastandsn, wurde uns von den Polen alles, was man bei uns fand, bis auf die Ringe, die man wohl übersehen hatte, abgenommen. Danach wurden wir ins Dorf getrieben. Dort mußten wir mit erhobenen Armen stehen bleiben. So wurden wir fast eine halbe Stunde lang geschlagen und verhöhnt. Endlich durften wir weitergehen, aber nur wenige Schritte. An der Kneipe des Ortes mußten wir mit dem Gesicht nach der Wand Halt machen. Jetzt sahen wir alle schon unseren Tod vor Augen, doch es war noch nicht so weit Man ließ uns nun zu Vieren nach Luisenfelde abmarschieren. Hier mußten wir uns in einer Reihe auf dem Felde hinlegen. Nun wurden uns noch die Ringe von den Fingern gezogen. Wir erwarteten jetzt das Schlimmste. Es waren furchtbare Minuten. Endlich wurden die ersten Namen verlesen, und bald krachten die ersten Schüsse. Es folgte ein furchtbares, herzzerbrechendes Stöhnen. Fast alle waren schlecht getroffen. Nun kam auch ich — als Sechzehnter — an die Reihe. Den ersten Schuß erhielt ich in die rechte Bauchseite. Fast im gleichen Augenblick erhielt ich einen zweiten Schuß. Es war zum Gluck nur ein Streifer am rechten Oberarm. Ich stellte mich tot. Jetzt hörte ich, wie auf die letzten meiner Kameraden geschossen wurde. Ihr Stöhnen war markerschütternd... Meine Todesangst wuchs. Nach dem letzten Schuß hörte ich, wie die polnische Horde losgrölte, in die Hände klatschte und brüllte: Da liegen nun die Hitleristen und ihre Jungdeutsche Partei!
Gleich darauf kamen zwei Männer und gruben für uns die Löcher. Mittlerweile wurde es dunkel. Jetzt kam mein Grab an die Reihe. Als es fertig war, stand ich auf und bat den „Totengräber", mir doch mein Leben zu lassen, da ich nur ein armer Schneider sei und Frau und Kind habe. Er aber zog seinen Revolver und gab einen Schuß auf mich ab, der zum Glück fehlging. Diesen Augenblick nutzte ich aus, entriß dem Polen seine Schußwaffe, versetzte ihm einen kräftigen Magenstotz und lief davon, was noch in meinen Kräften lag. Er folgte mir noch ein paar Schritte, ständig um Hilfe nach dem Militär rufend."
Trotz schmerzender Wunden schleppte sich der Deutsche im Schein der brennenden Vauerngehöfte durch die Nacht, durch sumpfige Gräben und Wälder, immer weitab von den Ortschaften, in denen die polnische Soldateska blindlings schoß und mordete, zu den deutschen Soldaten, die ihn verbanden und ihm weitere Hilfe zuteil werden ließen.
Dieser Tatsachenbericht spricht für sich. Obwohl er nur einen kleinen Ausschnitt eines Einzelschicksals aus dem furchtbaren Erleben der Volksdeutschen in diesen Septembertagen wiedergibt, genügt er, um die beispiellosen satanischen Grausamkeiten einer durch englrsche Aufstachelung größenwahnsinnig gewordenen Verbrecherclique für alle Zeiten zum unauslöschlichen Schandmal britisch-polnischer Brutalität und Kulturlosigkeit zu stempeln
Schwere Blutschuld au? England
Kirchenamtliche Feststellungen über das Wüten polnischer Soldaten und Banden gegen Geistliche
Berlin» 19. Dez. Chamberlain hat am 14. Dezember im Unterhaus einen Satz ausgesprochen, der an Geschmacklosigkeit und Unaufrichtigkeit wohl alles Bisherige übertrifft. Er okkupierte darin die Weihnachtsbotschaft für seine Kriegspolitik und verflieg sich zu der Behauptung, England kämpfe heute „für die Verteidigung der Prinzipien und Ideale, die vor 2000 Jahren die Gedanken der Menschheit inspirierten und ihre Herzen aufrichteten." Das wagt ein Mann auszusprechen, der die Polen ermutigte, einen neuen Weltkrieg zu entfesseln und sie zu den entsetzlichen Ereueltaten an ihren deutschen Staatsbürgern anstiftete! Die soeben bekannt werdenden kirchenamtlichen Feststellungen über das Wüten polnischer Soldaten und anderer Banden gegen Geistliche und Kirchengut sind die beste Illustration zu der „Weihnachtsbotschaft" Chamberlains.
Die von London her aufgehetzten verantwortungslosen Politiker Polens haben wohl gegen keine deutsche Vevölkerungs- gruppe so maßlos gewütet wie gegen die Träger des geistlichen Gewandes. Nach den nunmehr abgeschlossenen amtlichen Feststellungen der Evangelischen-Uniierten Kirche in Polen sind insgesamt 14 deutsche evangelische Pastoren — größtenteils in bestialischer Weise — hingemordet worden, zwei davon sind bio jetzt noch nicht einmal als Leichen aufgefunden worden. Auch vor kirchlichen Gebäuden machten die Vertreter des „edlen" Polenvolkes nicht halt.
In den großen evangelischen Gotteshäusern in Vromberg und Posen sind in jenen entsetzlichen Septembertagen die Altäre in gemeinster Weise beschmutzt, Leuchter zerbrochen, Bibeln u Altarbekleidüng in Fetzen gerissen worden. Aus den kirchenamtlichen Feststellungen über die Ermordung der evangelischen Geistlichen durch die vertierten Polen seien zwei Fälle herausgehoben. Der 45jährige Pfarrer Kutzer aus dem Vorort Jägerhof bei Vromberg, Vater von drei unmündigen Kindern, wurde plötzlich aus seiner Wohnung geholt, mit Kolbenschlägen mißhandelt und dann 200 Meter von seinem Hause zusammen mit drei anderen Männern ermordet, nachdem sie alle vier sich ihr eigenes Grab hatten schaufeln müssen. Nicht genug damit, wurde dem toten Pfarrer noch die Zunge ausgerissen, ein Auge ausgestochen, die Kehle durchgeschnitten und der Leib aufgeschlitzt. Am Nachmittag des gleichen Tages wurde der 76fähriae Vater Kutzers, der bei ihm wohnte, ebenso ermordet. Fünf Männer, die sich mit ihren Familien in das Pfarrhaus geflüchtet batten, wu^ ebenfalls erschlagen. Ein zweiter grausiger Fall ist die Ermoroung des Pfarrers Just aus Sienno, ebenfalls unweit Vromberg. Just war am 1. September mit dem Rade zum Besuch einer schwerkranken Frau über Land gefahren. Unterwegs fiel er in die Hände einer bewaffneten Bande Uniformierter und wurde mit drei Schüssen in die Brust und einem Dolchstich in den Hinterkopf ermordet. Die Banditen entkleideten den ermordeten Geistlichen, raubten Uhr und
Pimpfe sammeln beim Führer
Hinter dem Führer Reicksleiter Bouhlec und Bugakuführer Bor- » ll"N
lPresse-Hoffmann, Zand.-M.-K.)
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weis uns warfen vte halb bekleidete Leiche in ven Graben. Die übrigen Geistlichen sind auf dem Transport der völkerrechtswidrig verschleppten Deutschen entweder herausgegriffen und ermordet oder, soweit es sich um bejahrte Geistliche handelte, als Nachzügler niederqemacht worden. Soweit die amtlichen Berichte der evangelischen Kirchenleitung.
England, das auch diese entsetzlichen Mordtaten an den 14 evangelischen Geistlichen unmittelbar mitverschuldet hat, trägt durch sie eine weitere schwere Blutschuld.
Sie flehe» s»» Srutreich i» die Schweiz
Brief eines Stuttgarter Bordfunkers an seine Angehörigen
NSK...., 19. Dez. (PK.)
Ein Stuttgarter Bordfunker, dem es gelang, nach seiner Notlandung in Frankreich zusamen mit seinen Kameraden in die Schweiz zu flüchten, richtete aus Bern an seine Angehörigen folgenden Brief:
„Meine Lieben! Wenn ich diese Zeilen schreibe, habe ich nur den einen Wunsch, daß sie euch möglichst rasch erreichen. Ich nehme an, daß ihr durch meine Staffel schon benachrichtigt seid, daß ich vermißt werde. Vielleicht habt ihr auch schon von der Schweizer Regierung ein Telegramm oder einen Brief bekommen, daß ich in der Schweiz interniert wurde. Durch meinen Brief möchte ich euch nun etwas Näheres schildern.
Vorige Woche am Donnerstag starteten wir zum Feindflug. Nach einer guten Stunde wurden wir von zwei französischen Jägern angegriffen. Ich verteidigte die Maschine, nehme sogar an, daß ich einen Jäger beschädigte, denn er mußte von uns ablassen. Dann hatten wir aber Pech: der zweite Jäger zerschoß uns das Leitwerk und den Motor. Nebenbei wurden wir auch noch von der Flak beschossen.
Endergebnis — Bruch. Bums, Staub, Dreck und Durcheinander. Jetzt beginnt unsere unwahrscheinliche Glückserie. Wir kamen mit dem Leben davon, noch dazu nur leicht verletzt und etwas verstaucht. Die Maschine haben wir sofort verbrannt und sind in die Wälder geflüchtet. Unser Gedanke war, über die Schweiz zurück nach Deutschland.
Damit fingen unsere Strapazen an. Nichts zu essen, wir durften uns nirgends sehen lassen, wir kannten keinen Weg. Orientiert haben wir uns nach Sonne, Mond und Sternen, Kirchen, Friedhöfen und alten Bäumen. Ganz Frankreich war gegen uns alarmiert.
Frechheit siegt. Zweimal war ich bei französischen Familien gewesen und habe mich mit meinem bißchen Schulenglisch als Engländer ausgegeben. Zwischendurch habe ich auf französisch um Brot gebettelt und nach dem Weg gefragt. Manche Hindernisse hatten wir noch zu überwinden. Einmal einen Fluß. Einmal nachts haben wir uns ein Brot genommen. Ein andermal gerieten wir in ein Dorf, das voll von französischen Soldaten war, konnten uns aber glücklicherweise unerkannt davonstehlen.
Geschlafen haben wir in Heuschobern, wenn man überhaupt von schlafen sprechen kann. Wir sind am Tag durchschnittlich 15 bis 18 Stunden gelaufen bergauf, bergab, durch Wälder und Wiesen, über Zäune, Hecken und Flüsse bei grimmiger Kälte, zuletzt bei kniehohem Schnee.
Gegessen haben wir in der Zeit drei Schnitten gebetteltes Brot, Hagebutten »und Schnee, rauchen konnten wir nicht, weil wir nichts hatten.
Aber unsere Bemühungen wurden belohnt, die Qual nahm ein Ende. Sonntag morgens 1 Uhr überschritten wir völlig erschöpft, durchnäßt und durchfroren die Schweizer Grenze, ohne daß wir es wußten. Auf einem Bauernhof frug ich dann, wo wir sind, und bekam hocherfreut auf Deutsch die Antwort: in der Schweiz! Wir waren gerettet — wir gaben uns wortlos die Hand.
Auf dem Hof bekamen wir noch drei Becher Milch und einen Happen Brot, anschließend legten wir uns überm Kuhstall ins Heu schlafen, besprachen aber noch vorher die Marschroute des nächsten Tages, um möglichst rasch nach Deutschland zu kommen. Ich war gerade eingeschlafen, träumte von einem frohen Wiedersehen, als wir höchst unsanft von dem Schweizer Grenzschutz geweckt und zur Zollstation gebracht wurden. Wir wurden dort verhört, beköstigt und konnten uns dann schlafen legen.
Bemerken muß ich die Freundlichkeit und innere Teilnahme der Offiziere und Soldaten. Wir bekamen genug zu essen, zu trinken und zu rauchen; Sonntag mittags wurden wir mit einem Auto nach Viel gebracht. In Biel übernachteten wir im Gefängnis, wurden nochmals verhört, bekamen Esten und Rauchwaren; auch hier muß ich die Zuvorkommenheit der Schweizer loben, die uns sogar Schokolade brachten.
Montags wurden wir mit der Bahn nach Bern gebracht, übernachteten in einer Kaserne, wo wir uns noch augenblicklich befinden. Hier bekamen wir Wäsche, Toilettengegenstände und warten jetzt auf die endgültige Unterbringung in einem Internierungslager.
Grüße an alle; benachrichtig auch den SA.-Sturm.
In alter Frische Euer Fritz."
Wer war der erste deutsche StrrrMsger?
An einem Hause in der Johannisstraße in Osnabrück befindet sich eine Gedenktafel, auf der zu lesen ist: „2n diesem Hause wohnte der erste deutsche Kopf- und Sturzflieger Gustav Tweer, geboren 5. Juli 1893 in Osnabrück, tödlich verunglückt am 1. November 1916 in Hannover."
Gustav Tweer, der ursprünglich Kaufmann werden wollte, kam schon zur Filegerei, als diese noch tief in ihren Anfängen steckte.
! nwmanü lannte ven wagemutigen Mann, aber ats er im Lunt ! 1913 seinen ersten Fernflug erledigte, als er auf einem Flugtag waghalsige Kunststückchen hoch oben in der Luft vorführte, war man begeistert von ihm. Eine öffentliche Sammlung, die „Tweer- Spende", gab dem Pionier des deutschen Sturzflugwesens die Mittel an die Hand, seine Versuche weiter sortzusetzen. Und über der Netter Heide bei Osnabrück konnte man eines Tages die Sensation des ersten Sturzfluges erleben.
Im Weltkrieg stellte sich Tweer zwar sofort der Fliegertruppe zur Verfügung, er holte sich das Eiserne Kreuz ll. und I. Klasse, wurde jedoch bald in die Heimat zurückberufen, wo er als Chefpilot und Einflieger bei einer Flugzeugfabrik dem Vaterlands äußerst wichtige Dienste leistete. Als er am 1. November 1916 eins neue Type einslog und in etwa 1000 Meter Höhe tollkühne Flugfiguren ausführte, Lberschlug sich die Maschine und stürzte ab. Tweer wurde mit gebrochenem Genick geborgen. Das Wort Lilienthals: „Opfer müssen gebracht werden", hat sich auch an Gustav Tweer, dem ersten deutschen Sturzflieger, erfüllt. Aber sein Opfer war nicht vergeblich. Gerade die deutschen Sturz- tampffiieger waren es, die sich in Polen so glänzend bewährten und ihr gemessen Teil zu der schnellen, siegreichen Durchführung des Feldzuges beitrugen. Die Polen und ihre „Freunde" sahen es mit Grausen und Entsetzen. Die übrige Welt erlebte den Stuka-Einsatz mit staunender Bewunderung.
Lum erstenmal Weihnachten im Felde
Weltkriegserinnerung von Albert Lehsten
„Wenn die Blätter fallen, sind wir wieder zu Hause", hatte einer dem anderen an der Westfront zugeraunt. Der Oberste Kriegsherr sollte es gesagt haben. Der mußte es doch wissen. Ach, die Bäume wurden kahl, Novemberstürme brausten durchs Land und noch immer saßen wir in den regenfeuchten Gräben vor Loretto und Lievin. Dezember nahte Advent. Durch die Briefe aus der Heimat klang es wie ein leises Weihnachtsläuten. Aber bei uns dröhnten die Geschütze, pfiffen die Kugeln Nach kurzer Atempause hatte Joffre Mitte Dezember noch einmal zum Sprung an- qesetzt, die Front zwischen Arras und La Bassee zu durchbrechen. Bis zum 23 trieb er seine Scharen gegen die deutschen Gräben vor. Umsonst! Kein Fuß breit ging verloren. Da gab er es auf, und Weihnachtsfriede zog ein in die Gefilde Südflanderns.
Wir aber rüsteten zum Fest. In den Hinterzimmern unseres Stabsquartiers in Lens häuften sich Kisten und ! Kästen. Ueberreich spendete die Heimat: Wolle und Leinen, Pfefferkuchen und Marzipan, Bücher und Spiele, Wurst und Schinken. Nichts war vergessen. Voll Liebe die Verpackung, voll Liebe die Begleitschreiben bis zum ungelenken Kinderbrief: „Lieber Soldat..." Welche Freude, ; dies alles zu sichten, zu verteilen, der Truppe zuzuleiten. Die Nacht, der Vormittag des 24. ging darauf hin. Erst dann konnten wir an uns denken. Tagelang waren wir nicht vom Kartentisch, vom Fernsprecher weggelommen. Eingerostet dünkten uns die Knochen. Also hinauf auf den Gaul, hinaus in frostklaren Wintertag, hinaus zu den Regimentern, zu danken für all das Heldentum der letzten Tage, zu sehen, was des Feindes Artillerie in Gräben und Batterien angerichtet. In der Dämmerung kamen wir heim. Post lag bereit: Briefe, Pakete aus der Heimat. Still ging ein jeder auf seine Stube, packte aus und las, las von den Lieben in Deutschland, von ihrer Sehnsucht, ihrem Gedenken, ihrem tapferen Mut, ihrer Zuversicht Und das Herz wurde warm und das Auge feucht, und der Dank formt sich zum Gebet für ihr und des Vaterlandes Wohl. Kurz war die Mutze. Dienstliche Pflichten riefen. Die Abendmeldung: „Alles ruhig." — „Gott sei Dank! Nur nicht Nachlassen in der Aufmerksamkeit und im übrigen frohes Fest!" Schnell hinein in den besseren Nock. Geheimnisvoll rumorte es schon lange im Salon von Madame und im Eßzimmer versammelte man sich bereits zur Feier: Offiziere. Mannschaften des Stabes, unsere französischen Hausgenossen, die neunjährige Andres, unserer Nachbarn Kind. Die Türen öffneten sich. Da stand der Baum, der deutsche Weihnachtsbaum, im Glanze der Lichter und Sterne. Eigenhändig hatte ihn der General im Schrapnellfeuer unmittelbar hinter dem Schützengraben von Loos ausgesucht, eigenhändig ihn geputzt. Die alten Lieder erklangen. Der General sprach ein paar herzliche Worte, schmückte zwei brave Meldereiter mit dem Eisernen Kreuz und führte jeden an seinen Tisch. Neben Gaben der Heimat erwarteten da jeden kleine Ueber- raschungen, .wie sie gang und gäbe sind zwischen guten Kameraden. So fand ich, der unverbesserliche Optimist, eine Schachtel französischer Holzsoldaten mit der Aufschrift:
! „80 000 Gefangene, Weihnachtsgeschenk des Generals Joffre ; für seinen lieben..." Marguerite und Philomene, die bei- I den Dienstboten, drängten heran, brachten uns kleine Zei- ! chen ihrer Anhänglichkeit. Kinder der Nachbarschaft klopften und begehrten den „Bon Noel" zu sehen. Offiziere und Mannschaften, Freund und Feind, standen und saßen beieinander, traten sich näher im Schimmer des Baumes, tauschten Erinnerungen an die schweren Stunden der vergangenen Monate. Allmählich verebbte der Strom. Wir blieben allein. Der Punsch funkelte im Glase. Noch einmal umfing uns Musik: Vater und Sohn, der General und der Leutnant, Klavier und Geige. Die L'chter brannten langsam herab. Die kleine Andres spielte um uns, rurd wir träumten von der Heimat.