Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter'
Montag, den 27. November 1833
5. Seite — Nr. 278
„Neutrale" Reiseerlebnisse
Holländische Streiflichter im dritten Kriegsmonat
Von Helmut Sündermann
NSK. Es sind englische Minister, die ihrem Volk versichern, daß dieser Krieg nicht so sehr mit Massen aus Eisen und Stahl als mit den Werkzeugen der Blockade und den Geschossen der Propaganda zu führen sei. Diesen Grundsätzen getreu, ist für England das neutrale Ausland ein wichtigerer Kriegsschauplatz als die Maginotlinie Deren Verteidigung überlätzt es gerne dem französischen Bundesgenossen, es sucht seinen Krieg dort, wo ihm nicht Soldaten entgegentreten und wo es nicht mit Granaten empfangen wird. Und wer vom engi.chen Kriege berichten will, darf deshalb nicht nur zum Westwall fahren, sondern er mutz Englands Kriegführung dort suchen, wo sie sich offen zeigt: in den Ländern, die nicht mit uns im Kriege stehen und die England gerade deshalb zum Werkzeug seiner Kriegführung zu machen bestrebt ist.
Der Wunsch, diesen Spuren der englischen Kriegführung nachzugehen, war die Absicht einer Reise in mehrere neutrale Länder, von der in diesem Bericht die Erlebnisse in Holland dargestcllt werden sollen.
Englands Tor zum Reich
Unser Nachbarstaat Holland ist das Land, das vielleicht das wichtigste Tor Englands zum Reich ist und auf dessen Beherrschung schon aus geographischen Gründen die englischen Strategen den bedeutendsten Wert legen. Wir erinnern uns daran, datz in den entscheidungsvollen Tagen vor dem Kriegsbeginn die englische Regierung bemerkenswert lange zögerte, bis sie sich zu einer Erklärung herbeilietz, die holländische Neutralität zu achten.
Wird diese Neutralität von England wirklich geachtet, wird sie in Holland wirklich gewahrt? Das ist die Frage, die eine Reise über die nordwestliche Grenze des Reiches heute journalistisch interessant macht und die den Standpunkt abgibt für die Betrachtung all der vielleicht oberflächlichen, aber doch wichtigen Eindrücke, die sich dem Reisenden in einem fremden Lande darbieten.
Wie bei allen Reisen über die Grenze, so ist es auch hier: am spannendsten wird der Augenblick erwartet, in dem der Zug in den ersten Bahnhof des anderen Staates einrollt und die veränderte Atmosphäre in all den Kleinigkeiten und Aeußerlich- keiten, die dem Fremden zu Gesicht kommen, sich wiederspiegelt.
Hier an der Grenze zwischen Kaldenkirchen und Venlo empfängt uns ein „kriegerisches" Bild. Schwer bewaffnete holländische Soldaten bewachen den Zug mit aufgepflanztem Bajonett, Stahlhelm aus dem Kopf. Nur wenige Reisende sind im Zug, und doch dauert die Prozedur der Beamten beträchtlich lange. Zweck und Ziel der Reise werden bei jedem Einzelnen erkundet und verbucht. Endlich setzt sich der Zug in Bewegung. Der Blick aus Ueberschwemmungen, auf angelegte Straßensperren, auf kampierende Truppen bietet dem Auge vielfache Abwechslung.
Die Herrchen des Büchermarktes: Engländer und Juden
Eindhoven. Umsteigestation. Ein großer Buchkiosk bringt erwünschte Gelegenheit zur Untersuchung der Frage nach der geistigen Neutralität dieses Landes. Sie findet eine überraschend eindeutige Antwort: Meist sind es alte Bekannte, die mir auf den Vuchumschlägen entgegenblicken. Juden und Emigranten, die sich rasch auf die neue Lage umgestellt haben und nun „Deutschlands Chancen im Kriege" untersuchen und tiefgründig die Frage erörtern „Was Hitler will?". Damit auch der deutsche Frontsoldat „gewürdigt" werde, hat man die holländische llebersetzung von Remarque: „Im Westen nichts Neues" wieder hervorgeholt und stellt sie in den Mittelpunkt dieser ganzen Literatur, durch die „Deutschland" in dieser neutralen Bücherschau vertreten wird. Die englische Seite weist etwas andere Merkmale auf: Das englische „Blaubuch" ziert zuallererst den Bücherstand, und dann ist alles zu finden, was in diesen Wochen vom englischen Lügenministerium über Deutschland verkündet worden ist. Lückenlos wie in einer Staatsbibliothek sind alle die Bücher, Schriften und Schriftchen vorhanden, die die englische Anständigkeit und die deutsche „Verworfenheit" zum Thema haben. Ich suchte nach einem Buch, nach einer Schrift, die etwa einen Deutschen zum Verfasser hat. Ich suchte nach einem Buch über das britische Empire, nach einer Schrift über die Kriegsursachen, über Englands Kriegsziele — die Suche war vergeblich. Hier, wie in nahezu allen Buchläden, die ich später sah, gab es nur eine Sorte von politischen Büchern: englische und jüdische.
Der englische Wind im Blätterwald
Die Fahrt ging weiter. Der Haag und Amsterdam waren" die Hauptstationen. Daß die Hotelportiers, die Stratzenverkäufer nur englische Zeitungen anboten und deutsche erst umständlich unter den zuriickgelegten Vorräten hervorkramten, überraschte mich schon nicht mehr, aber das — mit höchstens ein bis zwei Ausnahmen — in seiner dreisten Einseitigkeit nicht zu llber- treffende Bild der holländischen Presse war doch wieder etwas Neues. Ich nahm mir die Mühe und untersuchte einmal die Nachrichten, die die meistgelesenen holländischen Zeitungen so ihren Lesern vorzusetzen pflegen. So griff ich mir z. B. den „Standaatd" — das Blatt der Partei des früheren Ministerpräsidenten Coljin — und stellte am 11. November fest, datz in dieser Ausgabe von 29 Auslandsmeldungen nicht weniger als IS vom englischen Nachrichtenbüro, 6 vom französischen Büro Havas, eine von der „Times", eine weitere von der „polnischen Telegraphen- Agentur" stammten, während nur 6 die Herkunftsbezeichnung eigener oder neutraler Quellen trugen. Eine Meldung aus deutscher Üuelle wurde überhaupt nicht veröffentlicht, wohl aber Meldungen über angebliche Vorgänge im Reich, die sich das holländische Blatt aber vorsorglich von Reuter geben ließ! Ich nehme mir den „Rotterdamschen Courant": dort sind wenigstens „nur" 13 von 32 Meldungen zugegebenermaßen aus englischen und französischen Quellen, darunter ebenfalls mehrere Meldungen über „Ereignisse" im Reich. Ich greife mir noch die größte politische Zeitschrift Hollands, die „Haagsche Post". Ihre „Wochenübersicht" verzeichnet jeden Seufzer eines englischen Ministers, zehn Meldungen berichten von den „gewaltigen" Dingen, die,bei den Alliierten geschehen, nur eine Meldung befaßt sich mit dem Reich: das Münchener Attentat kann wirklich nicht ver- scbwiegen werden. Dafür gibt es in der „Haagschen Post" eine große Sonderseite, auf der die „Stimmung in den großen Zentren" untersucht wird. Berlin interessiert hier nicht. Für die „Haagsche Post" sind „große Zentren" nur London, Paris und Neuyork! Auch bei dem „Querschnitt durch die Weltpresse" ist die deutsche Presse uninteressant. Sie wird nicht zitiert, wohl aber findet jede englische und französische Tintenblähung hier ihr Echo.
Gibt es außer Tommys noch Soldaten?
Nachdem meine Suche nach der Neutralität in den Zeitungen so reichlich unbefriedigt blieb, betrat ich in der Hauptstraße von Amsterdam den großen Kinopalast, in dem das „Allgemeene Handelsblad" ein Tageskino betreibt, in dem neben Unterhaltungsfilmen zwei Wochenschauen angekündigt waren. Da ich mich in einem neutralen Lande befand, war ich darauf gefaßt, daß eine dieser Wochenschauen englischen Ursprungs sei, während ich nnfältigen Gemütes glaubte, in dem zweiten dieser aktuellen Filme Wiedersehen mit einer unserer spannenden deutschen Wo-
Der Brief des Verräters
Das Original des Verräterbriefes, den Otto Straffer schrieb. Im Anschluß die Liste der in dem Brief durch Nummern gekennzeichneten Personen.
lPresse-Hoffmann, Zand.-M.-K.)
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cheiychau feiern zu tonnen. Gerade der Vergleich verjprach ve- sonders interessant zu werden. Dis eine Wochenschau rollt ab. Es ist — 'wie erwartet — ein englischer Propagandasilm von mäßiger Qualität und dürftigem Inhalt. Man sieht die englische Königin mit ihren Damen beim Strümpfestricken und ähnliche kriegerische Bilder. Auf einem Zwischenfilm folgt die zweite Wochenschau. Der erste Titel erscheint: „Die Post ist da" — in der englischen Etappe irgendwo in Frankreich ist der Briefträger gekommen. Die Tommys zeigen sich in bester Laune. „Die Kriegsindustrie ist voll beschäftigt" — die öde Halle einer englischen Fabrik erscheint. Der englische König durchwandert sie wohlwollend und stellt landesväterliche Fragen an mäßig begeisterte Arbeiter. „Hochbetrieb in der Uniformschneiderei" — natürlich in der englischen Uniformschneiderei. Diesmal ist es wieder die englische Königin, die durch ihr Erscheinen die Arbeiterinnen anfeuert. (Es ist ein recht aktueller Bildstreifen: hier werden sicher die Wintermäntel hergestellt, die — wie im Unterhaus festgestellt wurde — den englischen Soldaten fehlen.) In dieser Methode geht es weiter. Den Vogel schießt ein Filmstreifen ab, in dem ein Hafen mit zahlreichen Schiffen gezeigt und mit stolzen Worten erklärt wird: das seien die neutralen Schiffe, die hier von England festgehalten und untersucht werden. Hier könnten die Holländer also wenigstens im Film Wiedersehen mit ihren überfälligen Schiffen feiern! Daß solche provokatorischen Filmstreifen hier gezeigt werden können, wirft ein grelles Schlaglicht auf Hörigkeit gegenüber der englischen Propaganda, die hier in diesem Lande die Geister verdunkelt. Noch ein unpolitischer Film — dann ist die Vorstellung zu Ende. Ich verlasse das „Cineac", ohne auch nur eine halbe Minute etwas davon gesehen zu haben, daß es außer den Allierten noch eine andere kriegführende Partei gibt! Mühsam rufe ich mir ins Gedächtnis zurück, daß ich mich doch nicht in London, sondern in Amsterdam befinde.
Schwure vor dem englischen Konsul
Das Bild von der Dreistigkeit, mit der England von diesem Lande Besitz ergreift, vervollständigt sich durch Gespräche mit Holländern über die wirtschaftliche Bevormundung, mit der englische Behörden hier schatten und walten, als wären sie zu Hause. Mit einem bedauernden Achselzucken, das die Fügung in ein — wie sie meinen — unabänderliches Los bedeutet, erzählen sie davon, daß holländische Firmeninhaber auf die englischen Konsulate geladen und aufgefordert wurden, zu schwören, datz sie nichts mehr nach Deutschland liefern. Nicht genug mit dem Schwur: sie müssen diesen seltsamen „Gästen" im eigenen Lande oft auch noch ihre Bücher und Bilanzen oorlegen, deutsche Angestellte entlassen und sonstige unglaubliche „Bedingungen" erfüllen, die sich mit der Souveränität eines selbständigen Staates wahrhaftig nicht vereinigen lassen. Wir kennen zu viele Beispiele anderer neutraler Staaten, die diesen empörenden Anmaßungen englischer Behörden sofort einen Riegel vorgeschoben haben. In einem Lande freilich, das sich der englischen Propagandadiktatur willenlos beugt, nimmt es nicht wunder, daß auch der englische Wirtschaftskrieg, wenn zwar auf Proteste, so doch praktisch auf völlige Nachgiebigkeit stößt.
Scheveninger Strandidyll
Daß die englische Peitsche auch auf anderen Gebieten geschwungen wird, das erlebt drastisch, wer Hollands Grenze gegenüber England: die Küste, besucht. Im Gedanken an die holländischen Truppenkonzentrationen an der deutschen Grenze, an die Tatsache, daß die Holländer große Teile ihres Landes unter Wasser gesetzt haben, um sich gegen den von Reuter prophezeiten „deutschen Einfall" zu schützen, fuhr ich erwartungsvoll nach Scheveningen. Ich erinnerte mich daran, vor kurzem in ausländischen Blättern von dem „kriegerischen" Aussehen des Scheveninger Strandes gelesen zu haben, und war der Erwartung, daß an dieser Küste, die nur wenige Stunden von Englands Küste entfernt liegt, einen besonderen Eindruck von bemerkenswerten Schutzmaßnahmen gegen ein immerhin leicht denkbares englisches Landungsunternehmen zu finden. Die großen Hotels fand ich der Jahreszeit entsprechend geschlossen. An der Brüstung, die den Strand abschlietzt, lehnte ein Soldat, mit dem Rücken zur See. Neben ihm lagen ein paar alte Sandsäcke, deren militärische Bedeutung aus dem Schild „Photographieren verboten" hervorging. Ich bin nur ein Journalist ohne militärische Kenntnisse und Absichten. Immerhin fiel mir auf, daß — im Gegensatz zur Gegend an der deutschen Grenze — nirgends auch nur Anzeichen irgendwie gearteter Abwehrwaffen zu sehen waren. Vielleicht sind sie hier besonders gut getarnt, um das Bild des Friedens, das nur noch durch einen weiteren Soldaten mit Braut l beeinträchtigt wurde, ja nicht zu stören. Für deutsche Besucher wäre es jedenfalls beruhigender, wenn hier oder in den weiten j Dünen, in denen die Haager Jugend im Novenibersonnenschein ihre Spiele treibt, wenigstens noch einige Schilder „Photographieren verboten" stehen würden...
König Eeorg — Hatte Selasfie — Achmed Zog»
Vielfältig sind sonst noch die Eindrücke einer solchen Reise im dritten Kriegssmonat. Sie können nicht alle ausgezeichnet werden. Die Giftsaat der angemaßten geistigen Herrschaft Englands über dieses Land ist nicht ohne Wirkung auf die Gemüter seiner Bewohner geblieben. SieerfahrennichtsüberDeutsch- land, sie leben in ein er Wolke der Lüge, der Glaube an die englischen Parolen greift um sich, und die Gefahr, die diesem Lande infolgedessen droht, von England in seinen „Kreuzzug" gegen das deutsche Volk eingespannt zu werden, hat bedenkliches Ausmaß angenommen.
Und doch habe ich kurz vor meiner Abreise noch eine Erinnerung mitgenommen, die mich für vieles andere erheiternd ent-
^ schädigt hat: An der Schaufensterscheibe einer Amsterdamer Buch- ^ Handlung fand ich — wie hier überall üblich — eine ganze Serie ^ von Bildern des englischen Königs, allein, mit Königin, ohne ^ Familie usw. Unmittelbar daneben aber waren ebenso schöne : Bilder ausgestellt vom „Kaiser von Abessinien" Halle Selasfie j sowie vom „König von Albanien", Achmed Zogu! Diese Zusam- > menstellung fand ich so apart und sinnvoll, daß ich tiefbefriedigt s meinen Zug bestieg.
Der Zustand in Englands Gefängnissen
Anfragen an den britischen Innenminister
Amsterdam, 24. Nov. Im Laufe der am Donnerstag abgehaltenen Unterhaus-Sitzung mußte Innenminister Sir John Anderson zugeben, daß es in englischen Gefängnissen zu ern st haften Revolten gekommen ist und datz die Verhältnisse in englischen Gefängnissen keineswegs so sind, wie man es in der freiesten Demokratie der Welt erwarten könne. Der Erklärung Andersons zufolge müssen diese Zustände bei der Evakuierung, von der zu Kriegsanfang auch die Gefängnisse betroffen wurden, noch schlimmer geworden sein; denn er mußte zugeben, daß sich die Gefangenen dagegen durch heftige Demonstrationen zur Wehr setzten. Die Zustände im Londoner Gefängnis Bensworth sind ganz besonders schrecklich. Mit ihnen beschäftigte sich die Frage eines konservativen Abgeordneten, der dabei auch den Fall eines Faschisten, der in diesem Gefängnis saß, zur Sprache brachte. In'diesem Gefängnis sei ein Mann 25 Tage lang in einer Zelle untcrgebracht worden, die nicht eine einzige Fensteröffnung besaß und nur durch künstliches Licht beleuchtet werden konnte. Der Gefangene, den man in dieser schrecklichen Zelle festhielt, habe weiter behauptet, daß diese Zelle voll Ungeziefer sei und daß er hier wie in einer anderen ebenfalls verlausten Zelle sieben Wochen lang dasselbe schmutzige Bettzeug hätte benutzen müssen. Diese Tatsache mußte auch der Innenminister zugeben und versuchte sie damit zu entschuldigen, daß die Eefängniswäschereien infolge des Kriegsausbruches überlastet gewesen seien. Auf die weitere Frage des konservativen Abgeordneten Ramsay, ob es zutreffe, daß dieser Gefangene zweimal fünf Stunden lang in einem Loch eingesperrt gewesen sei, das nur 1.20 Meter lang und 90 Zentimeter breit sei, mußte Anderson zugeben, daß es in den Gefängnissen tatsächlich „außerordentlich kleine Zellen" gebe, in denen die Gefangenen möglicherweise einige Stunden zuöringen müßten. Der unabhängige La- bour-Abgeordnete McGoven erklärte darauf: „Es i st ein verfluchter Skandal, wenn ein Mann in einem derart kleinen Lau.-» gejangen gehalten wird."
GerichtSsaal
Diebesbande hinter Schloß und Riegel Heilbronn, 24. Nov. Die Große Strafkammer Heilbronn hatte sich am Donnerstag mit einer Diebesbande zu beschäftigen. Sieben Angeklagten im Alter von 20 bis 30 Jahren, die teils aus Heilbronn, teils von auswärts stammen, waren Diebstähle verschiedenster Art zur Last gelegt worden. Insgesamt konnten ihnen neun Fahrrad-, vier Geldiebstähle, Entwendung von Stiefeln, Mänteln und Nahrungsmitteln nachgewiesen werden Besonders auf Fahrräder und Bargeld hatten es die Burschen, die die Verdunkelung zu ihren lichtscheuen Handlungen ausnutzten, abgesehen. Das Gericht kam zu folgenden exemplarischen Strafen: Der 21jährige Otto Lang aus Heilbronn, der Rädelsführer der Bande, erhielt vier Jahre und sechs Monate Zuchthaus, vier Jahre Ehrverlust und Sicherungsverwahrung, Robert Häberer aus Neckargartach wurde zu drei Jahren sechs Monaten Zuchthaus und drei Jahren Ehrverlust, vier Angeklagte wurden zu vier bis neun Monaten Gefängnis verurteilt. Ein weiterer Angeklagter wurde freigesprochen.
Beinahe zur Mörderin am eigenen Kinde geworden Ravensburg, 24. Nov. In den Morgenstunden des 30. März d. I. war in dem Heukar eines Allgäuer Ortes ein neugeborenes Kind aufgefunden worden. Bald stellte sich heraus, daß die 24jäh- rige M. H. aus Niederwangen (Allgäu) die Täterin war. Sie hatte die Absicht, das Kind, das sie unehelich geboren hatte, er- j frieren zu lasten. Wenn der Vater dieses Kinder den Säugling ! nicht aufgefunden und in die warme Stube gebracht hätte, wo ! ein Arzt das kleine Wesen wieder ins Leben zurückrief, dann stünde das junge Mädchen heute als Mörderin da. So kam sie ; mit dem Urteil der Strafkammer Ravensburg, das bei Cewäh- - rung mildernder Umstände auf ein Jahr sechs Monate Gefäng- l nis lautete, noch verhältnismäßig glimpflich davon.
Zehn Jahre Zuchthaus für eiue Schleichhöndleriu
Berlin, 25. Nov. Das Berliner Sondergericht verurteilte die 39jährige Martha Krause wegen Verbrechens gegen die Ver- i ordnung gegen Volksschädlinge, die Kriegswirtschaftsverordnung ! sowie die einschlägigen Bewirtschafts- und Preisgesetze zu zehn i Jahren Zuchthaus und fünf Jahre Ehrverlust. Die Verurteilte hatte zwei Schlächtermeister zu überreden verstanden, ihr sechs Wochen hindurch größere Mengen Fleisch- und Wurstwaren ohne Vezugskarten zu überlassen. Die erhaltenen Waren verkaufte die Krause mit erheblichem Preisaufschlag dann weiter. Als die Polizei einschritt, hatte sie gerade ihre letzte Sendung von 75 Kilogramm Fleisch, Wurst, Schinken und Speck erhalten, um sie weiterzuverschieben. Ferner hatte die Angeklagte einen schwunghaften Handel mit Butter und Spinnstoffwaren aller Art betrieben. Nur dem Umstande, daß sie bisher unbescholten war, verdankte sie die Tatsache, daß das Gericht ihr Verbrechen nicht als todeswürdig ansah, weil für ihre Tat auch die Todesstrafe in Frage gekommen wäre.