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Nr. 274

Mittwoch, äen 22. November 1939

113. Jahrgang

Münchener Anschlag aufgeklürt

Der Attentäter Georg Elser verhaftet Aufklärung der Hintermänner des Verbrechens

Nunmehr aber ist jedenfalls ein Teil der mit dem Verbrechen in Zusammenhang stehenden Subjekte bereits verhaftet.

Zur weiteren Aufklärung werden an die Oeffentlich- keit folgende Fragen gerichtet:

1. Wer kennt noch Elser?

2. Wer kann noch Angaben machen über seinen Umgang?

3. Wer kann noch Hinweise geben, mit wem E. verkehrte?

4. Wo ist E. in den letzten Jahren aufgetancht?

S. Wo oder bei wem hat er Einkäufe getätigt oder Bestellungen ausgegeben?

6 Wer weiß noch, daß sich E. mit Erfindungen, technischen Zeichnungen, Konstruktionen, Bauplänen usw. beschäftigte?

7. Wer hat bei anderen Personen Zeichnungen oder Pläne des Bürgerbriiukellers gesehen?

8. Wer hat E. in Lokalen» auf Bahnhöfen, in Zügen, Auto­bussen usw. allein oder mit anderen gesehen?

S. Wer hat E. «och im Auslande gesehen? Wann, «o »nd mit wem?

Wie -er Verbrecher gefaßt wurde

Das Münchener Attentat das gemeinste und raffinierteste aller Verbrechen

§ trennen. Alle Arbeit konnte darum in erster Linie sich auf den mutmaßlichen Täter kreis konzentrieren, um so i dann systematisch auf den Täter, den Verbrecher selbst zu stoßen und dann die von ihm ausgehenden Verbindungslinien zu ver­folgen.

In Richtung der ersten Untersuchungsergebnisse wurden auf Weisung des Reichsführers ^ aus dem ganzen Reichsgebiet und von den Grenzen her alle nun zu dem engeren Verdachtskreis gehörenden Personen zur Sonderkommission nach München über­stellt, die wiederum nochmals nach den neuesten Befunden den Kreis nach eingehendsten Vernehmungen immer weiter einengte. ^ Die Vernehmung eines jeden Verbrechers bedingt Abtasten und Kennenlernen seiner psychologischen Substanz; als sich der Verdachtskreis um Elser dann geschlossen hatte, als sämtliches (Fortsetzung stehe Seite 2)

Berlin, 21. Nov. Der Neichsführer U und Chef der deutschen Polizei gibt bekannt:

Sofort nach dem ruchlosen Anschlag im Bürgerbräukeller am 8. November 1939 wurden Maßnahmen getroffen, die zur Auf­klärung des Verbrechens geeignet erschienen und die Festnahme des Täters oder der Täter ermöglichen konnten. Im Zuge dieser Fahndungsmaßnahmen fand eine augenblickliche Sperrung aller deutschen Grenzen in Verbindung mit einer verschärften Grenz­kontrolle statt. Unter den noch in dieser Nacht Verhafteten be­fand sich ein Mann, der versuchte, auf illegalem Wege über die deutsche Grenze in die Schweiz zu gelangen. Es handelte sich da­bei um den 38 Jahre alten Georg Elser, zuletzt wohnhaft in München. Die inzwischen getroffenen Feststellungen der von der Sicherheitspolizei nach München entsandten Sonderkommis­sion ergaben zahlreiche Hinweise aus die Vorbereitung und Aus­führung der Tat. Als Täter schien eine Person in Frage zu kommen, von der bereits am 12. November eine genaue Beschrei­bung veröffentlicht werden konnte.

Weitere Feststellungen verstärkten den Verdacht, daß Georg Elfer zumindest in irgend einer Beziehung zu dem Attentat stehen muhte. Unter der Last des von der Sonderkommisston so­wohl am Tatort als auch in seinen inzwischen ermittelten Zu­fluchtsstätten sichergestellten Beweismaterials und nach mehreren Gegenüberstellungen legte Elser nach erst hartnäckigem Leugne» am 14. Novembcr ein volles Geständnis ab.

In einer in der Kriminalgeschichte einzig dastehenden Weise hatte er in wochenlanger Kleinarbeit in eine der Trag­säulen des Bürgerbriiukellers eine Zeitziind- iadung eingebaut, deren Uhrzeit auf sechs Tage oder 144 Stunden eingestellt war. Die Planung des Verbrechens geht aus den September bezw. Oktober 1938 zurück. Im August 1939 fand der Einbau der Sprengkammer statt. Die Sprengladung brachte er am siebenten Tage vor der Kundgebung im Brügerbräukeller an. Sechs Tage vorher versuchte Elser zum erstenmal, die unter­des eingestellte Zündmaschine in die Sprengkammer zu bringen. Dies mißlang. Auch die fünfte Nacht vorher war ihm ungünstig und führte wieder zur Aufgabe des Unternehmens. Die Nacht vom vierten zum dritten Tag vor dem 8. Novem­ber gab aber Elser die Gelegenheit, seine Zünd­maschine in die vorbereitet« Sprengkammer einzubauen. Der Täter fuhr daraufhin sofort ab, um sich über Stuttgart zu den in der Schweiz bereits auf ihn wartenden Auftraggebern zu begeben. Aus bestimmten Grün­den fuhr Elser am Nachmittag des siebenten «och einmal nach München zurück." Es gelang ihm, in der Nacht vom 7. zum 8. neuerdings in den Bürgerbräukeller einzudringen, um sich noch einmal durch persönliches Hor­chen von dem Ticken des Uhrwerks zu überzeugen. Der Verbre­cher hatte hier nicht vergesse«, für eine Abdämpfung des Ge­räusches zu sorgen Er wiederholte diese Probe in der Nacht vom 7. auf den 8. einige Male. Am 8. frühmorgens frühstückte der Verbrecher dann in einer Münchener Wirtschaft in der Nähe des Jsartores im Tal und begab sich daraufhin mit der Bahn über Ulm an die Grenze. I» der Nacht vom 8. auf 9. versuchte er nun, inderNähevonKonstanzdieGrenze nach der Schweiz hin zu überschreiten. Die unter­des eingetretene allgemeine Alarmierung machte ihm dies jedoch unmöglich und führte zu seiner Verhaftung. !

Auftraggeber bezw. Geldgeber für das Unter- > nehmenwarderbritischeJntelligenceService. s

Organisator des Verbrechens Otto Straffer. !

Die Ermittlungen nach seinen Auftraggebern und Komplizen § hatten bisher Veröffentlichungen noch nicht angezeigt erscheinen i lassen. i

Berlin, 21. Nov. Zu der Aufdeckung des Münchener Attentats erfährt der Deutsche Dienst noch folgende Einzelheiten:

Sofort nach der furchtbaren Untat am Abend des 8. November im Münchener Bürgerbräukeller traten durch Befehle des Reichs­führers U sämtliche Teile der deutschen Polizei mit höchster Alarmstufe in Tätigkeit. Es begann in der Stunde des Verbre­chens bereits von außen nach innen gleichsam schon eine Einkrei­sung des Taters.

Sämtliche Erenzübqrgänge wurden gesperrt, offene Erenz- abschnitte besonders scharf überwacht, keiner auch nur irgendwie verdächtig scheinenden Person wurde der Erenzübertritt gestattet, ehe nicht die besondere Genehmigung'des Reichssicherheitshaupt­amtes dazu vorlag. In einem äußerst knappen Zeitraum waren damit also die Türen, die aus dem Reich führen konnten, herme­tisch abgedichtet und verschlossen.

Gleichzeitig begab sich eine kriminalpolizeiliche Spezialkommis- fion (Tatortkommisston), besondere Fachleute und Spezialisten der Sicherheitspolizei, nach München, wo ebenfalls sofort nach dem Abtransport der Toten und Verwundeten der eigentliche Tatort völlig abgeriegelt wurde. Es begann dann hier noch in den Nachtstunden zum 9. November eine besonders mühevolle Arbeit; der ganze Sprengschutt wurde sorgfältigst gesichtet und systema­tisch durchgesiebt und geordnet. Nach tage- und nächtelangem methodischem Suchen unter genauester Druckberechnung und Be­achtung der Eigenart dieser entsetzlichen Sprengung kam die Sicherheitspolizei in den Besitz einzelner, teils geringfügig schei­nender Splitter, Schräubchen und Federteile, die zur ersten Re­konstruktion des objektiven Tatbestandes die notwendige Vor­aussetzung waren. Es konnte nunmehr ein erstes klares Bild gewonnen werden über das Uhrwerk, das die Explosion aus­löste, über die Art des Sprengstoffes und den ungefähren Um­fang des zu diesem Verbrechen benötigten Sprengmaterials so­wie über den mutmaßlichen Anbringungsort her Höllenmaschine sowie deren eigentliche Bauart.

Vorgefundene Teile eines Spezialuhrwerks machten wichtige Schlüsse auf deren Herstellerfirmen möglich und gaben damit ganz besonders wertvolle Fingerzeige für die Fahndung nach dem Täter.

.Auf dieser Unterlage der Tatortskommisston baute dann die Täterkommission der Sicherheitspolizei, aus Beamten der Ge­heimen Staatspolizei zusammengesetzt, ihre weitere Arbeit auf, und unter diesen gewonnenen Gesichtspunkten konnten nun die tausend und abertausend Angaben aus dem ganzen deutschen Volk durchkämmt und abgesondert werden.

DerKreisumdenVerbrecherwurde engerund enger, da man nun ja jetzt in der Lage war, das Wesentliche vom Unwesentlichen, das Zugehörige vom Nichtzugehörigen zu

Große Erfolge

des deutschen Handelskrieges

Aufklärungsflüge über England «nd Frankreich Geringe Fronttätigkeit im Westen

Berlin. 21. Nov. Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt:

Im Westen an einzelnen Stellen der Front geringe Spähtrupptiitigkeit «nd schwaches Artilleriefener.

Die deutsche Luftwaffe fetzte am 2V. November ihre Aufklärung gegen die feindlichen Staaten fort. In England wurde« Scapa Flow, Schottland «nd Südengland, in Frankreich der Raum nördlich Paris aufgeklärt.

Trotz feindlicher Abwehr führten die Flugzeuge ihre Auf­träge planmäßig dnrch.

In den Monaten September und Oktober haben deutsche lleberwasserstreitkräfte gemeinsam mit Lnftstreitkräfteu in der Ost- und Nordsee mehrere hundert Handelsschiffe auf Bannware un­tersucht. Während sehr zahlreiche Schiffe unmittelbar nach der Untersuchung in See freigelassen werden konnten, La sie keine Bannware an Bord hatten, sind insgesamt 127 Schiffe mit 245 455 Vruttoregistertonnen in deutsche Häfen zur genaueren Untersuchung eingebracht worden. Soweit nicht Schiff und Ladung der Beschlagnahme verfiel» wurden sie wieder freigelassen.

Amsterdam, 21. Nov. Die unter sehr ungünstigen Witterungs- Verhältnissen vorgenommenen Flüge deutscher Aufklärer vom Freitag und Samstag über englischem Gebiet zwingen selbst das englische Fachurteil zu entsprechender Anerkennung der flie­gerischen Leistung als Piloten und der Materialprobe. In den letzte» Wochen sind fast täglich deutsche Aufklärer über Shet­land und dem äußersten Norden der britischen Inseln gesichtet worden, ohne daß diese, wie die englischen Berichte zugeben, ernsthaft belästigt werden konnten. Auch am Samstag wunde ein deutscher Aufklärer wiederum über Shetland gesehen. Es war, wie die englische Presse feststellt, der sechste Besuch über dieser nördlichen Insel innerhalb von zwei Wochen. Zu ungefähr der gleichen Zeit brachten deutsche Aufklärer zum ersten Male die englische Luftabwehr über Nordwestengland in Aktion. Die Alarmsirenen wurden in 13 Städten von Nordwales, Cheshire und Lancashire, über denen deutsche Aufklärer in voller Ruhe ihren Weg nahmen, in Tätigkeit gesetzt. Die Flak eröffnete ein wütendes Feuer, das aber, wie der amtliche englische Bericht feststellt, ergebnislos blieb. Auch über Manchester wurden nach dieser Meldung feindliche Aufklärer gesichtet. DemNews Chro- nicle" kommt diese erhöhte Aufklärungstätigkeit der deutschen Luftwaffe über so weit verstreute Gebiete Englands äußerst ungemütlich und unheilschwanger vor. Man dürfe nicht ver­gessen, so meint das Blatt, daß diese deutschen Flüge, die einen nicht zu bezweifelnden Wagemut verraten, Vorboten von höchst unangenehmen Ueberraschungen sein könnten.

Eine sensationelle Veshastung

Der Chef des britischen Intelligence Service für Westeuropa und seine Komplizen von Beamten der

Staatspolizei in Hast genommen

Berlin, 21. Noo. Amtlich wird verlautbart: Die in Den Haag befindliche Zentrale des britischen Intelli­gence Service für Westeuropa versuchte seit längerem, in Deutschland Komplotte anznzetteln und Anschläge 1 « organisieren bezw. Verbindung mit von ihnen vermuteten revolutionären Organisationen aufznnehmen. Auf Grund einer «benso verbrecherischen wie albernen Aufklärung durch deutsche Emigranten lebte man in der britischen Regierung und in dem ihr unterstellten Intelligence Service in der Meinung, es be­fände sich im Staat, in der Partei und in der Wehrmacht eine Opposition mit dem Ziel, im Reich eine Revolution herbcizufllh- ren. Unter diese» Umständen wurden Beamte des Sicher­heitsdienst esder^ beauftrag t, Verbindungmit dieser britischen Terror- und Nevolutionszen- trale im Haag auszunehmen. In dem Glauben, tatsächlich mit revolutionären deutschen Ossizieren zu verhandeln, offenbar­

ten die Vertreter des britische« Intelligence Service den deut­schen Beamten ihre Absichten «nd Pläne, ja um eine dauernde Verbindung mit diese» vermeintliche« deutschen Offizieren auf­rechterhalten zu können, lieferte« sie ihnen außerdem ein be­stimmtes englisches Funksende- und Empfangsgerät, durch das die deutsche Geheime Staatspolizei bis zum heutige» Tage die Verbindung mit der britischen Negierung aufrechterhalten hatte.

Am 9. November versuchten nun die Leiter dieses britischen Intelligence Service für Europa, MisterBest und Capit 8 « Stevens, dieholländischeErenze bei Venlo nach Deutschland zu überschreiten. Sie wurden dabei von de« sie überwachenden deutschen Organe» Lberwältigtund als Gefangene der Staatspolizei eingeliefert.

Die widersprechenden Angabe« über ihre Gefangennahme, ob auf «och holländischem oder deutschem Boden, werden zur Zeit geprüft.