s. Seite — Nr. 287
Nagolder Tagblatl „Der Gesellschafter'
Donnerstag, den 2. November 1839
Sie erhielte« dar Ritterkreuz der EK.
Generalleutnant von Belesen, Kommandeur einer Infanteriedivision
Die Armee des Generalobersten Vlaskowitz bewegte sich gestaffelt gegen Warschau, um die Flanke der Armee von Reichenaus zu decken. Verzweifelt versuchten die Polen, sich der drohenden Umzingelung zu entziehen. Während die deutsche Armeeführung den Gegner auf dem Rückzug vermutete, machten vier polnische Divisionen und mehrere Kavalleriebrigaden plötzlich einen Durchbruchsversuch; er trifft in voller Stärke auf eine einzige deutsche Division, die unter dem Befehl des Generalleutnants von Briesen steht. Starke polnische Kräfte, und zwar mehrere Vatterieen, Cchwadrone und Kampswagenverbände, sind im Raume Bie- lawy-Piatek-Leszyca bereits „durchgesickert". Bei Leszyca befindet sich ein Infanterieregiment der Division im schweren Kampf. Zwischen diesem Regiment und der übrigen Division klafft eine Lücke von 10 Kilometer Breite, durch die die Polen durchzubrechen versuchen. Hier liegt am 9. 9. der Schwerpunkt des polnischen Angriffes, der sich im Laufe des Tages bis Piatek ausdehnt, wo sich Generalleutnant von Briesen mit seinem Stabe aufhält. Auch die Nacht bringt schwere Angriffe des Gegners. Ueberläufsr melden, dag sich die Polen bereits in der Flanke und im Rücken der Division befinden. Generalleutnant von Briesen entschließt sich daher zu einem Gegenangriff, um die Teile der Division wieder zu vereinen
Bei Leszyca steht das erwähnte Infanterieregiment weiter in schwerem Kampf mit dem Gegner, der schon mit starken Kräften die Vzura überschritten hat. Es gelingt dem Regiment, den Feind wieder an den F!uß zurückzuwerfen, während es in der Stadt Leszyca selbst zu schweren Straßenkämpfen kommt. Gegen Abend muß sich das Regiment, das mindestens anderthalb Divisionen vor sich hat, sieben Kilometer südlich der Stadt zurückziehen, da ihm die Munition ausgeht.
Generalleutnant von Briefen hat den Angriff auf 5 Uhr befohlen, da Uebcrläufer mit der Nachricht gekommen sind, daß am Vormittag die Polen in Stärke von drei Divisionen angreifen wollen. Er selbst hat dem Gegner nur fünf Bataillone ,en1gegenzustellen. Der deutsche Angriff richtet sich zunächst gegen Westen, er mutz jedoch bald abgeblasen werden, da die Division Front nach Norden und Nordwesten machen muß, um hier den weitaus überlegenen Gegner abzuwehren.
Generalleutnant von Briesen wird schon zu Beginn des Angriffes durch ein Sprengstück am rechten Unterarm verwundet. Er läßt sich nur einen Notverband anlegen und bleibt bis mittags 1 Uhr auf dem Kampffeld. Erst als er den Eindruck hat, daß die Schlacht steht, daß die Division den Angriff der überlegenen polnischen Truppen halten wird, bis die notwendige Verstärkung herangokommen ist, begibt er sich in ein Lazarett, um sich verbinden zu lassen.
Der Führer hat das tapfere St and halten der Division und das beispielhafte Verhalten des Divisionskommandeurs in seiner Reichstagsrede am 6. Oktober gewürdigt. Generalleutnant von Briesen, der am 3. 5. 1383 geboren wurde, ist der Sohn des im November 1914 bei Brzeziny gefallenen Generals der Infanterie von Briefen; er trat 1904 in das Gardegrenadier-Regiment Nr. 2 ein, nahm am Weltkrieg als Adjutant und später in Generalstabsstellungen teil. Am 1. April 1934 trat er als Oberstleutnant wieder in die Wehrmacht ein, nachdem er 1920 aus dem Heeresdienst ausgeschieden war, sich inzwischen aber um Aufstellung und Ausbildung des Grenzschutzes an der Ostgrenze Pommerns verdient gemacht hatte.
Generalleutnant Olbricht, Kommandeur einer Infanteriedivision
Generalleutnant Olbricht hat durch sein blitzschnelles Zufassen und seinen schonungslosen persönlichen Einsatz mehrfach Entscheidungen eingeleitet und erzwungen, die für die Armee des Generaloberst Vlaskowitz weitgehende Folgen hatten.
Eine infanteristische Glanzleistung war der kühne Handstreich gegen die Warth ebrückcn bei dem Städtchen Warta, der so überfallartig erfolgte, daß den Polen keine Zeit mehr blieb, diese wichtigen Flußübergänge zu sprengen. Am 4. September hatten sächsische Truppen nach kurzem Kampf das Städtchen Warta genommen. Oestlich von Warta zog sich die mehrere Kilometer breite Niederung der Warthe mit fünf Flußarmen entlang, ein Gelände, das für den Gegner zur hartnäckigen Verteidigung wie geschaffen war. Aber Generalleutnant Olbricht war entschlossen, dem Feind keine Zeit zu lassen, um sich zu neuem Widerstand festzusetzen. Persönlich eilte er nach vorn, um den Angriff an Ort und Stelle zu leiten. Auf dem Marktplatz in Warta überholte er die vordere Jnfan- teriespitze und fuhr allein mit seinem ersten Eeneralstabsoffizier vis zur ersten Warthebrücke am Ostrand vor, die er unbesetzt und unzerstört fand. Unverzüglich schickte der Kommandeur seinen Eeneralstabsoffizier zurück, um schnellstens Verstärkungen heranzuholen. Im Laufschritt eilten die ersten rasch zusammengerafften Truppen heran, die sofort die erste Brücke nahmen und sicherten und dann unter einem nun einsetzenden heftigen ME.-Feuer unter Führung ihres Divisionskommandeurs mit beispiellosem Schneid an zwei weiteren Stellen den Fkußübergang erzwangen. Inzwischen war der Kommandeur des vordersten Regiments mit weiteren Verstärkungen eingetrofsen, um auf Befehl des Divisionskommandeurs auch dis beiden letzten Fluhübergänge im Handstreich zu nehmen.
Inzwischen hatte sich der Widerstand der Polen verstärkt, vor allem hinter der letzten Brücke, deren Schutz mehrere feindliche Panzer übernommen hatten. Da jagte unter Führung eines Unteroffiizers in einer tollen Staubfahne ein Flak im 100-Kilo- meter-Tempo über die Brücke vor, protzte im heftigsten feindlichen Feuer ab und schon fegten seine ersten Granaten mit sichtbarer Wirkung gegen die feindlichen Panzer. Mit dem gleichen Schneid brauste ein deutscher Panzerspähwagen unter Führung des Wachtmeisters Nieschalk vor, dem sich der Pionierleutnant Grelle angeschlossen hatte. Während die Infanterie in der inzwischen hereingebrochenen Abenddämmerung mehrere polnische Angriffe im Nahkampf abschlug, konnten die Pioniere die an den Brücken bereits angebrachten Sprengkörper unschädlich machen..
Durch diesen kühnen Handstreich hatte General Olbricht der Armee den Weg über die Warthe geöffnet und den hier eingesetzten Truppen tagelange und zweifellos sehr verlustreiche Kämpfe erspart, die unausbleiblich gewesen wären, wenn die Polen in letzter Stunde noch die sünf Warthebrücken hätten sprengen können.
Mit dem gleichen Schwung führte General Olbricht am 9. September einen Handstreich gegen Lomicz durch, um hier die Vzura-Brllcke in die Hand zu bekommen und dem bereits umfaßten Eigner den Weg nach Süden zu sperren. Nachdem General Olbricht seine Infanterie auf allen irgendwie erreichbaren Fahrzeugen behelfsmäßig motorisiert hatte, brauste
er mit seiner Truppe nach Lowicz hinein, wo sein Ueberfall j eine tolle Panik auslöste. Aus dem Bahnhof wurden sie Besatzungen mehrerer feindlicher Truppentransportzüge regelrecht „verhaftet". Der schönste Erfolg dieses Ueberfalls aber war die Befreiung von 2800 verschleppten Volksdeutschen, denen somit das Schicksal ihrer Vromber- ger Volksgenossen erspart blieb. Bei Lowicz wie bei Sochaczew sperrte die Division Olbricht drei Tage lang weit vor der Masse der Armee die Vzura-Uebergänge und hielt sie in ungemein schweren Kämpfen gegen alle polnischen Durchbruchsversuche.
An dem beispiellosen Erfolg an der Vernichtungsschlacht im Weichselbogen hat die Division Olbrichts damit einen beträchtlichen Anteil. „Das persönliche Verdienst", so äußerte Generalleutnant Olbricht, „tritt völlig zurück hinter die einzigartigen Leistungen meiner Trupvenführer und meiner Truppen, die wahrhaft heldenhafte Leistungen vollbracht haben."
Stimmungsmache um die Waffenausfuhr
Washington, 1. Nov. Nach lebhafter Aussprache beschloß die Mehrheit des Eeschäftsordnungsausschusses des Kongresses, der Vollversammlung den Plan zuzuleiten, die Neutralitätsvorlags der Regierung einem Konferenzausschuß zu überweisen, um eine Ausgleichung der Differenzen zwischen der vom Senat angenommenen Neutralitätsvorlage und der vom Unterhaus im letzten Juni gutgeheißenen Neutralitätsvorlage herbeizuführen. Der Plan, über den das Abgeordnetenhaus abstimmen muß, bezweckt eine Beschleunigung der Verabschiedung der Neutxalitätsvorlage.
Im Laufe der Aussprache erklärte der Vorsitzende des Ausschusses, Sabath, die Aufbringung der „City of Flint" hätte nicht erfolgen können, wenn die Schiffahrtsbeschränkungen der Senatsvorlage bereits gesetzkräftig wären. Der Demokrat Cox bemerkte daraufhin, es werde hierzulande gegenwärtig eine Propaganda betrieben, um Amerika in den Krieg hinein- z-abringen. Die Aufbringung der „City of Flint" sei von den Leitern dieser Kampagne benutzt worden, um einen Kriegsgeist zu erregen. Wegen der F e s th a l tu n g von 20 amerikanischen Schiffen durch England werde nichts gesagt.
Angesichts der sehr knappen und durchaus nicht ganz sicheren Mehrheit, die die amerikanische Regierung im Kongreß für die Aushebung der Waffensperre zusammenbringen kann, dauern die starken Bemühungen an, das amerikanische Volk von der Notwendigkeit einer baldigen Annahme der Senatsvorlage zu überzeugen.
Im Repräsentantenhaus wurde am Dienstag der Antrag, die vom Senat angenommene Pittmann-Vorlage einem Konsercnz- ausschuß beider Häuser zuleiten, mit 238:176 Stimmen angenommen.
Ein grundsätzlicher Beschluß in Tokio
Tokio, 1. Nov. (Ostasiendienst des DNB.) Das Zentralamt für China, das unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten Abe und in Anwesenheit des Außenministers und der beiden Wehrmachts-
mtntster tagte, beschloß am Mittwoch grundsätzlich, daß Japan jede mögliche llsnterstiitzung für die E i n r i ch t u n g d e r n e u e n Zentralregierung in China gewähren wird. Der Sprecher des Außenamtes erklärt hierzu, daß das neue Regime in China heute die wichtigste Aufgabe der japanischen Staatspolitik bilde, hinter der alle anderen Fragen zurückträten insbesondere die mit England und Amerika geplanten Aussprachen. So habe der amerikanische Botschafter Grew den Wunsch nach einer Unterredung mit der japanischen Regierung geäußert, der nicht erfüllt werden konnte, da die Regierung gegenwärtig stark beschäftigt sei.
Die Abführung ersparter LohnLelle
Eine Erläuterung
Berlin, 1. Nov. Der Sachbearbeiter im Reichsfinanzministerium, Regierungsrat Dr. Oestering, erläutert in der Deutschen Steuerzeitung die Verordnung über die Abführung ersparter Lohnteile. Die Unternehmer, denen mit der Verordnung eine Absührungspflicht auferlegt worden ist, werden durch ein außerordentliches Rundschreiben ihres Finanzamtes über ihre Pflichten unterrichtet werden. Oeffentlich-rechtliche Körperschaften, privatrechtliche Körperschaften und Personenvereinigungen, Einzelpersonen, Gesellschaften des Bürgerlichen Rechts usw. sind absührungspflichtig, wenn sie im Sinne des Lohnsteuerrechts Arbeitgeber sind. Von der persönlichen Abführungspflicht sind zunächst ausgenommen Reich, Länder und Gemeinden sowie die NSDAP., ihre Gliederungen und angeschlossenen Verbände. Diese Ausnahme beruht auf der Erwägung, daß dort erzielte Lohnersparnisse ohne weiteres der Allgemeinheit zugute kommen. Nicht ausgenommen sind Reichsbank, Reichsbahn- Reichspost und Reichsautobahnen. Eine weitere Ausnahme betrifft die Unternehmer land-undfor st wirtschaf tlicherBetriebe. Diese Ausnahme ist zur Förderung der Landwirtschaft im Kampf um die Ernährung des Volkes gedacht. Schließlich sind Arbeitgeber ausgenommen, die nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigen. Diese Ausnahme beruht darauf, daß Kleinbetriebe in der Regel keine nennenswerten Lohnersparnisse erzielen werden, weil sie meist keine überhöhten Löhne bezahlt haben. Bei der Absührungspflicht wird unterschieden zwischen L o h n e r s p a r n i s s e n, die auf der Beseitigung gewisser Lohnzuschläge beruhen und Lohnersparnissen, die durch Se-n- kung überhöhter Löhne erzielt werden. Während der Arbeitgeber im ersten Falle ohne weiteres die ersparten Lohnzuschläge an das Finanzamt abzuführen hat, tritt die Abfllh- rungspflicht von den überhöhten Löhnen erst dann und nur in- i soweit in Kraft, als die Treuhänder der Arbeit entsprechende ^ Maßnahmen ergriffen haben. Voraussetzung für den Wegfall der ^ Absührungspflicht ist, daß die Lohnersparnisse nach den Weisungen des Reichskommissars für die Preisbildung zu einer ! Preissenkung verwendet werden. Diese Voraussetzung ist nicht ! erfüllt, wenn der einzelne Betrieb von sich aus Preise senkt. ! Die Senkung muß vielmehr auf Anweisung des Reichskommissars erfolgen. Die Anweisung wird für ganze Betriebsarten oder Betriebszweige ausgesprochen werden.
Zm Borfeld der Maginol-Lime
Ein Vorstoß in verlassene französische Dörfer ^
P. K., 31. Oktober. j
Es geht schon auf die Mittagschunde zu, als wir die Fahrzeugs ! im letzten deutschen Grenzort verlassen. Das Dorf ist zeitweise von den Franzosen besetzt gewesen. Verendetes, schon in Ver- s wesung übergegangenes Vieh liegt auf den Straßen und in den Ställen. Die Einrichtung in den Häusern ist teilweise demoliert, teils mitgenommen. Es sieht wüst aus in den Wohnräumen. Alles ist durchwühlt, zerstört und ve>kommen.
Ein Spähtrupp geht vor
Wir haben keine Zeit zum längeren Aufenthalt. Wir wollen als Spähtrupp ins feindliche Vorfeld. Wir sind 15 Mann. Zwei MG.s gehen mit, um den Feuerschutz zu übernehmen. Links und rechts der Straße hatte sich der Franzose einige Löcher gebuddelt. Eine B.-Stelle unserer Artillerie ist jetzt vorläufig dort eingerichtet. Nicht weit vor uns können wir die deutsch-französischen Grenzpfähle sehen. Schon können wir weit ins französische Land blicken. Rechts streckt aus einer Mulde eine Kirche ihren Turm. Der Ort ist unser erstes Ziel. Mit unseren Gläsern suchen wir die Felder und Waldwiesen ab. Nichts ist zu bemerken, dennoch ist Vorsicht geboten.
Unterstände und Gräben drüben
Unser Spähtrupp löst sich in zwei Gruppen auf. Während die eine nachs links, auf eine Waldspitze vorstößt, übernimmt unser ME. den Feuerschutz. So gehen wir unter gegenseitigem Schuh abwechselnd vor, die einen am Waldrand, wir die Straße entlang. Rechts und links ist freies Feld.
Wir stoßen auf die zweite Widerstandslinie der Franzosen. Es sind einzelne Kampfnestcr. Die Drahthindernisse davor sind nicht sonderlich stark, die Unterstände sind nicht so solide wie unsere. Kniehoch steht das Wasser in den Löchern. Nach einigen Schritten tauchen die ersten Hausdächer aus der Mulde auf. Wir sind etwa noch einen Kilometer von einem Dorf entfernt. Bald stoßen wir auf die Anfänge eines Erabensystems. Nur an wenigen Stellen kann man schon aufrecht im Graben stehen. Im allgemeinen ist der Graben erst zwei Spaten tief. Warum hat der Franzose diese Arbeiten nicht durchgeführt? Wir stehen doch zwei Kilometer jenseits der Grenze. Es haben auch keine Kämpfe stattgefundcn, in denen der Franzose zurllckgedrängt worden wäre. Ein Rückzug also ohne Grund — eine seltsame Feststellung.
Am nächsten Wegkreuz stößt die andere MG.-Gruppe zu uns. Wir wollen jetzt die Lage in dem vor uns liegenden Dorf erkunden. Der Weg sällt steil ab. Eine Schlucht bietet zunächst einigermaßen Deckung. Bald trennen sich dic Gruppen wieder, um von zwei Seiten aus das Dorf zu erreichen. Die beiden MG.s bleiben vorerst auf dem Hang zu unserem Schutze zurück.
Bevor wir weitergehen, tasten wir mit unseren Gläsern den Eebäudekomplex ab. Nichts Verdächtiges ist zu sehen. Unmittelbar vor dem Ort hindert eine Straßensperre unseren ! Gang. Seitab durch Obstgärten kürzen wir den Weg ab. Die ! Haustüren stehen offen. Mit Vorsicht werden die ersten Häuser betreten, in der rechten Hand das Gewehr, mährend die Linie ! eine Handgranate im Koppel oder im Stiefelschaft lockert. Nichts i rührt sich. ,
Wir schauen in ein wüstes Durcheinander. Möbel sind umgestürzt, Hausgeräte, Bücher, Briefsachen und anderes Zeug liegen wirr durcheinander. Scherben, Dreck und verkommene Lebensmittel liegen auf Tisiyen, Stühlen und auf dem Boden. Im Schlafzimmer sind die Betten durchwühlt, Bettzeug ! und Kissen sind verschwunden oder verdreckt. Die Küche gleicht
eher einem Stall als einem Aufenthaltsraum für Menschen. Der Anblick ist kaum zu schildern. Dieses Bild wiederholt sich von Haus zu Haus. Es gibt keine Ausnahme. So haben die feindlichen Truppen in de« Orten gehaust, die von ihren eigenen Landsleute» bei Kriegsbeginn geräumt worden sind.
Ein Misthaufen vor einem Hof wird von zwei schlachtreifen Schweinen um- und umgewühlt. Ihr Grunzen unterbricht die Totenstille im Ort. Was machen die Schweine hier noch? Wir glauben nicht an ein „Gastgeschenk" für uns. Dennoch würden wir die Tiere mitnchmen, aber unser Weg ist noch weit. Sie würden uns zu sehr hindern.
Bald sind wir eine halbe Stunde im Ort. Kein Mensch und kein Feuer stören uns. Nur abseits liegt Artillcriefeuer, das uns nichts angeht. Unser Auftrag ist hier erledigt. Also „Kehrt marsch!" bis zur letzten Wegkreuzung. Dort wenden wir uns nach links. Bald nimmt uns ein leichter Laubwald auf. Gelbe, rote und braune Tupfen verstreut die Herbstsonne. Es ist ein Bild des Friedens, aber nur für den flüchtigen Beschauer. Unmittelbar an der Waldspitze treffen wir auf verlassene MG.- Nester und Unterstände. Noch mehrere Verteidigungslinien ziehen sich durch den Wald. Sie zeigen das Bild schneller Räumung: Unordnung und Schmutz.
Nach einer halben Stunde ist das Waldende erreicht. Drahthindernisse halten uns nicht lange auf, und über freies Feld geht es ausgeschwärmt dem nächsten Ort entgegen. Wieder rücken wir in zwei Gruppen vor. Von den Bäumen lachen uns gelbe und rote Aepfel an. Im Vorbeigehen wandern einige in unsere Taschen. Wir sind jetzt in Sichtweite der ersten Dorfhöhe. Dort stöbern überall Schweine in allen Größengruppen. Die Gesichter einiger „Landser" verziehen sich zu einem fetten Schmunzeln. Morgen ist doch Sonntag und sie sehen schon einige französische Ferkel in der Pfanne ihres Quartiers schmoren. Diese Jagdpläne dürfen zunächst unser militärisches Ziel nicht beeinträchtigen. Noch einige Hindernisse sind im Feld zu überwinden, dann sind die ersten Häuser erreicht. Wieder wird der Ort von zwei Seiten zugleich betreten. Und wieder würde diese Vorsicht nicht nötig gewesen sein, denn auch dieses Dorf ist von den Franzose« geräumt. Der Ort ist ebenso verdreckt wie der erste. Wir müssen uns überwinden, um die Häuser zu betreten. Schnell, um dem Gestank zu entgehen, wird der Ort durchstreift.
Dann geht's zurück. Einige Landser haben schon Jagd gemacht. Aber die Schweine wollen nicht so schnell in eine deutsche Bratpfanne. Sie weichen im Zick-Zack-Kurs aus, und die Jäger, die den Weg der Ferkel verstellen wollen, werfen sich mit einem Satz, der jedem Fußball-Torwart alle Ehre machen würde, in die Fluchtrichtung. Aber das Kampfergebnis ist mager. Nur ein einziges junges Ferkel wandert in Gefangenschaft.
Drei Stunden sind wir nun schon unterwegs. Es wird Zeit, zuriickzukommen, um unsere Beobachtungen zu melden. Wir streifen wieder durch den schönen Wald. Diesmal am Ostrand entlang, wo die befestigten Stellungen der Franzosen gewesen sind. Der Weg lohnt sich, lleberstiirzt müssen diese Stellungen verlassen worden sein. Hatten sie Gespenster gesehen? Viele Maschinengewehr- und Granatwerfer-Munition, Stahlhelme, Feldmützen, Gerätetaschen, Feldflaschen, Leuchtpistolen und andere Ans- rllstungsgegenstände sind zurückgeblieben. Wir packen alles auf und schleppen in Säcken, Zeltbahnen und Körben, die wir finden, die Beute zurück.
Am Waldrand stoßen wir noch auf die Reste eines ab- geschossenen französischen Jagdflugzeuges. Im Umkreis von 200 Meter sind die Maschinenteile verstreut, so heftig muß der Aufprall gewesen sein. Das Maschinengewehr liegt weitab im Feld. Wir packen es zu den übrigen Trophäen. Dann geht's weiter im flotten Schritt. In der Mittagssonne wird uns ordentlich warm. DH Schweiß tropft, der Stahlhelm drückt und durch die Stiefel dringt das Pfützenwasser. Aber unsere Stimmung ist gut, denn unser Auftrag ist erfüllt.