3. Leite Nr. 219

l.'ogc'.drr TagblattDer Gesclljchastcr'

Dienstag, den 21 . Otrover 1839

iNayold unMmgebuny

Gedenke ein jeder, was er für die Ehre des deutschen Namens zu tun habe, um sich gegen sein eigenes Blut und sein Vaterland nicht zu versündigen. Gedenke, daß -u ein Deutscher bist. DerGroßeKurfürst.

21. Okt.: 1618 Westfälischer Friede.

Bei dev vevdunksluns

kommt es zu nächtlicher Stunde mitunter zu netten Szenen ..Vorsicht junge Frau!" sagte dieser Tage ein Mann, der im Dunkeln tappte und einen Satz zur Seite machte, um ein weib­liches Schattenwesen, dessen Umrisse er gerade noch rechtzeitig erkannte, nicht umzurennen.Danke, junger Mann", sagte die Frauenstimme,ich bin zwar schon sechzig, aber trotzdem - sehr nett von Ihnen".

Manchmal begegnen einem solche Schatten in der Dunkelheit, und wenn sie sich nicht durch einen glimmenden Tabakstengel als männlichen Geschlechts ausweisen, so weiß man, daß man ihnen als Kavalier höflich auszuweichen hat. Aber nicht immer wird dies mit einem weiblichen Dank quittiert. Zum Beispiel dann nicht, wenn man einem Schatten begegnender reglos stumm an einer Hauswand verharrt, - dann ist man nämlich allein zum eigenen Heil einem Briefkasten aus dem Wege gegangen.

Neuerdings begegnen einem vorschriftsmäßige Glühwürmchen. Sie tauchen in ein paar Schritten Entfernung aus dem Dunkel auf und sind im Nu unerkannt wieder verschwunden. Man trägt Leuchtknöpfe am Rockaufschlag oder Leuchtblumen am Mantel und Kostüm. Es gibt auch Leuchtspangen und Leuchtbroschen Eine ausgezeichnete Erfindung! Schade nur, daß es nicht auch schon ein vollkommenes Patent gibt, um denverdunkelten" Mitmenschen erkennbar zu machen. So manches Antlitz huscht eben doch an einem vorbei, und es hätte sich gelohnt, sich danach umzudrehen. Damit ist es aber nichts bei Verdunkelung. Beweg­liche Klage hierüber führte ein'Soldat, der eines Abends mit seinem Kameraden über die Straße ging.Mensch", sagte er, saubere Mädle hats hier. Aber 's isch en Jammer. Du sieschd jo koine bei dere Verdunkelung!"

Schlimm ist es, wenn eine doppelte Verdunkelung ! vorliegt. So wird aus Ebnet bei Bonndorf berichtet: Vor eini­ger Zeit begab sich ein bejahrter Mann in das Amtsstädtchen, s um einige Geschäfte zu erledigen. Wie das sich nun bei einem Ve- ! such in der Kreisstadt gehört, ließ er sich bei einem guten Schop- >, pen nieder, der sich etwas in die Länge zog. In fröhlicher Stim- j mung zu Hause angelangt, vermißte er seine Tasche, in der s er seine Einkäufe verwahrt hatte. Voll Eifer machte er sich auf j den zweistündigen Rückweg. Beim letzten Geschäftsmann ange- kvmmen, erzählte er ihm, was passiert sei. Dieser besah sich den Kunden genau und sagte:Jetzt glaub ich doch, du bist verrückt, du hast ja die Tasche noch umhängen". So geschehen in der dop­pelten Verdunkelung.

Das -ttvIesS-VOW.

hat in diesem Monat seinen Anfang genommen. Trotz der be­sonderen Schwierigkeiten der jetzigen Zeit soll eine Kleider- sammlung durchgeführt werden. Wohl wird man manches Stück nicht hergeben können, was sonst gespendet worden wäre, weil die Besitzer selbst es bis zum Letzten benützen. Sollen doch Neuanschaffungen aufs äußerste eingeschränkt werden. Trotzdem werden sich da oder dort Wäsche, ein Kleid oder ein paar Schuhe finden, die für den bisherigen Träger nicht mehr verwendbar sind, ohne zerrissen zu sein, namentlich zu klein gewordene Kin­dersachen. Unsere Volksdeutschen im Osten haben zum Teil namenlos Schweres durchlitten und sind in bitterer Not. Ihnen wollen wir nach Kräften helfen. So möge jeder geben, was für ihn entbehrlich ist! Wir bitten, die Sachen bereitzuhalten, die am Donnerstag zwischen 11 und 17 Uhr von Frauen der NS.-Frauenschaft abgeholt werden.

Süvfovse füv ^viessbeschädigte und -Akutevblrebeue

Die Durchführung der Fürsorge und Versorgung von Solda­ten sowie der Hinterbliebenen gefallener Soldaten ist Aufgabe der Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsdienststellen. Für die Kreise Calw und Freudenstadt (als einzige in Württembergs ist das Wehrmachtfürsorge- und Versorgungsamt Karlsruhe (Westendstraße 68) zuständig. Die nächstgelegene Fürsorgedienststelle ist für unseren Kreis der Wehrmachtfürsorge­offizier Karlsruhe, Karlstraße 38 II. Beratend wirken die örtli­chen Dienststellen der NSKOV. und die örtlichen Dienststellen des Reichstreubundes ehem. Berufssoldaten mit.

Seftfetzuug dev Lehvzeitdauev

Die Handwerkskammer Reutlingen macht darauf aufmerksam, daß die Erhöhung der Lehrzeitdauer in einer Anzahl Hand­werksberufe durch den Reichswirtschaftsminister ab 14. Sept. 1839 Gültigkeit hat. Lehrverträge, die vorher abgeschlossen wur­den und in denen eine kürzere Lehrzeit als 316 Jahre vorgesehen ist, behalten ihre Gültigkeit. Es ist also nicht so, daß sich die Lehrzeit früher abgeschlossener Lehrverträge durch den Erlaß des Reichswirtschaftsministers einfach erhöht.

Vevdkente Obstbaunizüihtev

Auszeichnung durch die Landesbauernschaft

Durch die Landesbauernschaft Württemberg wurden nachste­henden Besitzern anläßlich der im Sommer 1939 durchgeführten Prämiierung vorbildlicher Obstanlagen Preise zuerkannt: Wil­helm Krauß, Alt-Nuisra, 1. Preis für eine landw. Obst­anlage; Fritz Henne in Walddorf, ein 2. Preis für eine landw. Obstanlage; David Kübler in Oberhaugstett, ein 2. Preis für eine landw. Obstanlage; Johannes Theurer, Schmiedmeister, in Nagold, ein 3. Preis für eine Gartenobst­anlage. Frau Schneider Witwe, in Oberhaugstett, ein Geldpreis für ein vorbildliches Wandspalier. Mögen die Aus­zeichnungen den übrigen Baumbesitzern ein Ansporn sein, in der Pflege des Obstbaues den Genannten nachzueifern.

wie es dvanSen ausfteht

Die vielen in letzter Zeit niedergegangenen Regenmassen haben das Erdreich übersättigt, wodurch die dringenden Feldarbeiten sehr erschwert werden. Jeder einigermaßen regenfreie Tag wird von den Landwirten ausgenützt, um die Kartoffeln vollends zu ernten. Bei dieser Witterung ist dis Kartoffelernte kein Ver­

gnügen, die Knollen sind über und über mit Erde umhüllt und müssen vor dem Einbringen in den Keller getrocknet wer­den. Auch für die Rüben wird es Zeit, daß sie eingeheimst werden und viele Aecker harren noch der Wintersaat. Das Obst, das gut ausgefallen ist, ist so ziemlich geerntet. In den Obst­keltereien herrscht jetzt großer Betrieb. Der Schwabe wird dieses Jahr wieder zu seinem Hausgetränk kommen. Noch liegt eine große Sorge vor der Türe : Wann können wir unsere Herbstsaat bestellen? Die ununterbrochenen Regen haben unsere Aecker in einen Brei verwandelt, der das Unterbringen der Saat schwer macht. Täglich hebt man die Blicke empor, ob nicht der Wolken­schleier vom blauen Himmel weggezogen wird.

Andere Teile der Welt haben mittlerweile schönstes Wetter. In Westsibirien ünd Sowjetmittelasien herrscht zur Zeit eine tropische Hitze. In Taschkent wurden 39 Grad ge­messen und die Bevölkerung hat hochsommerliche Kleidung an­gelegt. In diesen Breitengraden ist zu dieser Jahreszeit ein derartiges Wetter eine Seltenheit.

Die Reise- und Gaststättenkarte

WPD. Mit Wirkung vom 23. Oktober 1939 wird eine Reise- und Eaststättenkarte geschaffen, die die Durchführung einer reibungslosen Verpflegung in den Gaststätten ermöglicht. Auf die Einführung der Kartenpflicht für bewirtschaftete Lebens­mittel in den Eaststätien- und Veherbergungsbetrieben kann aus sozialen und versorgungspolitischen Gründen nicht verzichtet werden. Die Reise- und Eaststättenkarte gilt im ganzen Reichs­gebiet. In der Auswahl der Gaststätte besteht volle Freizügig­keit.

Die Reise- und Eaststättenkarte kann für die Dauer von vier Wochen, also für die übliche Bezugsscheinperiode, aber auch für einen kürzeren Zeitraum (zwei oder eine Woche) durch Umtausch bei der zuständigen Kartenstelle (Ausgabestelle der Haushaltkarten) erworben werden.

Die Reise- und Gaststättenkarte kann nicht nur von Reisenden, sondern auch von jedem Volksgenossen, der eine Gaststätte besu­chen will, gegen die Haushaltkarte bei der zuständigen Karten­stelle eingetauscht werden. Junggesellen, verheiratete Berufs­tätige, die wegen der weiten Entfernung ihres Arbeitsplatzes von der Wohnung auf die Mittagsmahlzeit in der Gaststätte angewiesen sind, Reisende, Urlauber, jeder, der den Wunsch eines gelegentlichen Gaststättenbesuchcs hat, erhält eine Reise- und Eaststättenkarte und kann für die einzelnen Abschnitte der Reise- und Eaststättenkarte aus bewirtschafteten Lebensmitteln her- gestellte Speisen in den Gaststätten einnehmen.

Wer regelmäßig in einer Gaststätte ißt, wird sich eine Reise- und Eaststättenkarte für vier Wochen anshändigen lassen. Wer gelegentlich allein oder auch mit seinen Familienangehörigen in einer Gaststätte ißt, erwirbt eine Reise- und Eaststättenkarte für eine oder zwei Wochen. Auch die ein- oder zweiwöchentliche Teilkarte kann in einem Zeitraum von vier Wochen zur Ver­pflegung in den Gaststätten verwendet werden. Abschnitte der Reise- und Gaststättenkarte, die nicht zum Verzehr in den Gast­stätten benutzt werden, berechtigen zum Einkauf beim Fleischer oder beim Lebensmitteleinzelhändler.

Die Reise- und Gaststättenkarte besteht aus einer Brot­karte, einer Fleisch- und Nährmittelkarte, einer Butter- und Fettkarte. Die Brotkarte ist in Abschnitte zu 50 Gramm bzw. zu 25 Gramm unterteilt. Die Fleisch- und Nährmittelkarte ist ebenfalls in Abschnitte unterteilt und ent­hält Abschnitte für Fleisch oder Fleischwaren zu je 50 Gramm . und Nährmittelmarken zu je 25 Gramm. Die Butter- und Fett­karte enthält Teilabschnitte für je 5 Gramm Butter, Teilab­schnitte für je 5 "Gramm Margarine, Teilabschnitte für je 5 Gramm Schweineschmalz ufw. und Teilabschnitte für je 62,8 Gramm Käse.

Für alle Fleischspeisen, für deren Zubereitung Fett gebraucht wird (nicht für Kochfleisch usw.), mutz neben dem Fleischabschnitt ein Fettabschnitt abgegeben werden. Für eine Mehlspeise gibt der Gast einen Teilabschnitt der Brot­karte ab. Hier beträgt das Verhältnis 75:100. Für einen Teil­abschnitt der Brotkarte über 100 Gramm erhält der East also eine Mehlspeise, für deren Herstellung 75 Gramm Mehl gebraucht werden. Die Einzelabschnitte der Karte sind perforiert und kön­nen leicht abgetrennt werden.

Der Reichskriegerführer in Pforzheim

Am Samstag traf der Reichskriegerführer, General Rein­hard, auf einer Vesuchsreise zu den Kreiskriegerverbänden im Gau Baden in Pforzheim ein. Im Vürgersaal fand ein Empfang statt. Der Reichskriegerführer nahm Gelegenheit, den Kamerad- schaftsführern Richtlinien und Weisungen für ihre Arbeit in der inneren Front zu geben.

Letzte Ltachrrlchte«

Neues bulgarisches Kabinett

Sofia, 21. Okt. Der bisherige bulgarische Ministerpräsident hat sein neues Kabinett gebildet. Neu besetzt wurden die Mini­sterien der Justiz, der Oeffentlichen Bauten, das Handelsmini­sterium und das Eisenbahnministerium.

England muß Lebensmittelkarten einführen!

Amsterdam, 21. Okt. Die Lebensmittelrationierung in England, die eigentlich erst für Anfang des Jahres 1910 vorge­sehen war, wird nun schon ab 13. November 1939 Wirklichkeit. Von diesem Zeitpunkt an werden also in England Lebensmittel­karten eingeführt.

Der amerikanische Frontkämpserverband gegen eine Beteiligung von USA. am europäischen Krieg.

Neuyork, 21. Okt. Der Vorsitzende des amerikanische« Frontkämpferverbandes, Mister Kelly, erklärte auf einer Kund­gebung, daß sich dieser Verband mit allen Mitteln dagegen ein- setzen werde, daß die amerikanischen Söhne und Bürger auf den Schlachtfeldern fremder Länder verbluten werden.

Heute außerordentlicher belgischer Kabinettsrat

Brüssel, 21. Okt. Heute nachmittag tritt das belgische Kabi­nett zu einem außerordentlichen Kabinettsrat zsamme», der zwei­fellos die gegenwärtige Lag« zum Beratungsgegenstand haben wird.

Die Cholera in Tsingtau erloschen. Die Cholera in Tsingtau ist dank der japanischen Maßnahmen gegen diese Seuche nunmehr erloschen. Am Sonntag wurden die Verkehrsbeschränkungen, die die Japaner getroffen hatten, um eine Ausbreitung der Krankheit weitgehend zu ver­hindern, wieder aufgehoben. Auch in Tientsin ist in den der japanischen Verwaltung unterstehenden Stadtgebieten die Choleraepidemie so gut wie beseitigt. Einzig und allein gilt nur noch die englische Konzession als gefährdet.

Schwere Wolkenbrüche in Spanien. Die Provinz Murcia wurde am Sonntag von schweren Regenstürmen und Wol­kenbrüchen heimgesucht. Die Flüsse sind überaus stark an­geschwollen und haben zahlreiche lleberschwemmungen ver­ursacht. Die Hafenstadt Cartagena wurde plötzlich über­flutet. Wassermassen durchströmten die ganze Stadt und rissen alles auf ihrem Wege mit sich.

Es ist ja für Deutschland!"

Gespräche mit Schwerverwundeten Ein Soldat des Welt­krieges besuchte Kameraden im Lazarett

NSK. Dreiundzwanzig Jahre sind es nun her, seitdem man mich genau so wie die Kameraden, die eben in das große rote Haus, vor dem wir stehen, eingeliefert werden in ein Reservelazarett trug Dreiundzwanzig Jahr« sind eine weite Spanne Zeit. Viel Erleben liegt in ihr und viel Vergessen. Aber doch ist es mir in dieser Stunde, als wir das schön gelegene Neservelazarett, das sich in dem Herbstlaub der hohen Bäume fast versteckt hat, betreten, als sei alles von damals erst gestern oder gar heute gewesen. Die gleiche friedliche Stille in den langen Gängen, dieselben Bahren und derselbe Geruch nach Jodoform!

Alles wie einst. Sind es vielleicht gar auch noch die kleine Schwester Marie und der Sanitätsunterofsizier Krause, die mich einst pflegten, die jetzt hier die Kameraden betreuen? Die weiße Schürze der Schwestern, die leuchtende Jacke des Unter­offiziers erscheinen mir genau wie damals. In der Tasche des Kittels steckt an derselben Seite das Thermometer wie vor drei­undzwanzig Jahren bei unserer Marie und unserem Kameraden Krause. Ich möchte in dieser Stunde, da eine versunkene Zeit neu aussteht, so gern glauben, daß die freundliche Schwester, die uns empfängt, eine Tochter jener Schwester Marie des Großen Krieges und der stramme Unteroffizier ein Sohn meines Sani- tätsunterossiziers von 1916 sei! Doch sie sind es so wenig wie wir heute noch die jungen Soldaten von 1916.

Eine Zimmertür öffnet sich. Wir treten ein.Die Zimmer sind schöner als damals bei uns", so stellte mein Kamerad fest. Der Sanitätsunterofizier flüstert uns zu:Zimmer 37 ist belegt mit drei Mann. Schwerverwundete." Dann stehen wir schon vor dem ersten Bett. Ein Buch liegt aufgeschlagen auf de» weißen Decke vor dem Verwundeten. Der schläft! Schläft, wi» man es so nur nach dem Dröhnen der Geschütze und dem Rat­tern der MG. eben nur im Lazarett kann. Ein wenig bleich zwar ist der Verwundete noch, aber im Gesicht trägt er den friedlichen und sorglosen Ausdruck des seligen Ausruhens.

Ein junger Lehrer aus Wiener-Neustadt ist es, der vor un» liegt.Lungen- und Beckenschuß, dazu eine Handverwundung"»- erklärte der Unteroffizier.Aber er macht gute Genesungsfort- schritte. Als der Chefarzt heute scherzend meinte, nun könne ev ja bald wieder in der Hand den Rohrstock halten, erwiderte der Verwundete lächelnd:

Ich habe, solange ich Lehrer bin, noch nie einen Stock be­sessen und werde auch vermutlich nie einen anschaffen. Aber wenn Sie mir eine Freude machen wollen, schauen Sie, daß ich bald ein Gewehr halten kann. Dann erst glaube ich, daß ich ganz geheilt bin."

Wir wollen ihn nicht wecken. Man wird ihm sagen, wenn er wach wird, daß Kameraden aus dem Großen Krieg ihn besucht haben, die aber nicht wollten, daß er geweckt würde, weil sie wußten, was Schlaf für einen Feldsoldaten bedeutet, die aber wiedcrkommen werden, wenn er wach sei. Vielleicht freut das ihn ein wenig, den Kameraden aus Wien.

Ein blutjunges Kerlchen lachte uns aus dem nächsten Bett entgegen. Er ißt eben einen rotbackigen Apfel. Stramm streckt er seine Hand uns zum Gruß entgegen. Als wir ihn fragen: Sie sind sicher bald gesund", sagte er:

JchhabedenUnterschenkelverlorenundeinen Fußschuß dazu gehabt, aber das ist nicht schlimm. Es ist ja für Deutschland."

Herrgott, wenn der Junge gewußt hätte, was wir in diesen» Augenblick empfanden. Wir hätten den Kerl in beide Arm« nehmen mögen und hätten ihm doch nichts anderes sagen könne» alsDu tapferer Kamerad!" Dann erzählte er uns, wie da» alles kam. Frisch und strahlend.

Ich bin Maschinenzeichner", sagt er.Ich mache meine Sach» auch so schon. Ich bin stolz, für Deutschland wenigstens etwas getz opfert zu haben. Mein Vater ist im Weltkriege gefallen. Er ha« mehr gegeben als ich."

Wir stehen gepackt vor diesem Jungen. And wieder gehe» unsere Gedanken zurück zu der Zeit, als wir so jung wie dieses dort zum erstenmal im Rattern eines Maschinengewehres zusam» menbrachen. Ich glaube, wir Soldaten von 1911/18 haben aucH zu kämpfen und sterben gewußt, aber ich habe nie erlebt, dag einer von uns so sprach wie dieser da, der so blutjung und ze« schössen vor uns liegt. Was ist diesen jungen Menschen Deutsche land geworden? Mit welcher Inbrunst sprechen sie davon u>äi mit welchem Glauben kämpfen sie dafür! Man müßte jene« willigen und engstirnigen Feinde jenseits des Kanals einmal i>! ein solches Zimmer zu solch jungen Deutsche« führen könne« Vielleicht lernten sie dann mehr als durch alles andere begreife« daß Deutschland und sein Führer so in die Herzen auch de»s jüngsten Soldaten eingebrannt find, daß es kein Opfer gibt, da« er nicht zu bringen bereit wäre. Wo steht eine Jugend heut« gegen uns mit diesem Glauben im Herzen? Wo?

Als wir zum nächsten Bett weiterwandern, streckt uns dort ein junger Infanterist die Hand entgegen. Auf dem Marsch nach Warschau bekam er gegen 30 Splitter einer Fliegerbombe in de» Rücken. Auch der Arm ist getroffen. Seine Verwundungen sinh- sehr schmerzhaft. Aber er lacht uns an und sagt:

Es wird bald wieder gut sein. Ich möchte noch so gern mit meinem Regiment nach dem Westen.^

Was ist da noch zu sagen? Einer ist wie der andere vo» diesen Jungen!

Als wir bald danach das Lazarett verlassen, will die DSwe merung schon einziehen. Da hören wir aus einem Zimmer vo« Leichtverwundeten ganz leise das Lied vomJungen Husaren".! Sie sind wohl schon wieder mitten im Leben ihrer Schwadronen»' Kompagnien oder Batterien!

Wir gehen mit einem solch erhebenden Gefühl im Herzen vo»' dieser Stelle des Lebens und des Sterbens, an der sich der letzt« Wert eines Menschen und Volks wohl am uyverhülltesten zeigte Wir nehmen mit «ns das Bewußtsein, daß keine Macht der Erd« einen Soldaten wie den deutschen ins Feld zu führen hat.

Henrik Hansen/Vz