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Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter'
Mittwoch, den 11. Oktober 1939
Steuereinnehmer dahintersteht. Wir wollten endlich durch unseren Appell dem Einzelnen einen dauernden Einblick in die wirkliche Notlage vieler Volksgenossen geben. Es sollte erreicht werden, daß sich die Einzelnen durch das andauernde Anfmerkiam- machen, das mit dem Sammeln verbunden ist, bewußt bleiben, daß Glück und Wohleben nicht allen Volksgenossen zuteil geworden ist und wohl auch nicht zuteil werden kann, sondern das; es unendlich viel zu helfen gibt und daß unendlich viel geholfen werden muß! Endlich aber hat diese Organisation auch eine gigantische Armee von Helfern mobilisiert, die ihrerseits ebenfalls einen Einblick gewinnen in die Notlage großer Kreise unseres Volkes, aber auch in die Möglichkeiten, dieser Notlage zu begegnen.
Not ist nun zu allen Zeiten vorhanden gewesen. Vielleicht ist Not überhaupt ein relativer Begriff; ich habe erst vor wenigen Tagen noch Gebiete gesehen, in denen der Lebensdurchschnitt weit unter dem liegt, was man bei uns in Deutschland bereits als tiefste Not ansehen würde. Wie gut es an sich dank unserer großen Gemeinschaftsarbeit unserem Volke geht, das wissen diejenigen am wenigsten, die nicht die Möglichkeit besitzen, den Blick über diese Gemeinschaft hinauswerfen zu können. Eines ist sicher: Not hat es immer gegeben, Not gibt es auch jetzt und wird es immer geben. Zu allen Zeiten aber besitzen die Menschen die Verpflichtung, dieser Not zu steuern, ihr entgegenzutreten und sie zu lindern!
Die Freiwilligkeit des Opfers gibt dabei dem Einzelnen die Möglichkeit, sich selbst besser einzuschätzen, als dies irgend ein staatlicher Eingriff tun könnte, und seine Verpflichtungen dementsprechend auch zu ersüllen.
Wir haben in Zusammenhang mit dieser großen sozialen Einrichtung sehr vieles geschaffen zu dem Zweck, um im deutschen Volk alle Klassenunterschiede wegzuwischcn und ganz scharf das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit zu erwecken. Wenn wir die Ergebnisse dieser sozialen Erziehung in den letzten Jahren überblicken, dann kann niemand bestreiten, daß der eingeschlagene Weg richtig und auch erfolgreich war. Wcr haben so große soziale Erfolge erzielt, daß wir vielleicht in ihnen mit einen Grund für eine gewisse Mißgunst der "anderen Welt sehen können, die von jedem Gedanken erschreckt ist, dis sozialistisch-nationalen Prinzipien unseres Reiches könnten über unsere Grenzen hinaus werbend wirken und vielleicht auch in anderen Ländern das Gewissen in dieser Hinsicht wachrütteln. (Brausender Beifall.)
Wenn manches Ma, die Tätigkeit unserer Sammler einzelnen Volksgenossen vielleicht etwas unbequem zu sein scheint, dann mögen diese nicht vergessen, um wie viel unbequemer doch demgegeniioer die Tätigkeit des Sammlers ist, und wie viel leichter es ist, vielleicht zwei- oder dreimal angegangen zu werden mit der Bitte, etwas zu geben, als vielleicht tausendmal abgewiesen zu werden auf seine Bitte, etwas zu erhalten. In dem einen Fall eine kleine Unbequemlichkeit, im anderen das fortgesetzte Opfern zahlreicher freier Stunden im Dienste der Volksgemeinschaft. (Stürmische Zustimmung.)
Nun hat uns das Schicksal gezwungen, zum Schutzs des Reiches zur Waffe zu greifen. In wenigen Wochen ist der Staat, der am frechste» glaubte, die deutschen Interessen bedrohen zu können, uiedergeworfen worden. Mit brausenden Heil-Rufen jubeln die Massen dem Führer zu.) Dank einer geschichtlich einmaligen militärischen Leistung! Dank dem tapferen Heldentum unserer Soldaten! (Die Heil-Rufe schwellen zu einer gewaltigen Kundgebung an.) Dank unserer glänzenden Führung! (Die Kundgebungen steigern sich zu minutenlangen Ovationen.)
Was die Znkufn. bringt, das wissen wir nicht. Nur über eines sind wir uns im klaren: Keine Macht der Welt wird dieses Deutschland noch einmal niederzwingen können! (Die Massen antworten dem Führer mit einer erneuten Kundgebung eiserner Entschlossenheit.) Sic werden uns weder militärisch besiegen, noch wirtschaftlich vernichten oder gar seelisch zermürben! Unter keinen Umständen mehr werden sie irgend eine deutsche Kapitulation erleben! (Aufs neue brausen tosende Beifalls- und Zustimmungsstürme durch den Sportpalast.)
Ich habe unserer Vereitwilligkeit zum Frieden Ausdruck gegeben. Deutschland hat gegen die westlichen Gegner überhaupt keinen Kriegsgrund. Sie haben den Krieg mit fadenscheinigen Gründen vom Zaun gebrochen. (Tosende Entriistungs- rufe.) Für den Fall der Ablehnung dieser Bereitwilligkeit aber ist Deutschland entschlossen, de« Kampf dann aufzunehmen und
ihn durchzufechten — so oder so! (Die Zehntausende springen von ihren Plätzen auf und bereiten dem Führer minutenlange brausende Ovationen.) Uns wird dann weder der Schrecken des Augenblicks, noch die Proklamierung der Dauer dieses Kampfes mürbe oder gar verzagt machen können. Vor uns steht ein ewiges Leben unseres Volkes. Wie lange die Zeit auch währen mag, um diesem Leven zum Durchbruch zu verhelfen: Nichts kann uns erschüttern, nichts kann uns bestürzen und schon gar nichts zur Verzweiflung bringen. Im Gegenteil! Was die andere Welt wählt, mag sie erhalten. (Wieder antworten die Massen dem Führer mit tosendem, minutenlangem Beifall und brausenden Heil-Rufen.)
Ich habe einst einen sehr schweren Weg eingeschlagen, um Deutschland aus der durch den Versailler Vertrag bedingten Vernichtung wieder emporzuführen. Seitdem sind jetzt gerade zwanzig Jahre vergangen. Das Reich steht mächtiger da als je zuvor. Der Weg vor uns kann nicht schwerer sein als der Weg hinter uns! Wenn wir nie verzagten, den Weg von einst nach heute zu gehen, werden wir noch viel weniger verzagen, den Weg von jetzt in die Zukunft zu beschreiten! (Stürmischer Beifall.)
" Gerade auf diesem Wege werden wir bestärkt durch die nunmehr errungene Gemeinschaft de deutschen Volkes. Die Zeit, die nun vielleicht vor uns steht, wird dann erst recht mithelfen, die nationalsozialistische Volksgemeinschaft zu verstärken und zu vertiefen. Sie wird den Prozeß dieser sozialen Volk- werdung nur beschleunigen. Der Kriegswinter, der uns dann bevorsteht, wird uns erst recht bereitfinden, alle Opfer zu bringen, die notwendig sind, um unserem Volke seinen Daseinskampf zu erleichtern.
Das Kriegswinterhilfswerk wird damit zugleichzueinem HilfswerkfürdasRoteKreuz! Denn das Rote Kreuz wird diesmal nicht für sich sammeln, sondern als Bestandteil des Winterhilfswerkes wird es von diesem mit seinen Zuwendunaen
Der Marsch in die Freiheit
Volksdeutsche, die im polnischen Heer dienen mußten, gliedern sich freudig ein in die großdeutsche Front.
(PK. Presse-Bild-Zentrale, Zander-Multiplex-K.)
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! betreut. (Lebhafter Beifall.) Wenn ich auf das Rote Kreuz Hinweise, dann wird uns allen sofort bewußt, wie klein die Opfer sind, die vom Einzelnen gefordert werden, gemessen an den Opfern, die viele unserer Volksgenossen an der Front zu bringen hatten und, wenn es dem bösen Willen unserer Gegner gefällt, in der Zukunft werden bringen müssen.
Es denke daher von jetzt ab keiner an die Größe seines Opfers, sondern es denke jeder nur an die Größe des gemeinsamen Opfers und an die Größe des Opfers derjenigen, die sich für ihr Volk hingegeben haben und vielleicht noch hingeben müssen. (Brausender Beifall.) Diesen Opfern gegenüber sind all die Opfer zu Hause gar nichts; aber sie können mithelfen, in unserem Volke das Bewußtsein der unlösbaren Gemeinschaft zu verstärken. Es mutz daher in diesem Kricgswintcr- hilfswerk alles Lvertroffen werden, was bisher ähnliches geleistet wurde!
Vielleicht wird dies auch eine Antwort an die Dumniheit derer in der Welt sein, die glauben, das deutsche Volk innerlich auf- lösen zu können. Wir wolle» ihnen zeigen, was diese blöden Versuche für eine Wirkung ausüben! (Tosender Beifall.)
Wir wollen ihnen zeigen, wie durch sie das deutsche Volk immer fester und härter zueinandergebracht und gekittet wird! Wir können ihnen damit vielleicht auch am besten ihre Hoffnungen austreiben, die darin bestehen, zu meinen, man könnte in die innere deutsche Verfassung hinein reden, so wie es irgend einem da draußen beliebt. Wir wollen ihnen den notwendigen Respekt noch beibringen vor der inneren Verfassung andere Völker! (Tosender Beifall.)
, Was wir als Gemeinschaft erdulden müssen, dessen kann die i Welt überzeugt sein, das werden wir ertragen! Hoffentlich kön- s nen es die anderen genau wir wir. (Erneuter stürmischer Vei- j fall.)
f Aus dem Krieg sind wir Nationalsozialisten einst gekommen, s aus dem Erlebnis des Krieges ist unsere Gedankenwelt entstan- i den und im Krieg wird sie sich, wenn nötig, jetzt bewähren!
^ (Beifall.)
D'e Entscheidung darüber liegt ja nicht mehr bei uns, sondern bei der anderen Welt! Bei uns liegt nur der grimmige Entschluß, die Eutichr.dung, so oder so, aus uns zu nehmen und dann allerdings durchzulümpfen bis zur letzten Konsequenz. (Immer aufs neue untersircihen die Massen mit brausendem Beifall die entschlossenen Worte des Führers.) l So muß gerade das Kriegswinterhilfswerk mithelfen, die ^ deutsche Volksgemeinschaft härter denn je zu machen!
Eine Gemeinschaft zum Kampf, eine Gemeinschaft um den Sieg, und am Ende dann für den Frieden!
Denn: Je entschlossener und je härter wir alle die Opfer auf uns nehmen, die ein solcher Krieg mit sich bringen mag, um so sicherer werden wir jenen Frieden erringen, den unser Volk erstrebt. Denn einmal, das ist auch meine Ueberzeugung, muß die Zeit der Unsicherheit ein Ende nehmen! Es mutz möglich sein, daß auch das deutsche Volk, ohne von anderen fortgesetzt belästigt zu werden, innerhalb seines Lebensraumes sein Leben nach seinem Wunsch und seinem Willen gestaltet, und daß auch das deutsche Volk jenen Anteil an den Gütern der Welt hat, den cs aus Grund seiner Zahl und seines Wertes beanspruchen kann. (Beifall.)
So eröffne ich das Kriegswinterhilfswerk 1939 10!
Ich bitte die Helf e r, sich für dieses Werk einzusetzen, so wie ich das deutsche Volk bitte, sich seiner Helden von jetzt würdig zu erweisen, um damit das wiedergutzumachen, was die Heimat in den Jahren 1911 bis 1918 am deutschen Volk und seinen Soldaten gesündigt hat.
(Der Sportpalast erhebt sich bei den Schlußworten des Führers und bringt ihm stürmische, nicht endenwollende Kundgebungen dar, die in einer großartigen Huldigung ausklingen.)
Als dann nach Schluß seiner Rede Reichsamtsleiter Hilgenfeldt ' dem Führer namens der vielen freiwilligen Helfer des WHW.
; versichert, wie stolz sie alle sind, an seinem gewaltigen Werk zu ihrem bescheidenen Teil Mitarbeiten zu können, da bricht erneut ein Sturm der Begeisterung los. Das Sieg-Heil aus Führer und Reich und die Nationalhymnen bilden den Ausklang dieser einzigartigen Großkundgebung deutschen Opferwillens und deutscher Tatbereitschaft.
EinheitererNomair pon H-lK-Me'vmer
Urheberrechtsschutz durch Verlagsanstalt Manz, München
43. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)
Und nun begann es zu regnen. Ununterbrochen! Trostlos! Es wurde kalt wie im Spätherbst.
„Wenn nur der August wieder heiß wird", lachte die Kuthi, „dann wird die Weinlese was G'scheit's!"
Auch der Adlerwirt litt unter der Ungunst der Witterung in den letzten Tagen. Nicht seinetwegen! Er hatte ein wenig Rheumatismus, es riß ihn in den Muskelbänderu der rechten Achsel, aber das war noch hinzunehmen. Aber Frau Melitta hüllte sich in den weiten Fehmantel, den sie zweimal um sich herumwand und steckte aus dem Pelz ein rotes Nasenspitzchen heraus. „Jakob, mich friert!"
Dem Adlerwirt hatte Zeit seines Lebens noch nie jemand im Juli gesagt, daß ihn friere.
„Nimm etwas Warmes ins Bett; das Stubenmädel, die Lisel, soll dir eine Wärmeslasche hineinlegen!"
„Ich werd' es ihr sagen."
Er sah sie mit flackernden Augen an. „In drei Wochen kann ich das selber besorgen!"
„Wenn wir verheiratet sind?"
„Ja, dann!" ^
* * *
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Frau Melitta ging am Kontor vorbei; im Türrahmen stand Herr Ferdinand.
„Melitta", sagte er flüsternd und heiser. „Melitta!" ..Ja?"
„Ich habe ein paar Tage nicht mit dir sprechen können... du HM mich umsonst warten lassen... ich muß aut dir reden!" . h. , ^ ,.
„Stein! Ist gänzlich überflüssig!" . ,
Sie wollte weiterhnschen, aber sein Arm legte sich um sie und hielt sie fest. „Ich muß mit dir reden! Ich verlier den Verstand, ich Hab ihn schon verloren...!"
„Du mußt vergessen!"
„Ich kann nicht! Nie und nirgends! Melitta! Ich sag alles dem Vater. Auch wenn es ein Ende mit Schrecken nimmt!"
„Das wirst du um Himmelswillen nicht tun! Denk an mich! Was wäre deine Liebe, wenn du mich ruinierst?"
„Mir ist schon alles gleich! Ich halt nur dann meinen Mund, wenn du zu mir kommst!"
„Narr! Willst du mich zwingen?"
„Ja! Ich erwarte dich!" Ferdinand flüsterte noch einige heisere Morte. Dann huschte sie erschreckt in ihr Zimmer.
» *
*
Früher war Ulrike immer in aller Frühe ans den Wochenmarkt gegangen. Jetzt mußte dies der Adlerwirt selber tun.
Er hatte nicht einmal etwas dagegen. Seine Nächte waren nicht friedlich und ruhig. Er war froh, wenn er früh aus den Federn kam.
Es dämmerte, als er mit seinen Hausschuhen lautlos durch das Haus schlurfte.
Er stieg in den zweiten Stock hinauf; da schlief der junge Herr, der Ferdinand, der sich um das Geschäft auch mehr kümmern sollte.
Vor der Türe des Sohnes blieb er setzt stehen. Ihn überkam eine stille Wut, daß der da dnan n ruhig schnarchte.
Er klopfte barsch an.
„Ja?" klang es schwach heraus.
„Mach auf!"
Ferdinand öffnete. Er stand ganz angekleidet im Türrahmen. Der hatte also-nicht geschnarcht, denn auch das Bett war vollkommen uubszMrt.
Was trieb der eigentlich? Die ganze Nacht hindurch saufen? Ausschauen tut er ja, so elend! Oder ging ihm die Heirat wirklich so nahe?
„Hast du nicht geschlafen, Ferdinand?"
„Nein, -Vater!"
„Bist du krank?"
„Vielleicht." Die Stimme klang müd und dinnnf. Und der Vater wußte nicht, daß da einer die langen bleiernen Stunden gewartet und gelauscht hatte. Dem jetzt die Augerk unruhig flackerten, da er vor dem Vater stand.
War es nicht Verrat, schlimmster Verrat an dem eigenen Vater, was er vorhatte? Gewiß, das war es. Aber wenn der Vater blind in sein Verderben rennen wollte, dann mußte man ihm eben die Augen öffnen. Mit einem Gewaltstreich! Und das war vielleicht sogar ein gutes Werk, überlegte Ferdinand. Laut aber sagte er:
„Willst du nicht Platz nehmen, Papa? Was tust du denn schon auf?"
„Wenn sich niemand anderer mehr kümmert", fuhr der Adlerwirt auf. „Einer muß sich doch schließlich um den Betrieb annehmen."
Der Sohn schwieg. Er hatte keine Lust mehr, sich noch in das Geschäft einzumischen. So, wie es war, ging es ja doch nicht weiter!
„Ich bin heute vormittag nicht da", sagte jetzt der Adlerwirt. Dann ging er ans dem Zimmer.
Ferdinand ließ sich wieder in den niedrigen, breiten Ledersessel fallen.
Er spann an Plänen, an deren Ende eine Frau lockte.
Es mochte kommen, was da wolle; nur sie, sie, fiel
Er kleidete sich jetzt sorgfältig, als ob es auf die Reise ginge.
Er tat in einen Koffer das Notwendigste.
Msktsetzung folgt.)