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Samstag, den 5. August 1S3S

N agolde r TagblattDer Gesellschafter"

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Vor 25 Zähren: Heldensahrt des ViiderschisfsKönigin Luise"

Am 5. August 1914 ging der zu einem Hilfsminenleger umgebaute deutsche SeebäderdampferKönigin Luise" nach Erfüllung einer wichtigen militärischen Aufgabe vor der Themsemündung im schweren Feuer des englischen KreuzersAmphion" unter. Dieses Bilddokument zeigt dieKönigin Luise" zwei Tage vor ihrem Untergang auf der Marinewerft in Wilhelmshaven.

(Scherl-Bilderdienst-M.)

Sechs Kriegserklärungen i« el«er Woche

In diesen ersten Augusttagen erinnern wir uns des dra­matischen Verlaufs der Kriegserklärungen und der Mobil­machungstage vor 25 Jahre«.

Der August des Jahres 1914 stand im Zeichen der Mobil­machungen und der Kriegserklärungen. Wie bei einem schweren Gewitter Blitz auf Blitz aus dem dunklen Himmel herabzuckt, so folgten schwerste und wichtigste Entscheidun­gen in kurzen Zeiträumen hintereinander. Schon am 1. Au­gust hatte Frankreich mit der allgemeinen Mobilmachung begonnen und in Deutschland hatte de-r Kaiser den Befehl zur Mobilisierung von Heer und Flotte gegeben. Eine Stunde nach diesem Befehl, um 6 Uhr nachmittags, erklärte das Deutsche Reich an Rußland den Krieg. Am 3. August überreichte das Deutsche Reich an seinen westlichen Nachbarn >die Kriegserklärung. Die Umrisse des bevorstehenden Welt­brandes waren in den letzten Tagen immer deutlicher ge­worden. Schon mutzte man damit rechnen, datz England sich in die kriegerischen Auseinandersetzungen einmischen würde. Der 4. August sollte hierüber volle Klarheit bringen. Er begann mit der allgemeinen Mobilisierung in Oesterreich- Ungarn. Die inzwischen von Belgien in Berlin eingelau­fene Antwort auf das Ultimatum bedeutete eine glatte Ab­sage an die deutschen Forderungen. Belgien war also von nun an zu den Feindstaaten zu rechnen. Kurz nach 7 Uhr abends überreichte dann England der deutschen Regierung ein Ultimatum, das faktisch bereits die Kriegserklärung Großbritanniens an das Deutsche Reich bedeutete.

. Der 5. August brachte eine Art Ruhepause, doch nur inso­fern, als an diesem Tage weder eine neue Mobilmachung noch eine neue Kriegserklärung bekannt wurde. Inzwischen tvurden in Deutschland die Mobilisierungsmatznahmen mit größter Schnelligkeit durchgeführt. Am darauffolgenden Tage erklärte Serbien dem Deutschen Reich und Oesterreich- Ungarn an Rußland den Krieg. Damit waren die haupt­sächlichen Fronten bereits klar übersichtlich geworden. In den nächsten Augusttagen wurden noch folgende Kriegser­klärungen abgegeben, die aber keine lleberraschung mehr bedeuteten: Äm 6. August überreichte Serbien dem Deut­schen Reich die Kriegserklärung. Am 7. August Montene­gro an das Deutsche Reich. Am 13. August Frankreich und England an Oesterreich-Ungarn. Am 23. August Japan an das Deutsche Reich und am 27. August Oesterreich-Ungarn an Japan und Belgien.

An der Zahl der Truppen gemessen war die Entente den Mittelmächten von vornherein weit überlegen. Die Kriegs­stärke des deutschen Heeres betrug 3,8 Millionen, die Oester­reich-Ungarns 2,5 Millionen. Insgesamt standen also Deutschland und Oesterreich-Ungarn 6,3 Millionen Solda­ten zur Verfügung (die Gesamtzahl der überhaupt ausgebil­deten Soldaten betrug 7f8 Millionen).

Die Kriegsstärke des französischen Heeres war nur unwe­sentlich geringer als die des deutschen. Sie belief sich auf rund 3,6 Millionen Mann. Rußland konnte 4,8 Millionen ins Feld führen, während in England nur 350 000 Mann unmittelbar zur Verfügung standen. Die Kriegsstärke der Entente insgesamt betrug 9 Millionen, war also um 2,7 Millionen größer als die der Mittelmächte. Die Gesamt­zahl der Ausgebildeten auf Seiten der Feindmächte belief sich auf 12,7 Millionen. Das bedeutete also ein Mehr von fast 5 Millionen gegenüber den Mittelmächten.

Heldenkampf derKönigin Luise-

Das erste Seetresfen im Weltkrieg

Am 5. August 1914 versank nach einem Kampf gegen fiebzehnfache Uebermacht der ehemalige Seebäderdampfer Königin Luise" in seiner Eigenschaft als Hilfsstreuminen­dampfer der kaiserlichen Marine. Genau 55 Minuten hatte das Feuergefecht gedauert.Königin Luise" war in Brand geraten und drohte zu kentnern. Um nutzloses Blutvergießen zu vermeiden, gab der Kommandant, Korvettenkapitän Biermann, Befehl zum Oeffnen der Ventile. Mit drei­fachem, brausendem Hurra nahmen die Blaujacken Abschied von ihrem so tapfer verteidigten Schiff und sahen es mit wehender Flagge in den Fluten der Nordsee verschwinden. Mit wehender Flagge. Das war es, was die Engländer offenbar nicht begreifen konnten. Darum hatten sie das Feuer nicht eingestellt, weil die Flagge noch immer wehte, obschon sie es hatten sehen müssen, daßKönigin Luise" nur noch ein Wrack und daß ihr Schicksal besiegelt war.

Warum habt ihr die Flagge nicht niedergeholt?" wurde Korvettenkapitän Biermann nach seiner Rettung von einem englischen Marineoffizier gefragt. Die Frage klang ver­wundert, und nicht weniger verwundert hörte sie der Deutsche an.Weil ihr das von einem deutschen Schiffskom­mandanten nicht gut erwarten könnt", antwortete er dann. Dieselbe Frage stellte man auch dem Ersten Offizier der Königin Luise", und Kapitänleutnant Eadow erwiderte um nichts minder deutlich als sein Kommandant:Weil das nicht unsere Art ist!" Da schämte sich der britische Fra­ger und meinte:Ihr seid Helden, jeder Einzelne von euch."

Ja, das waren sie, die 127 Mann und 6 Offiziere der Königin Luise", die mutig und mit Todesverachtung allein und ohne Schutz ausgezogen waren, um befehlsgemäß vor der Themsemündung ein Minenfeld zu legen. Sie hatte sich in ihrer Tätigkeit auch nicht stören lassen und 180 Minen gestreut, als sie die 16 feindlichen Zerstörer gesichtet hatte, die unter Führung des KreuzersAmphion" Kurs auf sie nahmen. So geschickt hatten die deutschen Seeleute ihren Auftrag auszuführen verstanden, daß die Engländer nichts davon bemerkten. Das zeigte sich deutlich am nächsten Tage, alsAmphion" in das deutsche Minenfeld geriet und von einer Mine getroffen wurde. Mit 131 Mann folgte er der Königin Luise" in die Tiefe, leider auch mit 18 braven deutschen Seeleuten, die der Tod am 5. August verschmäht und auf dem Kreuzer hatte Aufnahme finden lassen. Als Opfer des Kampfes vom vorhergehenden Tage waren 52 Mann und 4 Offiziere geblieben, so daß die Gesamtverlust­ziffer 75 Tote betrug. Von den Verwundeten erlagen spä­ter noch vier im Gefangenenlazarett ihren Verletzungen.

Es war ein sehr ungleicher Kampf gewesen. Die Englän­der waren nicht allein zahlenmäßig stärker, ihre Schiffe waren auch wesentlich stärker bestückt.Königin Luise" ver­fügte lediglich über zwei 3,7-Zentimeter-Revolverkanonen und über eine genügende Zahl von Handfeuerwaffen,' was aber wollten diese gegen die 10,2-Zentimeter-Geschütze der Engländer besagen? Der Ausgang des Kampfes war von der ersten Minute an nicht zweifelhaft. Daß Korvettenkapi­tän Biermann ihn dennoch annahm und bis zum bitteren Ende durchfocht, gibt ihm sein besonderes Gepräge. Es war das erste Treffen zur See im Weltkrieg.

Hermann Jockiicki.

Friedrich Lift

Bor ISO Jahren wurde er in Reutlingen geboren

Friedrich List ist am 6. August 1789, im ersten Jahr der französischen Revolution, geboren, und vielleicht lag darin ein schicksalhafter Zusammenhang. Gerade weil er den gro­ßen revolutionären Geist einer neuen Zeit im positiven Sinne mit brachte, gerade weil er, der weit vorausschau­ende, leidenschaftliche Mensch, stets rebellieren und räsonie­ren mußte, wie er selber einmal sagt, konnte in der noch so engen» engherzigen und ängstlichen Welt seiner Zeit so wenig Platz für ihn sein. Es mag uns heute unbegreiflich dünken, daß es so schwer sein konnte, den großen Gedan­ken des Fortschritts, des modernen Zeitalters mit der Be­freiung von allen hemmenden Fesseln wirtschaftlicher und technischer Entwicklung zum Durchbruch zu verhelfen.

Aber dieselbe Zeit, die aus den Köpfen der Massen her­aus sich dem Fortschritt gegenüber feindlich bis zum äußer­sten zeigt, ist es auch, die sich den Schrittmacher ihres un­aufhaltsamen Wandels hervorruft, um i-hn mit der offen­barenden Erkenntnis ihrer künftigen Belange auszustatten. Auch List, dieser wahrhaft moderne Märtyrer, ist nur im Zusammenhang mit jener Zeit, wie andererseits im Zu­sammenhang mit seiner engeren Heimat zu fassen.Schwabe und Deutscher mit Leib und Seele und noch dazu geborener reichsfreier Bürger", der sich gern der großen Zeiten deut­schen Kaisertums und deutschen Bürgertums erinnerte, hat er seiner Zeit den Kampf ansagen müssen, bis ihn der Bannfluch traf, mit dem er sich vom Boden der Heimat fortgeschleudert und nach Amerika verschlagen sah.

Man vergegenwärtige sich List, wie er einmal bei einer Kahnfahrt, mit einer zornigen Bewegung den Kahn zum bedenklichen Schwanken bringend, zähneknirschend hinaus­schrie:O Schreiber, Schreiber!" den ganzen leidenschaftli­chen Schmerz über jenes heillose, lebens- und fortschritt­fremde Bürokratentum hineinlegen, dessen feindselige und rachsüchtige lleberheblichkeit er selber genugsam kennen ge­lernt hatte. List, dem Handwerkersohn aus Reutlingen, dem trotz allem das Glück anfangs günstig schien, hätte Amerika eine, sein Streben reich vergeltende zweite Heimat werden können. Hier standen dem Fortschritt und der großen prak­tischen Leistung alle Wege offen; auch Reichtümer fielen ihm zu, nachdem er im Gebirge zufällig eine Kohlenmine

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Freikorpskiimpser-Gedenktafel für das Reichsehrenmal Tannenberg

Im Aufträge des NS-Reichskriegerbundes hat der Berliner Bildhauer Otto Christian Winter zum Gedächtnis der gefallenen Freikorpskämpfer diese Gedenktafel hergestellt, die in den näch­sten Tagen im Reichsehrenmal Tannenberg angebracht wird. Sie trägt über einer Figurengruppe als Schriftbild den Anfang des FreikorpsliedesWir sind die Letzten, die vorm Feinde blieben". (Scherl-Bilderdienst-M.)

entdeckt hatte. Aber das große, ihn nie loslassende deutsche Heimweh trieb ihn zurück und es begann jener 15 Jahre umfassende Kampf für den Fortschritt, der ihn doch von ei­nem Mißgeschick ins andere stürzte.

List erscheint uns in erster Linie als der H e r o l d d e s denen Zeitalters des Verkehrs, als der große Pionier des Eisenbahnwesens. Mit Eisenbahnplänen war er erst den Hamburgern, dann den Leipzigern nahegetreten; aber seine Eisenbahnkarte von 1833, in die seherisch sämt­liche großen deutschen Eisenbahnlinien vorgezeichnet waren, die wir heute bewundern, konnte seinen, dem Eisenbahn­gedanken noch gänzlich fremd gegenüberstehenden Zeitge­nossen nichts weiter sein als Zukunftsphantasie. -

In Tübingen wurde der damals 28jährige Rechnungsrat im Jahr 1817 Professor. Kultminister von WangenheiA wagte diesen Schritt, der in der Geschichte der Landesuni­versität etwas Ungewöhnliches darstellte, und erteilte dem jugendlichen Verwaltungsbeamten den Lehrauftrag für , Staatsverwaltungspraxis an der neuerrichteten staatswirt- > schaftlichen Fakultät. Ein unerhörter Glücksfall! So glaub­ten die meisten, die List um jene Zeit nahestanden. Aber mit dieser Berufung auf einen Lehrstuhl der Universität begann die Tragik im Leben dieses Mannes, der nach seiner ganzen Veranlagung wie kaum ein zweiter dazu bestimmt schien, als Mann des öffentlichen Lebens zu wirken. Es er-' füllte ihn von früher Jugend an ein leidenschaftliches na­tionales Sehnen. Ein zerrissenes Deutschland z« einer Ein­heit zusammengefaßt, mächtig und reich zu sehen, das war der Inbegriff dessen, was er erstrebte. Dabei war aber sein ganzes Leben ein Ankämpfen gegen die Widerstände des Schicksals. Die Daten dieses Lebens reden eine erschütternde Sprache. Weil er bei allem Wissen vornehmlich ein Marm der Praxis »nd bemüht war, seiner Tätigkeit als Hoch­schullehrer die Wirkung in die Breite zu geben, nahm er den Posten eines Konsulenten des vor 120 Jahren gegrün­dete«Deutschen Handels- und Eewerbevereins" an. Die Folge davon war die schlichte Entlassung aus der Profes­sur. Seine erste Wahl in das württembergische Landespar­lament wurde für ungültig erklärt, weil er das 30. Lebens­jahr noch nicht vollendet hatte. Ein Jahr hernach, 1M0, wurde er vo» den Wählern seiner Vaterstadt Reutlingen abermals in den Landtag entsandt. Er verfaßte dann eine Art Memorandum über die Mißftände in der württember- gischen Staatsverwaltung, die sog. Reutlinger Petition, die mit zahlreichen Unterschriften versehen der Staatsregierung als Kundgebung der Wählerschaft überreicht werden sollte. Mährend ihrer Vervielfältigung wurde List als Verfasser denunziert und es kam wegen der Schärfe der in dieser Pe­tition geführten Sprache zu dem schmachvollen Prozeß gegen ihn. Der Prozeß endete mit Lifts Verurteilung zu zehn Monaten Festungshaft. Er floh nach Straßburg, wurde aber dort ausgewiesen; er ging in die Schweiz, ließ sich jedoch nach einiger Zeit von Verwandten dazu überreden, nach Württemberg zurückzukehren, wo er verhaftet und als Sträfling auf den Asperg gebracht wurde. Alle Versuche, eine Begnadigung zu erreichen, waren vergeblich. Die württembergische Regierung und Bürokratie wollte», daß er seine Strafe verbüße; aber sie wollten ihn auch gerne für immer los sein. Um diesen Preis und bei Verzichtlei­stung auf sein Staatsbürgerrecht wurde ihm die Hälfte ei­ner Freiheitsstrafein Gnaden" erlassen.

Im April 1825 trat List von Le Havre aus mit seiner Familie seine Frau war die Tochter eines Tübinger Pro­fessors die Reise nach Amerika an. Drüben kam er nach einigen Jahren des Mißerfolges sozial und wirtschaftlich vorwärts. 1830 erhielt er das amerikanische Bürgerrecht. Aber im Hintergrund all seines Strebens und Schaffens stand sein Vaterland, stand Deutschland. 1832 siedelte er wieder endgültig in die deutsche Heimat über. In Leipzig fand er einen Wirkungskreis, in dem er Bedeutendes hätte leisten können, wenn ja wenn man ihn nicht als Ver­femten behandelt hätte. Die württembergische Regierung konnte es ihm noch nicht verzeihen, daß er die Staatsver­waltung des Landes vor einem Dutzend von Jahren hefttz angegriffen hatte. Ihre Auskünfte über List waren so zwei­deutig, daß ihn die sächsische Regierung ausforderte, er solle das Amt eines Konsuls der Vereinigten Staaten, das e: seit 1834 in Leipzig bekleidete, niederlegen. Seine Bemü­hungen um den Bau der Eisenbahn LeipzigDresden be­lohnte der Ausschuß der Leipzig-Dresdner Eisenbahngesell­schaft mit einemEhrengeschenk" von 2000 Talern. 1837 begab er sich nach Paris, wo er sich schriftstellerischen Ar­beiten widmete. Im Frühjahr 1840 erhielt er ein Angebot des französischen Ministers Thiers, bei einem Jahresgehalt von 12 000 Franken in französische Dienste zu treten. List lehnte ab und kehrte nach Deutschland zurück. Die drei thü­ringischen Staaten nahmen seinen Rat und seine fördernde Mitwirkung bei der Ausarbeitung von Vlänen für den Bau thüringischer Eisenbahnen in Anspruch; sie übermittelten ihm dafür, als er seine Schuldigkeit getan hatte, 100 Fried- richsdor. Im gleichen Jahr verlieh ihm die juristische Fa­kultät in Jena die Doktorwürde. 1840 erschien auch sein Hauptwerk über sein nationalökonomisches System, ein von Berufenen als klassisch gerühmtes Buck. Sein ganzes Beitre-