s. Seite — Nr. 178
Raaolder Tagblatt .Der «esellschafte^
Mittwoch» de« 2. August 1989
Wir find genmPMt
Der 2. August 1914 — Im Blickfeld von heute — Der Fluch des politischen Versäumnis — „Im Felde unbesiegt" Soldat und Führung heute
NSK. Krieg — Weltkrieg — wie oft war dieses unheilschwangere Wort in den Julitagen 1914 an allen Plätzen Europas mit Besorgnis oder Schadenfreude ausgesprochen worden! Fortgesetzt kreuzten -eelegramme zwischen den europäischen Amtsstuben, rasselten die Telephone, beschäftigten sich Konferenzen und Votschafterbefnche mit diesem einzigen Thema.
Trotzdem kam es so weit! Die Gutwilligen waren am Ende ihrer Kunst. Alle Versuche, durch gegenseitige Beschwörung und Schuldabwälzung die drohende Gefahr noch einmal zu bannen, scheiterten, mutzten scheitern, weil Mißtrauen und Hatz gegen Deutschland und seinen Verbündeten Oesterreich eine feinverästelte systematische Diplomatenarbeit bereits zu eine«, unlösbaren Gewebe verknüpft hatte. Der Einkreisungsoesuch des französischen Präsidenten Poincare in Petersburg am 22./23. Juli 1914 hatte den letzten Knoten in diesem Netz gemacht. Damals bereits lietz sich die Zarentochter Anastasia zu einer kampfesfrohen Bemerkung gegenüber dem französischen Botschafter Pa- leologue Hinreitzen: „Unsere Heere werden sich in Berlin vereinigen, Deutschland wird vernichtet sein."
Es ist hier nicht der Platz, die Vorgeschichte des Weltkrieges zu untersuchen. Aber wenn vom 2. August 1914 die Rede ist, an dem das deutsche Volk in dem Bewußtsein seiner Unschuld an dem nunmehr beginnenden mehr als vierjährigen Völkerringen zu den Waffen griff, dann mutz auf den schweren Fehler hingewiesen werden, die „Einkreisung zu sehen und nicht beizeilen sich ihrer zu erwehren". Der Führer hat mit diesen Worten in Wilhelmshaven am 1. April ds. Js. dis schuldhaste Versäumnis der Vorkriegssührung gekennzeichnet, unvorbereitet in den Krieg gegangen zu sein. Das Wesentliche am Kriegsbeginn ist nicht so sehr die Tatsache, daß die Welt — an ihrer Spitze England — uns von dem „Platz an der Sonne" vertreiben wollte. Sondern die Unfähigkeit eines politischen Systems, das sich in klingenden Worten gefiel und an Entscheidungen aneinander vorbei redete, das zwar den Frieden wollte, aber nichts für seine Sicherung tat. Wenn wir Deutschen unter Deutschen sprechen, wollen wir nicht in Worten rasenden Zorns den Frevel der Kriegstreiber von 1914 anklagen. Wir wollen uns bewußt werden, daß mit frommen Wünschen und Beteuerungen sich einmal Versäumtes nicht wiedergutmachen läßt.
So ist der Tag, „an dem das deutsche Volk vor 25 Jahren den Verteidigungskampf um seinen Bestand gegen die feindliche Uebermacht aufnahm" — wie es in dem Befehl des Führers und Obersten Befehlshabers an die Wehrmacht heißt — nicht ein üblicher Gedenktag. Er ist der Ehrentag f ü r d i e d e u t s ch e Wehrmacht, an dem Mut und Einsatzbereitschaft der ruhmreichen alten Armee den Soldaten des neuen deutschen Volksheeres vor Augen gesührt wird. Die Gegner haben diesen Geist auf den Schlachtfeldern kennen und albten aelernt.
An den großen strategischen Plänen von 1914, von denen die Schlacht bei Tannenberg am 27. August der grötzteSiegderdeutschenWehrgeschichteist, an dem bis zur Erschöpfung gehenden Angriffsgeist der Frontsoldaten, aber auch an der Lehre aus den begangenen eigenen Fehlern oder dem operativen Geschick der Feinde werden die jungen Soldaten das Geheimnis dieses Geistes erkennen. Als stärkstes Bewußtsein aber lebt in Herzen und Hirnen der wehrfähigen Männer des Erotzdeutschen Reiches die Tatsache, daß die Wehrmacht von 1939 ein Volksheer und auf den Führer des nationalsozialistischen Deutschlands vereidigt ist.
Das Heer von 1914, dessen militärische Leistungen unverwischbar in aller Erinnerung sind, war unpolitisch und nur der Monarchie verpflichtet. Volk und Heer waren nicht eins, und das Ofsizierkorps, für den Waffendienst hervorragend ausgebildet, stand außerhalb der völkischen Gemeinschaft. Erst später, mitten in den großen Materialschlachten, bildete sich das heraus, was die Vesten als nationalsozialistisches Fronterlebnis mit heimgebracht haben.
Dieser Erlebnisfront von gewaltiger seelischer Stärke stand eine ihren Aufgaben nicht gewachsene Oberschicht und ein führerloses Volk gegenüber. Weil der Offizier im Zweiten Reiche nicht den gleichwertigen politischen Volksfiihrer kannte, wie ihn Adolf Hitler in der NSDAP, herangebildet hat, wurden die an den Fronten gewonnenen Schlachten in der Heimat wiederverloren.
Ein solcher Zwiespalt ist heute ausgeschlossen. In Wehrmacht und Partei, den beiden Trägern des nationalsozialistischen Staates, wird der Führergedanke durch wechselseitige Durchdringung des nationalen Lebens mit soldatischem und sozialistischem Geist verankert. Ebenso wie ein echter politischer Führer soldatische Haltung beweisen mutz, kann der Offizier nur als innerlich überzeugter Nationalsozialist seine Aufgaben erfüllen. Durch diese in der Person des Führers verschmolzene Einheit zwischen Wehrmacht und Partei hat Deutschland tatsächlich eine unüberwindbare Stärke erhalten.
Es ist nur zu natürlich, daß wir uns ihrer am Tage des Kriegsbeginns vor 25 Jahren besonders bewußt werden. Wieder erleben wir Tag um Tag, daß die Einkreiser wie damals in der Welt Herumkonferenzen, mit dem Ziele, Deutschland zu vernichten. Hinter den Wolken am politischen Horizont vermag sich jedoch nicht mehr ein furchtbares Gewitter zusammenzuballen. Denn das Deutschland von 1939 ist nicht nur in Waffen stark, sondern sieht auch politisch klar und zuversichtlich.
Mit den letzten Gewittern der überwundenen schweren Sturmzeit von 1914 bis 1933 ist auch die letzte Chance für die Feindmächte hinweggefegt, dieses deutsche Volk noch einmal schlafend vorzufinden. Wir stehen auch nicht allein. In der Achse Berlin—Nom dokumentiert sich ein unvergleichbares militärisches und politisches Kraftfeld, das alle Begebenheiten der Welt berücksichtigt. Wenn diese Macht aufgerufen werden sollte, dann marschieren nicht waffentragende Menschen, sondern eine gepanzerte Weltanschauung, deren Wehrmachtwollen stärker ist als der Vernichtungswahn der Entente.
Der 2. August ist ein Ehrentag der deutschen Soldaten. Da aber jeder aufrechte Deutsche heute soldatisch denkt und fühlt, ist er ein stolzer T a g d e r B e s i n n u n g f ii r d i c ganze Nation. Im großen Ringen des Weltkrieges blieb Deutschland auf dem Felde unbesiegt! Bei einem nochmaligen Appell an die Waffengewalt wird sich das Groß- deutsche Reich auch auf dem politisch-diplomatischen Parkett nicht schlagen lassen. Darüber.wacht die nationalsozialistische Bewegung und eine Führung, die nicht im Gehrock und Zy
linder einherspaziert. in der Uniform des Vor
lebens, den höchste. des Soldatentums überhaupt verkörpern
lieber dem 2. August 1914 steht das bittere Wort: „Zu spät!«
lieber dem 2. August 1939: „Wir sind gewappnet". O. H. H.
Der Generalfeldmarfchall
Persönliche Erinnerungen an Hindenburg Bon Professor Dr. FriedrichPaulMllnter, Oberstabsarzt a. D. in Hannover
Im Januar 1917 wurde ich dem Eeneralfeldmarschall von Hindenburg vom Feldsanitätschef als Leibarzt vorgeschlagen. Weggerufen von der Westfront, wo das Feldlazarett, das ich führte, gerade in Ruheestllung lag, trat ich mein neues Amt, von meinem hohen Patienten gütig bewillkommnet, in Pleß an. Zweieinhalb Jahre durfte ich Len Eeneralfeldmarschall (GFM.) ärztlich betreuen, bis zum Juli 1919. als sich die Oberste Heeresleitung (OHL.) in Kolberg auflöste und der GFM. nach Hannover wieder heimkehrte, im Glauben, sein Leben dort im Ruhestand beschließen zu können. Diese zweieinhalb Jahre umspannen eine Fülle von Beobachtungen und Erlebnissen. Einiges aus dieser Zeit sei hier wiedergegeben.
Der GFM., diese große, etwas schwere Erscheinung, hatte gesunde Jnnenorgane. Eine im Jahre 1916 bestehende — und wie sich zeigte vorübergehende — Neigung zu Luftröhrenkatarrh gab indessen Veranlassung, daß der Kaiser die Gesundheit des Heerführers nicht den Zufälligkeiten örtlicher ärztlicher Betreuung anvertraut wißen wollte. Als ich nach Pleß kam, lag der GFM. noch zu Bett. Nach einigen Tagen ging es über Berlin nach Kreuznach. Daselbst blieb die OHL. ein gutes Jahr bis zum Vormarsch im März 1918. Sie quartierte zunächst um nach Spa und von hier nach wenigen Tagen nach Avesnes. Hier wurden „Glück und Ende" erlebt. Im Oktober 1918 ging es zurück nach Spa, von hier aus bei Beginn der Revolution nicht, wie erst vorgesehen, nach Homburg v. d. H., sondern, da inzwischen in Homburg ein sich ganz übel aufspielender Soldatenrat die Macht ausübte, nach Wilhelmshöhe, und von hier aus im Februar 1919 nach Kolberg.
Die nähere Umgebung des GFM. stellte die Operationsabteilung der OHL. dar, ungefähr 20 Offiziere, beste Ee- neralstabsauslese, an der Spitze der Eeneralquartiermeister Ludendorff, der Gigant des Weltkrieges. Auch Oberst Bauer wäre besonders zu nennen, ein hochgebildeter, vielseitiger Offizier von freundlichem Wesen. Seine vielseitige Tätigkeit als „rechte Hand" oder, wie ihn seine vielen politischen Gegner nannten, als „böser Geist" Ludendorffs, brachte ihm den Spitznamen des großen Zauberers ein, die Offiziere seiner Abteilung wurden die Zauberlehrlinge genannt. In diesem Kreise von etwa 20 Offizieren wurden die zwei großen Mahlzeiten eingenommen; hie kleinen Mahlzeiten verbrachte der GFM. in Gesellschaft seines Schwiegersohnes und Adjutanten von Pentz und seines Arztes. Nicht selten wurde dieser Kreis durch den Besuch näherer Bekannter erweitert. <
Der GFM. war die Pünktlichkeit selbst Man konnte nach seinen Lebensgewohnheiten tatsächlich die Uhr stellen, ein i Umstand, der ausgenutzt wurde von Menschen, groß und klein, die ihn bei Äb- oder Anfahrt sehen wollten. Im allgemeinen war ihm diese Popularität lästig; er war gutmütig genug, sie sich mit Humor gefallen zu lassen. Zuweilen machte er sich den Spatz, sich Daueranstellern, die er schon kannte, durch ein „Umgehungsmanöver" zu entziehen. Die Ueberzeugung, daß eine hohe geistige Leistung durch einen disziplinierten robusten Körper unterstützt werden müsse, war dem alten Offizier selbstverständlich. Mehr als einmal lietz er sich abfällig über den Bildungsdünkel und die geistige Einseitigkeit des körperlich oftmals schlaffen Akademikers aus. Der tägliche Spaziergang wurde Pflicht- ! gemäß unternommen, zumeist nach kurzer Autofahrt, die s ihn vom Getriebe der Menschen löste. Auf diesen Spazier- gängen, die auch geistige Entspannung darstellten, war der GFM. wortkarg; aber natürlich kam die Unterhaltung im Laufe der Zeit auf viele Einzeldinge. Im allgemeinen begleitete ihn sein Adjutant, zuweilen oft genug innerhalb von zweieinhalb Jahren, auch der Schreiber dieser Zeilen. Naturfreude und Naturverständnis kennzeichneten ihn ebenso wie Bismarck.
Das Pferd bestieg er als GFM. nicht mehr, größere Steigungen vermied er. Er hatte früber einen Stur?, mit dem
Pferde erlebt, der nachwirkte. Zeitweise klagte der GFM. über rheumatische Beschwerden. Er unterzog sich einer Diathermiebehandlung in Kreuznach. Als es einmal eine Verbrennung gab, machte das wenig Eindruck. Den Zahnarzt suchte er erstmalig mit über 70 Jahren in Kreuznach auf. Auch hierbei bewahrte er seine gelassene Ruhe. Er war ein gleichmäßig freundlicher Patient, der mir die Aufgabe leicht machte, geboten erscheinende Anordnungen durchzuführen.
Prachtvoll war der Schlaf. Er mußte nachmittags zum Einnehmen des Kaffees geweckt werden. In den Wochen schwersten Erlebens in der zweiten Hälfte des Jahres 1918 nahm er als Schlafmittel gelegentlich Baldriantropfen. Als Offizier hatte er seinen Körper in Schwung halten müssen. Er war Reiter gewesen, er war Jäger geblieben, er war ein Freund des Schwimmens. Gern erzählte er, wie er als Chef des Stabes beim X. Armeekorps in Koblenz im Rhein geschwommen hatte. Der GFM. pflegte nur je eine Zigarette nach den Hauptmahlzeiten zu rauchen. Ein Gläschen Wein trank er gern, doch blieb er qualitativ sehr genügsam. Er gehörte in seiner Koblenzer Zeit zu den Rodensteinern. In Erinnerung an Rodensteiner Stunden lud er einmal von Kreuznach aus eine Reihe von Herren der Operationsabteilung ein zur Krone nach Aßmannshausen, wo der ihm noch bekannte Wirt entsprechende Jahrgänge einschenkte. Zuversichtlich hinsichtlich des günstigen Ausganges des Krieges blieb die Stimmung der OHL. bis zur Lhemin-des-Dames- Offensive im Sommer 1918, die infolge Verrats nicht glückte.
Robuster Körper, guter Schlaf und Bescheidenheit im Genuß von Nikotin und Alkohol hielten Arteriosklerose fern. Sein Gedächtnis war staunenswert, für Begebenheiten und Gesichter, auffallend sein hohes Interesse für Geschichte. Der GFM. war ein behaglicher Plauderer, der den Humor und auch humorvolle Menschen liebte. Eigentlich lebhaft war er nicht. Auch gegensätzliche Ansichten fanden oft humorvolle Erwiderung, eingekleidet in persönliche Erlebnisse dieses erinnerungsreichen Lebens.
Es wurde einfach und schnell gegessen. Nur nach dem Abendessen blieb die Operationsabteilung noch dreiviertel Stunden zur geistigen Entspannung in den Kasinoräumen zusammen, um alsdann wieder in den Dienst zu gehen. Hier wurde in den Nebenräumen auch musiziert, wir hatten Sänger und Klavierspieler unter uns. Der GFM. war unmusikalisch. An Musik fanden Wertschätzung die preußischen Militärmärsche.
Wohl täglich waren Gäste zu Tisch. Ein buntes Heer prominentester Persönlichkeiten aus allen Lebensstellungen, Deutsche und Verbündete, erschienen zu Gaste, Fürstlichkeiten, Offiziere aller Grade, Parlamentarier, Diplomaten, Wirtschaftler, auch zuweilen Gelehrte und Künstler, wie Sven Hedin, Walter Bloem. Wer in irgend einer Mission den GFM. bezw. seinen Stabschef Ludendorff aufsuchte, erschien einmal zum Essen. Auch wir Jüngeren luden durchreisende Bekannte ein. Hatte ein Bataillon oder eine Kompagnie vorn Besonderes geleistet, so wurden, wenn es die Umstände erlaubten, die betreffenden Offiziere zur OHL. zum persönlichen Bericht befohlen und weilten alsdann auch am Tisch. Der GFM. und Ludendorff gaben sich bewußterweise Mühe, jeden einzelnen East nach Woher und Wohin zu fragen. Es fiel auf, daß ein Mann im Kriege nie den Weg zur OHL. fand; das war der Reichskanzler von Bsth- mann-Hollweg, „dieser unglückselige Mann", wie ihn der GFM. bezeichnete.
In unbegrenzter Verehrung sahen alle Angehörigen der Operationsabteilung zu ihren beiden Führern auf. Man sah, wie beide Männer einen geistigen Organismus darstellten, der auch persönlich-seelisch zusammenklang.
Es ließe sich noch manches erzählen, von militärischen, politischen und auch persönlichen Dingen aus dieser großen Zeit. Beschränkung erscheint jedoch geboten. Noch etwas Persönliches sei erwähnt. In der Zeit, als die OHL. in Kreuznach war, wohnte Frau von Hindenburg in der Grä- fenbacher Hütte, dem Herrenhaus eines verlassenen Hüttenwerks in einem engen Waldtal des nahen Soonwaldes. Vorübergehend kamen auch die beiden Töchter nach dort, Frau von Brockhusen und Frau von Pentz, und Enkelkinder. In dieser Zeit pflegte der GFM. nachmittags im Auto zu seiner Gattin zu fahren und in kurzem Spaziergang Entspannung zu suchen. Wenn gelegentliche Behinderung vorkam, erhielt ich den Auftrag, mit Frau von Hindenburg spazieren zu gehen. Frau von Hindenburg war eine kluge Frau, mit künstlerischen Interessen, mit Sinn für gemsin- > nützige Betätigung. Sie war eine vorbildliche Offizisrs- ! gattin. Ihre Erscheinung war schlank, nordischen Gepräges. ! Sie hatte, wie der GFM. einmal bemerkte, in ihrer Jugend - ein Gesicht wie Milch und Blut gehabt. Auf einer Hinfahrt l kam es vor, daß der Kraftwagenführer vergessen hatte zu ' tanken, so daß wir stecken blieben und erst mit Versvätuna
Kleine Geschichten um Hindenburg
Zum Todestag des Generalfeldmarfchall am 2. August Der junge Kadett
Schon im Alter von neun Jahren kam Hindenburg, der Fa- milientraditon entsprechend, auf die Kadettenanstalt. „Soldat zu werden", sagt er rückblickend in seinen Erinnerungen „Aus meinem Leben", „war für mich mein Entschluß; es war eine Selbstverständlichkeit." Es ist rührend zu sehen, wie er beim Verlaßen des Elternhauses ein förmliches Testament aufsetzt; schon hier offenbart er die Umsicht und Fürsorge, die sein ganzes Wesen kennzeichnet: Die Spielsachen vererbte er seinem jüngeren Bruder Otto; zugleich beauftragte er ihn, einem bedürftigen Häuslingssohn täglich eine Frühstückssemmel mit in die Schule zu bringen, wie er es selbst bisher getan hatte: „Otto soll dem Schweiger alle Tage eine Semmel mitnehmen."
Die Feuertaufe
Bei Ausbruch des deutschen Krieges 1866 war Hindenburg 19 Jahre alt. Er rückt sogleich mit in „Feindesland" ein und macht die Schlacht bei Königgrätz mit. Beim Sturm auf eine Batterie wird er von einer Kartätschenkugel getroffen und sinkt bewusstlos zur Erde. Als er wieder zur Besinnung kommt, haben die Leute seines Zuges schon drei feindliche Geschütze erobert. Zwei andere suchen zu entkommen. Der junge Ofifzier stürmt mit Hurra auf sie ein, und es gelingt ihm, auch diese zu nehmen. Bekanntlich stand der Helm mit dem Kugeleinschlag bis zum Lebensende des greisen Feldmarschalls neben seinem Schreibtisch.
Zeitsinn
Als Hindenburg noch Oberst war, war er wegen seiner militärischen Strenge allgemein gefürchtet. Einst lietz er sich bei ! einer Negimentsbesichtigung vom Hauptmann bestätigen, daß s er mit seiner Kompagnie auch den „Zeitsinn" geübt habe; es ^ handelte sich um eine neue Anweisung „von oben", die durch- s zuführcn war. Hindenburg wandte sich an einen Soldaten der angctretenen Kompagnie: „Sie werden mir Bescheid sagen, wenn , sechs Minuten verstrichen sind!" — „...Befehl, Herr Oberst!" Der Rekrut stand stramm und blickte starr geradeaus. Hindenburg setzte die Besichtigung der Kompagnie fort. ..Zeit ist um.
Herr Oberst", schnarrt plötzlich die Stimme des Soldaten. Der Regimentskommandeur vergleicht mit der eigenen Uhr: die Angabe stimmt auf die Minute. „Kerl, wie haben Sie das so genau getroffen?" fragt er verblüfft. „Ich habe die Zeit von der Turmuhr dort drüben abgelesen, Herr Oberst", antwortete der Soldat ruhig und zeigt auf die Kirche, die sich neben der Kaserne erhebt.
Jeder an seine« Platze!
Bei allem Ernst seines Wesens war Hindenburg mit einem wundervollen Humor begabt. Als ihn die Tertia eines Gymnasiums 1911 zu seinem Sieg über die Rußen beglückwünschte, lietz er es sich nicht nehmen, persönlich mit humorvollen Reimen zu antworten:
Dann wird's in Deutschland sicherlich am besten stehn, tut jedermann das Seine, ohne viel zu schnacken.
Packt ihr eure Vokabeln an:
Ich will die Russen packen!
Das Vorbild
Hindenburg, so wird berichtet, wurde nach seinem Entscheidungssiege bei Tanenberg von einem Besucher gefragt, wer seine Vorbilder in der Kriegskunst gewesen seien. „Hannibal, Friedrich der Große, Moltke, Schließen und Eduard VII." erwiderte er ohne Besinnen. ^Exzellenz belieben zu scherzen", meinte der Frager überrascht. „Worin sollte König Eduard Ihnen Vorbild gewesen sein?" Der Feldherr lächelte leicht: „Im Eintreisen."
Nerven
Ein alter Waffenfreund Hindenburgs, der ihn einst während aufreibender Verhandlungen im Reichspräsidentenpalais besuchte, äußerte ihm seine Bewunderung, daß der greise Soldat inmitten des anstrengenden und gehetzten Lebens seine Nerven so zu wahren wisse.
„Wenn ich nervös werde, pfeife ich ein Liedchen vor mich hin", lächelte der Feldmarschall ruhig. „Aber man hat Ew. Exzellenz noch niemals pfeifen hören", wagte einer der Herren aus Hin- dcnburgs täglicher Umgebung einzuwenden. „Ich selbst auch nicht", war die gelassene Bestätigung des Reichspräsidenten.