Leite 7 - Nr. 247
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter«
Samstag, den 22. Oktober 1838
VeschastigMg auf Monate hinaus
Württembergs Industrie im dritten Vierteljahr 1938
Die württembergische Wirtschaft nahm im vergangenen dritten Vierteljahr 1938 eine weiterhin günstige und feste Entwicklung. Eine hervorragende Bedeutung gewann in den vergangenen Monaten der Arbeitseinsatz. Wenn schon alljährlich in den Ernte- und Urlaubsmonaten eine Verknappung der Arbeitskräfte zu beobachten war, so trat der Arbeitseinsatz in den zurückliegenden Monaten in eine ganz neue Entwicklung ein, die durch den Einsatz einer großen Anzahl von Hilfs- und Facharbeitern für besonders bedeutsame Ausgaben gekennzeichnet wurde. Eine verstärkte Neigung zur Abwanderung der Arbeitskräfte und in vielen Industrien ein scharfer Mangel an geeigneten Arbeitskräften war infolgedessen zu beobachten- Diese Lage des Arbeitseinsatzes wurde keineswegs durch einen gewissen Rückgang des Eeschäftsumfanges, wie ihn die Sommermonate jahreszeitlich üblich mit sich zu bringen pflegen, gemildert; im Gegenteil stellte ein häufig gesteigerter, insbesondere auch jjssentlicher Bedarf erhöhte Anforderungen an die Betriebe. Vielfach setzte auch schon das beginnende Weihnachtsgeschäft ein. Soweit aber in einzelnen Industrien eine gewisse Zurückhaltung bemerkt wurde, war diese auf die politischen Verhältnisse — die im Ganzen mit größter Ruhe ausgenommen wurden — und teilweise auch auf die Auswirkungen der Beschränkung der privaten Bautätigkeit eher zurückzuführen als auf die jahreszeitlich zu erwartende Flaute. Die bemerkbaren Auftragsrückgänge waren aber so gering, daß dadurch der Beschäftigungsgrad der Betriebe nicht berührt wurde. Die meisten Betriebe sind mit Aufträgen auf längere Zeit hinaus versehen, sodaß heute schon in vielen Industrien die volle Beschäftigung auf Monate hinaus gewährleistet ist. Die Rohstoffversorgung hat eins weitere Entspannung erfahren, die sich auch auf die eisenver- Ubcitendcn Industrien auswirken dürfte. Allgemein war somit die Lage am Lulandsmarkt unverändert günstig und fest. Nur sas Auslandsgeschäft läßt demgegenüber nach wie vor zu wünschen übrig. Die politischen Verhältnisse und das hartnäckige Ausbleiben des erhofften Aufschwungs an den überseeischen Märkten beeinflußt nach wie vor die Ausfuhr.
Vergehen gegen die Neichsversicherungsordnung z Stuttgart, 20. Okt. Wegen Nichtabführung von Jnvalidenver- ! sicherungsbeitrügen in Hohe von 17 750 RM. an die Landesver- j sicherungsanstalt wurde der Prokurist und stellvertretende Be- ! triebsleiter Johann Sannewald aus Schwäb. Hall vom Schöf- ! sengericht zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt. Der bei einer > Maschinenfabrik im Kreis Ludwigsburg tätige Angeklagte hatte ! für das ordnungsgemäße Markenkleben für rund 200 Eefolg- j ichaftsmitglieder und für rechtzeitige Ablieferung der Beträge an ! die Versicherungsanstalt Sorge zu tragen Er beauftragte einen - Angestellten mit der Einklebung der Marken in die Quittungs-
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karten, ohne sich in der Folge um die Ausführung des Auftrags zu kümmern. Der Angestellte kam der an ihn ergangenen Weisung höchst mangelhaft nach. Dazu kam eine unerhörte Schlamperei des Angeklagten in der Buchführung, die jede Uebersicht vereitelte. Der angerichtete Schaden ist inzwischen in vollem Umfang gedeckt worden. Der Betriebsleiter selbst wurde im Verwaltungsweg zu einer Ordnungsstrafe in Höhe von 7000 RM. verurteilt. Der Vorsitzende nahm den krassen Fall zum Anlaß einer allgemeinen Warnung davor, die den Arbeitern vom Lohn abgezogenen und einbehaltenen Versicherungsbeiträge zinslos zur Finanzierung des Betriebs heranzuziehen, statt sie ordnungsgemäß zum Markenkleben zu verwenden. Er verwies dabei auch aus die große Gefahr, die den Versicherten durch solche Gebaren entsteht, wenn die Firma in Konkurs gerät.
Urteil gegen fünf Wilderer
Stuttgart, 20. Okt. Die Beweisaufnahme im Prozeß vor der Zweiten Strafkammer Stuttgart wegen erschwerter Wilderei zeigte vor allem, daß vier der fünf Angeklagten mit allen Mitteln versuchten, ihre Täterschaft entweder abzustreiten oder erheblich abzuschwächen. Der Staatsanwalt beantragte gegen Emil Decker, Eugen Lurkhardt und Christian Zipperle je zwei Jahre Zuchthaus und fünf Jahre Ehrverlust, gegen Eugen Vraig und Wilhelm Walz je ein Jahr Gefängnis. '
Emil Decker aus Waldenbuch wurde zu eineinhalb Jahren Zuchthaus und dreijährigem Ehrverlust verurteilt. Von de« übrigen Angeklagten erhielten Christian Zipperle-Hildrizhausea ein Jahr. Eugen Vurkhardt-Waldenbuch sieben Monate, Paul« Braig-Vaihingen a. d. F. und Wilhelm Walz-Pfullingen je fünf Monate Gefängnis, die als durch die Untersuchungshaft verbüßt gelten. Die zur Tat benützten Gewehre und die beide» Kraftwagen wurden eingezogen.
Das neue Sauerkraut ist da!
„Änd dann das edle Sauerkraut,
Wir dürfen's nicht vergessen,
Ein Deutscher hat's zuerst gebaut,
Drum ist's ein deutsches Essen.
Wenn so ein Fleischchen weich und mild ! Im Kraute liegt, das ist ein Bild
! Wie Venus in den Rosen .."
So besingt der schwäbische Volksdichter Uhland in seiner „Metzelsuppe" das Sauerkraut. Mit Recht gilt diese schmackhafte und gesundheitsfördernde Art, das Weißkraut einzulegen, als ein Nationalgericht der Deutschen. Lange Zeit war es fast das einzige bekannte Gemüse, was ja schon in dem Worte ! „Kraut" zu erkennen ist. Es war eben das „eßbare Kraut". Ve- ! reits im 16. Jahrhundert wird es als „Leibgericht" der Deut- - schen gepriesen.
Vor allem war es auch für dis damaligen Seefahrer von unschätzbarem Wert, denn ihm allein verdankten es die Matrosen,
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die auf den langsamen Segelschiffen oft monatelang unterwegs waren, daß sie von der Mangelkrankheit „Skorbut" verschont blieben. Man kannte ja noch keine Mittel und Wege, frisches Gemüse zu konservieren und so war es des Sauerkraut allein, das dem Körper die unentbehrlichen Vitamine zuführte. Aber nicht nur wegen seines Vitamingehaltes ist das Sauerkraut unserer Gesundheit förderlich, es regelt auch die Schärfe der Magensäure, reinigt den Darm und regt ihn zu gesunder, regelmäßiger Tätigkeit an. Darum sollen wir auch dieses in Stadt und Land so beliebte Gericht recht häufig auf den Tisch bringe«.
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MunchEr Kriminalroman von Hans Klingsnslein
Urheberrechtsschutz durch Lerlaasanstalt Manz. Regensburg. 23. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
Dabei lieg sich Spannagel den Kopf wegreißen, daß sie ihn nicht kannte. Als er dann wiederum zum Schlüsse noch einmal alles zusammenfaßte, den Angriff des Piloten auf Riedl wiederholte, schilderte, wie Bogohl in langen Sätzen mit dem Revolver in der Hand auf Riedl losstürmte, da brach mit einem Schlage das Eis. Frau Cora sank in den Sessel zurück, schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte herzerweichend:
„O mein Gott, das ist ja entsetzlich! O mein Gott, und ich, ich bin schuld an allem!"
Spannagel fieberte: Jetzt mußte es heraus! Aber er hatte nicht mit der Sicherheit einer Dame der besten Gesellschaft gerechnet. Frau Cora hatte sich sofort wieder geiaht. Eines wußte Spannagel, sie liebte diesen Riedl. Hinter der Maske einer steifledernen Varoneß glühte ein menschliches Herz. Ob es nun schon längst so war, ohne daß Riedl es merkte, ob sie zu stolz war, es zu zeigen, ob erst jetzt, seitdem ihr Mann im Unglück war, dieses Gefühl in ihr aufgequollen, wer wußte das? Jedenfalls war es da. And Spannagel nützte den Augenblick.
„Gnädige Frau", flehte er, „bitte, helfen Sie uns doch, helfen Sie Ihrem Mann, erzählen Sie! Warum ist Riedl geflohen? Warum hat er unterschlagen?"
„Weil ich ihm das Geld verweigerte, um angeblich eine Spielschuld von einigen Tausend Mark zu decken. Das ist der letzte Grund. Vielleicht waren es nicht die paar Tausend Mark... nein, sie waren es sicher nicht. Aber meine Hartherzigkeit, die Beleidigung, die in dieser Weigerung lag, das gab ihm den Rest. Er hatte genug von mir. Ein anderer hätte es auch gehabt. Riedl bettelte nicht gerne. Er hatte seinen Stolz wie ich, und ich wollte es gerade haben, Hatz er mich^m dMe lumpigW paar Tausender an
betteln sollte. Ich wollte ihn klein haben. Er sollte sich demütigen. Oh, ich war ja so grenzenlos dumm und hochmütig!" —
Sie hielt inne, als überlege sie, ob der junge Mann vor ihr es wert sei, über so ernste Dinge zu reden. Aber es brach los in ihr und mußte heraus.
„Schon daß ich diesen kleinen Bankier heiraten mußte. Wir standen damals vor dem Ruin, und ich wußte noch nicht, daß mir ein Onkel in Hamburg sein ganzes Vermögen vermachen würde. Vielleicht hat er es auch nur getan, Riedl zulieb, nachdem ich ihn geheiratet hatte. Aber jetzt konnte ich ihn erst recht nicht leiden. Er fragte nie nach meinem Vermögen. Nur um ihn zu ärgern, legte ich es auf der Deutschen Bank an. Ich hätte es doch gut bei ihm lassen können. Und ich hütete es. Da hielt er mich für geizig, hochmütig und herzlos. Seine alte Mutter, die den feudalen Hochmut hatte, und die schuld an unserer Heirat war, sorgte dafür, daß ich für noch stolzer und hochmütiger galt, als ich es war. Das törichte Weib! Und sie belferte Tag kür Tag in ihren Sohn hinein, was er für eine vornehme, hochadelige Frau habe. Sie war in mich vernarrt. Sigismund gab sich unendliche Mühe um mich. Er war nicht verliebt, aber er war ein vollendeter Kavalier, und wir hätten wenigstens gute Freunde werden können. Ich glaube, seine Mutter trug die Hauptschuld, daß es nicht so war. Nein, nicht die Hauptschuld, ich selbst war ja mit Blindheit geschlagen. Noch vorgestern, vor einigen Tagen noch. — Öh, wie ist das häßlich! — Seit Monaten schon spürte ich, daß er unruhig war; er brauchte Geld. Es war das erstemal, daß er mich bat, ich möchte meine Fahrt an die Riviera etwas verschieben. Ich habe sie natürlich nicht verschoben; im Gegenteil, ich kaufte mir Pelze und Toiletten, die ich gar nicht brauchte; und ich verlangte von ihm, daß er einen neuen Wagen kaufte. Ich wollte ihn ruinieren... Nein, nicht ruinieren, ich hätte ihn ja leicht mit meinem Privatvermögen herauskaufen können, aber ich wollte, daß er zu mir kommen solle, daß er mir einmal etwas abschlagcn solle. Wollte ich, daß er mir ein gutes Wort geben solle?
Nein, ich wollte ihn nur klein und demütig haben. — 2a, das war häßlich. Es war gemein. Ich schäme mich."
Spannagel hätte gerne Konkreteres gehört. „Und wann, gnädige Frau", fragte er schüchtern, „wann haben Sie ihm Ihre Unterstützung verweigert?"
Frau Cora starrte ihn aus einmal an, als käme sie von einer andern Welt.
„Mein Gott, was Hab ich Ihnen erzählt? Sie werden das ja alles gegen ihn verwerten!"
Spannagel wehrte verzweifelt mit beiden Händen: „Erzählen Sie! Erzählen Sie weiter, gnädige Frau. Betrachten Sie mich als nicht anwesend! Als Luft. Wenn wir die Motive kennen, gewinnt jede Tat ein anderes Aussehen. Sie müssen mir erzählen. Wozu brauchte Riedl das Geld?"
„Das weiß ich nicht. Ich versichere Ihnen, für mich genügt es, daß er eines Abends nach Tisch, als wir wie immer fast stumm zu Nacht gespeist hatten, mich um zehntausend Mark bat."
„Das war?"
„Am Freitag vor acht Tagen."
„Also am Tag vor dem Einbruch."
„Ach, es ist ja alles so häßlich und es hätte alles ganz anders sein können, wenn mein törichter Hochmut nicht gewesen wäre!"
„Er bat Sie um zehntausend Mark?"
„Ja. Er war blaß, als er es sagte, schaute micb nicht aih und seine Stimme klang heiser: Bitte Cora, willst Du mir nicht mit zehntausend Mark aushelfen?"
„Aber er hätte es doch sicher anderswo bekommen?"
„Nein! Glauben Sie, ich habe mich von meinem Anwalt unterrichten lasten. Die Bank steht knapp. Sie steht seit einigen Monaten am Abgrund. Seit einem halben Jahr hat mein Mann sein eigenes Geld herausgezogen, hat die kleinsten Privatkonten abgehoben, seit einem halben Jahr verbraucht er außergewöhnliche Summen. Seit ei«em halben Jahr ist er irgendwo und irgendwie ein gohsimsr Verschwender."
(Fortsetzung folgt.)