Seite K Nr. 247
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter
Aus der ssdeleudeutfche« Landwirtschaft
Bom Produktionsrückgang zur Erzeugungsschlacht
Ein Vergleich zwischen der tschechischen und suderendeut- schen Landwirtschaft läßt als Charakteristikum erkennen, daß der tschechische Bauer auf guten und besten Böden sitzt, die weizenfähig sind und reiche Erträge bringen, während der Bauer des Sudetenlandes mit wenigen Ausnahmen auf kargem Boden hart um seine Existenzmöglichkeit ringen mutz. In den Randgebieten reicht der Boden vielfach nicht einmal aus, den Bauern und seine Familie zu ernähren, so daß der Zwang zu Nebenerwerb besteht. Es sind dies die Gebiete engster Verbindung zwischen landwirtschaftlicher und industrieller Tätigkeit, die Gebiete, wo die Heimarbeit zu Hause ist. Die hohen Lagen Minzen zur Viehzucht, da hier nur noch die Futtergewinnung lohnende Beschäftigung gibt. Im übrigen sind in den deutschen Gebieten Roggen, Hafer und Kartoffeln heimisch. Eine Ausnahme bilden eigentlich nur das süd mährische Ge- bietunddasSaazerVecken, die größere Strecken fruchtbaren Bodens besitzen. Hier sind darum auch die Bezirke mit überwiegend landwirtschaftlicher Bevölkerung und 80 bis 90 v. H. der Gesamtfläche landwirtschaftlich genutzt. Weizen, Hopfen und Zuckerrüben machen den besonderen Wert dieser Landschaften aus.
Durch die Rückkehr des Sudetenlandes ins Reich hat Deutschland nunmehr die Führung im Hopfenbau iuderWelt übernommen. Der böhmische und mährische Hopfen ist in aller Welt berühmt und bildet daher auch einen beachtlichen Ausfuhrartikel. Nach einer Statistik aus dem Jahre 1932 hatte die Tschecho-Slowakei eine Hopfenanbaufläche von 9885 Hektar. Damit hatte die Tschecho-Slowakei die Führung im Hopsenbau in der Welt inne. Deutschland stand mit einer Hopfenanbaufläche von 8013 Hektar an dritter Stelle. Nunmehr gehören jedoch die bekannten sudetendeutschen Hopsenanbaugebiete, vor allem das Saazer Gebiet, fast ganz zum Reich. Allein im Saazer Land wurden mehr als 8000 Hektar mit Hopfen besetzt. Deutschland hat mit der Rückgliederung dieser Gebiete nunmehr die weitaus entscheidende Stellung auf diesem Wirtschaftsgebiet in der Welt eingenommen.
In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß die Eingliederung der sudetendeutschen Gebiete auch der deutschen Brauwirtschaft einen beachtenswerten Zuwachs geben wird. Mehr als 100 Brauereien sind in den sudetendeutschen Gebieten heimisch, die bisher einen durchschnittlichen Gesamtjahresausstotz von etwa 2,3 Mill. Hektoliter verzeichneten.
Hervorgerusen durch die Notwendigkeit, um das völkische Lebensrecht einen erbitterten Kampf führen zu müssen, ist das landwirtschaftliche Organisationswe- seu im Sudetenland ausgezeichnet ausgebaut worden. Zahlreiche Genossenschaften bedeuteten in den Jahren des Kampfes den wirtschaftlichen Rückhalt der sudetendeutschen landwirtschaftlichen Betriebsführer. Der Mitgliederbestand der deutschen landwirtschaftlichen Betriebsgenossenschaften beträgt etwa 150 000, der Mitgliederbestand der Raiffeisenkassen rund 195 000. Nach dem Stande vom 1. Januar 1930 gab es im Sudetengebiet 2096 deutsche landwirtschaftliche Genossenschaften, davon zählten 1208 zu den Raiffeisenkassen. Diese Genossenschaften sind in den verschiedenen Zentralverbünden für die Länder Böhmen, Mähren und Schlesien zusammengeschlossen. An der Spitze stand die Geschäftsstelle der deutschen Land- und Forstwirtschaft in Prag, der auch die übrigen landwirtschaftlichen Vereine und öffentlich- rechtlichen Verbände der deutschen Landwirtschaft in der Tschecho-Slowakei angeschlossen sind.
Nach dem bisherigen Stand verliert nun die Tschecho- Slowakei durch die Neugliederung dieses Staates etwa 24,8 v. H. an landwirtschaftlichem Boden und 26,9 v. H. an Waldungen. Die Milchwirtschaft wird sich um rund 25 v. H. verringern. An Deutschland fallen etwa 127 Molkereien mit einer Erzeugung von rund 180 Mill. Liter und einer Vuttererzeugung von etwa 5,8 Mill. Kilogramm. Eine sehr wesentliche Umstellung wird auch die tschecho-slowakische Mühlenindustrie erfahren, da auch hier ein Teil der Mühlen in das deutsche Wirtschaftsgebiet eingegliedert wird. Noch ist es nicht möglich, für alle landwirtschaftlichen Betriebszweige eine klare Trennung zwischen dem tschechischen und dem sudetendeutschen Bestand zu schaffen. Es steht aber jedenfalls fest, daß gerade in den deutschen Gebieten die Landwirtschaft unter den agrarpolitischen Maßnahmen des früheren tschechischen Staates schwer zu leiden hatte. Man braucht dabei nicht einmal auf die berüchtigte „Agrarreform" zurückzugreifen. Auch die Wirtschaftspolitik der letzten Jahre hat der deutschen Landwirtschaft im Sudstengebiet schwere Schäden zugefügt. Während z. B. in Deutschland die Verkaufserlöse von Jahr zu Jahr stiegen, sind sie in der Tschecho-Slowakei dauernd zurückgegangen, wobei an diesem Rückgang die sudetendeutsche Landwirtschaft in erster Linie beteiligt war. Diese wirtschaftliche Verschlechterung kommt z. B. in der Tatsache zum Ausdruck, daß der Geldumsatz der deutschen Genossenschaften allein in der Zeit von 1931 bis 1936 von 3 Milliarden Kronen auf 2 Milliarden Kronen zurllckgegangen ist
Für diesudetendeutscheLandwirtschaft, insbesondere für die sudetendeutschen Bergbauern, werden in allernächster Zeit umfassende Maßnahmen eingeleitet, um dis Wirtschaftlichkeit dieser Betriebe sicherzustellen. Wie in der Ostmark, so werden auch für das Sudetengebiet So- fortmatznahmen eingeleitet, damit nach den langen Jahren des dauernden Produktionsrückganges auch hier eine stärkere Erzeugung einsetzt. Die sudetendeutsche Landwirtschaft wird die Mittel in die Hand bekommen, sich in die Erzeugungsschlacht Erotzdeutschlands einzureihen. Die nationalsozialistische Agrarpolitik wird die Voraussetzungen wesentlicher Ertragssteigerungen auch für die 300 000 landwirtschaftlichen Betriebe des Sudetenlandes schaffen, so daß die Not dieses Landes sehr bald nur eine Erinnerung sein wird. K. Backhaus.
VerWele Auslieferung des BMsmpsSugers im Altreich
Berlin, 20. Okt. Die Reichsrundfuukkammer teilt mit: Durch die Neuordnung im Sudetenland sind der Rundfunk und seine Organisation vor besondere Aufgaben gestellt. Dabei spielt die volkstümliche Versorgung der sudetendeutschen Bevölkerung mit Rundfunkgeräten eine vordringliche Rolle. Im Einvernehmen mit der Rundfunkindustrie ist deshalb Vorsorge getroffen, daß der neue Volksempfänger mit der Typenbezeichnung „DE 301 Dyn" zunächst im sudetendeutschen Gebiet eingesetzt wird. Dementsprechend kann die für Mitte Oktober für das Altreich geplante Auslieferung des neuen Volksempfängers erst zum 15. November erfolgen. Es wird jedoch dafür gesorgt werden, daß zu diesem Zeitpunkt eine ausreichende Anzahl von ..VE 301 Dun" zur Verfügung steht.
Rener Postfreistempler
Der bisher in den Postfreistemplern für Briefsendungen verwendete achteckige Gebührenstempel wird jetzt diese neue Form erhalten. (Scherl Vilderdienst-M.1
Kleine Nachrichten
Drei Millionen Besucher auf der Reichsgartenschau Essen. Die 2. Reichsgartenschau hat ihre Pforten geschlossen. Rund drei Millionen Menschen — Gärtner und Gartenfreunde — vermochte die große Reichsausstellung des deutschen Gartenbaues in ihren Bann zu schlagen. Aus allen Ländern Europas kamen die Besucher.
Reichsschule des NS.-Lehrerbundes. Am 27. Oktober wird Reichsleiter Alfred Rosenberg die Reichsschule des NSLV. Donndors-Bayreuth in einem feierlichen Akt ihrer Bestimmung übergeben. Auf Anordnung des Reichswalters des NSLV., Gauleiter Pg. Wächtler, nehmen an dieser bedeutungsvollen Feier auch sämtliche Gauwalter des NSLB. teil.
Neichsminister De. Frank ist in Erwiderung des Berliner Besuches des ungarischen Justizministers Dr. Mikecz in Begleitung seiner Gemahlin in Budapest eingetroffen. Zur Begrüßung hatten sich auf dem Bahnhof Justizminister Dr. Mikecz mit seiner Gattin sowie leitende Beamte des Justizministeriums, ferner der deutsche Gesandte von Erdmannsdorff und der Landeskreisleiter der NSDAP, eingefunden. Die ungarische Presse widmet dem deutschen East herzliche und umfangreiche Begrützungsartikel.
Tragischer Tod eines sudetendeutsche« Dichters. Bei der auf dem Adolf-Hitler-Platz in Braunau abgehaltenen Schulfeier aus Anlaß des Schulbeginns in der neuen großdeutschen Heimat hielt der Fachlehrer Fritz Kube aus Braunau die Festrede. Bei den Worten: „Der Führer sei euch allen stets ein leuchtendes Vorbild der Treue", brach der Redner plötzlich zusammen. Drei Aerzte, die sich sofort um Kube bemühten, konnten nur noch den durch Herzschlag
_Samstag, den 22. Oktober 1SM
etngetretenen Tod feststellen. Kube war weit über die Grenzen seiner Heimat als Lehrer und Dichter bekannt.
Kieler Dampfer gesunken. Der 550 Tonnen große Dampfer „Mineral" der Reederei Paulsen u. Jvers, Kiel, der sich auf der Fahrt von Nakskov (Dänemark) nach Antwerpen befand, ist an seinem Bestimmungsort nicht angekommen. Es muß daher angenommen werden, daß der Dampfer den schweren Stürmen Anfang Oktober zum Opfer gefallen und mit seinen 13 Vesatzungsmitgliedern untergegangen ist.
Explosion. Am Mittwochnachmittag explodierte aus noch unbekannter Ursache in einem Kölner Werk ein Azetonbehälter. Drei Arbeiter wurden auf der Stelle getötet, ein vierter erlitt schwere Vrandverletzungen. Die Feuerwehr konnte den durch die Explosion entstandenen Brand, der auf einen Nebenraum übergegriffen hatte, in kurzer Zeit löschen.
Stratzenbahnunglück bei Mailand — 80 Verletzte. Ein schweres Verkehrsunglück ereignete sich auf der Straßenbahn, die von Mailand nach Lassano d'Adda führt. Etwa 200 Meter vor der Ortschaft Cernusco stieß bei einer Ausweichstelle ein aus acht Wagen bestehender mit Arbeiter besetzter Straßenbahnzug mit einem aus Trieb- und Beiwagen bestehenden Zug zusammen. Hierbei wurden eine Person gelötet und etwa 80 Personen schwer und leicht verletzt.
Rätselraten um Frankreichs Parlament
Kammerauflösung und Regierungsumbildung?
Paris, 20 Okt, Die Frage, ob die nächsten Wochen eine Regierungsumbildung oder eine Auflösung der Kammer bringen werden oder nicht, die Frage, nach welcher Richtung hin der Ministerpräsident den Hebel anzusetzen gedenkt, um das Land einer wirtschaftlichen und finanziellen Gesundung entgegenzuführen, beherrscht weiterhin das innenpolitische Interesse der Pariser Blätter vom Donnerstag.
Das „Ordre" glaubt in diesem Zusminenhang zu wissen, daß man spätestens im Verlauf der kommenden Woche, vielleicht schon am Montag, über die Absichten der Negierung unterrichtet sein werde, besonders darüber, ob sie entschlossen sei, eine Auflösung der Kammer zu fordern. Das Blatt ist der Ansicht, daß der „Friede von München", der seit Beginn des Monats auf die Banner der Radikalsozialen Partei geschrieben sei, dieser Partei im Falle einer Wahl unverhoffte Erfolge sichere.
Das radikal?oziale „Oeuvre" verweist darauf, daß man in den Wandelgängen des Parlaments besonders von der Möglichkeit einer Wahlreform spreche. Auf jeden Fall aber , werde man die Ergebnisse der Senatswahl am kommenden ! Sonntag abwarten und vielleicht auch die Beschlüsse des radikal- i sozialen Parteitages von Marseille, ehe nach der einen oder an- : deren Richtung ein Entschluß gefaßt werde.
Herbstübung der 25. Division
im Raume zwischen Böblingen und Wildberq
Wenn die letzten schönen Oktobertaae zu Ende gehen, dann geht auch das Jahr des Soldaten zu Ende. Aus dem Rekruten wird der „alte Mann", aus dem alten Mann der Reservist, der nun durch die harte aber schöne Schule des Soldatenhandwerks fürs Leben gestählt wieder feinen Mann im bürgerlichen Leben zu stellen hat. Und bald wird nun auch wieder ein neuer Jahrgang einrücken, um als Waffenträger des deutschen Volkes das große Aufbauwerk des Führers sichern zu helfen.
Aber noch ist es nicht soweit. Und gerade für die Soldaten der 25. Division galt es in diesen Tagen noch einmal, alle Kraft zusammen zu nehmen, um in zwei harten, langen Tagen Rechenschaft über die Arbeit des letzten Jahres abzulegen. Es wurde ihnen wirklich nichts geschenkt bei dieser Uebung, die sich etwa zwischen Böblingen und Wildberg abspielte, und an der alle Truppenteile der Division teilnahmen. Bereits der Anmarsch ins Uebungsgelände stellte an alle Formationen sehr erhebliche Anforderungen. Es kamen in diesen zwei Tagen Marschleistungen von 100 bis 120 Kilometer zustande.
Der Uebung, die unter der Leitung des Kommandeurs der 25. Division, Generalleutnant Hansen, stand, lag folgende Lage zugrunde: Rot — dargestellt durch das Infanterie-Regiment 35 mit starken Zuteilungen von Artillerie, Pionieren, Panzerabwehr- und Nachrichtentruppen — befand sich im Vormarsch» über den Nordtsil des Schwarzwaldes nach Osten, Der Führer von Rot, Oberst Allmendinger, hatte den Auftrag, als vorderster Verband seiner Division über die Nagold vorzugehen und die Ausgänge aus dem Schwarzwald am Würm-Abschnitt für die am nächsten Tage folgenden Teile der Division offen zu halten. Die Truppe hatte zu Beginn der Uebung mit ihrem vordersten Teile über Gültlingen—Deckenpfronn marschierend Dachtel erreicht. Blau — bestehend aus den Infanterie-Regimentern 119 und 13 mit ebenfalls starken Zuteilungen von Artillerie usw. — befand sich im Vormarsch nach Westen mit ähnlichem Auftrag wie Rot. Sein Vormarsch erfolgte in zwei Kolonnen. Bei Uebungsbeginn hatte das IR. 119 Sindelfingen, das nördlich davon marschierende IR. 13 einen Punkt etwa 5 Kilometer ostwärts Magstadt erreicht. Die Führung von Blau hatte der Kommandeur vom IR. 119, Oberst Zickwolfs.
Zu den ersten Zusammenstößen kam es bei Aidlingen westlich der Würm, in das Blau schwache Kräfte vorgeworfen hatte, die aber von einem roten Bataillon wieder hinausgeworfen bzw. außer Gefecht gesetzt wurden. Es gelang Rot. Aidlingen und die Höhen nördlich davon zu besetzen und sich bis an die Würm vorzuschieben. Dann aber setzte ein starker Angriff der 119er ein, die in energischem Vorstoß die beherrschenden Höhen südlich Aidlingens zu gewinnen suchten. Es entwickelte sich nun das typische Bild eines Begegnungsgefechts, wobei das zerschnittene, unübersichtliche Gelände beide Parteien fortgesetzt vor neue Gegebenheiten, vor neue Ueberraschungen stellte. Kaum hatten „rote" MG's eine „blaue" Kompanie im Vormarsch erfaßt, als sie sich auch schon wieder selbst eines plötzlich austretenden Gegners zu erwehren hatten. Aus Angreifern wurden blitzschnell Angegriffene, wer eben noch eine feindliche Abteilung umgehen wollte, sah sich schon wenige Augenblicke später gezwungen, sich schleunigst selbst einer Umfassung zu entziehen. Es war ein in seiner Fülle fast verwirrendes Bild. Allmählich wurde klar, daß die Lage des IH/JR. 35 bei Aidlingen unhaltbar geworden ist. zumal sich jetzt auch der Druck des IR. 13, das weiter nördlich über Döffingen vorstoßend die Würm überschritten hat, bemerkbar macht. Zwar wirft ihm Rot ein Bataillon entgegen. Aber die Stellung an der Würm ist unhaltbar geworden. Rot muß zurück. Es beginnt ein neuer Abschnitt des Kriegsspiels: das Loslösen vom Feinde und das Beziehen einer Ausnahmestellung. Hier und dort werden Teile aus der kämpfenden Truppe herausgezogen, sammeln sich weiter hinten, gehen erneut in Stellung, um der eigenen Truppe Halt zu gewähren und dem Gegner ein neues eisernes „Halt" entgegenzuwerfen. Die Unübersichtlichkeit des Geländes wirkt sich nun, wo der Angreifer an einzelnen Stellen durchgebrochen ist, zum Teil recht ungünstig für den Verteidiger aus. Immerhin gelingt es Rot. dem Angreifer auch
weiterhin eine geschloffene Front entgegenzusetzen. Und als die 119er aus den Waldstücken südlich Aidlingens zur Fortsetzung des Angriffs antreten, prasselt ihnen vom Eckberg erneut starkes Feuer entgegen. Der Angriff bleibt liegen Zuerst muß die blaue Artillerie vorgezogen werden, um dem Angriff die nötige Unterstützung der schweren Waffen gewähren zu können. Inzwischen verebbt der Eefechtslärm etwas.
Aber noch ist der „Krieg" nicht zu Ende. Rot hat sich insbesondere wegen seines gefährdeten linken Flügels, der bereits bis an die Höhen westlich Eechingens zurückgedrängt ist, entschlossen, noch weiter zurückzugehen und eine neue Stellung in der Linie Oberjesingen —Deckenpfronn — Stammheim zu beziehen.
Langsam sinkt die Nacht hernieder. Die Umgruppierung beginnt. Die rote Artillerie erkundet ihre neuen Stellungen. Auf den Straßen ziehen Kolonnen nach rückwärts. Kraftfahrer brausen vorbei. Nicht nur an die Truppe, auch an die Pferde und die Motoren müssen hohe Anforderungen gestellt werden. Längst hat die Dunkelheit alles in ihren schützenden Mantel genommen und noch immer herrscht bei Rot wie bei Blau fieberhafte Tätigkeit. Rot richtet sich in seiner neuen Stellung ein. Blau fühlt vor und stellt sich zum Angriff bereit. Und wieder zieht sich ein dichtes Netz von Nachrichtenmitteln über den ganzen komplizierten Organismus des Angreifers wie des Verteidigers, damit beide, wenn die Stunde kommt, mit allen ihren Teilen wieder fest in der Hand ihrer Führer sind.
Und dann erwacht mit dem ersten milden Strahl der Oktobersonne ein neuer Tag. Mit ihm beginnt der letzte Teil der großen Herbstübung der 25. Division. Schon knattern in und um Deckenpfronn die MG's, arbeiten sich blaue Schützen vor. Auch vom Ostabhang des Lerchenbergs ist heftiger Gefechtslärm zu hören. Hier arbeiten sich zwei Bataillone vom IN. 119 unter dem Schutz der schweren Waffen an den Gegner heran. Aber schon bald flaut das Gefecht wieder ab. Blau hat die Ausgangsstellungen für den Angriff erreicht und — wartet. Die Spannung wird immer größer. Es ist die Stille vor dem Sturm. Auch der Kommandierende General des V. AK., General der Infanterie Geyer, ist erschienen und hat am Lerchenberg Aufstellung genommen. In seiner Nähe sieht man den Chef des Generalstabes des V- AK.. Generalmajor Fischer von Weikersthal. Ihre Augen sind auf die Höhen südlich Deckenpfronn gerichtet. Dort muß sich jetzt irgendetwas entscheidendes ereignen. Inzwischen hat sich auch der llebungsleiter, Generalleutnant Hansen, am Lerchenberg eingefunden. Noch ist es still. Da plötzlich brandet rasender Eefechtslärm auf. Rasselnd lasten Dutzende von MG's ihre grimme Schlachtenmusik ertönen, dazwischen hört man die Abschüsse der Artillerie und das kurze, harte Bollen der Panzerabwehrkanonen. Fieberhaft sucht das Auge den Horizont ab. Und da erscheinen auch schon südlich Deckenpfronn die ersten Panzerkampfwagen und stürzen sich, fortwährend schießend, auf den roten Gegner. Immer mehr Panzer erscheinen, imme* heftiger wird der Kampfeslärm, dann wimmelt das ganze Feld von Panzern. Ein Teil von ihnen stößt in die Tiefe der Aufstellung von Rot hinein, ein anderer Teil macht eine Hakenschwenkung und rückt sich in zum Teil erstaunlicher Geschwindigkeit gegen die roten Stellungen am Lerchenberg. Aber Not war auf den Angriff vorbereitet. Ueberall schlug den blauen Panzern das Feuer der roten Paks entgegen. Das eben noch s» leere Gelände, in dem man sich fast allein geglaubt hatte, raste im Feuer der geschickt aufgestellten Abwehrwaffen. Auch sah man hier und da plötzlich Kraftwagen heranbrausen, Soldaten sprangen ab und von neuem erklang das scharfe Vellen der mit unglaublicher Geschwindigkeit in Stellung gegangenen Panzerabwehrkanonen. Inzwischen hatte sich auch die blaue Infanterie aufgemacht. Das ganze Feld war plötzlich ubersät mit dunklen Punkten. Der blaue Angriff war im vollen Schwünge. Der Lerchenberg war gerade erreicht, da erscholl das Signal: Das GanK — Halt! Die Uebung war beendet. — In ei» paar Tagen heißt es: Reserve hat Ruh!