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Samstag, den 24. Jnli 1926.

101. Jahrgang

Das Arbeitsbeschaffrmgsprovlem.

Eine Konferenz im Reichs- Arbeitsministerium.

Berlin, 24. Juli. Seit drei Tagen tagt im Reichsarbeitsmini­sterium eine Konferenz, an der Vertreter des Wirtschaftsministe­riums, der Länder und der Städte teilnehmen und in der ein um­fangreiches Programm ausgearbeitet werden soll, das sich zum Ziel setzt, von ökonomischen Gesichtspunkten aus das Arbeitslosen­problem zu lösen. Grundlage der Konferenz ist das Programm des Reichstags zur Arbeitsbeschaffung, das Vorsicht, das; mehr als 2g Prozent der auf 2,5 Millionen geschätzten Hallptuntcrstiitzungs- empsänger im nächst.'» Jahr mit Notstandsarbeiten beschäftigt wer­den, und die aus Grund des Neichstagsbeschlusses ausgearbeiteten Pläne der Reichsregierung, die allerdings aus finanziellen Grün­den wesentliche Abstriche erhielten. Zur Lösung des ungeheuer schwierigen Problems der Arbeitsbeschaffung sind folgende Ge­sichtspunkte zu berücksichtigen.

Tic bisherige Form der Erwerbslosennntcrstiitzung kann zu einer produktiven, d. h. einer Unterhaltung der Beschäftigungs­losen nur dann umgewandelt werden, wenn diese 'stungen auch tatsächlich der deutschen Wirtschaft, und zwar möglichst bald und auf möglichst lange Sicht zugutekommen. Es ist bekannt, dag die Reichsregierung zur Finanzierung den Anleiheweg bcschreiten will. Es handelt sich nun darum, die Höhe der Anleihe, die die Regierung nicht über 2l)ü Millionen «»setzte, durch Gegenleistung in Gestalt von Arbeit zu vermindern, sodatz also durch die Ar­beitsbeschaffung die für die Evwcrbslosenfürsorg« ausgeworfene Summe vermindert wird.

Nach der Denkschrift der Reichsregierung ist die Unterstützung der Erwerbslosen für Las laufende Jahr mit mehr als eineinhalb Milliarden Mark airzusetzen. Die Ersparnisse, die durch das Ar- beitkbeschaffungsproblem erzielt werden sollen, können also nach dieser theoretischen Berechnung nicht allzu hoch sein. Bei der Verwirklichung des Programmes ist nämlich die Art der Arbeit selbst von Bedeutung, denn schließlich ist" auch die Auswahl der Besckstiftigungslosen maßgebend, die zu den Arbeiten herangezogen werden sollen. Bekanntlich hat das Arbcitsbeschaffungsprogramm der Regierung die Erteilung von Aufträgen an die Industrie und die Förderung der Ausfuhr und des Wohnungsbaues, sowie die Beschäftigrmg von ungelernten Arbeitern für Straßenbauten, Ha- fenerwciterungen, Meliorationsarbeiten usw. in Aussicht genem- men. Dies dürfte hauptsächlich aus sozialen Gründen geschehen sein. Diese von ungelernten Arbeitern zu leistend« Arbeit wird

erst in späicrcr Zeit und nur mittelbar als produliio sich erweisen können. Auf der anderen Seite aber ist nicht zu verkennen, daß gerade die ungelernten Arbeiter einen erheblichen Teil der soge- -sianntenAnsgestcueitcn" ausmachen, deren Unterstützungsdauer mit 39 Wochen abgelaufcn ist und die dann den Gemeinden bezw. der Armensürsorge zur Last fallen.

Dies sind nur einige Gesichtspunkte, die bei der Schwierig­keit der Liukr^r im Reichsarbeilsminisieiiiim zur Ber.ilu ia ste­hen. Hinzu kämmt die Frage der Abgrenzung o.r Kompetenzen bei der Vergebung der Arbeiten. Man nimmt an ,b.ß die im Re-chsarb-ltsminist iii.!' begonnenen Bcsprcchun«eii noch ist fortgesetzt werden irisier, bis die Abwicklung des Pirc>ri.!Mii's v,r sich gehen kann-

4 -

vr. Külz über die Kolonialfrage.

TU Berlin, 24. Juli. Auf Einladung der Studentenschaft der Friedrich-Wilhelm-Universität sprach Reichsinnenminister Dr. Külz, wie die Morgenblätter melden, gestern überDie koloniale Frag« in Gegenwart und Zukunft" Er führte unter anderem aus: Der koloniale Gcdanke hat jetzt eine größere Werbckrast als im Anfang unserer kolonialen Betätigung. Dazu mag be­sonders beitragen die koloniale Schuldlügc, die den Rang der deutschen Kolonien trübte. Die Lüge von der Unfähigkeit der Deutschen zur Verwaltung ihrek Kolonien wird am besten wider­legt durch glänzende Zeugnisse über die deutsche Tätigkeit, wie sie von französischer,'englischer und amerikanischer Seite vor dem Kriege abgegeben wurden. Auch jetzt find bekanntlich Länder, die Mandate in den ehemaligen deutschen Kolonien ausübcn, zu den bewährten deutschen Verwaltungsmcthodcn zurückgekehri. Die Möglichkeit kolonialer Betätigung ist zu einer Lebensfrage für uns geworden. Aber auch vom Standpunkt der Gleichberechti­gung der Völker hat Deutschland das diktatorische und sittliche Recht, wieder in die Reihe der Nationen, die Kolonien besitzen, zu treten. Schließlich ist die koloniale Frage brennend für Deutsch­lands Wirtschaft. Durch die Ausschaltung aus der kolonialen Be­tätigung kann sie nicht erfolgreich sein im Kampf auf dem Welt­märkte. Ohne die Regelung der deutschen kolonialen Frage ist ein Gedeihen Deutschlands unmöglich. Das Problem ist jetzt nicht die Rückgabe aller Kolonien, die vor dem Kriege Deutschland ge­hörten; was immer wieder gefordert werden muß, ist die B.'ieili- gung Deutschlands an der kolonialen Erschließung der Welt.

Das Kabinett Poineare gebudet.

Ein Kabinett der nationalen Einigung.

Briand Außenminister, Herriot Unterrichtsminister.

TU Paris, 24. Jnli. Poineare hat gestern mittag um halb 2 Uhr dem Präsidenten der Republik im Elysee seine Ministerlist« vorgelegt. Die Liste hat folgendes Aussehen:

Ministerpräsident und Finanzen: Poincare.

Justiz und Vizepräsident: Barthou.

Außenminister: Briand.

Inneres: Albert Sarraut.

Krieg: Painleve.

Oeffcntlicher Unterricht: Herriot.

Marine: Leygucs.

Handel: Bokanowski.

Ackerbau: Queuilles.

Kolonien: Leon Perrier.

Eisenbahnen: Tardieu.

Pensionen: Marin.

Beim Verlassen des Elyfees erklärte Poineare den Journali­sten: Mr wollten ein Kabinett der breiten nationalen Einigung, in dem alle Parteien vertreten sind. Wir haben versucht, unsere Aufgabe mit der größtmöglichen Eroßzügikeit anzufaffeii. Ich muß sagen, daß es mir nicht schwer gefallen ist, weil ich mich be­müht habe, mein Ministerium zu bilden, ohne die besonderen Wünsche der einen noch der anderen zu berücksichtigen. Wenn wir uns bei allen Anregungen anfgehalten hätten, die man uns ge­geben hat, so hätten sich die Arbeiten zur Bildung der Regierung ewig lang hinge-ogen. Es war aber nötig, schnellstens zu ar­beiten. Die Regierung wird am Dienstag vor die Kammer treten.

Doumergue unterzeichnet die Ernennungsdekrete.

In den Wandelgängen des Parlaments wird das Kabinett Poincare günstig ausgenommen. Sämtliche Kammergruppen außer den Royalisten, den Sozialisten und Kommunisten find da­rin vertreten. Nur die beiden letztgenannten Parteien weiden gegen die Regierung stimmen, die damit auf eine Mehrheit von ungefähr 4M Stimmen von 560 rechnen kann. Poincare stellte Astern Abend um 7 Uhr seine Mitarbeiter dem Präsidenten der Republick vor. Kurz nach 7 Uhr wurde ein Eommunioue ver­öffentlicht, in dem es heißt:

Vor 7 Uhr hat Herr Poincar: sich ins Elysee begeben, um dem Präsidenten der Republik die endgültige Zusammensetzung seines Kabinetts mitzuteilen. Nachdem der Präsident der Republik die ErnennuugSdekrete, die im Journal offiziell veröffentlicht werden, unterzeichnet hatte, stellte der Ministerpräsident seine Mitarbeiter dem Staatschef einzeln vor. Bei Ausgang der Sitzung erklärte Poincare, daß ein erster Kabincttsrat heute nachmittag um 3 Uhr im Finanzministerium abgehalten werde. Wahrscheinlich werden am Sonntag früh und am Montag weitere Kabincttsberatungen anberaumt werden. Am Dienstag früh tritt ein Ministerrat zu­sammen, um den Wortlaut der Regierungserklärung festzustellen.

Große Majorität für das Kabinett Poincare.

Im Palais Bourbon wurde die Nachricht von der Bildung des Kabinett Poincare bei allen Parteien mit Ausnahme der äußersten Rechten und der Kommunisten, sowie eines Teils der Sozialisten mit einem gewissen Gefühl der Erleichterung aus­genommen. Die Opposition, die Vonseiten der Radikalsozialisten noch am gestrigen Vormittag gegen Poincare bestand, hat jetzt eine Abschwächung erfahren. Die Teilnahme Herriots an dem neuen Kabinett wird, wie allgemein angenommen wird, die Radikalsozialisten daran hindern, Poincare gegenüber eine abschwächende Haltung einzunehmen, sodaß auf diese Weise das neue Kabinett als Gegner nur die Sozialisten, die Kommunisten und diejenigen finden wird, die vergeblich erwarteten, ein Min!- sterportcfeuille zu bekommen- Größere Bedeutung wird allgemein der Haltung Morineaus beigemessen, dem Führer der republika­nischen Zwischengruppe, die eine entscheidende Unterstützung Poincares darstellt. Morineau hat auf die Teilnahme im Ka­binett verzichtet unter dem Hinweis darauf, daß er als Führer der nunmehr größten parlamentarischen Gruppe im Parlament die Unterstützung des neuen Kabinetts führen wolle. Wie allge­mein angenommen wird, wird das neue Kabinett Poincare so­wohl in der Kammer, als auch im Senat eine große Majorität finden, jedoch ist das Kabinett von den Finanzplänen abhängig, die Poinoare der Kammer am Dienstag vorlegen wird. Im Senat hat gleichfalls die Bildung des Kabinetts allgemeine Zu­friedenheit ausgelöst. Sämtliche großen rupublikanischen Grup­pen des Senats haben Poincare ihre Unterstützung zugesagt.

Tages-Tpiegel.

lieber das Arbciisbcschofsimgsproblcm findet im RcichsarbeitS» Ministerium z. Zt. eine Konferenz statt, an der Vertreter deS Reiches, der Länder und Gemeinden tcilnchmen.

Rcichsmiinstcr Dr. Külz nahm gestern zum Ksloniakprobleni Stellung.

Neichsmiilister Dr. Reinhold unternahm eine BesichiiqnngSreifi in die durch Hochwasser geschädigten Gebiete der Elbe «nt Havel-

Poincare hat gestern sein Kabinett gebildet nnd dem Präsidenten Doumergue vorgefiellt.

Dem neuen Kabinett Poincare gehöre« die ehemaligen Ministes Präsidenten Herriot, Briand nnd Painlevö an

Bei den franz. Sozialisten machen sich wegen der Frage der Be­teiligung am Kabinett Poincare Spaltungstendenz«, bemcrl- bar.

Die polnische Regierung hat die Militärattaches in Berlin, Moskau, Rom, London und Tokio abbcrufen.

Der deutsche Kreuzer Hamburg ist zu einem Ktägigen Besuch in Yokohama cingctroffen, wo er von höheren Offizieren der ja- panischen Flotte festlich empfangen wurde.

Spaltung in der sozialistischen Kammergruppe?

Unter der Kammergruppe der Sozialisten macht sich eine Spaltung bemerkbar. Der Führer des rechten Flügels, Renau- del, hat eine Erklärung abgegeben, in der er sof- die Einberufung eines Kongresses der Sozialistischen Partei zur Entscheidung über die Frage der Teilnahme an der Regierung Poincare fordert. Ferner sollen di« sozialistischen Gewerkschaften einberu­fen werden, um sich zu derselben Frage zu äußern- Es sei Pflicht der Sozialisten, die Verantwortung unter den gegenwärtigen Umständen mitzutragen, um eine Gesundung der finanziellen Verhältnisse des Landes herbeizuführen. Der linke Flügel der Sozialisten vertritt den entgegengesetzten Standpunkt und lehnt grundsätzlich die Teilnahme an der Regierung cch- Es besteht daher d-ie Möglichkeit, daß der rechte Flügel sich von den übrigen trennen und ein« besondere Stellung einnchmen wird.

Englische Stimmen zum Kabinett Poincare.

TU London, 24. Juli. Die Rückkehr Poincares ruft in der englischen Presse keine sonderliche Begeisterung hervor. ES sei ein Name, so erklärt Daily News an leitender Stelle, der im Ausland nicht viel Vertrauen genieße. Er sei der hervorragende Vertreter des Gedankens, Deutschland alles bezahlen zu lassen. Er verfolgte sine Politik, die nicht nur Großbritannien n. Ame­rika gegenüber moralisch unfair sei, sondern in finanzieller Hinsicht auch verheerende Folgen für Frankreich selbst haben werde. Deutschland zum Alleszahler machen zu wollen, ist auch der Westminster Gazette ein Stein des Anstoßes. Der Dawes- plan habe Poincare gelehrt, daß seine Erwartungen eine Illu­sion gewesen seien- Selbst der Dawesplan müsse wahrscheinlich noch ermäßigt werden.

Preutzen und die Hohenzollern.

Ministerpräsident Bram» an Herrn v. Berg.

LU Berlin, 24. Juli Der Amtliche Preußische Pressedienst veröffentlicht das Antwortschreiben des preußischen Ministerprä­sidenten Braun an den Generalbevollmächtigten des vormaligen Königshauses auf dessen Verhandlungsvorschläge vom 4- d. Mt. Die preußische Staatsregierung vermöge, so heißt es in dem Schreiben, nicht anzuerkennen, daß die Vertretung des vormali­gen Königshauses in den letzten Jahren unablässig bestrebt ge- grmesen sei, die Vermögensauseinandersehung auch unter weitgr- hendem Verzicht im Woge einer Verständigung durchzuführen. Ein rechtzeitiges Eingehen des vormaligen Königshauses aus Vergleichsvorschläge, wie sie vom Staate früher wiederholt ge­macht worden sind, hätte längst den Gegenstand der Beunruhi­gung der öffentlichen Meinung aus der Welt geschafft. Wenn bei den Verhandlungen ein Ergebnis erzielt werden solle, werde man nicht auf den Vertrag vom 12. Oktober 1925 zurück­greifen dürfen. Nur Verhandlungen, die an das Ergebnis der Beratungen des Reichstags Wer den Entwurf eines Reichsgeset­zes über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Ländern und den vormals regierenden Fürstenhäusern anknüp­fen, könnten nach Lage der Verhältnisse jetzt noch in Frage kom­men. Zu solchen Verhandlungen ist die preußische Staatsregii- «lng bereit