Sette 4 — Nr. 298
Raaolder lagblatt .Der Gesellschafter
Kongreßhalle - aus 22 aoa Wahlen
Die Nürnberger Bauten wachsen weiter
Ligenbpricbt 6er >i8k>resse
I. Nürnberg. 22. Dezember. Auf dem Baugelände der Kongreßhalle ruht jetzt auch in der kalten Jahreszeit die Arbeit nichr. Auf dem Riesenbauplatz türmen sich die Hvlz- gerüste weiter in die Höhe und in die Breite. Die Backsteinmauern wuchsen innerhalb weniger Monate höher hinauf. In den letzten Tagen konnten nun die Architekten und die Werkleute am Bau der Kongreßhalle den ersten entscheidenden Arbeitsabschnitt vollenden und zugleich einen Sieg der Technik über die schwierigen Bodenver- hältnisse sicherstellen: Der letzte Namm-- schlag für die Bodenverdichtung desBau Platzes erfolgte. Daran wurden rund 22 000 Pfähle mit einer Gesamtlänge von 200 Kilometern in das Erdreich geschlagen. Das durch die Schottersäulen in den Boden eingebrachte Verdichtungsmaterial betrug rund 70 000 Kubikmeter. Zur Anfuhr dieser Schottermenge waren allein 10 000 Waggons oder rund 500 Eisenbahn- züge erforderlich. Der Kohlebedarf für die auf dein Gelände betätigten Nammen betrug 7000 Tonnen oder 700 Waggons, fünfzehn Millionen mal schlug der 3000 Kilogramm schwere Rammbär aus etwa zehn Meter Höhe auf den Boden. Mit der Nammarbeit ist im Februar 1936 begonnen worden.
Auch die f u n d a m e n t i e rungsarbeiten gehen rüstig weiter, für die dreieinhalb Nieter starken fundamentplatten der Kongreßhalle werden 125 000 Kubikmeter Eisenbeton benötigt. Das kommt einem Gewicht von 300 Millionen Kilogramm gleich. Die Tagesleistung beim Betonieren beträgt derzeit durchschnittlich 300 Kubikmeter. Hierzu ist eine Materialanfuhr von 40 Waggons täglich erforderlich. Tie über drei Meter starke fundamentierungsplatte unter dem hufeisenförmigen Teil des Baues ist bereits fertiggestellt. Ter Rest unter dem östlichen Kopfbau wird im Frühjahr 1938 vollendet sein, lieber dem hufeisenförmigen westlichen Teil des Baues ist das Mauer- Werk bereits fünf Meter hochgeführt. Das entspricht durchschnittlich der Höhe der Kel- lergeichoßkante. Oberhalb der jetzt fertig- gestellten Teile des Mauerwerks beginnt schon der Wcrksteinbau in Granit. Die Granitverkleidung wird gleichzeitig m>t dem übrigen Mauerwerk hochgeführt. Aus allen größeren Vorkommen des Reiches, U- a. aus dem Schwarzwald, müssen 5 0 000 Kubikmeter Granit angeliefert werden.
Dir Welt in Nrnigen Wrn
Vierjähriger vernichtet Roggenernte
Auf einem Hof im Oldenburger Land hatte der vierjährige Sohn eines Kötters durch das Spiel mit Streichhölzern einen Roggenvor. rat von 10 Fuder — die gesamte Roggenernte des Hofes — in Brand gesetzt. Der Roggendiemen wurde vollkommen ein Raub der Flammen.
Sechs Finger in der Schneidmaschine
Einen »ntsetzlichen Unfall erlitt in Leob- schütz ein in einem Branitzer Betrieb beschäftigtes Mädchen. Vermutlich durch einen Fehler
der Sicherung geriet es in die Schneideftthrung. mvbei ihm sämtliche Finger der linken und einer der rechten Hand abgeschnitten wurden.
Bildnisbuch der Gefallenen
Der Mufenmswart des Heimatmuseums in Dorsten hat ein Ehrenmal von seltener Ein- dringlichkeit für die Gefallenen dieser Stadt geschaffen. Die Lichtbilder der Gefallenen, deren Rainen auf dem Kriegerdenkmal verzeichnet sind, sind zu einem ..Bildnisbuch" zusammengefaßt morden, das im Nahmen einer Feier des Heimatbundes überreicht wurde.
Arbeiterzug auf Güterzug gefahren
In Langervrugg (Belgiens fuhr ein vollbesetzter Arbeiterzng. vermutlich infolge falscher Weichenstellung, auf einen haltenden Gülerzug auf. Dabei wurde eine Person getötet und zwanzig verletzt.
Aufruf an die Betmbsfuimr i
zum V. Reichsberusswettkampf ^
Stuttgart, 22. Dezember. Der Leiter der ^ Wirtschcistskammer Württemberg - Hohen- > zollern, Fritz Kieh n, M.d.N., richtet an die j Betriebsführer seines Kammerbezirks einen ^ A ufru f, in dem es heißt: :
„Hat sich bisher nur unsere Jugend in die ^ Reihen der Wettkämpfer gestellt, so ruft die ! für den V. Reichsberufswettkamps aus- ^ gegebene Losung nun alle schaffenden ! Deutschen o h n e U n t e r f*h i e d des
Alters auf. Damit gewinnt das gewaltige. in den ersten vier Jahren bereits mit großem Erfolg belohnte Streben nach Berufsertüchtigung und Leistungssteigerung noch größere, dem Wohl unserer nationalen Wirtschaft dienende Ausmaße. Durch Erfassung sämtlicher Jahrgänge werden auch die praktischen Auswirkungen dieses Wettkampfes in den einzelnen Betrieben immer spürbarer werden. Sie werden in erheblichem Maße zur Erfüllung der der Organisation der gewerblichen Wirtschaft gestellten hohen Aufgaben der Bernfserziehung, der Bekämpfung des Facharbeitermangels und der Erzielung höchster Oualitätsleistungen beitragen. Es ist daher Pflicht aller verantwortlichen Leiter der Betriebe, ihre Gefolgschaftsmitglieder, ob jung oder alt, zu einer regen Beteiligung an dem kommenden V. ReichS- berufswettkampf anzuhalten und die Durchführung des Wettkampfes mit allen Mitteln zu unterstützen, indem sie die notwendigen Arbeits- und Werkplätze sowie die erforderlichen Werkzeuge, Maschinen und Materialien für den Wettkampf zur Verfügung stellen und sich zur lleber- nahme des Lohnausfalls der Mitarbeiter in den Wettkampfleitungen >,nd der Wettkampfteilnehmer bereitsinden.
Meine Bitte an die B e t r i e b s s ü h r e r des Wirtschaftskammerbezirks Württemberg- Hohenzollern gipfelt in dem Ruf: Setzt euch ein für das Gelingen des V. R e i ch s b e r u f s w e t t k a m p s e 8 !"
Ks/c/»5ssnossf
Sonntag, 26. Dezember
2. WetbnaLtsfeicriaa 6.0» Hafenkonzert 8.00 Wasserstandsmelduiigen Wetterbericht „Bauer, hör ml chymnattik
8.30 Evangelische Morgenfeier Ansprache: LandeSbuchok
D. Küblervein 9.00 Frohe Weisen 10.00 Morgenfeier der HF.
10.30 Weihnachtliche Musik 11.00 Musik am Vormittag 12.00 Musik am Mittag 13.00 Kleines Kavitcl der Zeit 13.13 Musik am Mittag
14.00 „Kasperle »m Riesen»
zirkns" .
14.30 „Musik zur Kasfecstundc
15.30 Dem Dichter Alfred Hug- genberaer zu seinem
70. Geburtstag 18.00 Festliches Nachmittagskonzert
18.00 „M'r hole die lLönfte Vogcsetauu"
Hörfolge von Willn Kipp 19.00 Nachrichten. Sportbericht 19.15 Weihnachtliche Musik 20.00 „Grobes Operettenkonzert"
22.00 Zeitangabe. Nachrichten Wetter- und Sportbericht
22.30 „Zn Ta«, «nd Unterhaltung"
24.00—1.00 Nachtmusik
Montag, 27. Dezember
6.00 Morgeulied
Zeitangabe, Wetterbericht Landwirtschaftliches Gymnastik I
SM Fröhliche Morgenmusik 7.00—7.10 Frühnachrichten , 8.00 Wasserstandsmelbunaen Wetter- und Marktbericht Gymnastik H
8.30 Musik am Morgen
9.30 Sendepause
11.30 Volksmusik — Bauernkalender u. Wetterbericht
12.00 Das Montag-Mittagkonzert ans Stuttgart
13.00—13.15 Zeitangabe, Nachrichten. Wetterbericht
14.00 „Eine Stund' schön und bnnr
15.00 Sendepause
16.00 Musik am Nachmittaa
18.00 Friedrich Neidingcr
Klavierouartett V'is-moll
18.30 Griff ins Heute
19.00 Nachrichten
19.15 „Stuttgart spielt ans!" Als Einlage: „Auf die Nacht in der Spinnst»!»'?"
21.15 Ernte aus Fels und Eis Eine Bergsteiger-Sendg.
22.00 Zeitangabe. Nachrichten. Wetter- und Sportbericht
22.30 Nachtmusik nnd Tanz
24.00—1.00 Nachtkonzert
Dienstag, 28. Dezember
6.00 Morgeulied ^
Zeitangabe, Wetterbericht Landwirtschaftliches Gymnastik I
6.30 Früükonzcrt 7.00—7.10 Frsthnachrichten 8.00 Wasserstandsmeldunaen
Wetter- und Marktbericht Gymnastik II
8.30 Morgcnmnlik
9.30 Sendepause
11.30 Volksmusik — Bauern- kalender u. Wetterbericht
12.00 Mittagskonzert 13.00 Zeitangabe. Nachrichten, Wetterbericht
18.15 Mittagskonzert ,
14.00 „Eine Stand' schön und
bunt"
15.00 Sendepause
16.00 Musik am Nachmittag
17.30 „Der Orgelman« Schallvlattenplauderet
18.00 Zwischen de» Jahre«
18.30 Grift ins Hentc
19.00 Nachrichten, ^ ^ „
19.15 „Inventur in der Schall» kitte"
20.15 ..Die Weihnachtslegenbe des 50. Regiments"
21.15 . Der Liebsten ein Ständchen"
22.00 Zeitangabe. Nachrichten. Wetter- und Sportbericht
22.15 Politische Zcitungsscha«
22.30 Nntcrhaltnngs- und Tanzmusik
24.00 -1.00 Nachtmusik
Mittwoch, 29. Dezember
6.00 Morgenlied
Zeitangabe, Wetterbericht vandwirtschastliches Gymnastik I
6.30 Friihkonzcrt 7.00—7.10 Frübnachrichten 8.00 WnsierltandSmeldnngen
Wetter- und Marktbericht Gymnastik II
8.30 Musik am Moracn 0.30 Sendepause
11.30 Volksmusik — Bauernkalender u. Wetterbericht
12.00 Mittagskonzcrt 13.00 Zeitangabe. Nachrichten. Wetterbericht
13.15 Mittagskonzcrt
14.00 „Fröhliches Allerlei" ^
15.00 Sendepause
18.00 Buntes Konzert
18.00 Von deutschem Flieaergcilt
18.30 Griff ins Heute 10.00 Nachrichten
10.15 Musik znm Feierabend 20.00 „1000 Fahre Liebe"
21.00 Stunde der jungen
Nation
„Gesellige Musik der Jugend
21.30 „Die grobe« deutschen Meister"
Hugo Wolf
22.00 Zeitangabe. Nachrichten.
Wetter- und Sportbericht 22.20 „Nenvorker Städtebild" Arno Hellmis spricht 22.85 Z« Tanz ». Unterhaltung 24.00—1.00 Nacktkonzcrt
_ Freitag, den 24, Dezem ber 193 ?
Der MihnaOtslirlaub der SF
Die Gebietsführung der Schwäbischen HI. teilt mit, daß der Reichsjugendführer für die Zeit vom 23. D e z e m b e r 'nach Abschluß der WinterhÄfssammluug und der Durchführung der Weihnachtsfeiern) bis zum 16. Januar einschließlich für sämtliche Formationen der HI. Urlaub ungeordnet hat. Damit ist allen HJ.-Mitglie- dern Gelegenheit gegeben, Weihnachten, das Fest der deutschen Familie, mit ihren Angehörigen zu verleben. Auf Anweisung des Reichsjugendführers ist dieser Urlaub grundsätzlich einzuhalten. Jungen und Mädel sind in dieser Zeit unter keinen Umständen zu irgendeinem Dienst heranzuziehen.
Der diesjährige Weihnachtsurlaub der höheren Dienststellen der HI. währt nach einer Anordnung des Stabsführers der Reichsfngendführnng vom 22. Dezember bis 4. Januar einschließlich.
Spielplan
der Württ. Staatstheater
Grobes Hans
Samstag, 25 Dezember: Nuker Miete: „T ann- banse r" Anfang 18.30 Uhr. Ende 22.30 Ubr.
Sonntag. 26. Dezvtzber:: Auber Miete: „Mo- n i k a". Anfang l0.8v?Ul>r. Ende 22.30 Ubr.
Montag. 27. Dezember: N 8: „Der Trouba. dou r". Amana 20 Ubr. Ende gegen 22.45 Uhr.
Dienstag, 28. Dezember: Geichl. Vorstella.: „Der B o a e l h a n d l e r". Anfang 14.30 Mir. Ende
M30 ud.^Ende^2.ss0°uK" "M ° nik a". Anfang
Mittwoch,.2» Dezember: Gcschl. Vorstellung: „Der Vogel band l e r". Anfong 14.30 Mir. Ende 17.30 Pkw. — 10: Neuer Ballettabend. An-
fang 10.30 Mir. Ende 22.30 Uhr
Donnerstag. 36. Dezember: KdF. Kulturgem. 87: „Lärmen". Ansang 10.30 Mir. Ende 22.45 Ubr.
Freitag. 31. Dezember: Anber Miete, Ermäbiauna aufgeboben: „Der Overnball". Anfang 19.80 Mir. Ende 22.80 Uhr.
Samstag, 1. Fannar: Anker Miete: „Undine". Anwng 10.30 Uhr. Endo 22.80 Uhr.
Sonntag. 2. Fannar: attl/n 8: „M i a n o n". Anfang 10.30 Uhr. Ende nach 22.15 Mir.
Montig. 3. Fannar: Geschlossen!
Kleines Haus
SamStag, 25. Dezember: Anker Miete: „S chnee- w c l k ch e n n n d N o l c n r o t". Anfang 15.30 Uhr.
. —. - , let".
„H a m 1
Ende 17.15 Mir. — Anker Miete:
Nnrana 19 Ubr. Ende 23 Uhr.
Sonntag, 26. Dezember: Anker Miete: „Schnee- wcikchcn und Rosenrot". Anfang 15.3» Ubr. Ende 17.15 Uhr. — Anker Miete: „Lauter Lnac n". Anfang 19.30 Uhr. Ende 22 Mir.
Montag. 27. Dezember: 11: „Für Liebe a e- sperr t". Anfang 20 Uhr. Ende 22 Ubr.
Dienstag. 28. Dezember: O 11: „Lauter Lü» a e n". Anfang 20 Ubr. Ende nach 22.80 Ubr.
Mittwoch. 29. Dezember: Anker Miete: ,.S ch n e c- w e i bchen nnd Rosenro t". Ans. 15.80 Ubr. Ende 17.15 U». — li! 0: „Hamlet". Anfang 19 Ubr. Ende 28 Ubr.
Donnerstag. 30. Dezember: l49:„DerSolle- ü a tt e r S ch i IN m e t". Antana 20 ubr. Ende nach 22.45 Mir
Fre'tag. 31.' Dezember: Anker Miete: „S ch n kein e i k ch e n und Rosenrot". Anfang 15.30 Ubr. Ende 17.15 Uhr. — Anker Miete. Ermäkiaung oinaehnbe»: „P a r k st r a k e 13". Ans. 19.80 Ubr. Ende 22 Ubr.
Samstag, 1. Fannar: Anker Miete: „Schnee- weikchcn und Rosenrot". Ans. 15.30 Ubr. Ende 17.15 Uhr. — Anker Miete: „Lauter Lü- a e n". Nnkann 10.30 Ubr Ende nach 22 Uhr.
Sonntag, 2. Fannar: „S ch n e c w e i k ch e n u Rosenrot", "'nfana 15.30 Uhr. Ende 17.15 Mt.
-I 5: „D on Carlos". Anfang 10 Mir. Ensi 23.15 Ubr.
Mbir-ag. 3. Fa::»ar: kl 11 : „Der Durch- bru ch". Anfang 20 Ubr. Ende 22.30 Ubr.
Wn Ml wittl. wir« Nttlßkii
Oopirigdt b, Karl Köhler L To.. Berlin-Zehlendorf.
13 (Nachdruck verboten.)
„Mir? — Nun. ganz nett!" war seine merkwürdig gedehnt gesprochene Antwort.
Das war der Schwester nicht genug. „Ganz nett? Nun höre einmal, entzückend finde ich es. Lange hat kein Buch mich so gefesselt. Ich wundere mich nur, daß ein Mann ein so zartes, feines Gemüt besitzt, um so tief mit einer armen kleinen Kinderseele zu empfinden. Die Charakteristik dieses kleinen Manuele ist wunderbar, wie auch die Schilderung der Menschen, der Natur und der Verhältnisse. Es ist mir alles lieb geworden in dem Buch, und wird mir in diesen acht Tagen etwas fehlen!"
Wolfgang hatte die Eifrige reden laßen; er legte das Buch auf den Tisch und sah der Schwester lächelnd in die Augen.
„Wie leidenschaftlich du reden kannst, Marie. — und welch warmes Herz du hast!"
Strahlendors erschien in der Tür und rief zum Frühstück, der Tag und feine Arbeit begannen. Auch Wolfgang nahm seinen Hut und ging davon; seine Hilfe begehrte niemand mehr.
Es war eben vor Tisch, als er heiß und verstaubt zurückkam. In der Halle fand er alle Tischgenoßen bis auf den Vater versammelt. Er trat rasch auf feine Schwester zu. drückte ihr ein kleines Paket in die Hand und sagte neckend: „Hier, damit du nicht vor Sehnsucht vergehst!"
Die junge Frau öffnete erstaunt und neugierig den Bindfaden und fand ein hübsch gebundenes Buch. Sie sah hinein und fragend auf den Bruder.
„Aber Wolfgang, woher hast du das?"
„Aus dem Laden des Herrn Boschen aus der Lützower Straße."
„Das ist aber doch kein Leihbuch!"
„Nein, es ist ein gekauftes, beide Bände in einem gebunden."
„Und für mich bist du zur Stadt gelaufen bei dieser Hitze? Aber Wolfgang, das hättest du nicht tun sollen!"
Er legte leicht und zaghaft den Arm um ihre Schultern Hatte er ihr bis dahin lustig geantwortet, fetzt wurde er ernst.
„Mieze, darf ich denn nicht einmal meiner Schwester eine Freude machen?"
Sie jah in seine Augen, die so warm und bittend auf ihr lagen, und impulsiv streckte sie ihm die Hand hin.
„Doch. Wolfgang, das war lieb von dir. ich danke dir! Er drückte die Hand fest und trat dann hinter feinen Stuhl; er hörte den Vater kommen.
Auf des eintretenden alten Herrn Gesicht wetterleuchtete es. Er sprach nicht feinen-gewöhnlichen Gruß, sondern fragte kurz.
„Wer tat den Heidekranz auf Mutters Grab?"
„Ich, Vater!" entgegnete Wolfgang ruhig und sah den Alten verwundert an.
„Warum?"
Wvlfgang schwieg einen Augenblick und betrachtete die Stuhllehne, dann hob er den Blick und sagte mit einem kleinen verlegenen Lächeln:
„Weil heute mein Geburtstag ist!"
„Und das wagst du. — an diesem Tage wagst du. Mutters Grab zu schmücken, — als wäre dieser Tag ein Festtag-für unser Haus, — wo doch —"
„Vater, bester Vater", bat Marie flehend und setzte leise hinzu: „Bedenke die jungen Leute!"
Der alte Herr hatte sich gefaßt, er würdigte den Sohn keines Blickes und wandte sich an den Verwalter.
„Hollmann, Sie sorgen mir gleich nach dem Esten dafür, daß das Unkraut von dem Grabe kommt!"
Wolfgangs gebräuntes Gesicht war fahl geworden, er preßte die Lippen aufeinander und ging zur Tür. Da wandte sich der Vater ihm zu.
„Was willst du? — wohin gehst du?"
„Ich wollte dich nur von meinem Anblick befreien, Vater, und die Blumen vom Grabe nehmen", war des Sohnes Antwort. Wenn er sich auch Mühe gab, ruhiger zu erscheinen, im Beben seiner Stimme hörte man den erregten Herzschlag.
„Du hörest ja, daß ich Hollmann schon den Auftrag gab. jetzt wollen wir essen!"
Und als der Sohn noch zögernd und mit sich kämpfend stand, sprach des Vaters Stimme scharf weiter:
„So ist's recht, spiele noch den Beleidigten!" Und als der Sohn sich noch nicht rührte, zeigte der Finger des alten Herrn energisch auf den leeren Stuhl: „Setze dich!"
In Wolfgangs Seele tobte der Zorn; wie einen Buben, wie ein ungezogenes Kind, behandelt er dich vor den jungen Leuten, das geht zu weit! Aber plötzlich kam ihm ein anderer Gedanke: Ja. wie ein Kind schalt ihn der alte Mann, wie man eben nur lein eigen Kind schelten kann, rücksichtslos. O Vater, Vater, der ich dir nur ein Fremder sein soll, die Hände könnt ich dir küssen, daß du mich schiltst wie ein Kind!
Er setzte sich ernst und still an leinen Platz.
Die junge Frau warf ihm einen dankbaren Blick zu für seine Selbstüberwindung; mit Angst hatte sie einer Szene entgegen- gefehen. Und auch ihr Mann schien von demselben Gefühl beseelt. denn er richtete häufiger das Wort an den Schwager und versuchte ihn ins Gespräch zu ziehen, und Wolfgang antwortete ruhig und freundlich. So verlies die Mahlzeit friedlicher, als sie begonnen.
Als der Bruder einige Stunden wälei aus ieinem Zimmer trat kam ihm die junge Frau auf dem Flur entgegen. Sie hatte auf ihn gewartet.
„Woisgang!" bat sie und faßte nach semer Han0. „nimm meinen Glückwunsch, es tut mir leid, daß ich den Tag so ganz vergessen habe."
Er sah sie freundlich an: „Ach. Marie, das macht nichts. Wer hat wohl danach gefragt, seitdem ich von hier fort bin!"
Sie zog ihn an der Hand mit sich und öffnete die Tür zu ihrem eigenen Zimmer, das der Bruder noch nicht betreten hatte Ueber ihrem zierlichen Schreibtisch hing ein Oelbild der »er storbenen Mutter, geschmückt mit einem Heidekranz. Die junge Frau führte den Bruder davor und sagte leise:
„Nun hat sie doch deine Blumen!"
Er bückte lange und stumm auf das Bild. Endlich sagte er ebenso i?..
„Ich halte sie anders m Erinnerung, es ist etwas Fremdes da. es liegt wohl in den Augen, — ja. die Augen sind's!"
„Das Bild ist sehr gut, das fanden alle, und gerade der Blick! So sah Mutter uns doch immer an!"
Sie standen immer noch Hand in Hand, plötzlich löste der Mann die seine, trat noch näher an das Blld heran, und mir dem schmerzlichen Aufschluchzen: „Mutter!" fiel er auf den Stuhl, legte Kopf und Arme auf den Tisch und weinte.
Die junge Frau fuhr ihm fcheu mit der Hand über das Haar. „Wolf!" bat sie. Als der Bruder nicht hörte und sie merkte, wie er verzweifelt rang, seiner Bewegung Herr zu werden, ging sie leise hinaus.
Vor der Tür mußte sie auch das Taschentuch ziehen. Rasch damit niemand sie sähe, trat sie in das leere Kinderzimmer. lehnte die Stirn an einen Schrank und schluchzte kurz und heftig. Und es war nicht die Trauer um die Mutter, es war Mitleid mii jenem dort, der feine Iugendtorheit büßte. Zum erstenmal erschien ihr der Vater heute zu hart. Ihre Gedanken gingen noch einmal zurück durch die letzten Wochen, und sie versuchte, mit dem Bruder zu empfinden. Wohl wallte der Groll wieder auf und sprach: es geschieht ihm recht, daß aber auch er. der Schuldige, es so empfand, das entwaffnete sie. Wäre er der Alte gewesen, hätte er sich lächelnd und leichtsinnig über alles hinweggesetzt, nie würde sie einen freundlichen Gedanken für ihn gefunden haben. Aber daß er so still feiner Wege ging, daß er nicht, wie sie gefürchtet, störend in den Frieden des Hauses getreten, daß er vielmehr nur darauf bedacht schien, denselben zu hüten, daß er. wo er früher nur Trotz und Widerspruch gehabt, setzt sich fügte und freundlich fügte, das ließ ihren Groll verstummen. Seine Liebenswürdigkeit begann wieder leise sie zu umstricken, und seine ernste tiefe Trauer um die Mutter söhnte sie mit ihm aus. Sie begann darüber nackiudenken. wie die Mutier ihn ausgenommen haben würde Die Worte der alten Erzellenz fielen ihr eirn „Es ist ein schönes Vorreckt der Frauen zu heilen, was wir Männer verdorben!" tlnd sie nahm fick vor. die Gesellschaft des Bruders mekr zu jucken um ihn kenneiizulernen und zu erfaßen, wie er nirückgekommen lei.
(Fortsetzung folgt.)