Seite 8 — Nr. 160
Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter
Mittwoch, den 14. Juli 1937
Sm ArbeltS-iM -irker geworden
Die Arbeitsmänner nehmen im Durchschnitt 12 Pfund zu Lizrevberickt Uer KL-kiesse br. Weimar, 12. Juli
Im Arbeitsdienst wird man nicht dünner, sondern dicker! Das ist das Ergebnis einer statistischen Erhebung, die im Arbeitsgau 23, Th ü r i n g en, durchgeführt wurde. Tie Gewichtszunahme des Arbeitsmannes während eines Halbjahres beträgt durchschnittlich 12 Pfund. 83.4 v. H. nehmen wäh- rend der Dienstzeit an Körpergewicht zu. nur bei 9,8 v. H. ist ein Gewichtsverlust zu verzeichnen. In diesen Fällen aber bedeutet die Abnahme meist auch eine Besserung des Körperzustandes ohne kostspielige Entfettungskuren. Bei 6,8 v. H. der beobachteten Arbeitsmänner ist der Gewichtsstand gleich geblieben.
58 nStWOr MrrWr
Raubmörder Opitz legt »i« Geständnis ab Braunschweig, 12. Juli
In der Strafsache gegen den Angeklagten Friedrich Opitz wegen Raubmordes ist es der StaatSanwalnchast nach wochenlangen Be- mühungen gelungen, den Angeklagten Opitz p» einem Geständnis zu bewegen. Nachdem »r dr de» Tagen zuvor das Geständnis schon mehrfach mündlich abgelegt hatte, hat er nunmehr in einem Schreiben an den Gene- ralstaatSanrvalt zugegeben, die ihm zur Last gelegten Taten begangen zu haben. Nicht ivemger als 5S Ueberfälle auf nächtlichen Landstraßen, bei denen drei Menschen das Leben einbüßten wurden dem Angeklag- ten zur Last gelegt. In einem über drei Wo- chen wahrenden Prozeß wugnete Opitz hartnäckig alle die ihm zur Last gelegten Straftaten ab, wurde aber auf Grund eines mosaikartig aufgebauten Indizienbeweises, der «uSsagen der Sachverständigen sowie der Zeugen wegen Mordes zumTodever- urteilt. Mt diesem Geständnis finden die Ueberfälle. die vor einigen Jahren in Braun- schweig und Umgebung große Erregung her. vorgerusen hatten, eine endgültige Klärung.
Eßl mM PW!
Um den Pilzen, die zur Zeit sehr gut stehen, mehr Beachtung im Küchenzettel zu verschaffen und auf den großen Nährwert der Pilze unzuweisen, führt die Abtlg. Volkswirtschaft — Hauswirtschaft im Deutschen Frauenwerk in allen Ortsgruppen Äufklärungsvorträge durch. Daher zeigte Hauptlehrer Pg. Gackstatter an Hand eines Lichtbildervortrags eine Menge guter Speisepilze, die noch wenig bekannt sind, ja zum Teil sogar als giftig angesehen werden. Nicht nur die Verwendung nn Speisezettel, sondern auch die Nährwertzusammensetzung und die erhöhte Bedeutung veS Pilzessens rm Rahmen des Vierjahresplanes wurde allen Besuchern klar und regte zu größerem Pilzverbrauch an.
LehklingsbuK und MrkltMeft
Wer eine richtige Berufslehre durchgemacht hat, weiß aus eigener Erfahrung, daß von dem vielen Neuen, das auf den jungen Lehr- ling einströmt, so manches unklar bleibt oder schnell vergessen wird, weil vielleicht die Mög- lickckeit rur praktischen Uebuna im Augen
blick Wlt. Nndere^Mrd bei der Ausbildung übersehen oder kann aus irgend welchen Gründen nicht eingehend genug behandelt werden. Material-Verschleiß. Zeitverlust, Aerger und Verdruß sind auf dieses Konto „Ausbildungsversäumnisse" zu buchen.
Ein Mttel, das Entstehen dies.r Lücken zu vermeiden, sind das „L e h r l i n g s b u ch für den Kaufmannsberuf" und das „Werkstattheft", die das Amt für Berufserziehung und Betriebsführung in der Deutschen Arbeitsfront herausgebracht hat. Hier wird durch tägliche Eintragungen der Berufsanfänger veranlaßt, sich übdr jeden neu erlernten Arbeitsvorgang und über jede ihm übertragene Arbeit klar zu werden. Dem Lehrling ist die Möglichkeit gegeben, sich selbst zu kontrollieren und zu prüfen.
Auf Grund dieser täglichen Notizen des Lehrlings kann der Lehrherr jederzeit festste!- len, ob der junge Mensch alles für seine Ausbildung Unentbehrliche ausgenommen hat, oder ob es notwendig ist, Erklärungen zu geben, Jrrtümer zu beseitigen oder Versäumnisse nachzuholen. Daneben ist dem Interesse der Eltern deS Lehrlings gedient, sich regelmäßig über die laufenden Fortschritte zu unterrichten. Lehrlingsbuch und Werkstattheft dienen aber vor allem auch dem Prüfungsausschuß als Material für eine gerechte Beurteilung des Berufsanfängers bei der Lehrabschlußprüfung. Den Bezug der Hefte vermittelt die Gauwaltung der DAF., Abteilung für Berufserziehung und Betriebsführung. Stuttgart-N., Rote Trabe 2 a.
Ei» liltttt Wirt«die Gemeinde»
Es ist Pflicht der Gemeinden, das Werk der Hitler-Jugend zu unterstützen
In klaren Worten hat Reichsminister Dr. Frick daS Verhältnis zwischen Hitlerjugend und Gemeinden umrifsen. Die verantwortungsvolle Arbeit der Hitlerjugend, die gesamte deutsche Jugend körperlich, geistig und sittlich im Geiste des Nationalsozialismus zu erziehen, ist heute klargestellt. Das Gesetz vom 1. Dezember 1936 hat den einzuschlagenden Weg gewiesen. Um dieser hohen Aufgabe aber gerecht werden zu können, ist die Hitler-Jugend auf tatkräftige Mithilfe aller Partei- und Staatsstellen angewiesen. Und vor allem gilt eS, die sachlichen Grundlagen einer fruchtbringenden Erziehungsarbeit zu schaffen.
Aber durch übergroße Aengstlichkeit vieler schwäbischer Gemeinden und eine oft schlagende Unkenntnis der Aufgaben der Jugend- sührung, andererseits dann und wann aber auch infolge einer mangelnden Einsicht in die verwaltungsmäßigen Notwendigkeiten der Gemeinden von" seiten mancher Jugendführer wurde auch das dringlichste unterlassen, was durchaus im Bereich des Möglichen gelegen hätte.
Reichsminister Dr. Frick klärte nun die ziemlich verwirrte Lage. In einem Aufsatz „Hitler-Jugend und Gemeinden" in der neuesten Folge des amtlichen Organs des Jugendführer des Deutschen Reiches „Das junge Deutschland" rief er die Gemeinden auf, sich mit einzusetzen bei diesem Werk der Hitler-Jugend. „Die Gemeinde" — so schreibt in diesem Aufsatz Dr. Frick — „steht als örtliche Gemeinschaft zwischen dem Elternhaus a8s der einen und der großen Volksgemeinschaft auf der anderen Seite. Sie ist von jeher Trägerin der sachlichen Grundlagen und Voraussetzungen der Schule zur Erziehung
und Ertüchtigung ihrer Jugend gewesen. Was liegt näher, als daß sie nach Kräften beiträgt, um diese Grundlagen gerade auch für die Hitler-Jugend in ihrer Mitte zu verwirklichen. Es ist daher Recht und Pflicht der Gemeinde, ihrerseits dafür zu sorgen, daß die Hitler-Jugend ihr Werk aufbauen und erfüllen kann, wie umgekehrt die Angehörigen der Hitler-Jugend aus diesem Einsatz der Gemeinde schon früher das Wesen der örtlichen Gemeinschaft erfassen sollen, in die sie selbst allmählich hineinwachsen."
Aus den Darlegungen des Reichsministers ist dann ferner zu entnehmen, daß nunmehr auch grundsätzlich die Mittel für die Jugend im Gemeindehaushalt der Hitler-Jugend zufließen. Es heißt: „Ferner werden die Gemeinden Mittel, die im Gemeindehaushalt für Zwecke der Jugendpflege vorgesehen sind, nur noch ausschließlich der Hitler-Jugend zur Verfügung stellen. Auch die Erhöhung der bisherigen Haushaltsansätze für Jugendpflege kann in Betracht kommen, wenn der Mehrbetrag bei anderen Haushaltsansätzen eingespart wird, vorausgesetzt, daß die Gemeinden die ihnen gesetzlich obliegenden Pflichten, insbesondere auch hinsichtlich der Bildung der vorgeschriebenen Rücklagen, einwandfrei zu erfüllen vermögen. Es ist mein ausdrücklicher Wunsch, daß die Gemeinden in diesem Rahmen tun, was sie zur -Förderung der Hitler-Jugend vermögen. Die Gemeinden können daraus vertrauen, daß die Leistungen für die Jugend wohl angelegt sind . .
Der Weg einer fruchtbaren Zusammenarbeit ist gewiesen. Daß er durchaus möglich ist, beweist ein schwäbischer Bürgermeister, wenn er sagt, daß sich bei gutem Willen beides, der Anspruch der Hitler-Jugend und damit die Sorge für die Zukunft und den Bestand von Volk und Reich, und die Not- Wendigkeit der Sicherung und Erhaltung einer gesunden Gemeindewirtfchaft miteinander vereinbaren lasse.
Was es »icht alles gidti
57 Stacheln In der Umgebung von in der KopHaut Magdeburg wurden einige Geschirrführer mit ihren Pferden bei der Feldarbeit Plötzlich von einem Bienenschwarm überfallen, der wie rasend auf Menschen und Tiere einstach. Die Männer mußten mit den Pferden flüchten. Ein Geschirrführer, dem es nicht mehr gelang, sich zu retten, wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus gebracht, wo ihm allein aus der Kopfhaut 57 Stacheln ausgezogen werden mußten. Eines der Pferde verendete auf dem Felde, die anderen Tiere sind völlig arbeitsunfähig. Der Bienenschwarm konnte später eingefangen und durch Einschwefeln vernichtet werden.
Die Zigarre als Mit nahezu detektivisch Beweismittel sicherer Beweiskraft verstand es Monsieur Andrä, seine Unschuld unter Beweis zu stellen. Vielleicht hat es ihm Spaß gemacht, seine Gegnerin, die ihn zur Zahlung von Alimenten verklagt hatte, aufs Glatteis zu führen. Als er der berüchtigten Mademoiselle Mette im Schlafwagen von Paris nach Lyon begegnete, hatte er erst die Absicht gehabt, der verführerischen Frau auszuweichen. Nicht nur die Hauptstadt sprach von ihren Abenteuern und Alimentationsprozessen, bei denen ieder-
va»i»is«w»ril „Mutter und kkad" schenkt durch krtiotung lm »SV.- Mütterhrlm fluggleich sür dl, Muttirarbelt und MuUerler»»«.
mann wußte, daß völlig unschuldige Männer für ihre drei Kinder sorgen mußten. Es war auf jeden Fall gefährlich, auch nur kurze Zeit mit Mademoiselle Mette allein zu sein, denn diese Schlange verstand es, jedem einen Strick daraus zu drehest. Auch hier irrte er sich nicht. Kaum hatte die Frau AndrS gesichtet, da lud sie ihn schon in ihr Abteil em. Zum Glück fiel Anorä ein vortrefflicher Schachzug ein. Er ging noch einmal in sein eigenes Abteil zurück und zündete sich eine dicke Zigarre an. So verschwand er für wenige Minuten in dem anderen Abteil und kam dann wieder, unabläsfig und geruhsam rauchend, auf den Gang herrrus. Genau neun Monate später wollte Mette ihm die Vater- schuft für ihr viertes Kind in die Schuhe schieben. AndrS konnte nur lächeln, denn er hatte sich gesichert. Sofort setzte er sich mit dem Schlafwagenschaffner in Verbindung, der damals den Zug Paris—Lyon begleitei hatte, und dieser eilte als Zeuge herbei. Vor Gericht versicherte er eidesstattlich, daß er zusammen mit Andrs die Länge der Zigarre gemessen hatte, ehe dieser sich zu Mademoiselle begab. Nachher wurde die gleiche Länge gemessen, der zu Asche verbrannte Teil der Zigarre mit eingerechnet, den Andrö nicht abgestreift hatte. Ein Rauchsachverständiger bestätigte, daß Andrä die Zigarre keinen Augenblick aus der Hand gelegt haben könne, weil sonst die Asche abgefallen wäre. Damit ,, war Mette mitsamt ihrer Klage abgewiefen, und vermutlich wird ihr viertes Kind darum vaterlos bleiben müssen.
Ein« „Nachtigall" klagt In Amerika gegen ihre Schwiegereltern überbieten sich
bekanntlich die
Frauen, wenn sie scheidungslustig sind, in den erstaunlichsten Einfällen. Die „Beweisgründe". die sie ansühren, setzen ihre Partner zumeist schachmatt, denn die Richter halten es ja, wie ebenso bekannt sein dürfte, in den allermeisten Fällen mit der holden und bei diesen Gelegenheiten immer schluchzenden Weiblichkeit. Diesmal ging es aber nicht gegen den Ehegatten, sondern gegen dessen Eltern, und wenn auch der Ausgang des Pro- zesses noch nicht feststeht, so erregt doch seine nicht alltägliche Begründung genügend Aufsehen. Eine frühere Sängerin und Kabarettistin, die „Nachtigall von Missouri", hatte, so gab sie jetzt an, ihren Mann nur darum geheiratet, weil sie von dessen Eltern durch falsche Vorspiegelungen dazu überredet wor- den sei. Der junge Mann war ihr seit langem ^ nachgereist und hatte sie mit Beweisen seine: Verehrung überschüttet, dann kamen Brief« seiner Estern, die die junge Künstlerin geradezu flehentlich baten, den Sohn zu heiraten, denn er gehe noch zugrunde, wenn st« sich weiter abweisend verhielte. Außerdem luden die Leute die „Nachtigall von Missouri auf ihr Grundstück ein und all dieses hatt« die Sängerin weich gemacht. Der Sohn war aber gar kein Prachtkerl, als den ihn vor allem die Mutter dargestellt hatte, und st reichte die junge Frau bald ihre Scheidungsklage ein — gegen die Schwiegereltern. Man ist gespannt, was die Richter zu der Sach« , sagen.
(WEMduiEaus lörottie
> von Laronm Margarete von Lass
35s (Nachdruck verboten.)
Frau Loth sah thre Tochter an. — „Wie sollen wir das machen — ich sehe keinen Weg dazu? Und stark bleiben? Stark bleiben unter dieser unerträglichen Last — wer könnte das? Ich nicht. Mich hat sie nicht nur niedergedrückt, mich hat sie zerbrochen."
„Ach, Mutter, unsere armen gequälten Seelen können viel tragen. Wir dürfen nur nicht ganz hoffnungslos werden."
Die Augen der alten Frau gingen ins Leere. In ihren gramvollen Zügen zuckte es leise. Nicht ganz hoffnungslos werden — nein, das wollte sie ja nicht. Sie hatte ja noch die eine Hoffnung, daß Gott, der ihren Sohn in diesen Abgrund hatte geraten lasten, ihn her- ausreißen würde, um ihn zu sich zu nehmen. Eva trat zu ihr, legte sanft den Arm um die Mutter und bat sie: „Mutter, Gott wird uns helfen, wir müssen nur darauf hoffen. Und mit Hans müssen wir durch alles Leid gehen und fest zu ihm halten in Viesen Tagen schwerster Prüfung. Wir sind die einzigen Menschen, Mutter, die noch zu ihm gehören. Alle anderen, alle Freunde werden sich längst von ihm gekehrt haben."
Die Mutier sah sie mir einem Blick an, der voll tiefer Dankbarkeit war. Sie mußte die Mutier immer wieder trösten und aufrichten und war doch selbst so voll Qual und Verzweiflung.
Während sie so grübelte, kam die Schwester Duprös zu ihr. Sie hatte Agnes Duprö. mit der sie von der Schule her befreundet war, lange nicht gesehen, um so mehr freute es sie, daß Agnes sie jetzt aufsuchie. Eva fiel es auf, daß Agnes' Gesicht blaß und schmal geworden war, und daß ihre Augen einen leidvollen Ausdruck hatten. Hatte das Unglück Lillis sie so angegriffen? Gewiß wird es sie erschüttert haben, wie jeder, der Lilli liebt, von ihrem Leid erschüttert worden ist. Aber daß Agnes durch dieses Geschehen so ergriffen worden war, wunderte sie immerhin. Agnes und Lilli hatten sich ihres Wissens nie näher gestanden.
„Ist deine Mutter nicht hier?" fragte Agnes, als sie Eva in ihrem Zimmer gegenüber saß.
„Ja, sie ist hier, Agnes, aber du mußt schon entschuldigen, daß sie sich nicht zeigt. Sie kann mit niemand
außer mir zusammen sein."
Agnes nickte. Sie begriff das sehr gut.
„Es ist zu Schweres über uns gekommen", sagte Agnes.
Sie sagt über uns, dachte Eva, also fühlt sie sich auch betroffen davon. Ihr Blick ruhte auf Agnes' Gesicht. Eine Weile saßen sie sich schweigend gegenüber, dann fragte Agnes: „Wie geht es deinem Bruder gesundheitlich?"
„Er ist auf dem Wege der Besserung."
„Nun, Gott sei Dank!" sagte Agnes, „dann kann noch einmal alles gut werden." — Wie Wohl das tat, daß ein Mensch da war, der mit ihr glaubte, daß noch einmal alles gut werden könnte. Eva faßte nach Agnes' Hand und streichelte sie. — „Glaubst du das wirklich, Agnes?"
Um Agnes' Mund war ein schmerzliches Lächeln.
„Ja, Eva, ich kann nicht anders, sonst müßte ich zugrunde gehen."
Die Worte rissen Eva eine Binde von den Augen. Agnes Duprö liebte Hans! Herrgott, das war es, das sie mit in das große Leid gerissen hatte!
„So liebst du ihn?" fragte sie leise. Agnes schluchzte unbeherrscht. Evas Hand streichelte beruhigend über ihr Haar und ihre zuckende Schulter.
„Arme Agnes!" Sie tat ihr unsäglich leid. Wenn sie ahnte, daß Hans Lilli liebte. Daß ihn diese hoffnungslose Liebe in den Abgrund gebracht hatte? Herrgott, wenn er Lilli doch nie mehr begegnet wäre! Es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der er viel mit Agnes Duprö zusammengewesen war, man hoffte damals, daß daraus eine Bindung fürs Leben werden würde. Duprös förderten das Freundschaftsverhältnis der beiden, dann kam aber das „zu Lilli ins Haus gehen" dazwischen. Agnes war gekränkt, als sie davon erfuhr, und da Hans, trotz ihres Bittens die Besuche nicht einstellte, das hatte sie wohl voneinander entfernt. Herrgott, vielleicht wurde doch noch einmal alles gut! Es dauerte lange, bis Agnes sich wieder gefaßt hatte.
„Nun will ich doch Mutter bitten, daß sie zu uns kommt", sagte Eva.
„Du wirst mir helfen, ihren Mut aufzurichten. Wir beide sind noch stark, aber sie ist ganz zerbrochen."
Agnes trocknete ihre Augen und lächelte ein wenig.
„Eva, was ich mir eben leistete, war nun gerade kein Beweis übermäßiger Stärke."
„Aber auch kein Beweis von Schwäche. Du glaubst an Hans und das ist deine Stärke."
„Und du?" Sie sah Eva fest in die Augen.
„Ich auch." Sie umarmten sich beide.
„So, nun geh und hole deine Mutter."
Frau Loth hatte gehört, wer bei Eva war und sträubte sich lange, Agnes zu sehen, aber Eva redete ihr so freundlich und gut zu, daß sie endlich nachgab.
„Geh hinein zu ihr, Mutter, und sei freundlich gegen sie, sie trägt wie wir Leid um Hans."
„Wie kann sie Leid um ihn tragen?"
„Sie liebt ihn, Mutter."
Da schloß die alte Frau einen Moment die Augen und atmete schwer auf. Da ist eine Frau, die ihn liebt, die all ihr Fühlen und Hoffen auf ihn gerichtet ha:, und ich, seine Mutter, bete täglich und stündlich, daß Gott ihn durch den Tod erlösen möchte. In diesem Augenblick fühlte sie, daß ihr Gebet ein schweres Unrecht war. Sie ging zu Agnes. Agnes küßte ihr die armen, müden Hände, dann sahen sie sich beide in die Augen und wußten, daß gemeinsame Liebe und gemeinsames Leid sie verband. Eva kam ins Zimmer und sie laßen alle drei zusammen und sprachen über das, was so mächtig in ihr Leben eingegriffen hatte. Es war kein Klagen, es war ein Beratschlagen: wie können wir helfen? Agnes wandte sich mit einer Frage an Eva. Du lerntest letzten Winter bei meinen Geschwistern Duprös einen Herrn Holtdorf kennen, erinnerst du dich seiner noch?"
„Ja", sagte Eva leise, „was ist mit thm?^
„Ich sprach ihn gestern, er hatte viel Interesse", sie verbesserte sich schnell, „viel Teilnahme für unsere Sache. Sein Vater ist Polizeikommissar a. D., der das bekannte Detektivbüro in der Potsdamer Straße hat. Der Eugen Holldorf ist Kriminalassessor und bereitet sich für den höheren Polizeidienst vor. Aber das weißt du ja wohl alles; Lotte sagte mir gestern, daß ihr öfter zusammengewesen seid."
Eva bejahte wieder. Eine heiße Röte stieg ihr ins Gesicht. Niemand bemerkte es, denn das Zimmer, in dem sie saßen, füllte sich langsam mit grauer Dämmerung.
„Holldorf ist ein passionierter Kriminalist", sagte Agnes, „vielleicht könnte er uns helfen. Was meinst du, Eva? Willst du nicht einmal mit ihm über den Fall sprechen?"
„Wenn du meinst, es könnte einen Nutzen haben, will ich es natürlich tun."
„Soll ich ihm sagen, daß er deiner Mutter und dir seinen Besuch machen soll?"
„Ja, bitte. Agnes, tu das."
(Fortsetzung folgt.) . ,