Lc:te 8 Nr. 149

Nagoldcr TagblattDer Ecsellschaster

Dienstag, den 30. Juni 1939

Zollpolitik

Der deutsHe Arbeiter

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Heiorick l-vrsck Üer kskrer, VIckter, 8oläat uoä Arbeiter

Bevor wir nach der Madeirafahrt vonein­ander Abschied nahmen, befragte ich ihn über seine Reiseeindrücke. Er sagte:

..DaS ist die erste .Kraft-durch-Freude'- Reise, an der ich teilnehme. Ich habe mir vorher gar nichts darunter vorstellen können. Also die Einrichtung, diese kühne Idee und die selbstverständliche Ausführung, das ist etwas, was der deutschen Sehn­sucht mitten ins Herz greift. Hier aus dem Schiff ist alles so herrlich problem­los. Es gibt nicht mehr das zermürbende Diskutieren von früher, und es ist so wun­derbar, daß die Schassenden sremde Länder

Vor mir liegt ein Bries, den mir Heinrich Lersch nach derKdF."-Madeirasahrt mit feinem letzten Gedichtdand .Deutschland muß leben" sandte. Wieviel Leben, wieviel Da- seinssreude steht in diesen Zeilen:

.Dank Dir für Deinen Brief, für Deine Lieder, die ich selbst nicht musikalisch aus- arbeiten kann. Die Verse habe ich mit Freude den Jungs getönt. .Endlich mal was ohne lange Deklamationen!' sagte der Stamm­führer.

Nun mal eine Bitte. Schick mir eine voll­ständige Liste. Prospekte usw. von Schaffners Büchern. (Wie erinnerlich sein wird, nahm auch Jakob Schaffner an der Madeira- sahrt auf der .St. Louis" teil. A. d. V.) Hier ist 30 Klm. keine Buchhandlung. Nach Bonn komme ich allzuselten, muß aber wenigstens über sein Werk Ueberblick halten und mir die Wichtigen Schattenhold usw. (er meinte Schaffners .Johannes" A. d. V.) was rätst Du für diese Sommertage? einverleiben. Ich komme wenig zum Lesen.

Es sind so wunderbare Frühlingstage, daß mir die Stunden zu schade sind, um etwas zu .leisten'. Und die Mondnächte!

Jetzt hätten wir reisen müssen! Vollmond über der Biskaya.

Heil Dir. uns und Hitler!

Dein Hein L er s ch."

So war er einsatzbereil und kameradschaftlich, stürmich begeistert für das Werk eines andern, begierig im Ausnehmen und ein Schwärmer, ein unver­besserlicher Träumer.Und die Mondnächte!"

Ich war dabei, als er eines seiner letzten, vielleicht sogar das letzte Gedicht seines Lebens schrieb. Es war eine Toten­klage. Hein schrieb es in seiner Kabine auf der .St. Louis", zwei Tage vor der Heim­kehr von Madeira. Auf der Hinfahrt, u ar ein Matrose gestorben, ein unbekannter A r b e i t s k a m e r a d. Er hatte beim Esten "inen Herzschlag erlitten, man hatte ihn ein- gesargl. und er machte als Toter die große Fahrl in den Süden mit. Das Schicksal die­ses Mannes hatte Hein Lersch sehr bewegt. Er war einige Tage ziemlich still und in sich gekebrt. hielt keine Ansprachen, erzählte keine Anekdoten, sang nicht und sprach über ernste Dinge. Das wollte bei ihm schon viel sagen; denn sonst war er einer der lautesten und lebendigsten an Bord. Mit allen war er gut Freund, mit den meisten stand er aus du und du. lind wenn er mit seinem Tiroler Hütchen und seinem Lodenmantel über das Prome­nadendeck marschierte, dann freuten sich alle über den kleinen, lebendigen Mann.

Ich glaube nicht, daß Heinrich Ler einen Feind ich meine, einen perfönlie Fernd hatte. Wer hätte ihm Uebles wüu sehen sollen! Ihn selbst habe ich nie ein-fes Wort über einen anderen sagen hören. So ernst und kämpferisch er in seinen Gedichten ist. so humorvoll, freundlich und versöhnlich war er im Leben.

Kr hatte den unerschütterlichen Glauben an den Sieg des Guten, er war ein tief reli­giöser Mensch, ein Fanatiker der Ar­beitsehre und der Freiheit. So hat er gelebt, gedichtet, so ist er gestorben. Sein Optimismus übersprang alle Hinder­niste, erhob sich über alle Hemmnisse des Alls- tags.--' . ,

viele Kameraden nach Madeira fahren werden!"

Schon wieder dachte er an die Zukunft und an das Glück der anderen. Er sah immer das Kommende, sein Herz eilte wünschend und erwartungsfroh voraus, er war selbst ein Fahrer, einer von denen, die immer an der Reling standen und Ausschau hielten. Erweiterung suchten. Nur aus dieser Haltung konnte er sein berühmtes Gedicht schreiben, dessen Schlußvers die Vision des ewigen Deutschland herausbe­schwört:

Deutschland muß leben, und wenn wir sterben müssen!"

Und nun ist er tot. der Fahrer. Dich­ter. Soldat und Arbeiter Hein­rich Lersch. Nun ist er plötzlich vereint mit dem toten Matrosen von derSt. Louis", dem er das letzte Gedicht widmete.

Räder, die rollen. Feuer, die stammen, Männer, die wollen.

Amu Sekluk lti« k'elnsrdeit. Oie kleinen Onebenksiten einer inikiotibnu" fertigen Knro88eris veräen mit Oätrino ausgeglictien. Aus dem BuchAm laufende» Band". Vertag Hauservrefse. M.1

und Mensche« sehen. Dem Deutschen liegt das Reisen im Blut. Auf diesen Schiffen kann man so schön die Tasten von den Fah­rern unterscheiden. Der Sasse sitzt, der Fah­rer steht an der Reling, der eine sucht Erho­lung, der andere Erweiterung. Ja, was» soll ich noch sagen? Es ist schön, einfach' schön! Und worüber ich besonders erfreut bin daß wir schon eigene .Kraft-durch- Freude'-Schrfse bauen, auf denen noch viele.

Für den Kameraden Hein Lersch gilt sein eigenes Wort:

Denn ich und alle, die hier liegen, starben für Deutschland in Kämpfen und Siegen.

Und nun muß Deutschland unserer ge­denken und für uns steh'n!"

Helmut 1 sdo

liunävverk äerehrbaren 8c!umeäe"

Vom ersten Kammer dis rar ß^ärsuli'Scßeii Kresse

gehören zusammen!

Im Geist der Fahrt: .Kraft ich Freude'!"

So lautet die Widmung, tue er nur ttl sein Buch schrieb. Und so hat er auch de« Sinn und die Bestimmuuader Ma - deirafahrt ausgesaßt als Ausdruck und als Feier desZusammenstrebens aller schassenden. We seine Gedichte sind eigentlich eure Werbung für dieses Zusammenkommen. Wer ihn in der Halle auf dem Achterschiff sprechen hörte, wurde von seinem hinreißenden Glauben cm die Ge­meinschaft bezwungen. Ja. er war ein Pro­phet der Gemeinschaft, der die Menschen z» sich emporriß. der ihre Herzen für die Größe ihres eigenen ArbeiMebens verstechend eröff­net, und. der mit verlegener Heiterkeit fern schweres Werden und Wmhsen den rmgerweu Menschen darMIte.

Er war von einer Naivität ohne^sichs«. Unvergeßlich ist. wie er den Urlaubskamera- de» von seiner Berufung in die Dichter«!»- demie erzählte. Zuletzt Saunte er selbst, daß er ein Dichter war. er. der Aess-el- schmiedHeiurichLersch aus n- cheu-Gladbach in, westdeutsche« Indu­striegebiet.Da war ich uun om Dichter je- worde», wo minge Natter reich mal hat buch, ftabiere könne!"

Das Schmiedehandwerk ist uralt, und der Schmied ist eine legendäre Gestalt. In der j Geschichte der Technik werden wir immer vergebens nach zuverlässigem' Angaben über den erste« Hammer, den ersten Amboß und den ersten Schmied suchen. Nnr Legende. Sage und Mythus erzählen uns von den ältesten Zetten und der ursprünglichsten Form dieses Handwerks,

Fest steht »ach allem, daß die ersten Schmiede Waffenschmiede waren. Die Le­bensform der Vorzeit begründet zudem diese Annahme. Denn das Waffengewerk, Schwert. Beil, Speer und Pfeil, waren den Menschen ältester Zeit wichtigeres Hastnverkszeug als Pflugschar und anderes friedliches Gerät.

Schritt für Schritt können wir, begonnen in der Ritterzeit und geendet io unseren heutige» Lagen, die Entwicklung des groben Schmiedehandwerks zur feinsten Schmiede- krnrft verfolgen. Es überrascht bei diesem Rückblick, daß die seine Schmiedükunst der primitiven groben Schmiedearbeit schon sehr schnell folgte, und daß die alte Schmiede­kunst nn Verhältnis wertvollere Arbeit schuf als die Kunstschmiede des technischen Zeit­alters. die erst honte wieder oeginnen, sich auf die TrcDitiou ihres Rufes cüs Kunst­handwerker M besinnen.

Dam S-ch-w-e rtfch m i e d e n auf dem Fuße folgten die Werkzeug-, die ..Hammer­

schmiede". Nur wenige Zeit nach ihnen machten schon die Schild- und Rüstungs­schmiede von sich reden; sie waren gleich­zeitig die ersten Kunstschmiede, denn Helm und Visier, Panzer und Elsenhandschuh zu schmieden, war eine schwere Kunst, die nur noch übertroffen wurde von den Wappen­schmieden. die es verstanden, den feinsten heraldischen Zierat zu gestalten.

Die ersten Huf- und Wagen- jchmiede waren überdies auch Waffen­schmiede, denn mit dem ersten Hufbeschlag stampfte nicht etwa ein Ackergaul über fruchtbare Erde, sondern ritten Kampfpserde ihre Ritter in die Schlacht, und der erste eherne Wageureif umsPaMte keineswegs die Räder der bärwrkichen Erntewagen, sondern die der Kampf.> Troßwagen. Wie und was es auch sonnte, in seinen Anfängen war das Schmiedehandwerk immer ein heldisthes Handwerk, und die ersten Schmiede kennen wir nicht anders als HÄdifche Rsckeu- gestalten.

Erst das Mittelalter macht mrs den Schmied als friedlich werkenden Handwerker vertraut, und der friedlichsten Schmiede einer war derFingerhuter". Die Schmie de° kuust der damaligen Zeit war im gewissen Sinne universell. Alles nur erdenkliche wurde geschmiedet. Waffen. Werk- und Küchengerät, und selbst die eisernen Finger und Hände aiA

Ersatz für im Kamps abgehauene Glieder ge­hören keineswegs ins Reich der Fabel. In hoher Blüte stand in jener Zeit auch das Handwerk der Gold- und Silberschmiede.

Die Folgezeit brachte kaum eine nennens­werte Weiterentwicklung des Schmiedehand­werks und der Schmiedekunst. Sie war auch schon im Mittelalter ein völlig ausgereistes Handwerk. Erst der Beginn der Maschinen­zeit im 19. Jahrhundert wies dem Schmiede­handwerk nochmals neue Wege und neue Möglichkeiten. Von hier zweigt sich der Ent­wicklungsweg des Jndustrieschmiedes. des ..Maschinenschmiedes", von dem des rein handwerklich tätigen Hammerschmiedes ab, ohne aber die Urform jemals ganz verloren zu haben.

Der Maschinenschmied, der heute die gewaltigen Schmiedepreßwerke bedient, hat seine Tradition in den spätmittelalter­lichen Hammerwerken, die durchaus Hand­werksbetriebe waren, und der sonstige Jndu- strieschmied, so kunstreich seine Schmiedepresse auch konstruiert sein mag. vermag doch nicht des Hammers und des Amboß' zu entbehren. Des Schmiedes uraltes Handwerkszeug hat seinen jeweiligen Gegenwartswert niemals verloren, von keiner Technik konnte es ver­drängt werden. Und solange in der Welt noch irgendwo Schmiedefeuer brennen, wer­den nicht nur aus dunklen Dorsschmieden heraus die Feuer auf den schwarzberußten Essen leuchten, und das Klang und Kling des Hammers und des Amboß' durch vom Fort­schritt vergessene Kleinstädte Hallen, sondern auch aus den Hallen modernster Industrien und über die Straßen neuzeitlicher Städte. Das alte ehrbare HaniAverk der Schmiede ist ewiges Handwerk.

Vas Erlebnis äer 6emem8clra!l

Im Freiheitsverlag G.m.b.H.. Berlin SW 68.

erschienDer Sonne entgegen! Deutsche Ar­beiter fahren nach Madeira" von Hans Biallas.

Mit Zeichnungen von Helmar Becker-Berke und

Photos von W. Wiesebach.

Fritz Oldenkamp aus Hannover hat von seinem Vater ein Flugblatt aus dem Jahre 1904 geerbt:

Ihr Arbeiter werdet einst aus eigenen Wagen fahren, aus eigenen Schiffen touri­stisch die Meere durchkreuzen, in Alpenregio­nen klettern und schönheitstrunken durch die Gelände des Südens, der Tropen schweifen, auch nördliche Zonen bereisen!"

Dieses Flugblatt der Sozialdemokratischen Partei hat Fritz Oldenkamp auf die große Fahrt nach Madeira mitgenommen. Eigent­lich wollte er es im Kreise seiner Kameraden öffentlich verbrennen. Aber als er in der Nacht der Abfahrt von Funchal an der Reling steht, als erschönheitstrunken die Gelände des Südens" vor sich liegen steht, da zerreißt er still das Blatt und wirft tue Schnitzel ins Meer.Es verlohnt sich nicht mehr, über den Verrat des Marxismus M reden er hat sich selbst durch seine Ta^n gerichtet."

Das ist die Fabel des Madeirabuchcß Der Sonne entgegen!" Dadurch hebt es sich über den Bericht einesversier­ten Globetrotters", dadurch wird es zum Pv- litifchen Reisetagebuch. Nicht als ob Biallas nun jedes EinzelerlÄnis in Be­ziehung zum Nationalsozialismus brächte!

Wie gesagt: Biallas schrieb ein politisches Buch, keine propagandistische Broschüre. Und so kommt er das muß im Hinblick aus viele oberflächliche Reportagen von der Ma­deirafahrt gesagt werden! zu einer ehr­lichen und deshalb begeisterten Darstellung des großen Erlebnisses. Ein interessanter Satz sei hier zitiert:Die Urlaubskameraden aber ziehen froh in die fremde Stadt. Neu­gierig werden sie von den auf der Mole Her­umstehenden gemustert. Die wissen noch vom vorigen Jahr, daß dies deutsche Arbeiter und Arbeiterinnen find, die in die Welt fahren."

Mit diesem Satz wird zum Ausdruck ge­bracht. was für die Beurteilung derKdF."- Madeirasahrten von entscheidender Bedeu­tung ist. Sie gelten im Ausland bereits als selbstverständliche gesellschaftliche Asußerung des deutschen Volkes: In Deutschland ist es Sitte, daß jeder Sch affende sich eine Erholungsreise leistet.

Diese Wendung muffte einmal in den Vor­dergrund gestellt werden. Und zwar in erzäh­lender. berichtender, mitteilender Form, wie es hier geschah! Fritz Oldenkamp ist nicht der Mann, der unverdient ein großes Glück ge­nießt, sondern er ist der Typ des schaffenden Deutschen überhaupt, der aus der Grund­lage neuer politischer, sozialer und kulturel­ler Voraussetzungen sein Leben gestaltet.

Das herausgestellt zu haben, ist für die Beurteilung und den Wert des Fahrtenbuchs Der Sonne entgegen!" entscheidend. So wollen auch die erzählenden Zeichnungen Helmar Becker-Berkes und die schönen Pho­tos Wolsgang Wiesebachs verstanden werde».

Das Buch sagt nicht nur denjeuigen etwas» die an der Fahrt teilnehmen. Es ist keine M- Portage. sondern die Darstellung eines groß­artigen Erlebnisses von derGemein- schast her g-e fv-hr n. S.