Seite 5 — Nr. 130
Naaolder Tagblatt «Der Gesellschafter'
Montag, de« 8. Juni 1936
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In den Werkstätten und Straßenbahnen, in den Bürostuben und Cafes am Samstag nur ein Thema: Schalke 04 oder FC. Nürnberg? Unter Freunden wurde viel geweitet. „Zehn Zigaretten, daß Schalke siegt! „Zwei Brer auf Nürnberg!" . . . und so. Wohin man kam, überall dasselbe: „Gehen Sie morgen auch zum Schalkespiel?"
Stuttgart stand ganz und gar tm Zeichen des großen Fußballkampfes. Selbst die, die sich das Jahr über nicht um Fußball kümmern, wurden nun plötzlich zu Fachleuten mit kompetenten (!!) Meinungen. Verstritten sich hartnäckig für den Club oder für Schalke. Je nachdem! Die Nürnberger kamen dabei zunieist etwas besser weg. Wahrscheinlich, weil sie bei uns bekannter sind und den klingenderen Namen haben. Der Nimbus, der Schalke umgibt, ließ aber auch die energischsten Club-Fanatiker nicht unberührt. Ganz sicher waren sie im allgemeinen ihrer Sache nicht. Weil sie wußten, daß die Kuzorra, Szepan und Urban auch mit dem runden Leder umzugehen wissen.
Vom breiten Ostpreußisch bis zum uns unverständlichen Platt waren übers Wochenende in Stuttgart so ziemlich alle deutschen Mundarten zu hören. Daß bajuvarisch nicht fehlte, sondern fast gar vorherrschte, sei am Rande vermerkt. Mit noch nicht kampfreifen, aufgerollten Fähnchen zogen die Schlachtenbummler aus Nürnberg und Gelsenkirchen durch die Straßen. Sie wußten es natürlich ganz genau. 5:0 für Schalke, 5:0 für den FC.! (je nach der Herkunft). „Mir werns den Schalkern schon zeigen, vom wegen dem Kreiselspiel!" meinte da einer, der mit dem Fahrrad von Nürnberg gekommen war. Er hat recht behalten! Einer, das nur so nebenbei, wenn wir schon bei dem mit dem Fahrrad sind, legte den 520 Kilometer langen Weg von Schalke bis Stuttgart zu Fuß zurück und schrie sich vor der Kampfbahn noch die Kehle heiser: „Die Zephirblume des Deutschen Meisters für nur 10 Pfennig!"
Kurz nach 10 Uhr begann der allgemeine „Run" zur Adolf-Hitler-Kampfbahn. Die Straßenbahnen waren schon dicke, dicke voll. Sogar auf den Trittbrettern „hingen" einzelne, obwohl es gar nicht notwendig gewesen wäre, da die Straßenbahn von vornherein mit Massenbetrieb gerechnet hatte. Sie kamen alle wohlbehalten ans Ziel ihrer Wünsche. Und als die Uhr 12 zeigte, war mindestens die Hälfte der Zuschauer bereits im Stadion.
Langsam nur geht es dem Beginn des Großkampfes entgegen. Minuten werden für viele zu Stunden, Das weite Stadion ist jetzt knüppeldicke voll. Starker Beifall! Frankenführer Streicher, der es sich nicht nehmen ließ, persönlich nach Stuttgart zu kommen, erscheint auf der Ehrentribüne. Die rotweißen FCN.- Fähnchen werden von den Nürnberger» aufgeregt hin- und hergeschwenkt. Bis der Frankenführer zu seinen 6000 aus der „Trichterstadt" geht und sie begrüßt.
Allmählich treffen auch die anderen Ehrengäste ein. An ihrer Spitze Reichsstatthalter und Gauleiter Murr, stellv. Gauleiter
Schmidt, Ministerpräsident Mergentha- ler, Reichsbundgauführer Dr. Klett, SS.- Oberführer Dreher und andere Persönlichkeiten von Staat, Bewegung und Wehrmacht. Natürlich hatte auch das Fachamt Fußball seine „Späher" gesandt. Wir sahen Dr. Xandry, Dr. Hagenmüllrr und Professor Glaser.
Die 75 000 Zuschauer werden allmählich ungeduldig. Kuhglocken und Schalmeien ertönen. Die Spannung hat ihren Höhepunkt erreicht.
Aber noch spielen die Knabenkreismeister von Grotz-Stuttgart, VfB. und FV. Zuffenhausen gegeneinander. 2:1 für den VfB. steht das Spiel, da pfeift der Schiedsrichter ab und wenige Minuten später springen die beiden Mannschaften inS Feld. Voraus Schalke, angeführt von Kuzorra, dann Schiedsrichter Unversehrt und schließlich der FL. Nürnberg. „Schalke also doch ohne Pörtgen!"... raunt man sich gegenseitig, -Was bange um den Westfalenmerster, zu.
ver Lrokkampk beginnt
Munkert und Billmann mit tötlicher Sicherheit dazwischen und den Rest holt sich der famose Köhl. Vor Halbzeit gibt es dann noch einen spannenden Moment, als Köhl und KuzzoragleichzeitigaufdenB a ll stürzen, Kallwitzki den Ball erwischt und sein Bombenschuß von dem gutaufgezogenen Uebelein zur ersten Ecke für Schalke abgewehrt wird. Im Gegenstoß hat der Alt- meister dann einen Riesendusel, als ein N a ch- schuß von Schmitt von-einem Verter- digerfuß abprallt, während auf der Gegenseite Kallwitzki an den Pfosten köpft. Kurz vor der Pause dreht Schalke dann etwas mehr auf, aber ohne zahlenmäßigen Erfolg. - ^
Nachdem das Kreuzfeuer der Photographen vorüber ist, stellen sich die beiden Spielführer zur Platzwahl. Schalke hat Anstoß, und nun atmen die Tausende erlöst auf, der große Augenblick ist da, auf den sie Tage und Wochen gewartet haben, — d. h. zuerst wäre es beinahe noch einmal schief gegangen, denn es fehlte derBall (!) und eine Fußballmeisterschaft ohne Fußball, das ist nun doch nicht ganz möglich. Nachdem dieses kleine Zwischenspiel glücklich behoben war, geht Schalke erstmals vor Nürnbergs Tor. Aber beide Mannschaften sind noch kolossal aufgeregt, Munkert köpft daneben, Szepan kann nicht stoppen und so weiter. Alles Zeichen größter Nervosität. Nach etwa fünf Minuten findet sich Nürnberg zuerst und es zeigt sich sofort, daß dieSchal - ker Hintermannschaft nicht ihren besten Tag hat, denn Bornemann wehrt vollkommen unnötigerweise zur Ecke. Man konnte allerdings noch nicht ahnen, daß es im Verlauf des Spieles insgesamt fünfzehn Ecken gegen Schalke geben sollte. Immer mehr übernehmen die Nürnberger das Kommando und in der 13. Minute ist es dann Friede!, der sich ein Herz faßt und wuchtig schießt — allerdings daneben. Aber dann ist Schalke durch und Oehm rettet zwei Meter vor dem Tor vor Gellesch, den Szepan raffiniert freigespielt hatte. Die Nürnberger Läuferreihe hat heute ihren großen Tag. Karolin beherrscht vollkommen das Mittelfeld und wenn der Ersatz-Linksaußen Schwab schon in der ersten Halbzeit richtig in Tritt gekommen wäre, dann hätte Schalke bis zur Panse nichts zu lachen gehabt.
Nach der vierten Ecke bietet sich dem Klub eine Riestmchance. Gußner jagt einen Strafstoß auf den Kaften der West- falen. Etwa einen Meter vor der Torlinie fegt der Ball vorbei, Mellage steht wie erstarrt und der heranspurtende Schwab hätte nur noch einschieben brauchen, wenn, ja wenn er nicht um Zentimeter zur kurz gekommen wäre. Aber immer wieder drückt Nürnberg gegen Schalkes Heiligtum. Natt- kämper, der große Mittelläufer der Königsblauen, kann den Nürnberger Jnnensturm meist nur dadurch halten, daß er die Grenzen des Erlaubten überschreitet. Die 5. Ecke für Nürnberg kommt herrlich vors Tor. Mellage springt nach dem Ball, kann ihn nicht erreichen. Das Leder kommt Seppel Schmitt vor die Füße . . . schon sieht man den Ball
in den Maschen hängen, da wirst sich Borne- mann vor die Füße des Nürnbergers und die klarste Chance der Tlubleute in der ersten Halbzeit ist verscherzt.
Immer deutlicher zeigt es sich, daß die Nürnberger auf dem vom Regen durchdrängten Boden das weitaus größere Stehvermögen entwickeln. Dazuhin haben sie in ihrer Hintermannschaft eine starke Stütze und ihr Zuspiel ist wesentlich genauer als das von Schalke. Der Hauptfehler bei den Westfalen liegt jedoch in der katastrophalen Deckung. Die Nürnberger Flügel stehen fast dauernd frei und so ist es wieder der Rechtsaußen Gußner, der aus spitzem Winkel im Anschluß an die 7. Ecke eine Bombe ans Außennetz jagt. Immer mehr werden die Mannen um Szepan eingeschnürt. Dieser schuftet zwar als fliegender Mittelläufer und unterstützt seine Hintermannschaft, aber allein kann er es auch nicht schaffen, und wenn der Schalter Sturm einmal vors Tor kommt, dann sause»
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Süden gegen Westen
Fortuna Düsseldorf—Rasensport Gleiwitz3:1
Die größere Spielerfahrung, die schon so oft über Sieg und Niederlage entschied, ver- half dem zweiten Vertreter Westdeutschlands in der Vorschlußrunde der Deutschen Fußballmeisterschaft, Fortuna Düsseldorf, den Eintritt in die Schlußrunde. An die 15 000 Zuschauer waren in das Dresdener Ostra-Gehege gekommen, um dem Treffen der Düsseldorfer gegen den schlesischen Meister, Vorwärts Rasensport Gleiwitz, beizuwohnen. Sie schienen eine große Ueberraschung miterleben zu sollen, als Schlesiens Meisterelf, die bei der Pause noch mit 1:0 führte und das weitaus kraftvollere Spiel lieferte, nachher doch den Rheinländern unterlag. Fortuna Düsseldorf kam erst in der zweiten Halbzeit in Schwung, sogar in Ueberfvrm und ließ Gleiwitz im letzten Drittel überhaupt nicht niehr zu Wort kommen. Mit 3:1 (0:1) für Düsseldorf war der Sieg auch zahlenmäßig verdient. Tie Tore schossen für Düsseldorf: Zwolanowski, Nachtigal und Kobierski. Für Gleiwitz war Pischek erfolgreich.
Torlos bei Halbzeit
Als die Mannschaften aus den Kabinen kommen, empfängt sie riesiger Jubel. Sie haben sich in die Herzen der Zuschauer hineingespielt. Anscheinend hat Bumbas Schmidt, der Trainer der Westfalen, seine Leute gehörig ins Gebet genommen, den i die Königsblauen setzen sich nun bis zum Letzten ein, sie wollen unbedingt das Spiel überlegen gestalten, wollen vor allem unbedingt siegen. Urban, der schmiegsame, blonde Linksaußen, geht auf und davon, zwei Meter vor den: Tor wirft sich ihm Köhl entgegen und verhindert so ein tod- sicheres Tor. Aber dann geht doch wieder der Club in Front. Gußner und Friede! vergeben hintereinander gute Gelegenheiten, bis'
in der 15. Minute der zweiten Halbzeit Eibcrger durchbrennt, sein Schutz wird abgewehrt, kommt zu Friede!, dieser läuft auf Halblinks und aus spitzem Winkel jagt er den Ball unter die Querlatte zum 1:0 für Nürnberg. Ungeheurer Jubel bricht los, die meisten Zuschauer sind von Nürnbergs herrlichem Spiel berauscht, in das Lager der Club- lcute übergeschwenkt und jeder fühlt instinktiv: DasistderSieg!
Und nun sind die Rotjacken nicht mehr zu halten. Von Mann zu Mann flitzt das Leder und unter stürmischen Anfeuerungsrufen rennt der Club immer und immer wieder gegen Schalkes Heiligtum. Nur vereinzelt kommen die Westfalen zum Durchbruch, aber auch in den gefährlichsten Sr- tuationen bleibt das rote Schlußdreieck Herr der Lage. Schon glaubt man, daß sich an dem Ergebnis nichts mehr ändern würde.
da prallt 5 Minuten vor Schluß eip von Bornemann wcggeschlagener Ball an Eibcrger ab, kommt zu Friede!... noch zwei Schritte, und aus gut zwanzig Meter schießt der junge Club- Mittelstürmer unter die Latte.
Jetzt kennt der Jubel keine Grenzen mehr. Die rotweißen Fähnchen flattern, einganzBe- geisterter aus der Noris rast aufs Spielfeld, wirft sich auf den Boden, springt wieder aus und freut sich über sein ganzes rundes Nürnberger Lebkuchengesicht. In den restlichen 5 Minuten versuchen beide
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