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Lokales
Steuerfreiheit für Weihnachtsgeschenke
Wie in den Kalenderjahren 1933 und 1934 wird eS auch in diesem Jahre viele Arbeitgeber geben, die zu Weihnachten ihren Ge- folgschaftsmitgliedrn einmalige Zuwendungen machen wollen. Um die Gebefreudigkeit der Arbeitgeber anzuregen, die ganz besonders geeignet ist, dem Geist wahrer Volksgemeinschaft zu dienen, hat der Reichsminister der Finanzen in einem Erlaß an die Finanzämter vom 1. November 1935 (S. 2174 — 275 III, Reichssteuerblatt 1935 S. 1393) bestimmt, daß aucb im Kalenderjahr 1935 einmalige Zuwendungen von Arbeitgebern an ihre Gefolgschaftsmitglioder zu Weihnachten frei von der Einkommensteuer (Lohnsteuer) und der Schenkungssteuer sein sollen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt find:
1. Die einmalige Zuwendung muß in der Zeit vom 25. November bis 24. Dezember
1935 erfolgen.
2. Die einmalige Zuwendung muß über den vertraglich (tariflich) gezahlten Arbeitslohn hinaus gewährt werden. Sie kann in bar oder in Sachen gegeben werden und ist der Höhe nach nicht beschränkt.
3. Die Steuerbefreiung gilt nur für Gefolgschaftsmitglieder, deren vereinbarter Arbeitslohn nicht mehr als 3960 RM jährlich beträgt.
Wer erhält Zuwendungen aus der Kvnjg-KarlSubjlüums'Stiftung?
Aus den verfügbaren Mitteln der König- Karl-Jubiläumsstistung können auf den Tag der Nationalen Arbeit 1936 (1. Mai) Anwendungen der nachbezeichneten Art gewährt werden:
1. Zuwendungen an einzelne besonders belastete Ortsviehversicherungsver- eine; 2. Beiträge zur Unterstützung bestehender oder Einführung neuer Hausindustriezweige und zur Gewinnung oder Erhaltung von Zweigniederlassungen von Fabriken in armen Gemeinden des Landes ; 3. Beiträge zur Unterstützung desKlein- gewerbes, insbesondere zur Beschaffung von Triebkräften und Maschinen (Gesuche von Einzelpersonen sind aussichtslos); 4. Reise- beiträge an besonders befähigte junge Leute zum Zweck ihrer weiteren Ausbildung, und zwar sowohl an Angehörige eines kaufmännischen oder technischen Berufes, als an deutsche, in Württemberg wohnhafte Bewerber aus der Landwirtschaft; 5. Verleihung der Medaille der König-Karl-Jubi- l ä u m s st i f t u n g für tüchtige landwirtschaftliche und gewerbliche Arbeiter (Arbeiterinnen) und Bedienstete (ausgenommen weibliche Dienstboten), die in einem und demselben Unternehmen langjährige, treue und ersprießliche Dienste geleistet haben.
Die Gesuche sind spätestens am 15. Januar
1936 bei dem Polizeipräsidium Stuttgart und den Oberämtern einzureichen. Dabei wird zweckmäßigerweise die Vermittlung des Bürgermeisters in Anspruch genommen.
Kimpheit auf dem MMmarkt wir- überwunden
Auf einer Sondertagung der Hauptvereinigung der deutschen Viehwirtschast in Goslar machte der neue Vorsitzende der Hauptvereinigung, Bauer Küper, bedeut-
Nagolvcr Tagblatt
sanie Mitteilungen über die Maßnahmen für Deckung des Fleischbedarss. Die Entwicklung der Schweinebestandsziffer zeige eindeutig daß die Knappheit in zunehmendem Maßc überwunden werde. Die einschneidenden Maßnahmen der Hauptvereinigung seien not- wendig gewesen, um während der vorübergehenden Mangelperiode eine angemessene und gleichmäßige Verteilung der anfallenden Schlachtschweine zn erreichen. Tie Grund-
„Der <b«l«lUchaster"
läge der Neuregelung bilde die Kontingentierung der Schlachtungen und Umsätze. Die vor wenigen Tagen durchgeführte Herabsetzung des Kontingentsatzes von 70 auf 60 Prozent bedeute keineswegs, daß erneute oder verstärkte Mängelerscheinungen vorhanden seien. Die Herabsetzung erfolgte vielmehr, um die in den letzten Wochen noch aufgetretenen Storungen auf den Großmärkten zu beseitigen nnd die gewerblichen Schweine-
_Freitag, den 15. November 1835
schlachtungen aus dem Lande zu verhindern. Keine besondere Behandlung hätten die Hausschlachtungen erfordert. Mit der Ge- nehmigungspflicht sei keineswegs beabsichtigt dem Bauern in seinen Kochtopf hineinzw regieren. Getroffen sollten nur diejeniaev Kreise werden, die glaubten, sich den Mangelerscheinungen dank ihres Geldbeutels dadurch entziehen zu können, daß sie übermäßige Vorratswirtschaft trieben.
Ls Mt doppelt so viel Butter wie ML
Und dennoch ButterknaMeil ? / An acht Wochen Mt
- Tod. Man redet zur Zeit soviel über die Butterknappheit. Die einen sagen, es wäre genügend Butter da, es liege nur an der richtigen Verteilung, die andern behaupt- ten, daß es gut reichen würde, wenn den Hamsterern das Handwerk gelegt werden könnte. Eine ganze Anzahl Volksgenossen führt die bei uns' augenblicklich herrschende Butterverknappung auf eine angebliche „große Aus- fuhr" in die anderen Reichsgebiete Deutschlands zurück. Was ist nun von diesen Behauptungen richtig?
Zunächst wollen wir mal untersuchen, wie groß die B u t t e r e r z e u g u n g in W ü rite m b e r g ist, und ob sie den Bedarf decken kann. Eine Statistik des Stuttgarter Milchhofs, von dem ans die gesamte Buttererzeugung in Württemberg geleitet wird, gibt nun folgende überraschende Auskunft. Im Jahre 1932 wurden 65 000 Doppelzentner Butter erzeugt, während die Butterproduktion im Jahre 1935 — man kann die noch fehlenden zwei Monate prozentual ausrechnen — 105 000 Doppelzentner beträgt; also fast das Doppelte als 1932. Man fragt sich mit Recht, wieso dann 1932 kein Mangel herrschte?
Früher war ihnen die Bulker zu teuer
Hier müssen wir feststellen, daß 1932 Tausende von Volksgenossen keine Butter aßen, weil sie sie nicht bezahlen konnten. Inzwischen haben mehrere Millionen durch des
Führers Arbeitsplan wieder Lohn und Gehalt erhalten und können jetzt wieder Butter kaufen.
Gleichzeitig hat eine andere nationalsozialistische Maßnahme die Butterkäuser um ein Beträchtliches vermehrt. Während bis 1933 im Spätjahr die Butter wegen des fehlenden Grünfutters immer aufgeschlagen hatte, ist jetzt schon drei Jahre lang ein fester Preis fürs ganze Jahr festgelegt. Die Folge ist, daß trotz der geringeren Produktion im Spätjahr die Nachfrage nicht kleiner wird. Da man in modernen Kühlräumen die Butter bis zu 12 Wochen tadellos frisch erhalten kann, braucht man nur die normalerweise im Frühjahr vorhandene Mehrerzeugung zn lagern, um auch den Bedarf im Spätjahr decken zn können. Wir hatten aber infolge des schon zweijährigen Futtermangels im Frühjahr keinen Überschuß mehr zu verzeichnen. Es war also an den fünf Fingern abzuzählen, daß im Spätjnhr 1935 eine Verknappung eintreten mußte.
Mehr Milch — mehr Bukker!.
Wenn wir erst acht Wochen weiter find, hat die Milch- nnd damit natürlich auch Butterknappheit ein Ende gesunden, denn dann geben die Kühe — durch Kalben bedingt — wieder mehr Milch ab. Es liegt also weder an der Verteilung noch am Stuttgarter Milchhof, wenn die Haus-
es wieder Butter genug
Viiunterbroclien läukt selion terüg vei Lutter aus «Ivr klssedine. lBild: Mev.»
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frau nicht immer die gewünschte Buttermenge erhält. Es ist sogar gerade den führenden Männern .der württembergischeu Milchwirtschaft zu verdanken, wenn wir noch besser dran sind als die übrigen deutschen Reichsgebiete. Kurz nach der Machtübernahme im Jahre 1933 wurde nämlich die gesamte württembergische Milcherzeugung vollständig umorganisiert. Die Konjuuktur- betriebe wurden stillgelegt. Es sind dies Betriebe, die keinen eigenen Boden hatten und auf Futterzusuhr von auswärts angewiesen waren. Dafür wurden 500 neue Betriebe, Milchsammelstellen, Rahmstationen und Butterwerke planmäßig im ganzen Lande aufgemacht. Es gibt z. B. heute in Württemberg nur noch wenige Gemeinden, die nicht eine eigene Milchablieferungsstclle haben. Durch diese straffe Organisation kann der Stuttgarter Milchhof die g e - samte Milcherzeugung überwachen, und etwaigen Ueberschuß dorthin leiten, wo .er gebraucht wird.
And die angebliche „Ausfuhr"?
Es ist richtig, daß in den letzten Monaten Württemberg einen geringen Teil seiner Bnt- tererzeugung in andere deutsche Reichsgebiete ausgeführt hat. Nach einer Verfügung, die vor ein paar Tagen herausgekommen ist, muß Württemberg zukünftig keine Butter mehr abgeben. Wir können also schon in den nächsten Tagen mit einer leichten Besserung rechnen. In spätestens 8 Wochen aber werden nur noch die Vorräte der Hamsterer von der Butterknappheit übrig sein,.
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47. Fortsetzung.
Es war wirklich gut, daß der alte Oberpfarrer ihn in seiner Einsamkeit aufsuchte, Robert schüttete ihm das Herz aus
„Halten Sie es für möglich, daß man sich über die Verwendung des Vermächtnisses im Stadtparlament streiten wird?"
„Leider ja. Aber wir brauchen ja nicht gleich das Schlimmste zu befürchten Daß die Siadt die Schenkungen annimmt, steht ja außer aller Frage "
„Wie gnädig!"
,,. . aber wann und wie man sich einigt, steht dahin!
Wenn Sie abreisen würden, könnte Ihnen das niemand verdenken! Schließlich hält Sie ja nichts mehr,"
„Nichts mehr?" dachte Robert bei sich. Ediths Bild stieg vor ihm auf. Er reckte sich und sprach laut, fast herrisch:
„Ich bleibe!"
Erstaunt musterte ihn der Oberpfarrer, stand auf und köpfte seinem jungen Freund auf die Schulter:
„Sie sind überanstrengt, müssen sich erholen! Packen Sie Ihre Koffer, und dann marsch nach dem Süden! Was wollen Sie hier noch in Michelstedt?"
„Warten, bis sich alles entschieden hat!" sagte Robert und dachte an sein Mädel.
„Ich fürchte, daß Sie noch lange zu warten haben! Sie tennen die Parlamentarier schlecht. Freilich muß man ihnen auch ideale Beweggründe zugestehen. Aber die Herren in Michelstedt haben noch nicht begriffen, daß zur Einordnung « eine Gemeinschaft ein viel stärkerer Idealismus gehört, als eigensinniges Festhalten an Sonderzielen!"
Robert nickte stumm
„Schätzen Sie sich glücklich, Herr Robert, daß Sie in jungen Jahren bereits die Welt sahen! Parteischeuklappen kennen i Sie nicht!" s
„Gott sei Dank nicht! Dieser unselige Partei,Iwist bat be- j
retts ein noch kostbareres deutsches Erbe vertan als das Vermächtnis Hinnerk Hartroths, um das sich die Michelstedter an die Köpfe kriegen! Was meinen Sie, Herr Oberpfarrer, was würde wohl mein lieber, guter Onkel zu dem ganzen Treiben sagen?"
„Wie ich ihn kenne, so würde er . ."
„Nun?^
„, . . die Sache mit Humor hinnehmen. Also wollen wir es auch tun!"
* *
*
Abstimmung über das Hartrothsche Vermächinis! Die Tribünen des Lnadtoerordnetensaales waren wieder voll besetzt, Robert halte man unten im Saale neben dem Bürgermeister den Ehrenplatz eingeräumt. Von der Tribüne aus wurde er eingehend gemustert. Dort oben saßen io manche Vertreterinnen der ' Michelstedter Gesellschaft, Lorgnons wurden eifrig gebraucht
Er gefiel, er, der Millionenerbe, um den sich in letzter Zeit ein wahrer Sagenkranz gewoben hatte.
Was war gegen dieien sympathischen jungen Mann jener Oldenbrook, der Teilhaber von Sperk L Co., dachten die Mütter, Einmal sollte die Firma gar nicht mehr so glänzend stehen, und dann war er schon reichlich alt! Ob sein Lebenswandel als Junggeselle einwandfrei war, wußte man ja auch nicht! Seine „Geschäftsreisen" nach Hamburg und Berlin gaben zu denken!
Jener Robert Hartroth hingegen bot alle Gewähr, daß Ilse, Trudchen, Gretchen, Marion, Röschen glücklich würden.
Schade, daß er Trauer hatte! Man hätte ihn sonst zu gerne eingeladen! Immerhin: Man konnte ja einen musikalischen Tee veranstalten mit ernster Musik.
Auch Frau von Erlbach ergab sich solchen Gedankengängen, iah ab und zu auf Vera mit der Mahnung. „Sitz gerade!" Robert grüßte zu den beiden Damen herauf Beneidet von ihrer Bekanntschaft, nickte Frau Renate liebenswürdig zurück.
Es war zu schade, daß der Herr Hartroth sich nicht mehr auf dem Gute hatte blicken lassen! Sicher war daran Edith schuld! Ihr freies Benehmen mußte ihn ja abschrecken!
Die Glocke des Stadtverordnetenvorstehers riß Frau Renate aus ihrem Sinnen Er sprach:
„Meine Damen und Herren! Sie alle wissen, welch' wichtiger Punkt heute auf der Tagesordnung steht. Der Heim
gegangene Stadtrat Hinnerk Hartroth hat unserer Vaterstadt hochherzig bedeutende Schenkungen überwiesen. Er vermachte der Stadt vierzigtausend Mark für die Armenkasse, vor allem das gesamte Grundstück Parkstraße 4."
Auf der Zuschauertribüne Bewegung,
„Der Magistrat hat die Schenkungen angenommen Bevor wir in die Debatte eintreten, gilt es, in Änwesenheii seines einzigen nächsten Verwandten, unseren allverehrten Stadtrat zu ehren und ihm zu danken. Sein Name rst mit goldenen Lettern in die Geschichte der Stadt Michelstedt ein- gegraben und wird unvergessen bleiben. Ich bitte, sich von den Sitzen zu erheben "
Alle standen auf; Ludewig schneuzte sich laut und gerührt in das weihevolle Schweigen
Die Annahme der Vermächtnisse erfolgte einstimmig.
Der Bürgermeister erhielt zunächst das Wort:
„Meine Damen und Herren! Wir können den Toren nicht besser ehren, seinen Namen nicht besser fortleben lassen, als wenn wir jenes Gebäude einem erhabenen Zwecke weihen. Mein Vorschlag fand, ganz im Sinne des Stifters, die Zustimmung des Magistrates . " (Unruhe im ganzen Hause.)
Der Redner blickte verwundert drein:
„. . . Wozu eigneten sich wohl die Flucht repräsentativer Räume besser, als dazu, daß wir aus dem ganzen Komplex ein einziges großes Museum für Altertumskunde, Gemälde und Kunstgegenstände schaffen?!"
Die Unruhe hatte sich verstärkt, als der Bürgermeister schloß. Der Stadtverordnete von Erlbach erhielt das Wort:
„Zu meinem größten Bedauern kann ich unserem hochverehrten Herrn Bürgermeister nicht beipflichten."
Der Redner fuhr fort:
„Die Verwendung des alten Schlosses, so schön der Plan an sich auch aussieht, ist nicht im Sinne unseres Heimgegangenen Kommerzienrates, der ein Mann produktiver Arbeit und Praxis war, (Sehr richtig!) Was in heutiger Zeit nottut, ist die Aufzucht tüchtiger Landwirte (links: Aha!), Darum schlägt meine Partei, auch in Rücksicht auf unseren großen Landkreis vor, die gesamten Gebäude zn einer idealen landwirtschaftlichen Schule auszugestalten "
Der Herr Major fand, außer bei seiner eigenen Parten keine Zustimmung.
Fortsetzung folgt.