Leite 8 Nr. 257

Ragolder Tagblatt »Der Gesellschafter

Lamstag, den 2. November 193»

Detttscäe* Akatts^*a«ettM^

Die deutsche Hausfrau arbeitet am meisten

Die Erfahrungen, die die NSV. bei ihrer Mütterverschickung gemacht hat. sprechen deutlich für die Ueberbeschäftigung der deutschen Hausfrau in vielen Fällen. Tatsächlich wird diese Erfahrung durch eine Statistik unterstützt, die eine mternationale Frauenorganisation zu­sammengestellt hat. Wer jemals geglaubt hat, die Arbeit der Hausfrau mit einer stoßen ..Beschäftigung" zu kennzeichnen, die sich aus der Stellung der Frau im Haus­halt ganz selbstverständlich ergebe, der wird eine vorgefaßte Meinung nach Einsicht in diese Statistik ändern müssen. Danach stellt ich nämlich heraus, daß die Hausfrau zum Unterschied von Angestellten und Arbeitern reine fest umrissene Arbeitszeit hat. sondern dem Haushalt und ihrer Familie in unbe- chränktem Maße zur Verfügung stehen muß, o daß sie für sich selbst kaum Zeit hat. Nach der Dauer der Arbeit gerechnet, ist die Haus­rau in allen Ländern dieSchwerst- irbeiterin".

Dies trifft besonders auf D e u t s ch l a n d nnd die Schweiz zu. wo die durchschnitt- iche wöchentliche Arbeitszeit der Hausfrau i 1 2 bis 118 Stunden beträgt; vom Achtstundentag ist also keine Rede. Die Statistik staffelt weiter: die tschechische Haus­rau arbeitet wöchentlich 105 bis 119 Stun­den, die Französin 92 bis 115, die Spanierin ?5 bis 118, die Italienerin 86 bis 100. die Polin 79 bis 91 Stunden. Erst jetzt kommt die amerikanische Hausfrau, deren wöchent­liche Arbeitszeit nur 63 Stunden beträgt.

Hierzu muß erklärt werden, daß das amerikanische Familienleben sich m ganz anderen Bahnen bewegt als sonst­wo auf der Erde. Die Hausfrau der Ver­einigten Staaten hat es in vieler Beziehung sehr viel leichter als ihre europäischen Schwestern. Zwar verfügt sie das war die Vorbedingung der Statistik ebenfalls nicht über eine Haushaltshilfe, aber die Rationalisierung der Wirtschaft geht in Amerika so weit, daß die Amerikanerin fast sämtliche Lebensmittel ins Haus gebracht bekommt. Es fällt bei ihr also die Zeit fort, die andere Hausfrauen zum Einkäufen be­nötigen. Das Kochen macht ihr auch weni­ger Schwierigkeiten, weil sich der Speise­zettel in hohem Maße aus Fleisch- und Ge­müsekonserven zusammensetzt. Außerdem ist der Haushalt in jeder Richtung hin tech­nisiert.

Erstaunlich ist auch die geringe Arbeits­zeit der Polin. Hier liegen die Dinge wieder ganz anders, denn die polnische Hausfrau kümmert sich in sehr vielen Fällen um alles Mögliche, nur nicht um ihren Halishalt. Es geht ihr der Sinn dafür ab. während nach der Statistik die deutsche und die Schweizer Hausfrau ihr schwieriges Amt mit wahrer Hingebung versehen. Wir dür­fen uns auch nach unseren tatsächlichen Er­fahrungen schmeicheln, daß diese Zahlen ihrer Bedeutung nach stimmen, und müssen nun in Zukunft fordern, daß die Arbeit der deutschen Hausfrau, einmal ins rechte Licht gestellt, stets die ihr gebührende Aner­kennung und Belohnung erfährt.

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Mo d e ist ein Begriff für reiche Leute, für Frauen, die nicht mit einem sehr beschei­den zugeschnittenen Geldbeutel aus die Suche gehen müssen und die nicht mit einem heim­lichen Seufzer bereits beim Kauf die Schnei­derkosten überrechnen . . .

Wer kennt sie nicht, diese Einwände und noch viele mehr. Man hört sie immer und immer wieder. !

Mode, das ist Tatsache, ist etwas, was nur die wenigsten unter uns mitmachen dürfen und wollen! Der deutschen Frau bleibt keiue Zeit, um über die Probleme einer Modedame nachzudenken. Und doch ist es des­halb lange noch nicht notwendig, rückständig zu sein. Auch für die einfache und einfachste Frau nicht.

Wie bei so vielen anderen Dingen im Leben gilt es auch hier, den goldenen Mittelweg zu ^ finden und einzuhalten. Nur nicht immer > gleich mit der Einwendung,daß Mode nur > für reiche Leute fei", kommen. Das war die ^ Ansicht einer Zeit, die hinter uns liegt.

Ein hübsches Kleid, ein guter Mantel usw. sind keine Privilegs einer Klasse, weil es letz­tere nicht mehr gibt. Tatsächlich aber gibt es welche unter uns, die an diesem alten Zopf festhaltcn.

Selbst eine sehr bescheidene Frau wird zu­geben, daß sie sich freut über ein neues Kleid, das sie gerne trägt, weil es eben hübsch ist und sie auch gut kleidet. Zudem hebt es das Selbstbewußte einer Frau, sie gibt sich ganz anders, als sonst.

Blatt um Blatt wendet sich, in den Mode­heften sind Modelle, Entwürfe und Anregun­gen in größter Auswahl. Entzückende Sachen und erschwinglich für jede von uns.

Sind auch die ganz großen Abendkleider. Jacken und alles, was dazu gehört, ein Kapi­tel für sich, wir brauchen deshalb diese Blät­ter nicht doppelt schnell umzuwenden. Im Gegenteil. Unerreichbares neidlos betrachten können, an schönen Sachen sich freuen, auch wenn man sie an andern sieht, ist eine große Kunst, die wir uns zu eigen machen sollten.

Zumal auch für uns irgend etwas da sein wird, was Freude macht. Die Farben des Herbstes sind sehr gediegen, dabei kleidsam

und elegant wirkend. Für den Praktischen Gebrauch die weichen Wollstoffe in den Farb­tönen Braun. Grün und die neuen Zwischen­farben.

Für den Wend aber oder für kleine Fest­lichkeiten. für den Besuch des Theaters aber den wunderschönen Taffet in den sehr wirk­sam gehaltenen Musterungen oder den viel­begehrten Cloque-Stoff. dem ich einen viel­leicht weniger interessant klingenden, dafür aber deutschen Namen wünschen möchte, wie für so viele Stoffe, die von uns sicherlich nicht weniger gekauft werden, wenn endlich eine einfache deutsche Bezeichnung gefunden wird. Hs.

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2kt»VocAe ÄttcAes" 27. OAtoöe* Lis LE Z. Pouenröer

An der Ausgabe der Städt. Kinderbücherei drängen sich die Buben und Mädchen und wollen ihre Bücher umgetauscht haben.

Wie hat es dir gefallen?" fragt die junge Bibliothekarin, wenn sie ein Buch zurückbe­kommt. und überraschend schnell und sicher ist die Antwort da:Fabelhaft, Fräulein! Kann ich noch so ein Jungenbuch haben?" Hauen die sich da drin?" will ein ande­rer wissen,Na. und ob!" gibt der erste Be­scheid.Dann ist es das Richtige für mich!" und schon hat das Buch seinen Besitzer ge­wechselt.

Ueberhaupt gehen die Jungen viel leich­ter aus sich heraus als die Mädchen. Sie gucken sich gegenseitig über die Schultern, geben sich fachmännische Ratschläge und suchen gemeinsam das nächste Buch aus. Sie können bei dem Anblick eines schon bekann­ten Buches ebenso begeistert in ein Lob ausbrechen wie geringschätzig mit den Achseln zucken. Als ein Kamerad sein Leseheft, in das die Kinder die entliehenen Bücher sel­ber mit sauberer Schrift eintragen müssen, zurückgibt, weil er nicht mehr weiter lesen will, sind sich die andern Jungen ganz darin einig:Der ist ja doof!" Wie kann man nur diese lieb gewordene Gewohnheit wie­der aufgeben? Für sie ist das Buch schon ganz unentbehrlich geworden, und es ist nur gut, daß jede Leseratte nur fünf Bücher nn Monat bekommt.

Was lesen die Kinder außer Abenteuer­büchern und Reiseschriften, außer Tier­geschichten und lustigen Streichen?

Fräulein, was von der Schutztruppe!" begehrt ein Dreikäsehoch, und manchem kann man überhaupt nur mit Titeln wieFlie­ger am Feind" undJungens in Feldgrau" Eindruck machen. Natürlich ist auch die Literatur der allerjüngsten Zeit gefragt: Führer des Reichs".Aus Adolf Hitlers

Heimat".Herbert Norkus" heißen die Bü­cher. die dauernd im Umlauf sind.

Neben den Kerlchen, die sich vertrauensvoll nurwas Spannendes" oderwas Schönes" wünschen und der Bibliothekarin die Arbeit des Ausstichen? überlassen, gibt es Elfjährige, deren Lesehefte zwar die verschiedenartigsten Titel aufzählen, von Musäus' Märchen über Löns und Sven Hedin zu Adolf Hitler, die aber in der Auswahl der Bücher einen über­raschend guten Geschmack beweisen und viel reifer als ihre Jahre sind.

Bitte, eine Jndianergeschichte!" hört man. und zwar von einer Mädchenstimme. Dabei bekommt man zu erfahren, daß derLeder- strumpf",Robinson Crusoe" und dasLeben eines Kannibalen" von Mädchen ebenso ver­schlungen werden wie von ihren Kameraden. Die Aelteren gehen dann allerdings zu Speckmann über, zu Marie Hamsum und Dickens, und eine Vierzehnjährige fragt schon ganz anders:Liest sich Anzengruber bester als Ernst Zahn?"

So bildet sich, unter der sachverständigen und liebevollen Anleitung der Bibliothekarin, die Jugend heran. Sehr viel Verantwortung für das Weltbild der Kinder tragen auch die geschichtlichen Romane.Kampf um Rom", derWehrwolf". Gustav Freytag werden sehr gerne gelesen, aber wie es sich heraus­stellt, vorläufig nur wegen der spannenden Handlung, nicht wegen ihres historischen Wertes. Dennoch prägt sich den Kindern der geschichtliche Hintergrund unbewußt ein, und der erzieherische und bildende Einfluß dieser Bücher ist nicht zu leugnen.

Vielleicht sollte jede Mutter und jede Er­zieherin einmal eine Kinderbücherei besuchen, denn das Zuhören macht nicht nur Vergnü­gen, sondern ist auch sehr aufschlußreich für jedes einzelne kleine Persönchen, das sich hier seine Bücher aussucht.

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Bei uns ist ein Kuchenbrett kaputt; meine I Frau sagt, daß ich es heilmachen soll.Gut,"'

Wo ist der !" der

alten Schraubstelle eine neue vorbohren und dann die Schraube eindrehen. Währenddessen steht der Peter neben mir:O, Pappi, was is'n das für'n feines Ding?"Das ist ein Bohrer."

Was is'n Bohrer?"

Ein Ding zum Drehen," sage ich und mache eine erklärende Handbewegung dazu.Aha, zum Drehen!" sagt der Peter, und da ich gerade ar­beite, höre ick ein Wasserrauschen. Der Bub hat die Leitung aufgedreht und fragt:Is'n das nu 'n Bohrer?"

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Kei sllen ^rbeitso. Ms suk dem t,snde Vorkommen, Veiten die 1,»iidjÄtirm3de! der ksuerskrsu u. lernen »o suk die nstürlickste ^rt, nLmlicd durcd 5Iit- srdeit, das I-rrnd leben nickt nur kennen, sondern »ncd I»«4>eo.

Nein, das ist ein Wasserhahn," sage ich.

Was is'n das, ein Wasserhahn? Hähne machen doch Kikeriki?! Und das tut hier der Hahn nicht!" verwundert Peter sich.Aber das hier ist ja auch kein richtiger Hahn," be­lehre ich ihn, und er fragt:Was is'n denn ein richtiger Hahn?"Eben einer, der kräht," gebe ich zurück.Und der da kräht also nicht?" Nein, da kannst du soviel drehen wie du willst."

Fein, da WA ich mal feste drehen!" sagt er, und wieder braust das Wasser. Ich gebe ihm einen Klaps auf die Finger, worauf er sich erst die Hände ansieht und sich dann andauernd um seine AiUe dreht:Bin ich nu 'n Bohrer, Papi?"

<Dr. Seile - Eokler.l

Nein, aber ein Quälgeist. Marsch raus!" sage ich, um ruhig arbeiten zu können. Der Peter muß aber doch wieder in die Küche ge­schlichen fein, denn nun höre ich ihn fragen: Was tust du da?"

Nun, ich bohre."Was bohrst du, Papi?" Ich bohre Holz."

Man braucht nur drehen?"

Ja, wie du siehst." Dann ist's sehr still,, aber ich merke einen starken süßlichen Geruch, so, wie Gas riecht, und denke: da muß was nicht stimmen! Und wirklich, da stehen alle Gashähne auf, und der Peter fragt mich inter­essiert:Sind 'n das auch Bohrer?" Ich er­schrecke:Um Gottes willen, das sind doch die Gashähne! Das kann ja ein Unglück werden!" Was du nur hast," beschwert er sich maulend, und ich sage:Aber das sind doch eben falsche Hähne!"

Nun, wenn schon," sagte ich, denn ich will mich nicht länger aufhalten lassen.

Aber während ich bohre und schraube, und das Brett wieder aufhänge, steht der Bub immerzu staunend dabei, bis ich den Bohrer wieder fortlege:Kann man alles damit boh­ren?"So ziemlich, außer Eisen und Stein." Auch Braten?"Auch! Aber dazu ist der Bohrer nicht da."Braten und Kartoffeln und Türen und Stühle? Au, das ist fein!" Seine Augen leuchten.Na ja," sage ich kurz, denn mir fällt ein, daß ich noch einen Brief beenden muß.

Darüber wird dann eine lautlose Stille, bis ich plötzlich aus der Küche einen unartikulier­ten Schrei höre. Ich stürze erregt hin und sehe meine Frau, die soeben in die Küche zuruck- kehrte, rn Tränen.Was ist denn los?" rufe ich.O Gott, Paul, sieh' dir nur das Essen an! Und die Türen!" Das tue ich. Da bin auch ich entsetzt. Denn die Balkon- und Schranktür weisen lauter Bohrstellen auf. Und der Bohrer selbst steckt mitten in dem zerfetzten Rinder­braten!Dieser Lausebengel!" erzürne ich mich.Wo ist er?" Der Peter steht wie ein Unschuldslamm auf dem Balkon. Aber das hindert nicht, daß er etwas darauf bekommt. Und da der Bub nun sehr zäbm oreinschaut, sagt sie noch:Paul, du wolltest doch heute nachmittag in den Film. Geh, nimm den Peter mit!"Zur Belohnung Wohl?" frage ich. Der Peter nickt ernsthaft.Also gut," füge ich mich, und der Junge hat ein Freudengeheul.

Darauf sitzen wir um drei imUnion", wo ein spaßiger Film läuft: Zwei Männer machen immer alles verkehrt und geraten in eine groß­artige Prügelei. Wir haben einen schönen mittleren Platz und beste Aussicht, da eine Reihe vor uns ganz leer ist. Der Peter wiehert vor Vergnügen, und ich lache mehr über ihn als über den Film. Bis der Junge ungehalten wird. Denn nun hat sich gerade vor ihm ei« wahrer Menschenkoloß hingesetzt, der ihm jede Aussicht versperrt. Neben uns ist nichts frei, und so habe ich eine kleine philosophische An­wandlung: Wie oft glauben wir Aussicht z« haben oder zu bekommen, und dann setzt sich uns einfach jemand vor die Nase!

Ich tröste den Peter, gerate aber selbst so­sehr in die Filmkomik, daß ich eine Weile aus den Jungen gar nicht achte. Nur fällt mir dann jäh auf, daß der dicke Vordermann nervös hin und her zu rutschen beginnt, daß er irgend­wohin nach hinten faßt, sich erhebt, den Stuhl­sitz abtastet und weiter seitlich einen anderen Sitz nimmt . . .

Wo er dann wieder ruhiger sitzt und be­lustigt lächelt. Der Peter aber lacht unbändige lacht auch immerzu an einer Filmstelle, die ernst ist, so daß ich ihn frage:Was hast du? Warum lachst du denn so?" Da bückt er sich leise, hockt im Düster der Stuhlreihe, dreht und zieht da irgendwo irgendetwas heraus, das er mir in die Hand gibt.

Ich taste das Instrument behutsam ab: Aber das ist ja der Bohrer!" sage ich leise zum Peter. Da kneift er mich, zieht meinen Kopf zu sich nieder und flüstert mir kichernd ins Ohr:Papi, so'n Bohrer ist was Feines."

Und nun beginne ich zu verstehen . . .

HeLstesgeAetttträrilAe Art Li-re* Ae*titte* ArttMetMi»*

Eine 16jährige Landhelferin aus Berlin^ die bei einem Bauern in Rostock. Geh lsdors beschäftigt ist, hat durch eine wackere Tat den Bauern vor einem großen Schaden bewahrt. Der Knecht des Bauern fuhr an einem Nach­mittag von der verkehrten Seite in den Teich ein. Der Wasferwagen und die beiden Pferde sanken tief ins Master und drohten, langsam im Schlamme zu versinken. Da sprang die 16jährige Landhelferin beherzt in das Was­ser, tauchte, und zerschnitt die Stränge, sie daß die Pferde sich freimachen konnten und die schnell alarmierte Feuerwehr nur noch den Wagen zu heben brauchte.