Nr. 161

Lamstag, 13. Juli 1935

109. Jahrgang

esellsch alter

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WM Achihm der Hoim-M

kk. Berlin, 12. Juli.

Die große Rede des britischen Außen­ministers Sir Hoare findet in der Weltpresse eine geteilte Aufnahme. Ihre Beurteilung er­folgt je nach Einstellung, doch wird nicht be­stritten, daß sie in erster Linie darauf gerichtet war, die Zusammenarbeit mit Frankreich in der abessinischen Frage wieder herzustellen. So bezeichnetNews Chronicle" die Rede als äußerst taktvoll und als auffällig diploma­tisch. Sie könnte als ziemlich geschickter Versuch betrachtet werden, die Stresa-Front mit einer etwas veränderten Frontrichtung wiederher­zustellen.Daily Telegraph" hebt her­vor, daß die Erklärung Hoares offenbar die Ansichten eines einigen Kabinetts wieder­aegeben habe. Als Grundsatz der britischen Außenpolitik könne die unermüdliche Förde­rung des Friedens durch Vermittlung des Völkerbundes und durch die Methode der kollektiven Sicherheit" bezeichnet werden. Dies sei der/ Kern der Rede gewesen. Die bün­dige Zurückweisung des unheilvollen Gedankens einer Wirtschaftsblockade gegen Italien und die Anerkennung der Notwendigkeit einer ita­lienischen Ausdehnung könne viel dazu beitra­gen, die unvernünftige Erbitterung der italie­nischen Presse gegen Großbritannien zu be­schwichtigen. Großbritannien betrachte einen Krieg nicht als gerechtfertigt und glaube, daß Italien volle Genugtuung in Genf erhalten könne. Was die französische Oeffentlichkeit be­treffe, so sollte sie sich durch die freimütige Annahme des französischen Standpunktes, daß Westpakt, Ostpakt und Donaupakt gleichzeitig behandelt werden müßten, beruhigt füh­len. Das Blatt erklärt, es bestehe auch kein Wunsch auf britischer Seite, ein zweiseitiges Luftabkommen nach dem Vorbild des Flotten­abkommens mit Deutschland abzuschließen.

Für den PariserExcelsior" ist die Unterhausrede eine angenehme Ueber- raschung.Wenn die Rede," so schreibt das Blatt,Ausdruck eines dauerhaften Aktions- willens zugunsten einer kollektiven Organisie­rung des europäischen Friedens bedeute, scheint sie Mißverständnisse zu zerstreuen, die seit dem Abschluß des deutsch-englischen Abkommens die guten Beziehungen zwischen London, Rom und Paris beschatteten. Sir Samuel forderte Deutschland auf, seinen Beitrag zum Frieden zu bringen. Diesen Wunsch teilt Laval vor­behaltlos und mit ihm das darin einmütige französische Volk. Für Frankreich hängt aber diese so notwendige Politik der deutsch-franzö­sischen Annäherung davon ab, daß Deutschland Verpflichtungen zu kollektiver Sicherheit zu übernehmen bereit ist."Ere Nouvelle" hin­gegen bemerkt, England biete Frankreich schöne Worte, die mit den Taten der letzten Zeit nicht in Einklang gestanden hätten. Die nahe Zu­kunft werde beweisen, ob sich in der englischen Politik tatsächlich eine Aenderung vollzogen

habe. ^ ^

Nachdem der vollständige Wortlaut der eng­lischen Unterhauserklärung in Rom vorlieat, sind zuständige Stellen damit beschäftigt, ste einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Man will erst ihre Praktische Bedeutung genau abwägen, ehe man irgendwie amtlich Stellung nehmen will. Jedoch wird in politischen Krei­sen betont, daß die Rede im großen und ganzen eine günstigeAufnahme gefunden habe und eine gewisse Entspannung bedeute. Eindeutig ab­lehnend ist dagegen die Haltung der italieni­schen Mittagsblätter. In bisweilen drastischen Worten geben sie dem Mißvergnügen darüber Ausdruck, daß die Anerkennung des rtaliem- schen Expansionsrechts im englischen Unter­haus doch nur recht bedingt ausgesprochen worden sei.

Litauischer Terror über das Grab

Der Tod des memelländischen Lehrers Schirrmann

Tilsit, 12. Juli.

Die Begleitumstände anläßlich des Tode» des im Kownoer Zuchthaus verstorbenen

memelländischen Lehrers' Schirrmann aus Plicken (Kreis Memel) haben ge­radezu unerhörte Formen ange­nommen. Der litauische Kriegskommandant in Memel hat samt! ich eTodesanzei- gen und die Bekanntgabe des Be­gräbnisses sowie die Beileids­kundgebungen der Organisatio­nen und Vereine, denen der Verstor­bene angehört hat, durch Beschlag­nahmeder betreffenden Nummer > desM emeler Dampfboot" unter- ! drückt. Weiter ist der litauische Polizei- i Hilfskommissar Böekeszus in Plicken er- I schienen, wohin die Leiche inzwischen über- z geführt worden ist, und hat dem zustän- l digen Polizeiwachtmeister ver­boten, an dem Begräbnis teil- zunehmen. Ferner hat der jetzt in Plicken amtierende Lehrer Seigies es den Schülern derVolksschule Plicken, an der derVerstorbene angestellt war, verboten, an den Begräb­nisfeierlichkeiten teilzunehmen. Ten Umständen nach muß angenommen werden, daß das litauische Direktorium die Maßnahmen veranlaßt hat. Bemerkt sei noch, daß die aus Kowno mitgeteilte Todes­ursache (Blinddarm- und Bauchfellentzündung mit Vereiterung) sich bestätigt hat. Alle Um­stände lassen darauf schließen, daß Schirr­mann an der Verschleppung der Blinddarm- und Bauchfellent­zündung gestorben ist.

Mimregent Paul in Armin

Bukarest, 12. Juli.

Prinzregent Paul von Südslawien traf am Freitag um 11 Uhr in Sinais ein, wo er von König Carol, vom T h r o n r o l g e r g r o ß w o j w o d e n Mi­chael und sämtlichen Mitgliedern der Re­gierung mit Ministerpräsident Tata - rescu und Außenminister Titulescu an der Spitze begrüßt wurde. Nach dem Empfang versammelten sich die Mitglieder der Regierung im Salonwagen Titulescus. wo der Außenminister einen zweistündigen

Vortrag über die außenpolitische Lage hielt. Mittags gab König Carol auf Schloß Pe- lesch ein Essen. Hierauf fand eine Konfe­renz statt, an der König Carol, Prinzregent Paul, Ministerpräsident Tatarescu, Außen­minister Titulescu und Kriegsminister Ge­neral Paul Anghelescu teilnahmcn. Wie hier verlautet, verläßt Prinzregent Paul am Sonntag Sinaia. um sich nach Bledzu be­geben, wo er am Montag eine Zu kam- menkunft mit dem griechischen Kriegsministei Kondylis haben Wird, der aus Rom zurückkehrt.

Englische Zronttümpfer am Sonntag in Berlin

Die englische Frontkämpferabordnüng, be­stehend aus Major F. W. C. Fether - stone-Godleh, Oberst Ashwanden, Oberst G. Grosfield. Oberst A. D. Mur- rah, Hauptmann M. A. Hawes und Oberwachtmeister Eggleston, trifft am Sonntag zu ihrem Besuch in Deutschland um 16.21 Uhr am Bahnhof Friedrichstraße zu Berlin ein, wo sie von den Vertretern der deutschen Frontkämpfer empfangen werden. Ihr Aufenthalt in Deutschland ist mit 10 Tagen berechnet. Ham- bürg, München und Köln werden ebenfalls besucht werden. Am Montag mittag werden sie nach der Kranzniederlegung am Ehren­mal Unter den Linden von Botschafter von Ribbentrop willkommen ge­heißen werden..

Das deutsche Volk, vor allem die deutschen Frontkämpfer, begrüßen mit aufrichtiger Freude die Vertreter der englischen Front- kämpfer als Vertreter eines Volkes, mit dem es in Zukunft an der Herstellung des wah­ren Friedens auf der Grundlage gleichen Rechtes freundschaftlich zusammenzuärbeiten gewillt ist.

einer große«

Addis - Abeba. 12. Juli.

Der Kaiser wird am Montag vor dem Parlament eine große Rede über die innen» und außenpolitische Lage halten.

I« Mir Seiiise»-SWeki>Wb

Berlin, 12. Juli.

Vor dem Berliner Schnellschösfengericht wurde am Freitag der vierte Prozeß wegen Devisenschiebungen katholischer Ordensange­höriger durchgeführt. Angeklagt war der 51jährige Prokurator-Pater Ernst Vorage aus Köln, der innerhalb der deutschen Ordensprovinz der Lazaristen die Kasse zu betreuen und die Finanzgeschäfte zu erledigen hatte. Dieser Orden, der als Missionsverein der Vinzentiner e. V." und alsMissionsgesellschaft- der Vinzentiner G. m. b. H." firmierte, hatte auf Anraten des berüchtigten Dr. Hofius für den Rück- kauf der Anleiheobligationen aus Holland durch den Angeklagten 10 000 RM. nach Holland bringen lassen, vorsichtig, wie man schon ist, nach Erschleichung derGe- nehmigung.

Der fromme Pater bekannte sichzum größten Teil" schuldig. DasGeldwurde in der Aktentasche über die Grenze gebracht. Als Begründung gab der Pater an, daß der Orden damals Angst vor kommunistischen Unruhen gehabt hätte und einen Notgroschen in Holland fest­legen wollte. Der Vorsitzende verglich diese Handlungsweise mit der jüdischer Emigran­ten vom Schlage der Rotter, doch lägen hier zum Unterschiede von den Juden politische Motive vor.

In seinem Schlußwort betonte der Staats­anwalt, daß es eine Unwahrheit sei. wenn vom Auslande her immer wieder die Be­hauptung auftauche, man wolle den Klöstern die Zahlung ihrer Schulden verbieten. Der Angeklagte have sich darauf berufen, daß er

das Geld aus Furcht vor der kommunistischen Gefahr in Deutschland ins Ausland gebracht hätte. Das könnte man ihm zugutehalten, wenn er nicht noch bis weit in das Jahr 1934 kräftig weitergeschoben hätte, als doch von der kommunistischen Gefahr keine Rede mehr war. Der Staatsanwalt wandte sich dann scharf gegen den Mißbrauch des Or­denskleides. Dann teilte der Staatsanwalt mit:

Unsere Feststellungen haben ergeben, daß Ordensangehörige in Deutschland noch bis zum Mai ds. Js. kräftig weitergeschoben haben, obwohl seit dem März die deutschen Tageszeitungen Mitteilungen über die Devi­senschiebungen brachten. Bis zum Mai ds. Js. sind Patres mit einem Rucksack voll Geld über die Grenze gefahren. Briefe, die di« Verurteilten bekommen, lasten eindeutig er­kennen, daß in den beteiligten Ordensgesell­schaften die Abgeurteilten absolut als Mär- ihrer angesehen werden, während sie doch in Wirklichkeit nichts anderes sind als Verräter am Volksganzen!"

Dem Antrag des Staatsanwaltes ent­sprechend, wurde Pater Ernst Vorage wegen fortgesetzter Vergehen gegen die Devisenord­nung in vier Fällen zu einer Gesamt­strafe von zweieinhalb Jahren Zuchthausund40 000 NM. Geld- strafe verurteilt. Die bürger­lichen Ehrenrechte wurden ihm auf die Dauer von drei Jahren aberkannt. Die Einziehung des Betragesvon30000RM. wofür die Missionsgesellschaft der Vinzentiner hastet, wurde angeordnet.

Das Neueste in Kürze

In Berlin wurde beim 4. Devisenschieber- Prozeß gegen katholische Orden der Lazari» sten-Pater Ernst Vorage zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus und 40 000 RM. Geld­strafe verurteilt.

Die internationale Presse beschäftigt sich ausführlich mit der Rede des englischen Außenministers Sir Hoare.

In Baden wurden 45 Ortsgruppen d«S NSDFB. (Stahlhelm) wegen ausgesproche­ner Opposition gegen die NSDAP, aufgelöst «nd ihr Vermögen eingezogeu.

Revolver und Gewehre

Nur" zwei Lastwagen voll

Paris, 12. Juli

Tie Pariser Polizei hat am Freitag eine Haussuchung vorgenommen und Waffen be­schlagnahmt. Halbamtlich wird über de» Fall nur gemeldet, daß bei einem Altwaren­händler Gewehre beschlagnahmt worden seien. Nach demPetit Parisien" solle« 350 Gewehre beschlagnahmt worden sein. Ter 50 Jahre alte Händler behauptet, er treibe Waffenausfuhrhandel.

Es ist im Augenblick nicht sestzustellen, ob eine Darstellung des marxistischenPopu- laire", die sich auch auf eine Wafsenbeschlag- nahme bezieht, den gleichen Vorfall betrifft, oder einen zweiten Fall. Rach demPopu- laire" soll die Pariser Polizei zwei Last- wagenmitKistenvollRevolvern beschlagnahmt haben. Der eine Last­wagen habe seinen Inhalt im 10., der andere im 17. Bezirk abgeladen, wobei in beiden Fällen die Beschlagnahme erfolgt sei. Die Waffen seien für die Feyer- kreuzlerbestimmtgewesen. behaup­tet das Blatt.

Explosion in französischem A Voot

Paris, 12. Juli.

An Bord des französischen U-BooteS Espoir", das auf der Höhe von Toulon eine Uebungsfahrt unternahm, ereignete sich in einem Akkumulatoren-Raum eine Explo­sion. Ein Offizier und 6 Matrosen trugen zum Teil schwere Brandwunden davon. Die Verletzten wurden sofort nach Toulon in« Krankenhaus gebracht.

Der Kleine Mdenstein abgebrannt

pizendsricdt 6er 71 8. -Presse

Horgen, OA. Rottweil, 12. Juli. Am Freitag nachmittag gegen */-3 Uhr brach in dem Anwesen des Johann Martin Rapp auf dem Kleinen Wildenstein in der Mar­kung Horgen ein Brand aus, der sich von der Scheuer mit unheimlicher Geschwindigkeit auf das ganze Gebäude verbreitete und in­nerhalb kurzer Zeit alles in Asche legte. Der Besitzer war zur Zeit des Ausbruches des Brandes auf dem Feld, und so wurde das Unglück erst bemerkt, als schon die Hellen Flamme« zum Dach hinausschlugcn. Die Wehren der Umgebung waren alarmiert worden, konnten jedoch nicht in Tätigkeit treten, da kein Wasser in erreichbarer Nähe War, auch hatte der Brand in kürzester Zeit ein derartiges Ausmaß angenommen, daß eine Löscharbeit schon von vornherein aussichtslos gewesen wäre. Als Brandursache kommt Kurzschluß in Frage, was schon dadurch als bewiesen angesehen werden kann, daß zur Zeit des Brandausbruches in einem Rachbargebäude ebenfalls Kurzschluß festgestellt werden konnte. Zwar ist der Be­sitzer versichert, und das Vieh gerettet, aber das Unglück ist doch furchtbar, wenn man darandenkt, daß die schwere Erntearbeit des Bauern nunmehr umsonst ist, und neben dem Mobiliar andere Werte verbrannt sind, die nicht mehr zu ersetzen sind.