Nr. 150
Montag, 1. Juli 1935
109. Jahrgang
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Der französische Widerstand
gegen die praktische Friedensarbeit
Bilanz der Eden-Reise in den englischen und französischen Blättern
London, 30. Juni.
Nachdem Eden der englischen Regierung über seine Besuche in Paris und Rom berichtet hat, wurde die internationale Luge von der Londoner Morgenpresse am Samstag lebhaft erörtert, wobei die englisch-fM- zösischen Beziehungen und die abessinische Streitfrage die Hauptrolle spielen. ,.T imes" melden in Wiederholung von Eedanken- gängen, die am Freitag schon der Pariser Berichterstatter des Blattes vorgetragen hat: Wie verlautet, ist die britische Regierung der Ansicht, daß im allgemeinen die Verhandlungen über alle Punkte des Londoner Protokolls vom 3. Februar vorwärtsgetrieben werden sollen, wie Luftpakt, Ostpakt, Touaupakt und Nüstungsbegrenzungen. Im allgemeineil glaubt man, daß die Initiative vielleicht am besten von jeder Macht - in Nebcreinstimmung mit den anderen Mächten — in der Angelegenheit ergriffen wird, an der sie am meisten interessiert ist. Die britische Negierung könnte z. B. an dem Lust- abkommen arbeiten, selbstverständlich mit allen anderen Locarno-Mächten, die französische Negierung am Ost-Sicherheitspakl und die italienische Regierung am Tonau- pakt. Die wichtigste Frage von allen, dic Begrenzung der Rüstungen, lasse sich am leichtesten regeln, wenn ein erhöhtes Sicherheits- gefühl Vorhände sei. das, wie man vernünftigerweise hoffen könne, durch den erfolgreichen Abschluß von Pakten geschaffen werden dürfte.
Ter diplomatische Mitarbeiter des „Daily Telegraph" schreibt: Die amtliche Meinung in Frankreich hält ohne Verlegenheit daran fest, daß Frankreich in dem abessimsch-ita- lienischen Streitfall sich streng neutral verhalten müsse. Laval selbst ist sich der unangenehmen Wirklichkeit der Lage voll bewußt. Der Berichterstatter ist der Ansicht, daß, wenn weitere Verhandlungen mit Deutschland über verschiedene europäische Fragen eröffnet werden sollten, ein Zeitabschnitt ernster Beanspruchung für die englisch-französischen Beziehungen kommen werde.
Der Leitartikel der „Morning Post" reitet eine scharfe Attacke gegen das deutsch- englische Flottenabkommen und wirft iu ge- radezu leidenschaftlichen Tönen der englischen Politik Wankelmütigkeit und Unbeständigkeit vor. Der diplomatische Mitarbeiter der „T-ailh Mail" meldet, es würde jede Anstrengung geinacht, um zu einer Verständigung mit Frankreich über die besten LösungS- mvglichkeiten für die europäischen Fragen zu kommen. Tie britischen Minister seien jedoch immer noch der Ansicht, daß die Methode. die bei dem Abschluß des deutsch-en,- lischen Flottenabkommens angewandt nid durch die Zeit und Arbeit erspart worden ft. die b e st e fei. Wenn Frankreich der getrennten Verhandlung eines Luftpaktes u- stimmen sollte, dann nur unter der Bedingung, daß er nicht in Kraft treten solle, ins eine Vereinbarung über die anderen Prüfte
— Landrüstungen. Ostpakt und Tonaulakt
— erzielt sei. Das englische Kabinett weide in der nächsten Woche besprechen, welche vetteren Vorschläge gemacht werden können, um den französischen Forderungen entgezen- zukommen.
Die französische Presse benäht sich, nach dem enttäuschenden zweiten Gen- Besuch in Paris die Richtung zu finden, die auf das geplante französisch-englische Kompromiß über die zu verfolgende Methode zur 3ege- lung der in der Londoner Februar-Erklärung angeführten Probleme hinführt. Bemerkenswert ist, was die über die Absichten des französischen 'Außenministeriums gewöhnlich ausgezeichnet unterrichtete Mitarbeiterin des „Oeuvre" ausführt. Es bestehe kein Zweifel, so schreibt sie, daß sich seit einigen Lagen am Quai d'Orsay eine leichte Entwicklung in den diplomatischen Methoden zeige, die nach den Erklärungen von London und Streß angewandt werden sollten. Man gliube nämlich, daß der Ouai d'O rsatsich vielleicht nicht weigern würde, ein Abkommen über eine derkin-
zelfragen des europäischen Problems zu unterzeichnen unter der s e l b st v c r st ä n dl i ch e n Bedingung, daß die drei anderen Fragen aus d e m s i ch c r e n W e g e einer Lösung ! seien. Für den Augenblick aber könne man ! feststellen, daß der Ouai d'Orsay vorher jedoch eine Geste Deutschlands für die grundsätzliche Annahme wenigstens der französischen Note über den Oftpakt erwarte. Der Hauptpunkt für Frankreich und für ganz Europa sei die Frage der Begrenzung der Landrüstungen. Man müsse eingestehen, daß die französischen Diplomaten, wohin auch ihr Blick sich wende, nach dem Abschluß des deutsch-englischen Flottenabkommens nur große Schwierigkeiten sehen. Selbst nach einer grundsätzlichen Annahme des Ostpaktplanes durch Deutschland könne es zum Beispiel Verwicklungen geben, wenn Polen sich der Teilnahme der Tschechoslowakei widersetzc oder wenn Deutschland eine Regelung der Memelsrage verlange. Noch mehr Schwierigkeiten tauchten auf, wenn man an den Balkanpakt denke. Die letzte Regierungskrise in Jugoslawien habe die Versöhnung zwischen Italien und Jugoslawien hinausgezögert, ebenso wie : die so sehr erwartete diplomatische Anerken- j nung zwischen Belgrad und Moskau, i Man könne hoffen, wie von gewisser Seite verlaute, baß die zwischen Paris ftrib Rom ! geführten militärischen Besprechungen eine i Annäherung zwischen Jkalien und der Klei- ! neu Entente erleichtern könnten. Denn es I sei anzunehmen, daß Frankreich gegenüber j Italien keinerlei Verpflichtungen eingehen I werde, wenn Italien sich nicht seinerseits : gegenüber der Kleinenn Entente verpflichte.
! Andererseits könne der bevor st ehende ^ Abschluß des rumänisch-sowjet- ! russischen Paktes die Herbeiführung i der Anerkennung Söwjetruß- ilands durch Jugoslawien erleich- ! tern. Auch der Abschluß eines Donaupaktes ! bleibe ebenso problematisch wie sernliegend. i nachdem bezüglich dieses Paktes derart viele verschiedene Vorschläge in den letzten Mona- ten aufgetaucht seien, daß man sich ihrer kaum noch erinnern könnte. Schließlich be- stehe auch noch die Möglichkeit eines italie- nisch-abessinischen Krieges. Frankreich jedenfalls könne sein Programm und die von ihm seit 15 Jahren betriebene Politik nicht plötzlich verleugnen. Deshalb könne es nichts unternehmen, was in Widerspruch zu den Interessen seiner alten und neuen Verbünde.
> ten stehe.
! Im „Echo de Paris" versucht Pertinax ! das Bild einer „Hitler-Offensive gegen die I friedlichen Völker" zu entwerfen.
Frankreichs Parlament
in die Ferien geschickt
Nachtfitzung der Kammer — Erklärung Lavals Gesetz über Militärzusatzkredite zurückgeftellk
Paris, 29. Juni.
Kammer und Senat sind heute früh vier Uhr in die Ferien gegangen. In der Nachtsitzung wurde von der Kammer noch eine Reihe von Gesetzentwürfen verabschiedet. Außerdem erfolgte eine Aussprache über die staatlichen Zuschüsse für die Schiffsgesellschaft Compagnie Gsnörale Transatlantique in Höhe von jährlich 50 bis 150 Millionen. Während von der einen Seite auf den Erfolg der „Normandie" hingewiesen wurde, unterzog man auf der anderen Seite die Geschästsleitung der Gesellschaft einer Kritik. Man behauptete, daß die Baukosten der „Normandie", die 600 Millionen Frank betragen sollten, bei weitem überschritten worden seien.
Ministerprüsidem Laval erklärte noch in später Nachtstunde, daß die Regierung die Mililärzusatzkreditvorlage nicht etwa zurückziehe, sondern nur auf ihre dringliche Beratung verzichte, da ihr zeitlich nicht die Möglichkeit gegeben sei. sie noch im Laufe der Nacht im Senat durchzubringen. Die Sicherheit Frankreichs werde hierdurch nicht
beeinträchtigt da die Regierung auf Grund des Ermächtigungsgesetzes und eines Gesetzes von 1929 alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen könne. Die Regierung besitze die Handlungsvollmacht, für Landesverteidigungszwecke aus eigener Initiative heraus Ausgaben einzusetzen, die erst nachträglich der Genehmigung des Parlaments unterliegen.
Anschließend gab Laval die erwartete innerpolitische Erklärung ab. Er wies daraus hin, daß die Regierung eine große Ausgabe zu erfüllen habe. Sie werde alles tun, ihre besonders schwierige Pflicht zu erfüllen. Aber sie habe das Recht, hierbei auf die Unterstützung aller Franzosen zu zählen. Kürzlich hätten sich Kundgebungen ereignet, die den Eindruck erwecken konnten, daß die bestehenden Einrichtungen bedroht seien. Die Negierung werde ohne Schwäche die Achtung vor Gesetzen allen gegenüber durchsetzen. Die Demokratie könne nur durch Autorität verteidigt werden.
Die Regierung werde nach außen eine' Politik der Verständigung und der Versöhnung betreiben. Sie werde die Achtung der Rechte Frankreichs gewährleisten und den Frieden durch die kollektive Organisierung der Sicherheit festigen. Die Regierung-werde für das Wohl des Landes
arbeiten. Das Land täuschen, hieße an ihm Verrat üben! Es habe ein Recht auf Wahr- heit und sei auch bereit, diese Wahrheit, so ernst sie auch sein mag, zu ehren. Die Regie, rung fordere daher von der Kammer, dem Lande diese Wahrheit zu sagen, wie die Regierung dies selbst tun werde. Opfer seien die notwendige Vorbedingung und die Bürgschaft für das Wohl des Landes.
Ministerpräsident Laval verlas darauf um 4 Uhr morgens in der Kammer das Schlußdekret.
Reichs- und sauleitertagung
München, 29. Juni.
Am Freitag vormittag 10 Uhr fand im Großen Sitzungssaal des Münchner Rathauses unter dem Vorsitz des Reichsorganisationsleiters Tr. Len und m Anwesenheit mehrerer Reichsleiter eine Tagung der Gauleiter der NSDAP, statt. In seiner einleitenden Ansprache machte Dr. Ley Mitteilungen über die Organisation und Durchführung des Reichs- varteitages. die ihm vom Führer über- rragen worden ist. Das Programm des Reichsparteitages, das in seinen Grundzügen mit dem Führer durchbesprochen und sestgelegt wurde, wurde erörtert und mit-
L20V00 Braunhemden marschieren
in der Reichshanptstadt
Berliner Gautaq der NSDAP. — Berlin, 30. Juni.
Am Samstag und Sonntag fand in der Neichshauptstadt der Gautag des Gaues Groß-Berlin der NSDAP, statt. Der Gauleiter, Neichsminister Dr. Goebbels, hatte den Gautag mit einem Begrüßungstelegramm an den Führer eingeleitet, aus das der Führer herzlichst dankte.
Samstag nachmittag stand ganz Berlin im Zeichen der Braunhemden. Im Sportpalast waren 14 000 Mitarbeiter der Berliner Bewegung angetreten, die Dr. Goebbels mit jubelnden Heil-Rufen empfingen. Nach der Eröffnung durch den stellv. Gauleiter Görlitzer überbrachte Reichsorga- nisationslciter Tr. Ley die Grütze der Reichslcitnng: der Hauptamtsleiter der NSB.. H i l g e n f e l d t, sprach über das Winterhilfswerk in Berlin. Dann ergriff Dr. Goebbels das Wort, wobei er u. a. aus» führte:
Tie Sehnsucht eines Horst Wessel ist Wahrheit geworden: Hitlers Fahnen über allen Straßen! Ter Staat ist von den Nationalsozialisten erobert worden, und niemand anderem gebühre der Dank dafür, als den alten Gardisten der Bewegung. Sich heute zum Staat zu bekennen, ist sä nicht schwer, und wenn man nach der Tonstärke des Bekenntnisses gehen wollte, könnte man manchmal die Alten für die Jungen und die Jungen für die Alten halten. Wir erinnern uns aber der Zeiten, wo man uns als Staatsfeinde und Hochverräter, als Hetzer und Ket. zer bezeichnet hat. Damals sind nur wenige an unsere Seite getreten. Diese Leuts kamen erst, als die Gefahr vorbei war. Weil sie wissen, daß ihr Verhalten alles andere als rühmlich war, möchten sie, daß die national- sozialistische Geschichte erst mit ihrem Eintritt in die Partei ihren Anfang nehme.
Uns kann auch das Sabotagegeschrei von kleinen Kritikastern und Meckerern, die uns dauernd zwischen den Beinen hcrunckaufen, nicht stören. Wenn diese Leute glauben, daß sie auf diese Art unserem Staat etwas an- haben könnten, so können wir ihnen nur antworten: Da seid ihr Anfänger, denn ans dem Gebiet sind wir Fachmänner! Es gib! stcute noch Leute, die mit lautem Geschrei vertu -Sm, daß es in Deutschland viel zu langsam gmge. Es kommt aber alles so, wie es kommen muß. Unsere Ideen sind dabei unerschütterlich. Was wir tun, vollsteht sich in einem mit unheimlicher Sicherheit sich abspielenden Verlauf, und es brauche uns niemand zu glauben, daß wir nach dieser oder jener Richtung etwas vergäßen. „Deutschland," so schloß der Gauleiter Rcichsminister Dr. Goebbels seine Rede, „steht im Aufbau! Sein Volk ist nichpohne Sorgen,
Zwei Reden von Dr. Goebbels
aber es hat wieder Lebensmut. Wir haben ihm diesen Optimismus zurückgegeben. Ucker dem Reich hält der Führer die Wacht und hinter ihm steht die neue Nation! -
Indessen waren in endlosen Kolonnen Zehntausende auf dem Tempelhofer Feld aufmarschiert. Jubelnd wurde Gauleiter Dr. Goebbels begrüßt, als er vom Sportpalast kommend auf dem Aufmarschgelände erschien; dieser Jubel brach immer wieder los, wenn Dr. Goebbels in seiner Rede mit beißender Satire und Ironie Abrechnung hielt mit den Gegnern des Nationalsozialismus, wobei er u. a. ausführte:
Wir haben die Stadt Berlin wieder deutsch gemacht, sie den Klauen des Internationalismus entrissen und wieder in die Front der Nation hineingestellt. Wenn wir heute Berlin sehen, fuhr Dr. Goebbels nach einem Dank an die alte Garde fort, in dem überall die Fahnen unserer Bewegung wehen, dann können wir erst den gewaltigen Sieg ermessen, den wir erkämpft haben. Uns gehört der Staat. Er ist von dieser Bewegung erobert worden und nicht von Unberufenen, die sich heute zu seinen Wortführern machen möchten.
Manche glauben, wir sähen es nicht, wie heute auf allen Straßen das Judentum versucht, sich wieder breit Zu machen und wie bürgerliche Intellektuelle sich wiederum anschicken, ihnen Hilfsbrüderschaft zu leisten. Der Jude hat sich gefälligst den Gesetzen trer Gastfreundschaft an- zubequemen und nicht so zu tun, als wäre er unseresgleichen!
Für die Haarspaltereien auf dem Boden der Kirche hat das Volk kein Verständnis. Wir haben unser Christentum nicht nur mit Worten, sondern auch mit der Tat bewiesen. Wir haben die Hungernden gespeist, die Durstigen getränkt und den Obdachlosen ein Zuhause gegeben. (Beifall.)
Wir sind stolz und glücklich, daß uns durch die Entschlossenheit des "Führers eine stolze Armee wiedergegeben ist. Wir wollen den Frieden, wir wollen niemand bedrohen, aber wir lasten uns auch von niemand bedrohen. Die Armrx und die Partei sind die Säulen, auf denen der deutsche Staat ruht.
Dr. Goebbels schloß mit einer Huldigung an den Führer. Dann folgte der Vorbeimarsch der 120 000 vor dem Berliner Gauleiter: Ehrenabteilungen des Reichsheercs, der Reichsluftwaffe und des Feldjägerkorps, die Fahnenkompanie, die endlosen Kolonnen der SA., 8000 Männer des NSKK. mit 82 Standern, der Arbeitsdienst mit geschultertem Spaten. 10 000 PO.-Männer, HI., JV., BdM., DAF. und schließlich SS. Stundenland dauerte der Vorbeimarsch.