Donnerstag, 14. Juni 1934
108. Jahrgang
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Großer Empfang des Reichsministers Dr. Goebbels in Warschau
Dir Polnische Hauptstadt stand Mittwoch im Zeichen vcZ Besuches des deutschen RcichSPropagandaministers Dr. Goebbels, der mittag mit dem Flugzeug „Ge- neralseldmarschall von Hindenburg" auf Umladung der Jntelettuellen-Union in Begleitung des steil». Pressechefs der Reichs- regierung, Ministerialrates Tr. Ja hucke, des Führers des Reichsverbandes der Deutschen Presse. Gruppenführer W eiß u. a. von Berlin nach Warschau geflogen ist.
Mc Ä.-Künfi in Warschau
. Nach etwa dreistündigem Flug ist Dr. Goebbels auf dem Warschauer Flughafen gelandet, wo er vom deutschen Gesandten von M oltke. Vertretern der polnischen Negierung und der Warschauer Behörden begrüßt wurde.
Dr. Goebbels hat in der deutschen Gesandtschaft Wohnung genommen. Die Straße, in der die deutsche Gesandtschaft sich befindet, ist das Ziel vieler Neugieriger, die den deutschen Minister sehen wollen.
Der mit größter Spannung hier erwartete Vortrag des Reichsministers Dr. Goebbels im Saal des Warschauer Bürgerklubs begann einige Minuten nach 18 Uhr. Schon kurz vor 17 Uhr trafen die geladenen Gäste ein. Um 17.30 Uhr war der Saal bereits überfüllt.
Reichspropagandaminister Dr. Goebbels traf kurz nach 18 Uhr ein. In seiner Begleitung befanden sich Ministerpräsident Kolowski, Außenminister Dr. Beck, Lizeaußenminister Szein deck, der deutsche Gesandte von Moltke, der Vorsitzende der Jntelektuellen-Union, Pros. Zieliski, als Gastgeber.
Unter den zahlreichen Gästen sah man Innenminister Pieracki, hervorragende Vertreter des Negierungsblocks vom Sejm und Senat mit Oberst Slawek an der Spitze. Außerdem sah man fast sämtliche Botschafter mit Ausnahme des sowjetrussischen, alle Gesandten mit ihren Beamten und Militärattaches. Die deutsche Gesandtschaft war vollzählig erschienen.
Vor dem Gebäude des Bürgerklubs hatte sich eine große Menschenmenge angesammelt: die Zufahrtsstraßen zum Gebäude waren mit Automobilen besetzt. Ein besonderes Polizeiaufgebot mußte für Ordnung sorgen. Der Saal selbst war mit der polnischen Nationalflagge und den beiden Fahnen des Reiches geschmückt. An der der Eingangstür gegenüberliegenden Seite hatten eine große Anzahl von Photographen Aufstellung genommen.
Kurz nachdem Dr. Goebbels mit den Herren seiner Begleitung Platz genommen hatte, erhob sich Prof. Zielinski und richtete an die Anwesenden einige Worte in polnischer Sprache. Er wies auf den Zweck der Reise des Reichspropagandaministers hin. den er als einen der hervorragendsten Vertreter des- neuen Deutschlands bezeichnte. Sodann richtete Prof Zielinski an Tr. Goebbels persönlich einige Worte in deutscher Sprache und schilderte das allgemeine große Interesse, das der Besuch des Ministers in Warschau ausgelöst habe. Es seien ihm eine ungeheure Anzahl von Briefen und Telegramme zugegangen. in denen er um Einlaßkarten gebeten wurde. Mit Rücksicht aus den bestehenden Raummangel habe er jedoch Tausende von Bittstellern zurückweisen müssen. Pros Zielinski, dessen Ausführungen mit starkem Beifall begleitet wurden, bat sodann Dr. Goebbels, das Wort zu ergreifen. Als der Reichs- Minister das Rednerpult betrat, steigerte sich ber Beifall zu einer wahren Huldigung. Nnter allgemeiner Spannung begann Dr. Goebbels dann seine Rede.
Die Rede Dr. Goebbels
In seiner Rede führte Dr. Goebbels n. a. aus:
Es ist nicht leicht, das politische Phänomen des Nationalsozialismus. dem Deutschland seine neue Gestalt
verdankt, vor einem Kreise ausländischer Zuhörer ersckwpfend darzulegen. Wenn ich trotzdem den Versuch dazu unternehme, so aus dem Bewußtsein heraus, daß ohne Kenntnis nationalsozialistischer Anschauungsweise das moderne Deutschland nicht verstanden werden kann.
Der Nalionastvzialismus Hot nur innerdeutsche Aufgaben
Auf den Nationalsozialismus paßt das Wort, das Mussolini einmal vom Faschismus gesagt ha', ..Er ist keine Export, wäre". Er hat lediglich innerdeutsche Aufgaben zu erfülle n. Soweit das Reich außenpolitische Beziehungen anknüpfen oder Weltinteressen zu vertreten hat. tut es das wie jeder andere Staat als Nation, die ihr LebenZrecht verficht. Daneben gibt es keine Außenpolitik, die der Nationalsozialismus als Idee betreibt.
Mit Vertrauen und fester Zuversicht schaut das deutsche Volk heute in seine Zukunft. Das wirkt sich auch, selbst sür das Auge des flüchtigen Beobachters sichtbar, auf dem Gebiete der Wirtschaft aus. Tie Nation hat sich in nüchterner Entschlossenheit an ihre Arbeit gemacht. Die Illusion, daß. wo die Not am größten, auch die Hilfe am nächsten sei, ist der Ueberzeugung gewichen, daß Deutschlands Schicksal nur in seinem eigenen Lebens- und Gestaltungswillen liegt.
Der Minister fuhr dann fort, daß die Welt allen Grund habe, sich ehrlich und unvoreingenommen mit der neuartigen Erscheinungsform der Staatsgestaltung auseinanderzusetzen, die keine andere Absicht verfolge, als Deutschland mit eigenen Mitteln aus der Krise zu lösen nnd damit die Gesamtsorgen der Welt zu entlasten.
Der Minister beschäftige sich anschließend mit der
Iudenfrage.
Man vergegenwärtige sich, so erklärte er, daß vor unserer Machtübernahme die Juden in Deutschland das ganze geistige Leben maßgeblich beeinflußten, daß sie über den Großteil des im Lande investierten mobilen nnd immobilen Kapitals verfügten, daß sie Presse, Literatur, Bühne und Film absolut und uneingeschränkt in der Hand hatten, daß sie in großen Städten, wie beispielsweise Berlin, manchmal 75 Proz. des gesamten Aerzte- und Juristenstandes stellten, daß sie durch übermäßige Zinssorderungen die Landwirtschaft an den Rand des Ruins brachten, daß sie die öffentliche Meinung machten, die Börse maßgeblich beeinflußten, das Parlament und seine Parteien unter ihrer Obhut hatten, dabei nur 0,9. Prozent der Bevölkerung waren, und man wird verstehen, daß die Gegenwehr dagegen geradezu zwangsläufig war. ^
Auch in bezug ans das jüdische Problem haben wir die Wahrheit nicht zu scheuen. Wir möchten aber wünschen und hoffen, daß der ehrliche Kampf um die Wahrheit nicht von vornherein vergiftet wird durch Greuelmärchen und manchmal fast grotesk anmutende Emigrantenlügen, die einer objektiven Prüfung nicht im mindesten Stand zu halten vermögen.
In dieses Gebiet gehört auch die Unterstellung, der Nationalsozialismus verfolge die Absicht, durch skrupellose Propaganda die Systeme anderer Völker zu unterhöhlen und ihnen Gefahr zu bringen. Wir sind in unserer praktischen Arbeit so sehr mit innerdeutschen Problemen beschäftigt, daß es uns an Zeit und Anlaß fehlt, über die Grenzen unseres eigenen Landes hinaus eine mehr oder weniger mystische Weltmission zu übernehmen. Wir haben als junge Deutsche Achtung vor jedem anderen Volk, das sich seinem Charakter und seinen Aufgaben gemäß im Inneren einrichtet. Wir respektieren seine Ehre und sein Selbstbewußtsein.
Der Nationalsozialismus hat keine internationale Sendung im aggressiven Sinn
zu erfüllen. Während der marxistische Kommunismus von der Absicht beseelt ist, anderen Völkern und Nationen seine Ideologie aufzuzwin- qen, um sie damit in den Prozeß einer inter
nationalen Wettrevoiution hineinzn ziehen, respektieren wir die Eigenart jedes Volkes nnd glauben, daß nur ans der Basis eines solchen Verständnisses eine dauerhafte europäische Zusammenarbeit gewährleistet werden kann. Damit ist auch unserer festen Ueberzeugung nach der Weltfrieden am besten gesichert. Wir jungen Deutschen sind von der Erkenntnis durchdrungen, daß es in Europa kein Problem gibt, das einen Krieg erforderlich machen könnte. Wir sind kein säbelrasselndes Eroberungsgeschlecht; wir halten es geradezu sür verbrecherisch, zu glauben, daß die Schäden des vergangenen Krieges, die durch fünfzehnjährige Fricdensarveit noch nicht beseitigt werden konnten, etwa durch einen neuen Krieg behoben werden müßten. Und wir besitzen auch den Mut, dieser ! Ueberzeugung vor unserem eigenen Volk nnd vor der Welt Ausdruck zu verleihen. Wir haben sie durch Worte nnd durch Taten untermauert. Unmöglich Scheinendes haben wir in dieser Beziehung schon möglich gemacht. Wir glauben aber nicht viel zu verlangen, wenn wir wünschen und hoffen, daß die Welt uns in diesem ehrlichen Bestreben zu verstehen versucht und uns dasselbe Maß von Achtung entgegenbringt, das wir ihr und ihren Sorgen zollen.
Die Verständigung mit Polen,
vvr dessen geschätzten Vertretern zu reden ich heute die Ehre habe, ist ein Beweis dafür, daß es Adolf Hitler und seiner Regierung ernst ist mit einer aus weite Sicht betriebenen Versöhnung der Völker und einer > Ueberbrücknng der Gegensätze, die Europa nahe an den Rand des Zusammenbruchs getrieben haben. Auch unser Austritt aus dem Völkerbund und das Verlassen der Abrüstungskonferenz stand zu dieser Bereitschaft nicht im Gegensatz. Verhandeln nnd arbeiten kann eine ehrliebende Nation nur mit Mächten, die ihr ihre Ehre lassen und den Stand gleicher Berechtigung e i n r ä u m e n. Die Ehre ist ein Faktor im internationalen Völkerleben, der nicht nach Belieben zu- und abgesprochen werden kann. Nnd es ist nur ein Beweis für die Aufrichtigkeit, mit der wir die Ehre und den nationalen Lebenswillen anderer Völker achten. wenn wir unsere Ehre und unseren nationalen Lebenswillen von anderen Völkern in gleicher Weise geachtet wissen wollen. Verdient ein Volk, das nach einem verlorenen Kriege und schwersten Erschütterungen moralischer, wirtschaftlicher und politischer Art sich wieder auf seine eigene Kraft besinnt, in einer Riesenanstrengung den Verfall aufzuhalten versucht, kein Opfer scheut, um seinen eigenen Haushalt in Ordnung zu bringen, und es dabei weder an Mut noch an Fleiß fehlen läßt, die Verachtung und die abweisende Kälte der übrigen Welt?
Muß nicht -vielmehr diese übrige Welt jeden Versuch begrüßen, der mit neuartigen Methoden an die Lösung der großen Zeitprobleme herangeht?
Die Welt wird die Antwort auf diese Fragen nicht schuldig bleiben dürfen. Deutschland wartete auf diese Antwort; und mit ihm warten alle Völker, die, der Phrase und des Zankes müde, von ihren Staats- männern mit Recht verlangen, daß dem so maßlos gequälten, aus tausend Wunden blutenden europäischen Erdteil endlich seine innere Ordnung und der von allen so heiß ersehnte Frieden zurückgegeben wird.
Was Deutschland betrifft, so ist es bereit, aus tiefster Ueberzeugung an diesem edlen Werke mitzuarbeitcn. Immer noch hält es seinen ehemaligen Feinden, von denen es nur wünschen kann, daß sie einmal seine Freunde werden mögen, die offene Hand entgegen.
Die Welt fragt voll banger Besorgnis: Wann wird in diese Hand e i n g e s ch l a g e n?
Neweismiftmhme lm Sorft'WMWw-eß
Berlin, 18. Juni.
Im Verlauf der Beweisaufnahme im neuen Horst-Wessel-Prozeß wurden die drei Brüder Jambrowski aus der Schutzhaft als Zeugen vorgeführt, die bereits im ersten Horst-Wesse Prozeß abgeurteilt worden
Der Führer in Venedig
Zusammenkunft mit Mussolini
Berlin. 13. Juni.
Nachdem es seit langem der Wunsch des italienischen Regierungschefs und des deutschen Reichskanzlers war, sich persönlich kennenzulernen und über die allgemeine politische Lage zu unterhalten, werden sich die beiden Staatsmänner heute, am 14, Juni, in Venedig treffen. _
IM Neueste in Kürze
Der Führer hat sich heute nach Venedig begeben, um sich mit Mussolini zu treffen.
Rcichsminister Dr. Göbbels sprach gestern in Warschau vor der Jntellektuellen-Union über „Das nationalsozialistische Deutschland als Faktor des europäischen Friedens".
Reichsleiter Rosenberg hat angeordnet, daß der Kampfbund für deutsche Kultur mit dem Reichsverband Deutsch« Bühne zu einer gemeinsamen Organisation „NS.-Kulturge- meinde" zusammengeschlossen wird.
Wirtschaftsminister Dr. Lehnich hat scharfe Maßnahmen gegen den Verein Württ. Kohlenhandlungen ergriffen, weil sich dieser weigerte, Sammelliefernngen an Arbeiter «nd Angestellte auszuführen. Der Vorsitzende des Vereins ist zurückgetreten.
Bei Potsdam ist ein Riesenwaldbrand ausgebrochen.
Die französischen Rüstungsausgabe« sind wesentlich erhöht worden.
waren. Deiss Zeuge Max JamvrowsN gtvk zu, nach der Mordtat im Lokal von Baer seine Genossen aufgefordert zu haben, den Mund über das Geschehene zu halten. „Einem Verräter werde es genau so ergehen, wie Horst Wessel." Im übrigen will dieser Zeuge nichts von dem Mordplan gewußt haben. Er verstieg sich sogar zu der Behauptung, er sei nur deshalb in die Wohnung Horst Wessels gegangen, um die Streit- frage in einer Auseinandersetzung zu klären, die zwischen Frau Salm und ihrem Mieter Horst Wessel bestehen sollte.
Vorsitzender: Und darum drangen fünfzehn Kommunisten abends um 10 Uhr in die Wohnung Horst Wessels ein?
Bezeichnend sind die Angaben des Angeklagten. die er über seine „Instruktionen" machte, die er von Rechtsanwalt Löwenthal von der Roten Hilfe im Untersuchungsgefängnis nach seiner Verhaftung erhielt. Löwenthal habe ihm geraten, die ganze Sache auf das unpolitische Gleis zu schieben. Er sollte sagen, daß zwischen Ali Höhler und Horst Wessel ein Streit wegen eines Mädchens entstanden sei, der zu der Tat führte. Der Zeuge bekundet weiter, daß lange Zeit nach der Tat der jetzt Angeklagte Epstein zu ihm gesagt habe: „Ich bin nur froh, daß man mich damals nicht verhaftet hat." Der Zeuge Willi Jambrowski bekundete, nach der Tat sei Ali Höhler mit dem Ruse heruntergestürzt: „Erledigt! Türmt!" Als der Zeuge seine weiteren Aussagen sehr zurückhaltend macht, weist ihn der Vorsitzende energisch darauf hin. daß es noch heute möglich sei, ihn wegen Begünstigung unter Anklage zu stellen, wenn er durch seine Aussage die Schuldigen decken wolle. Erst auf diesen deutlichen Hinweis bequemte sich der Angeklagte zu längeren Angaben,
Wie Horst Wessel erschossen wurde
Als sie in die Wohnung kamen, habe Frau Salm gewarnt: „Seht euch vor, sonst schießt er." Bevor dann Ali Höhler an Wessels Türe anklopfte, lief Frau Salm zur Tür und klingelte, um den Anschein zu erwecken, es käme Besuch. Als Horst Wessel die Türe öffnete, ries Ali Höhler: „Hände hoch!" und schoß. Hohler trat dann mit dem Fuß auf den am Boden Liegenden und sagte: „Du weißt doch, warum du das bekommen hastl" Tann liefen alle aus der Wohnung.
Ter nächste, der aus dem Zuchthaus vor- gesührte Kandulski, war Kurier der KPD. und ist der einzige, der erklärte, daß man nach seiner Ansicht „Mietstreitigkeiten" nicht um 10 Uhr abends regelt.