Sette S — Nr. 12S
Der Gesellschafter
Elsblilbc i« die KP S.-MserkliegMrbekeiiNWt>
Was der Torwart des Karl-Liebknecht-Hauses zu erzählen weist
kk. Berlin, 5. Juni.
-Der Prozeß gegen die Kommunisten, die wegen Mordes an den Berliner Polizeihauptleuten Anlauf und Lenk angeklagt sind, lüftet den Schleier, der um die unterirdische Tätigkeit der KPD. gewoben war. um ein ganz Beträchtliches. Schon der erste Tag hat, wie berichtet, gezeigt, daß in den Reihen der KPD. eine gewiß nicht unberechtigte Furcht vor der Feme der Partei bestand.
Die Dienstag begonnene Vernehmung des i'lsährigen Anaeklagten Friedrich B r ö d e, der durch die Aussagen der am Montag vernommenen Angeklagten stark belastet worden war, enthüllte sehr interessante Einzelheiten über die Bürgerkriegsvorbereitungen der Moskowiter. Bröde war nach dem Krieg der KPD. beigetreten und hatte 1924 beim Aus- Probieren eines neuen Sprengstoffes durch KPD.-Funktionäre ein Bein verloren. Seither war er Portier im Karl-Liebknecht-Haus in Berlin.
Dort erhielt er im Jahr 1929 den Auftrag, sieben Leute für eine Sondergruppe auszusuchen, die dann von einem KPD.- Funktionär namens Gutsche in Strategie und Taktik unterrichtet wurden. Dann übernahm Bröde den „Ordnerdienst" im Bezirk Nord, der bei Demonstrationszügen die Spitzengruppe zu bilden hatte. 1931 übernahm der Angeklagte die Verantwortung für die KPD.-Wasfenlager, die reichlich mit Maschinengewehren versehen waren und nahm an zahlreichen militärischen Uebungen in der Umgebung von Berlin teil, die von den „Ordnern" veranstaltet wurden. — Von der Tat selbst will Bröde nichts wißen.
Der Angeklagte Matern erklärt, Klause habe den schriftlichen Befehl für die Beseitigung Anlaufs an Ordnergruppen gegeben. Thunert, der dann vernommen wird, will in die Angelegenheit verwickelt worden sein, ohne die Tragweite seines Auftrags begriffen zu haben. Er habe Matern als seinen Vorgesetzten betrachtet, der ihm den Befehl zum Mitmachen mit folgenden Worten übermittelt habe: „M a x, da hast du eine Kanone." Matern habe ihm gesagt, daß er zur Deckung bestimmt sei und, falls die Polizei schießen sollte, er auch schießen müsse. Zu seinem Schrecken habe er Plötzlich aus kurzer Entfernung gesehen, wie die Hauptleute erschossen zu Boden sanken. Aus Angst, daß die Polizei bei ihm eine Waffe finden könnte, habe er seinen Revolver über einen Bauzaun geworfen. Er selbst sei in eine leere Wassertonne, die vor dem Zaun gestanden habe, gekrochen und habe den Deckel über sich gelegt. Mehrere Stunden habe er in dieser Tonne zugebracht und bemerkt, wie die Mordkommission gekommen sei. Die Beamten hätten seine Pistole gesunden und sich darüber unterhalten, wer wohl der Täter sein könne. Ein Beamter habe schließlich den Deckel von der Tonne gehoben und dabei sei er sestgenommen worden.
Mtstrom aus Wasserstoff
Umwälzende Atomzertrümmerung in Italien
Rom, 5. Juni.
Der Professor der Chemie Fermi hat gestern in der Königlichen Akademie von Lincei in Anwesenheit des Kömasvaares ein
neuartiges Experiment der Atomzer- trümirerung vorgeführt, durch das er ein neues radiumaktives Element durch Atomumwandlung gewonnen hat. Die Atomzertrümmerung ist in der modernen Chemie durchaus etwas L"'tägliches. Die Erfindung Professor Fermis ist insofern etwas Neuartiges, als er durch Zertrümmerung des Urans ein neues Element erhalten hat, von dem ein Gramm eine Energie von 60,005 Kilowattstunden enthalten soll. Das käme einer Wärmemenge von rund 52 Millionen Kalorien gleich. Da die Umwandlung eines Gramms Wasserstoff in Helium etwa 200 000 Kilowatt ergeben würde, wären schon 50 Kilogramm Wasserstoff ausreichend, um die 10 Milliarden Kilowattstunden elektrische Energie zu schaffen, die in Italien in einem Jahre verbraucht würden. Fermi hat den neuen Wasserstoff „Element 93" benannt.
Von nun an Kronprinzflraße 4
Die Landes stelle Württemberg des Neichsministeriums für Volksau fklä- rungund Propaganda teilt mit, daß ihre neue Adresse Stuttgart-^, Kronprinzstr. 4 (Fernsprecher 27 748) lautet.
Humor
Ein Fremder kam in der Festspielstadt an. fuhr mit einem Wagen ins Hotel und lieh den Kutscher durch den Portier bezahlen.
Der Portier brachte sogleich zehn Schilling auf die Rechnung, rief dem Hausdiener und übergab ihm neun für den Kutscher
Der Hausdiener händigte 8 dem Lohnburschen ein. Dieser rief dem Boy und reichte ihm sieben. Mit feierlicher Grandezza überbrachte der Boy dem wartenden Kutscher sechs.
„Was? Nun fünf Schilling?" brummte der Kutscher in seinen Bart, „wo viere Taxe sind?!"
In Bozen lernte ich ein junges Ehepaar kennen. Hochzeitsreisende aus Berlin.
In Venedig traf ich die beiden wieder, als sie gerade nach Rom abreisen wollten. „Gute Reise", rief ich, „je südlicher man kommt, desto Heister wird die Liebe."
„Au fein", lachten sie, „wir haben die Billetts bis Neapel."
In Tirol sagt man statt übersiedeln: plündern. Standen in Innsbruck zwei Packer auf der Straste und wischten sich den Schweif; von den Stirnen.
„Heist?" sagte ein durchreisender Berliner.
„Jo!" gab der eine der Männer zur Antwort, „mir hab'n grad a Dame plündert."
„Wat?" entsetzte sich der Spreeathener.
„A Frau hab'n mir auszog'n."
„Wa—?"
„Das war a blutige Arbeit!"
Da floh der Berliner.
Unterwegs
In einem Abteil hatte ein älteres Ehepaar die beiden Fensterplätze besetzt. Nach kurzer Fahrzeit fand folgender Dialog statt:
„Sitzt du bequem, Theobald?"
„Sehr bequem, Emilie."
„Spürst du keinen Achsenstost, Theobald?"
„Nein, Emilie".
„Zieht es dir auch nicht, Theobald?"
„Gar nicht, Emilie."
Emilie erhob sich. Wortlos tauschten sie die Plätze.
Im Laden
„E Päckle Kautabak!"
„Bedaure, führen wir nicht!"
„E schönes Delikatestgeschäft . . ."
Donnerstag, den 7. Inn! iwu
Ich bitte «m Auskunft.?.
Briefkasten des »Gesellschafters*
-Unter dieser Rubrik veröffentlichen wir die aus unserem Leserkreis an die Redaktion gerichteten Anfragen. Den Fragen ist jeweils die lebte Abonncmentsauittung beizuleaen. f-rner Rück»»?» falls briefliche Auskunft gewünscht wird. Die Beantwortung der Anfragen erfolgt teweils Samstaas' Für die erteilten Auskünfte übernimmt die Redaktion nur die vretzaWiche Bem,Uw"rtuna
Angestelltenversicherung. Die Wartezeit in der Angestelltenversicherung dauert 60 Monate. Sind weniger als 60 Beitragsmonate auf Grund der Versicherungs p f l i ch t nachgewiesen, so dauert die Wartezeit 120 Beitragsmonate. Ist die Wartezeit erfüllt, so hat die Ver- sicherte Anspruch auf Ruhegeld, sobald sie über 50 Prozent berufsunfähig ist. Im Gegensatz hierzu ist bei der Invalidenversicherung Voraussetzung für den Bezug von Rente eine Invalidität von 66V, Prozent.
R. R. Ein Gesuch um Einbürgerung haben Sie an das Oberamt zu richten. Sie haben damit Ihre Abstammung durch Geburtsurkunden und standesamtliche bezw. pfarramtliche Registerauszüge bis zu den Großeltern nachzuweisen. Voraussetzung für die Einbürgerung ist, daß Sie 1. nach den deutschen Gesetzen unbeschränkt geschäftsfähig sind, 2. daß Sie einen unbescholtenen Lebenswandel geführt haben (Leumundszeugnis), 3. daß Sie an dem Ort Ihrer Niederlassung eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden haben, und 4. daß Sie sich an diesem Ort mit Ihren Angehörigen zu ernähren imstande sind.
lieber die Kosten können wir Ihnen keine Auskunft geben, da diese von Fall zu Fall verschieden sind, jedoch werden deutschstämmige Gesuchsteller sehr entgegenkommend behandelt.
W. I. Wenn Sie zur Reichsmarine wollen, müssen Sie sich an die Schiffsstammdivision (Personalamt) der Nordsee in Wilhelmshaven oder an die Schiffsstammdivision (Personalamt) der Ostsee in Kiel wenden.
F. D. Für den Schaden, der auf Ihrem Grundstück entstanden ist, ist zunächst die Mutter der Kinder haftbar. Da es sich vermutlich um eine arme Frau handelt, würden wir Ihnen raten, nicht allzusehr auf dem Gesetz zu bestehen und auf gütlichem Wege mit ihr zu einem Vergleich zu kommen. Rechtlich gesehen ist die Sache so, daß auch der Bauer, der die Taglöhnerin beschäftigt hat, zur Verantwortung gezogen werden kann insofern, als er verpflichtet ist, nur zuverlässige Arbeiter einzustellen, und gegebenenfalls für den Schaden aufzukommen hat, den ungeeignete Arbeitskräfte verursachen. Um dies aber festzustellen, wäre eine umfangreiche Untersuchung nötig, daß wir Ihnen dringend raten, den Gerichtsweg nicht einzuschlagen. Sie würden mehr an Kosten dafür auslegen, als der Schaden wert ist.
G. A. Wenn Ihnen ein Handwerksmeister einen minderwertigen Arbeiter zur Durchführung einer bestellten Arbeit schickt, so können Sie natürlich verlangen, daß Ihnen die Stunden, die dieser mehr braucht, als ein tüchtiger Durchschnittsarbeiter in einem solchen Betriebe, nicht berechnet werden. Es wird allerdings sehr schwierig sein, den Nachweis zu führen, daß es sich bei dem zur Durchführung der Arbeit betrauten Arbeiter um eine Person gehandelt hat, die nicht imstande war, wenigstens Durchschnittsarbeit in einer normalen Zeit zu leisten. Allerdings ist für Sie die Lage dadurch etwas erleichtert, daß nach Ihren Angaben der Voranschlag um ein Drittel der Gesamtsumme überschritten worden ist. Wenn man auch nicht verlangen kann, daß der Voranschlag genau eingehalten wird, so dürfte doch eine Überschreitung um ein Drittel wesentlich zu
hoch sein. Es kommt dabei aber darauf an wie hoch der Gesamtbetrag des Voranschlags gewesen ist.
H. S. 1. Nach dem z. Zt. noch bestehenden Tarifvertrag für die Württ. Landwirtschaft gel- ten folgende Kündigungsbestimmungen:
für Arbeitnehmer die im Stunden- oder Tagelohn beschäftigt sind, im Laufe des Tages mit Wirkung auf den Schluß des folgende» Tages;
für Wochenlöhner spätestens am ersten Werk- tag der Woche auf Wochenende;
für Monatslöhner spätestens am 15. des Monats auf den Monatsletzten;
Jahresdienstverhältnisse und sonstige befristete Dienstverhältnisse können beiderseits unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat am ersten Werktag des Monats zum Monatsletzten gekündigt werden
2. Für weibliche Dienstboten ist ein Tariflohn nicht festgesetzt. Es unterliegt deshalb in diesem Falle der Lohn der freien Vereinbarung.
3. Nur landwirtschaftliche Arbeiter, die regelmäßig Sonntagsarbeit verrichten müssen, haben in jedem Monat einen freien Sonntag zu beanspruchen.
4. Die einheitliche tägliche Höchstarbeitszeit des Betriebes beträgt ausschließlich der Ruhepausen sowie der Fütterung und Pflege der Arbeitsgespanne durchschnittlich in 4 Monaten 8, in 5 Monaten 10 und in 3 Monaten 11 Stunden. Als Vergütung für Ueberstunden an Werktagen ist beim verpflegte: Arbeiter ein Zuschlag von 20 Prozent zum Barlohn zu bezahlen. Ueberstunden sollen jewe'ls am Ende einer Woche dem Arbeitgeber zur schriftlichen Anerkennung mitgeteilt werden. Außerdem kann für regelmäßig wiederkehrende Ueberstunden eine Pauschalvergütung vereinbart werden.
5. Nach dem Tarifvertrag ist der Barlohn wöchentlich zu bezahlen, sofern nichts anderes vereinbart ist. Bei Jahreslohn kann der Arbeiter wöchentlich angemessene Abschlagszahlungen verlangen. Die endgültige Abrechnung erfolgt jährlich nach Beendigung des Dienstverhältnisses.
6. Die Frage ist zu allgemein gehalten und kann deswegen nicht beantwortet werden.
F. W. Da Sie in Ihrem Stock die Beleuchtungspflicht übernommen haben, müssen Sie auch dafür sorgen, daß die Beleuchtung im Gang ist. Sie können daher nicht kurzerhand, wenn Sie längere Zeit verreisen, die Birne abschrauben: bei Unfällen wären Sie schadenersatzpflichtig. Sie müssen sich mit den Mitbewohnern entsprechend verständigen oder beim Vermieter eine Aenderung der Beleuchtungsanlage herbeiführen.
E. W. Die Reichsbaudarlehen für den Kleinwohnungsbau sind bereits vergriffen. Von die- sen Reichsbaudarlehen sind die Reichsbürgschaften für den Kleinwohnungsbau zu unterscheiden. Es handelt sich hier lediglich um Bürgschaften, die das Reich auf Gelder, die der Bauherr bereits beschafft hat, übernimmt. Interessant wird für Sie sein, daß die Württ. Landeskredit-Anstalt demnächst wieder Mittel in kleinerem Umfang auswirft, mit welchen insbesondere der Kleinwohnungsbau finanziert werden soll. Die einzelnen Bedingungen (Zins, Tilgung, Rückzahlung usw.) sind noch nicht veröffentlicht. Sie werden alles Nähere zeitig durch die Presse erfahren.
JuSerr«!
Zeitroman von Helmut Messerschmidt
Urheber-Rechtsschutz für die deutsch« AuSgabei Drei Quellen-Verlag, LLnigSbrück (Sa.)
20. Fortsetzung.
„Gott fei Dank!" stöhnte sie, als sie die Freunde ihres Sohnes erkannte.
,Lia, jetzt ist die Quälerei vorbei, Frau Bredenkamp. Jetzt sind wir im unbesetzten Gebiet."
„Wir bringen Sie überall hin, wohin Sie wollen, Frau Bredenkamp, bloß nicht zurück in die Hölle. Da gehen wir alleine hin."
„Also bitte, Sie brauchen nur zu sagen . . ."
Die Frau lächelte unter Tränen.
„Wo ist denn Heinrich?"
Jetzt ist keine Gefahr mehr", antwortete Willi Barnscheid, „jetzt dürfen Sie es wissen. Heini ist beim Bauer Schulte-Dieckhoven, da sucht ihn keiner."
„Ja, Sie können ganz unbesorgt sein, den finden die Franzosen nicht. Heini hat neue Papiere und wird auch weiter das Seminar besuchen."
„Dann bin ich schon zufrieden. Und ich . . . ich könnte zu meinem Bruder nach Elberfeld. Aber jetzt — in Nacht und Nebel . . ."
„Ich bring' Sie hin, Frau Bredenkamp", meinte Theo Strötgen. „Das schaffen wir mit dem Motorrad rasch. Willi wartet hier auf mich."
Die Frau, die in den letzten Stunden sehr viel durchgemacht hatte, war so zermürbt, daß sie sich in diesem Augenblick auch auf den Soziussitz gesetzt hätte, nur um endlich wieder in »«« Frieden eines Hauses zu gelangen. Aber
Barnscheid widersprach: „Wir warten lieber hier auf ein Auto. Hier gibt es nur deutsche Wagen. Da nimmt uns jeder mit. Das ist für Frau Bredenkamp besser. Du fährst sofort zurück und sagst Heini Bescheid."
Als Heinrich Bredenkamp gegen vier Uhr früh zum Tore des Gutshofes hinanstrat, um sich auf den Schulweg zu begeben, lehnte an einem Baume neben der Einfahrt ein Motorrad. Der Fahrer schlief.
Heinrich erkannte Theo Strötgen und erschrak. Was mochte der wieder für schlimme Botschaft bringen?
Strötgen war schwer zu wecken. Schließlich hatte er ihn so weit, daß Theo erzählen konnte.
.Die haben dann die beiden sofort in
ihren Wagen verstaut und sind nach Elberfeld gefahren. Ich bin hinterhergesaust, Hab' bei deinem Onkel ausladen geholfen und bin dann auf einem mächtigen Umweg mit Willi in tollem Tempo zurück. Hier unten Hab' ich Willi abgesetzt. Und wenn ich dich in die Schule fahren soll — bitte schön, ich Hab' noch Zeit bis um sechs."
„Theo, wie soll ich euch das nur danken!"
Strötgen hantierte an seinem Motor. „Schöne Kameradschaft das, nun auch noch von Dank zu sprechen! Aber ein bißchen müde bin ich doch. Der Meister wird heute wieder schielen. Gestern nacht drei Stunden Schlaf, heute nacht eine Viertelstunde. Wenn das so weitergeht . . . Los, spring' auf, ich Hab' noch zwei Stunden!"
Vredenkamps Leben war zerrissen.
Seine Kraft gehörte der Schule. Die nahm auch feine Zeit in Anspruch von morgens vier bis in den späten Nachmittag hinein. Sein Denken irrte zwischen Hanna und der Mutter und den Abwehrkämpfen an der Ruhr. Das Familienleben der Bredenkamps war durch die Ausweisung der Mutter zerstört. Heinrich
fühlte sich entwurzelt: denn bei Schulte-Dieck- hovens wurde er nicht heimisch, weil ihn des Bauern Mißtrauen ständig verfolgte. Zwar sagte ihm Hanna manches liebe Wort, aber wenn der Vater dabei war, mußten sie Gleichgültigkeit spielen.
Er mußte sich verbergen vor den Besatzungsbehörden, durfte in der Schule nichts davon sagen, weil die aktive Beteiligung am Ruhrkampf von der Schulleitung verboten worden war, und bei Schulte-Dieckhovens mußte er sein Herz verschließen vor dem Bauern.
Bredenkamp saß in seiner Stube über einer pädagogischen Arbeit, die als Prüfungsarbeit für die Versetzung galt, und hatte Mühe, seine fortwährend abirrenden Gedanken zu sammeln. Da kam der Kleinknecht und sagte, er werde draußen zu sprechen gewünscht.
Willi Barnscheid wartete auf ihn: „Ludger Worringen ist von den Franzosen verhaftet worden . . ."
„Was?"
„Ja!"
„Aber das ist unmöglich!"
„Doch, es ist wahr. Er sitzt im Zuchthaus. Fritz Rauh, der Lehrling vom Friseur Ett- scheid, hat es eben gesagt. Der muß die Zivilgefangenen rasieren und ist von Ludger zu mir geschickt worden, um mir das zu sagen."
„Das will mir nicht in den Kopf! Warum denn Ludger?"
„Weil . . . weil . . . man will von ihm wissen, wo du bist."
„Ich? . . . Ja, aber . . . wie kommen denn die darauf?"
„Die Franzosen wissen, daß Ludger mit dir gesprochen hat, nachdem du ihnen ausgerissen bist."
„Das . . . wissen die?"
„Ja, das haben sie beim ersten Verhör heute früh gesagt."
„Aber sag' mir bloß . . . woher könne« den« dt« daS wiLen?"
„Ist das schwer zu erraten?"
Bredenkamp sah den Freund an. „Ich kann mir nicht denken . . ."
„Aber ich! . . . Albert Brinkmann!"
„Nein . . . Albert ... so schlecht ... das kann ich mir nicht denken!"
„Doch! Der hat immer verraten. Der hat uns in der Schule den Lehrern, beim Kriegs- spiel schon den Gegnern verraten. Der hat den Franzosen deinen Namen verraten und ist schuld an der Ausweisung deiner Mutter . .
„Albert Brinkmann?"
„Ja, und nun hat er auch Ludger Worringen verraten!"
„Jetzt sehe ich den Zusammenhang. Frau Brinkmann hat mir bei meiner Flucht den Mantel von Albert gegeben. Dadurch erfuhr Albert, daß ich es war, der den Franzosen entkommen ist . . ."
„Und Ludger Worringen hat diesen Mantel zurückgebracht."
„Albert Brinkmann ein Verräter . . . un-> möglich . . . und doch . . ."
„Wir haben jetzt zwei neue Aufgaben", munterte Bar"^-"^ ^.^
Der erwiderte bitter: „Ja, ja: Ludger Worringen und Albert Brinkmann. Aber Ludger sitzt fest. Aus dem Zuchthaus kann keiner heraus. Wir können höchstens durch den Friseurlehrling Verhaltungsmaßregeln geben."
„Und Albert Brinkmann?"
„Dem können wir auch nichts wollen. Den schützen die Franzosen. Aber . . . Schnell . . > ja, den muß Schnell übernehmen."
Seitdem Bredenkamp sich vor der Besatzung verstecken mußte, hielt Schnell durch regelmäßige Besuche bei Theo Strötgen die Verbindung mit den jungen Kämpfern aufrecht.
(Fortsetzung folgt).