Der Gesellschafter

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Seit« S - Nr. 124

Abschied der italienischen Flieger

Colonello da Barberino erzählt

Böblingen, 30. Mai.

Am Mittwoch, nachmittags gegen Vr2 Uhr, starteten die italienischen Flieger vom Flug­hafen Böblingen aus zu ihrem Weiterflug nach Brüssel. Der Start war begünstigt von schönstem Flugwetter und begleitet von den herzlichsten Glückwünschen der aus diesem Anlaß nach Böblingen herbeigeeilten Men- schenmenge.

Gegen 12 Uhr trafen die italienischen Gäste, von Stuttgart kommend, aus dem Flugplatz ein, gerade noch rechtzeitig, um die fabel- haften Kunstsegelflüge Wolf Hirths, der morgens vom Hornberg herübergeflogen kam. miterleben zu können. Unter den Ehrengästen bemerkte man wiederum den italienischen Konsul Chiusano, den Präsidenten des Luftamtes München, Eberth , die Vertreter des Reichsluftfahrtministeriums, ferner den Reichsstatthalter von Württemberg, Murr. Ministerpräsident Mergenthaler, den stellv. Gauleiter Schmidt, Generalmajor Brandt, Polizeigen. Schmidt-Logan, Stadtkommandant Oberst Most, Ober­bürgermeister Dr. Strölin und viele andere mehr, die zusammen mit den Ita­lienern den weiteren Flugveranstaltungen einer Staffel von Klemmsportfliegern zu­schauten.

Nach der Meldung von Fliegerkomman­dant Dr. Sommer verabschiedete Präsident tzberth die italienischen Flieger, denen er besten Erfolg auf ihrem Weiterflug von Etappe zu Etappe wünschte. Sein dreifaches Sieg-Heil" galt dem Führer der Staffel, Oberst Barbarino und seiner Mannschaft.

Hierauf dankte Oberst Barbarino in einer kurzen Ansprache, die von dem italieni­schen Konsul verdolmetscht wurde, für den herzlichen Empfang in der schwäbischen Lan­deshauptstadt. Die Flieger würden die beste Erinnerung an die schönen, in der schwäbi­schen Landeshauptstadt verlebten Stunden mit nach Hause nehmen. Der Konsul ver­band damit seinen persönlichen Dank für den liebenswürdigen Empfang und die freund­liche Aufnahme. Darnach verabschiedeten sich Gastgeber und Gäste, worauf das Deutsch­land- und das Horst-Wessel-Lied intoniert wurden.

Mittlerweile war es beinahe V-2 Uhr ge­worden. Die letzten Vorbereitungen wurden getroffen und pünktlich um V-2 Uhr rollten nacheinander 11 Maschinen über das Flug­feld, während die Fliegermusik den Präsen­tiermarsch anstimmte.

Nach V-2 Uhr erhoben sich die Maschinen und brausten durch die Luft, nicht ohne sich zuvor durch eine Ehrenrunde und durch eine Reihe von Kunstflügen von ihren Gastgebern verabschiedet zu haben. Um ^/«2 Uhr waren die Flieger in nordwestlicher Richtung den Blicken der Zuschauer entschwunden. Zum Schluß fand noch ein Vorbeimarsch der einzelnen Fliegerstürme vor Reichsstatthalter Murr und Fliegerkommandant Sommer statt.

Wir haben den Geschwaderführer gebeten, uns etwas über seinen Alvenflua m be­

richten. Der italienische Konsul übernimmt freundlicherweise selbst das Amt des Dol­metschers und der Colonello berichtet vom Start in Udine.

Und wie war das Wetter über den Alpen?"

Sehr schlecht. Wir hatten starken Nord- > wind und außerordentliche Wolkenmassen vor uns, die uns zwangen, bis zu 5500 Meter hochzugehen, um überhaupt durchzukommen."

Dabei handelt es sich um die schnellsten : Flugzeuge der Welt, deren Motoren durch­schnittlich 360 Stundenkilometer lei­sten. Man kann sich einen Begriff machen, wie stark der Gegenwind gewesen sein muß. Die Kälte in der Höhe war beträchtlich.

Wir sind um 10 Uhr zwanzig in Udine gestartet und um 12 Uhr dreißig in Böblingen gelandet."

Und die Gesamtflugstrecke betrug 500 Kilometer, Colonello?"

Jawohl. Die zweite Hälfte des Fluges war durch die Wetterunbill stark behindert. Unsere 6. R. 30 konnten nur 300 Kilometer pro Stunde machen."

Und wie gefällt Ihnen das Deutschland, das Sie bisher gesehen haben?"

Sehr, sehr gut. Sagen Sie bitte den Schwaben, daß ihre Hauptstadt sehr rei­zend und schön gelegen ist. Auch was ich bisher von der Bevölkerung kennen lernte, hat mir sehr gefallen. Die Leute sind höflich und sehr freundlich zu uns,"

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In der Halle des Hotels treffen wir drei Offiziere des italienischen Geschwaders.

Einen Moment bitte, meine Herren; wohin starten Sie morgen?"

Die drei sehen uns an. Endlich sagt einer in hartem Deutsch:Entschuldigung, wir sprecken nur eine schleckte Deutsch."

Ah, do you speak English?"

Yes, Sir."

Und so müssen wir über dem Umweg der Muttersprache unserer Vettern jenseits des Kanals das zu erfahren suchen, was wir wis­sen wollen.

Es stellt sich heraus, daß das Geschwader nach Brüssel startet, wo es an einem inter- nationalenSchaufliegen teilnimmt, auf dem noch Frankreich,, Holland, Belgien und England vertreten sind. Diese Ver­anstaltung wird acht Tage dauern. Den Rück­weg nimmt das Geschwader über Paris, Lyon, Torino nach dem Campo formido bei Udine. Die Italiener bedauern, daß nicht auch Deutschland an diesem Wettbewerb teil­nehmen kann. Sie haben schon viel von dem Können der deutschen Sportflieger gehört.

Als wir in der Nacht endlich das Hotel verlassen, stehen immer noch deutsche Flieger rechts und links vom Eingang. Die ganze Nacht und heute halten sie Ehrenwache für ihre italienischen Kameraden.

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Großzügiger Ausbau der Warnsignale

Bei feinen zahlreichen Reisen durch das Land ist es dem Herrn Reichsstatthalter von Württemberg verschiedentlich aufgefallen, daß es immer noch einige Straßenkreuzun­gen und Kurven gibt, die nur mangelhaft oder überhaupt nicht gekennzeichnet sind. Er veranlaßte daher bei dem zuständigen Tech-

8on links nach rechts: Oberbürgermeister Dr. Strölin, Reichsstattbalter Murr, Innenminister . Konsul Chiusano. Colonello da Barberino, Ministerpräsident Mergenthaler, Oberst Most, stellv. Vau

Schmidt und Polizeigeneral Schmidt-Logan.

nischen Landesamt, daß eine Nachprüfung über die Bezeichnung der Linienänderung der Straßen erfolgt.

In jedem Bauamtsbezirk in Württemberg wurden Musterstrecken bestimmt, die von der Kommission besichtigt wurden. Dort wurde dann eine Beschilderung angeordnet, wie sie den heutigen Verkehrsverhältnifsen zu ent­sprechen hat. Diese Musterstrecken bilden dann die Grundlage für die Ausgestaltung der übrigen Straßen in Württemberg.

Die Durchführung der Straßenbeschilde. rung erfolgt nach der Auffassung der Kom­mission in der Weise, daß nicht mehr alle Kurven, die als solche ohne weiteres er­kennbar und die nicht gefährlich sind, bezeichnet werden. Dadurch treten die mit einem Kurvenzeichen rechtzeitig angekündig- len Kurven ohne weiteres als wirklich ge­fährlich in Erscheinung. Es sind deshalb in zahlreichen Fällen Warnungstafeln als überflüssig weggesprochen worden.

Auf der anderen Seite ist man dazu über­gegangen, den Verlauf einer Kurve durch eine besondere Kennzeichnung sichtbar zu machen. Es geschieht dies dadurch, daß vom Beginn der Kurve bis zu ihrem Auslauf dort stehende Bäume, Straßenrand­steine oder ein vorhandener Zaun durch wei­ßen Anstrich den Verlaut der Kurve andeu­ten. Wo die Möglichkeit fehlt, einen weißen Anstrich anzubringen, werden weißgestrichene Holzblöcke im Verlauf der Kurve ein- geschlagcn. was sich bisher sehr bewährt ha!. Diese Art der Kennzeichnung des Verlauf? einer Kurve bringt vor allen Dingen bei Nacht dem Kraftfahrer große Erleich­terung.

Bei solchen Kurven, deren Verlauf bei Nacht besonders schwer zu erkennen ist, wird im Zug der Straße in etwa 1.20 Meter Höhe ein weißgestrichenes Brett angebracht, das den Kraftfahrer schon auf größere Sicht dar­auf aufmerksam macht, daß die Straße hier keinen Fortgang hat, sondern seitlich ab­mündet. Bei kurvenreichen Steigungen wird in Zukunft nicht mehr jede Kurve einzel be­zeichnet. Vielmehr wird nur noch zu Beginn der Steige ein Kurvenzeichen angebracht, unter dem die Neigung in Prozenten und di.' Länge des Gefälls'angegeben ist. Daran und aus dem landschaftlichen Charakter muß jeder Kraftfahrer erkennen, daß eine kur­venreiche Strecke folgt, die ihn zu be­sonderer Vorsicht mahnt.

RM§bM schasst Arbeit

In welchem Maße die Reichsbahn- direktion Stuttgart an der Arbeite- beschaffung beteiligt ist, zeigen folgende bemerkenswerte Zahlen ihres Wirtschafts- Plans für das Geschäftsjahr 1934:

10,5 Millionen Reichsmark sind für Unterhaltung und Erneuerung der Ausstal- tungsgegenstände, Verbrauch von Betriebs­stoffen und für bahneigene Dienst- und Schutzkleidung vorgesehen, davon entfallen auf die Unterhaltung und Erneuerung der Ausstattungsgegenstände 0.6 Millionen, auf die Beschaffung von Drucksachen, Schreib- und Zeichenwaren 0,6 Millio­nen, auf die Beschaffung von Kohlen, Koks und Preßkohlen 5,3 Millionen, auf die Beschaffung sonstiger Betriebsstoffe 1 Mil- lion, auf den Bezug von Wasser, Gas, Elektrizität und Wärme aus fremden Werken 2,8 Millionen, auf die Beschaffung

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Zeitroman von Helmut Messerschmidt

Urheber-Rechtsschutz für die deutsche Ausgabe- Drei Quellen-Verlag, LönigSbrück (Sa.)

15. Fortsetzung

Mir hat es damals schon gut gefallen hier. Jetzt war gerade Gelegenheit, da bin ich halt wieder hergefahren."

Ich dacht', Sie wären bei der Reichswehr."

Wirklich? Weit davon war ich ja nicht"

Was ist denn aus dem Freikorps Döring geworden?"

Teils, teils. Die meisten sind noch in Ost­preußen und bilden sich in der Landwirtschaft aus. Verschiedene sind auch wieder ins Ruhr­gebiet gekommen weil's hier so schön ist." Er lachte verschmitzt.

Und was machen Sie denn hier?"

Bei euch heißt es: Ich geh' auf den Pütt. Auf deutsch: ich bin Bergmann. Feiner Kum­pel, was? Ich hatte von Oberschlesien her so schöne Papiere und muß hier mächtig ran, um zu halten, was die versprechen."

Brebenkamp faßte nicht alles. Schnell schien etwas vor ihm zu verbergen. Sie schritten ge­meinsam durch die Ruhrstraßc.

Wie gefällt dir denn die Einquartierung, Präparande?"

Erstens bin ich kein Präparand, sondern Seminarist, und zweitens ist das keine Ein­quartierung, sondern ein gemeiner Einbruch."

Drittens freut es mich, den neuen, bisher unbekannten Titel Euer Gnaden kennenzu­lernen, viertens kann ich nicht verstehen, war­um ihr hier an der Ruhr die gemeinen Ein­brecher so scharenweise offen herumlaufen laßt."

»Lürtt sie -« hängen! Sie habe« recht. Aber

wer soll sie hängen, vorläufig haben sie uns fest beim Wickel. Etliche hundert deutsche Män­ner sitzen im Zuchthaus hier gleich neben­an, kennen Sie es schon? weil sie dem Vaterlanöe die Treue nicht gebrochen haben."

Schnell blieb stehen, sah Bredenkamp for­schend an. Dann ging er bedächtig und lang­sam weiter.

Ich Hab' was für dich, Bredenkamp. Sind ein paar handfeste Kerls aufzutreiben, die sich auch mal, wenn's sein muß, eine Nacht um die Ohren schlagen können?"

Jetzt dämmerte es bei Heinrich. Sein Herz schlug vor Freude: er hatte den Anschluß an die aktiven Ruhrkämpfer gefunden!

Ei ja, dreie. Zuverlässig, erprobt in etliche« Attacken . ."

Zum Beispiel?"

Bredenkamp berichtete mit Feuereifer von den Dummejungenstreichen, die er mit Barn» scheid, Worrurgcn und erringen gegen die Besatzung geführt hatte.

Schnell war nicht ganz damit einverstanden

Das mit den Telephondrähten war gut. Die anderen Sachen nein."

Oh, warum nicht?"

Es gibt wichtigere Dinge zu tun jetzt. Wohnt ihr noch da, wo ihr früher . . ."

Ja."

»Mann ich dich mal besuchen heute abend?"

Gern. Um 7 Uhr kommen die anderen."

Dann bin ich eine halbe Stunde früher da."

Gut, ist gemacht."

In dieser Nacht zogen die vier Burschen zum ersten Male zum Zetielanklcben anS. Bredenkamp trug Leimtopf und Pinsel unter der Pellerine. Die anderen hatten Plakate in allen Taschen.

Sie verrichteten gründliche Arbeit. Ein ganzes Stadtviertel prangte in bunten Farben.

Am anderen Vormittag pilgerte eine fran­zösische Soldatenabteilung durch dieselben Straßen und machte jedes Plakat durch einen dicken Teerüberstrich unkenntlich.

Nacht für Nacht wurden die Plakate er­neuert.

Tag für Tag wurden sie überteert.

Unermüdlich setzten die Burschen ihre Tätig­keit fort. Es galt, der Bevölkerung zu zeigen, daß Kräfte am Werk waren, den Besatzungs­mächten Sen deutschen Widerstand deutlich vor Augen zu führen. Und es galt, die Schwan­kenden in ihrem Widerstandswillen zu unter­stützen.

Ueberall klebten kleine farbige Zettel: Fahrt nicht mit der Regiebahn! Es ist ge­fährlich!" Die warnten davor, die von den Besatzungstruppen gefahrenen Eisenbahnzüge zu benutzen.

An solchen Stellen, die unter ständiger sol­datischer Bewachung standen, waren Tafeln mit französischen Verordnungen angebracht und den neuesten Ausgaben desNachrichten­blattes", eines üblen französischen Hetzblattes, das in deutscher Sprache gedruckt wurde.

Mochten die Soldaten noch so sehr auf­passen, immer wieder fand man kleine rote Klebestreifen auf den Verordnungen und Zei­tungsaushängen: Französische Macht!"

Kein Deutscher wagte es, dann, wenn ein solcher Zettel leuchtete, vor den Tafeln stehen zu bleiben...

Schnell lieferte die Plakate und Zettel. Er kam alle paar Tage um dieselbe Zeit zu Bre­denkamp, aber dieser wußte nicht einmal, wo Schnell wohnte.

Einmal begegneten die vier Burschen ihm mitten in der Nacht auf der Landstraße, die an der Ruhr entlang führt. Schnell trug ein großes quadratisches Brett unter dem Arm.

Beinahe wär' ich vor euch davongelaufcu!" lachte er.Seid ihr fertig?"

Jawohl, alles verklebt", meldete Vreden­kamp.Aber was schleppst denn du da?"

Das hing hier an dem Baum. Es steht was Französisches drauf. Weil es so finster ist, konnte ich es nicht lesen, und als ich mir das Ding mal in der Nähe betrachten wollte, Sa ging es los."

Aha, Schnell war dabei, französische Ver­kehrstafeln, di« den Kraftwagen der Besät»

zungstruppen die Wege durch das deutsche Land wiesen, zu entfernen.

Jetzt hatten die vier Ruhrsoldaten ein neues Betätigungsfeld gefunden. Wo sie ihrer nur eben habhaft werden konnten, rissen sie die fremden Verkehrsschilder herunter und war­fen sie in die Ruhr.

An einem lauen Märzabend waren sie wie­der draußen.

Bredenkamp und der lange Strötgen mar­schierten auf der Landstraße, in weitem Ab­stand folgten die beiden anderen-

Vor ihnen sanken die Schranken des Eisen» bahnüberganges nieder. Sie machten ein paar rasche Sätze, um »och über die Gleise zu kommen.

Kaum hatten sich die Schranken hinter ihnen geschlossen, da hörte» sie Krach, Zischen, Schreckensrufe.

Ein Auto war gegen die Barriere gefahren, als eben der Zug kam.

Leute rannten herbei.

Entsetzt fuhr Bredenkamp mit der Hand nach Sem Herzen«

Dabei fiel eine Holztafel, die er unter der Pellerine verborgen gehalten hatte, zur Erde.

Es war ein französisches Berkehrsschild

Sofort bückte sich Bredenkamp, um es wie­der verschwinden zu lassen. Gerade sauste der Zug vorüber.

Da griff eine Hand nach Bredenkamps Nacken.

Hielt ihn fest in eiserner Klammer.

Bredenkamp schloß die Angen. Ihm brannte der Kops. Siedendheiß durchrieselte es seinen ganzen Körper. Er vermochte nicht aufzu­stehen.

Die Hand riß ihn hoch.

Französische Soldaten umringten ihn.

Schrien ihn an.

Schlugen.

Traten.

Bredenkamp spürte nichts. Er war derart erschrocken, daß seine Nerven versagten.

Die Soldaten stießen ihn vorwärts.

(Fortsetzung folgt).