Nr. 122

Mittwoch, 30. Mai 1934

108. Jahrgang

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Krach Wische« bim»««- Barthou

Henderson stellt Frankreichs Schuld am Stocken der Verhandlungen fest

Paris, 29. Mai.

Die ersten Verhandlungen in Genf sind nicht zugunsten Frankreichs ausgefallen. Die kühle Aufnahme, die der französische Außen- minister in den verschiedensten Kreisen ge­sunden hat, war sogar so deutlich, daß man in der Pariser Presse nicht umhin kann, diese Tatsache besonders hervorzuheben. Eine all- g e m eine M ißstimmun g, die sich be­sonders gegen den englischen Außenminister, dann aber auch gegen den Borsitzenden der Abrüstungskonferenz. Henderson richtet, machte sich in der großen Presse insofern bemerkbar, als man versucht, sich mit Händen und Füßen gegen den Vorwurf zu wehren, Frankreich allein trage die Verantwortlichkeit an dem kläg­lichen Stand der Abrüstungskonferenz. Die Erklärungen, die Henderson am Montag ab­gegeben hat, haben in französischen Kreisen selbstverständlich eine gewisse Erbitterung hervorgerufen, weil er in nicht mißzuver- stehender Deutlichkeit darauf hinwies, daß Frankreich durch seine Note vom 17. April seine Politik geändert habe.

Barthou habe sich dann veranlaßt gesehen, henderson zu antworten, um angeblich die Kon­tinuität der französischen Politik seit Briand zu verteidigen. Auch die Blätter wehren sich gegen Im Vorwurf eines Frontwechsels, obgleich sie gelegentlich der Bekanntgabe der französischen Note vom 17. April unterstrichen hatten, daß Frankreich unter Barthou tatsächlich eine neue Politik einschlage. Ganz besonders hebt man in der Pariser Morgenpresse die Unterredung Barthous mit Simon hervor.

Diese Unterredung soll zeit­weise sehr heftig gewesen sein und der englische Außenminister soll sich nicht ge­scheut haben, Barthou an die Verantwortlich­keit zu erinnern, die Frankreich mit seiner Hal­tung auf sich nehme. Barthou habe Simon er­klärt, daß er, als Simon seine Vorwürfe in der öffentlichen Sitzung wiederholen wollte, eben­falls dazu Stellung nehmen würde, um zu be- weisen, daß nicht Frankreich, sondern Deutsch­land (!) die Verantwortung für das Mißlin­gen der bisherigen Bemühungen trage.

In französischen Kreisen in Genf aber scheint man sich über die wenig beneidenswerte Lage Frankreichs klar geworden zu sein. Die großen Blätter weisen auf die für Frankreich wenig sympathische Atmosphäre hin, die es in Genf angetroffen hat. Heber den Ausgang der gegen­wärtigen Unstimmigkeiten herrscht allgemein Ungewißheit. Man hofft jedoch, daß heute wenigstens einiges geklärt werden wird. In üesem Zusammenhang weist man besonders aus die Erklärung hin, die der russische Außen- Kommissar Litwiuow abgeben wird. Die be­absichtigten Vorschläge des amerikanischen Ver­treters Norman Davis hält man dagegen für zu weitläufig, als daß sie als geeignete Ver- handlungsgrnndlage betrachtet werden könnten.

Wie der Genfer Rentervertrcter meldet, yai bei der gestrigen Zusammenkunft zwi­lchen S i m o n und Barthou. die auf Ersuchen des französischen Außenministers stattiand, der letztere, der von Marinemini­ster Pie tri begleitet war. im Namen des ganzen iranzösischen Kabinetts gesprochen. Es verlautet, daß bei der Unter» redung sehr deutlich gesprochen worden sei.

Beratungen -er Gruppe -er sechs Neutralen tu Gens

Paris, 29. Mai.

Im Laufe des Montag nachmittag ist dic Gruppe der 6 neutralen Staaten, die im Nahmen der Abrüstungskonferenz schon wie­derholt mit eigenen Vorschlägen hervorge- bceten find, nämlich Schweden, Norwegen Dänemark, die Schweiz, Holland und Spa­nien, von neuem zusammengetreten, um sich über ihre Haltung in der Abrüstungssrage klar zu werden. Man rechnet damit, daß diese sechs Staaten denen übrigens auch Belgien in verschiedenen Punkten nicht ternstehen soll einen eigenen Vor­schlag einbringen werden. Es muß dabei beachtet werden, daß diese Gruppe auch dir

Staaten umschließt, die sich einer Anerken- nung Sowjetrußlands und den Eintritt Rußlands in den Völkerbund stets wider­setzt haben.

Im übrigen hört man, daß auch die Außenminister der Kleinen Entente sich am Montag vor und nach der Sitzung des Prä­sidiums zusammengesunden haben, um ihre Stellung in der Abrüstungssrage im einzel­nen festzulegen. Wie es bei dem Einfluß Be- neschs nicht anders zu erwarten war, wird sich die Kleine Entente aller Voraussicht nach für den Versuch einer Fortsetzung der Konferenz einsetzen. Die Gruppe der Kleinen Entente hat am Montag außerdem noch Fühlung mit dem türkischen und dem grie­chischen Außenminister genommen.

Irr baltische NloSvlan gescheitert

rp. Warschau, 29. Mai.

Der Vorschlag Litauens, einen baltischen Block zu bilden, kann als gescheitert be­trachtet werden. Die Entscheidung ist bereits während des Aufenthaltes des estnischen Außenministers Seljamaa in Warschau gefallen. Nicht umsonst hat man in War­schau den Empfang Seljamaas genau so ge­staltet wie vor einem Monat den Empfang des Außenministers der Großmacht Frank­reich.

Die russischen Bemühungen im Baltikum haben, soweit es sich von hier aus beurteilen läßt, allem Anscheine nach bisher keine Fort­schritte gemacht, da sich Moskau ausdrücklich nach Paris um Unter st ützung sei­ner Bestrebungen a e w e n d e t hat.

ItutsWuds VerftSlldlWgsbtteitsW

Unterredung v. Neuraths mit einem Sonderberichterstatter desPetitSoir"

Berlin, 29. Mai.

Frhr. v. Neurath hat dem Sonder­berichterstatter desPetit soir" eine Unter­redung gewährt, in der er eine Reihe der wichtigsten Deutschland und Frankreich an­gehende Fragen erörterte.

Herr v. Neurath sprach zunächst vom Abrüstungsproblem und wies besonders dar­auf hin. daß Deutschland einen A n s P r u ch auf Gleichberechtigung habe. Als Reichskanzler Hitler ans Ruder kam, ent­hielt seine erste Reichstagsrede die Versiche­rung: Wir wollen uns mit Frankreich ver­ständigen. Alan hat ihm nicht geantwortet. Weitere Bemühungen sind ergebnislos ver­lausen. Die Tragik der Lage beider Länder liegt darin, daß sie genötigt sind, sich zu ver­ständigen, aber nicht zu einer Aussprache kommen. Zu den alten geschichtlichen Schwierigkeiten kommen, so fuhr der Neichs- außenminister fort, heute noch sozialphilo- sophische Gründe hinzu. Gewisse französische Minister glauben, daß man mit dem Natio­nalsozialismus nicht sprechen darf, was einem Nichtmehrsprechcn mit Deutschland gleichkommt.

Der Reichsminister erinnerte alsdann an die nach Edens Berliner Besuch vom Februar dieses Jahres abgegebene deutsche Erklärung, die im englischen Weißbuch veröffentlicht worden ist und an die kategorische Weige­rung Frankreichs, das erklärt habe: Wir werden nicht die Ausrüstung Deutschlands sanktionieren.

Wir erhoffen immer noch eine Konven­tion, die die Rüstungen regeln wird. Aber dieses Warten kann nicht ewig dauern. Wenn man zu keinem Abkommen gelangt, was dann? Der Augenblick wird eintreten, an dem auch wir an größere Sicherheit denken müssen. Auch wir werden dazu gezwungen lein, um uns zu verteidi­gen. Aber keineswegs aus einem Angriffs­geist heraus. Der Beweis dafür, daß wir keine Angriffsabsichten hegen, ist unser Ab­kommen mit Polen. Es war wegen der Grenzfrage besonders schwer zu bewerkstelli­gen. Mit Frankreich aber haben wir keine Grenzfrage mehr. Wir haben endgültig auf Elsaß-Lothringen verzichtet, und für das Saargebiet eine Lösung vorgeschlagen, die das Prestige beider Nationen gewahrt hätte. Man muß schon eine offenkundige Wahrheit nicht eingestehen wollen, wenn mau leugnet, daß das Saargebiet von Grnnd auf deutsch sei. Wir haben erklärt: Laßt uns ein poli­tisches und wirtschaftliches Abkommen tref­fen und cs einer Volksabstimmung der Saarländer unterbreiten. Mit anderen Wor­ten, statt eine Abstimmung über eineFeind­seligkeit" abzuhalten, hätten wir eine solche über eineVersöhnung" veranstaltet. Wäre das nicht vernünftig? Aber kein französisches Blatt hat diesen in allen Einzelheiten ent­wickelten Vorschlag dem französischen Volk zur Kenntnis gebracht, während ganz Deutschland davon sprach.

Der Nationalsozialismus würde es für einen seiner schönsten Triumphe halten, wenn ihm das gelänge, was kein anderer habe

schassen können gen europäischen Frieden.

Zum Schluß kam der Berichterstatter aus die Frage der angeblichen deutschen Rüstun- < gen zurück, mit dem Hinweis, daß er gerade zur Nachprüfung dieser Frage nach Deutsch­land gekommen sei. Tie Antwort des Reichs­außenministers lautete: Daß wir Fabriken besitzen, die aus die Massenfabrikation um- > gestellt werden können, ist eine in Europa bekannte Tatsache. Aber gerade hier sind wir weit entfernt von der Gleichheit mit den übrigen Nationen. Wenn man einen Ent­scheidungstag organisiert, so kann man das Geistige wohl schnell bewerkstelligen, aber auf materiellem Gebiete geht das nicht so rasch. Dazu braucht man Jahre.Ich hoffe", so schließt das voniParis soir" wieder­gegebene Interview des Reichsaußenmini­sters,daß wir vorher die europäische Ver­ständigung verwirklicht haben werden. Ich bin allerdings etwas entmutigt, denn ich glaubte, daß wir schon so weit gekommen wären".

krch RedeMA io kcis

Norman Davis für Rückkehr zum Mac-- donald-Plan

dl. Genf, 29. Mai.

Was sich schon Montag in der Sitzung des Präsidiums der Abrüstungskonferenz abzeich­nete, wurde Dienstag noch deutlicher: Völ­lige Ratlosigkeit und wüste Demagogie aus Angst vor der Verantwortung, obwohl es einem vernünftigen Menschen scheinen müßte, daß die Lösung gar nicht so abseits liegt. Eine Reihe von den insgesamt 469 Köpfen zählenden Delegationen teilen auch den Standpunkt, den Deutschland in der Ab­rüstungsfrage eingenommen hat und beibc- hält: Militärische und juristische Gleichbe­rechtigung Deutschlands bei Wiederherstel­lung eines Mindestmaßes deutscher Vertei­digungsfähigkeit. Frankreich dagegen läßt alle Minen springen, um diese einfache Lösung, die in der Erfüllung des Versailler Abrüstungsversprechens besteht, zu verhin­dern.

Um 15.30 Uhr wurde die Sitzung des Hauptausschusses der Abrüstungskonferenz unter großem Andrange von Presse und Publikum eröffnet. Henderson erklärte in seiner Eröffnungsansprache, daß nun die Zeit gekommen fei, in der der Hauptaus­schuß entscheiden müsse, ob er seine Arbeiten fortsetzen wolle oder nicht. Nach einem Rück­blick auf die Abrüstungsbesprechungen seit 1932 bezeichnete er als die zu lösenden Aus­gaben:

Die Frage der nationalen Sicherheit, Be­endigung des Lustwettrüstens und inter­nationale Kontrolle der Waffenerzeugung und des Waffenhandels.

Amerika für den Mm-onM-Wan

Den Reigen der Redner eröffncte der Be­vollmächtigte der Vereinigten Staaten, Nor- man Davis. Es sei die Meinung der ame-

Der Führer stattete am Dienstag der Stadt Dresden einen Besuch ab. Er wurde von der Bevölkerung überall mit stürmischem Jubel begrüßt.

Reichsministcr Darre eröffnet«! gestern die erste Neichsnährstandsausstellung in Erfurt mit einer großangeleg.en Rede.

In der Saarfrage hat Italien einen Ver­mittln:: v-vorschlag gemacht. Weitere Fort­schritte sind nicht zu verzeichnen.

In Gens trat Norman Davis für die An­nahme d:S Maedonald-Planes ein, während Lnwiuow vorschlug, die Abrüstungskonferenz in eine Friedenskonferenz zu verwandeln.

Ein Basler Blatt hat die Frechheit besessen, rin Interview des Saarbrückener Oberbürger­meisters zu verfälschen.

In Böblingen i am Dienstag eine italie­nische Fliegerstaffel gelandet. Die Gäste wurden von Reichsstatthalter Murr u. a. herzlich begrüßt.

ritänischen Regierung, durch wechielseinge Verminderung und Begrenzung der Rüstun­gen in Verbindung mit dem revidierten Mac­donald-Plan für alle Staaten die Verringe­rung der Sicherheit auszugleichen. Wollte man die Sicherheit durch überwältigende Rüstungsüberlegenheit schassen, so würde das wie 1914 zum Kriege führen. Bei gleich­zeitiger Stärkung der Verteidignngs- und Schwächung der Angriifsträfte durch allmäh­lich gesteigerte Abschaffung der Angrisis- waffen «schwere, bewegliche Artillerie, Tanks. Gaswaffen und Bombenflugzeuge) könnte der Frieden aufrechterhalten werden, weil die Verteidignngsmittel bleiben. Diese Methode ' i HU! 23. Juni 1932 von der Konferenz auch tatsächlich angenommen worden.

Tic amerikanische Regierung ist überzeugt, daß nur dieser zweite W e g der Ab­rüstung Frieden und Sicherheit jedes Lan­des verbürgen kann. Wer jedoch dic gegenteilige Politik verfolgt, d e r l ä d t e i n e s ch w e r e V e r a n t w o r- t u n g für dieZnk un st anfsich.

Haltung und Politik der Vereinigten Staa­ten zusammenfassend, erklärte Norman Ta- bis: Wir sind bereit, jeden Praktischen Wea zur Erreichung eines allgemeinen Ab­rüst n n g s a b k v m m e n S -n beickn eiti-' und ebenso über einen allgemeinen Nichtangriffspakt zu verhandeln. Die Vereinigten Staaten haben aber nicht die Absicht, an den politischen Verhandlungen and Abmachungen europäischer Mächte teil- znnchmen, die den Zweck haben könnten, ihre bewaffnete Macht für die Regelung irgend­eines Streitfalles einzusetzen. Die USA. haben das Ziel, sich außerhalb jedes Krieges zu halten, aber zur Verhütung eines Krieges beizutragen.

Nachdem Norman Davis noch die Bereit- schuft der Vereinigten Staaten zu einem internationalen Abkommen über die Kontrolle der Wassenfabri» ken und Waffenhändler sowie zu einer Flotkenabrüstung erklärt hatte, schlug er vor, den Macdonald-Plan für alle Nationen, einschließ­lich Deutschlands, als Grund­lage eines AbrüstungZabkom. mens anzu nehmen, da nach seiner Meinung dann auch Deutschland die Ver­handlungen wieder aufnehmen würde.

Daraufhin ergriff Litwinow das Wort, der an Stelle der Abrüstung das von Ruß­land schon weit ausgebaute System der Nichtangriffspakte und die französischen Vorschläge der regionalen Verträge zur gegenseitigen Hilfeleistung empfahl. Der wichtigste russische Vorschlag aber sei die Ueberleitung der Abrüstungs- konferenz in eine ständige und regelmäßig tagendeFriedens- konferenz", die keine Konkurrenz, son­dern eine Ergänzung des Völkerbundes zu sein hätte (Li »ow drückt sich hier etwas unklar über Pläne Rußlands, in de« Völkerbund einzutreten, aus).

Ein italienischer Bermittlungsvorschlag

Die Saarbesprechungen in Genf wurden auch am Dienstag weitergeführt. Als Vertreter des Saarbevollmächtigten der Reichsregierung» Vizekanzlers von Papen, ist der ehemalig«