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Mittwoch. 16. Mai 1934
108. Jahrgang
er GeseUsrtiakter
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Gkfliister in Genf
Verlegenheit des Völkerbundsrates ob der Saarfragen. Frankreich intrigiert
ÜI. Genf, 15 Mai.
„Sensationen" von einer Tagung des Mkerbmidsrates zu erwarten, hat man sich rachgerade abgewohnt. Der Betrieb in Genf unterscheidet sich von den Parlamenten deuwkratischer Staaten höchstens dadurch, daß er noch schwerfälliger und langweiliger ist. Wenn trotzdem der am Montag erösf- mtm Tagung des Völkerbundrates einiges Interesse eutgegeugebracht wird, so ist das auf die Saarfrage zurückzuführen, die in dieser L-ession gelöst werden muß.
Frankreich bemüht sich naturgemäß, die lmtscheidmig, deren Ausfall keineswegs in Zweifel gezogen werden kann, nach Möglichkeit hinauszuschieben. Diesen Bemühungen ist bisher insoferne ein Erfolg beschieden gewesen, als sich in den Beratungen die ganze Verlegenheit widerspiegelt, die den Völkerbund gerade in dieser Frage beherrscht. Frankreich fordert sogenannte Garantien für die Durchführung der Abstimmring und erschwert damit die Verhandlungen außerordentlich.
Herr Knox, der Präsident der Negierungskommission des Saargebietes, hat — bei der Höhe seiner und seiner Kollegen Befuge kein Wunder! — lebhaftes Interesse daran, die Abstimmung hinauszuschieben. Fm Laufe des Dienstag will er noch einen Gericht veröffentlichen, der die Lage im Saargebiet behandelt. Was von diesem Bericht zu halten sein dürfte, geht schon daraus hervor, daß das saarländische Mitglied der Negierungskommission Coßmann sich zu einer Gegenerklärung veranlaßt sah.
Der Dienstag war mit Besprechungen der Vertreter der Großmächte über das Saarproblem iind mit einer Geheimsitzung ausgefüllt. Angeblich soll am Freitag die Saarsrage aus die Tagesordnung kommen; der französische Außenminister Barthou will nach Abgabe einer Erklärung bereits am Freitagabend nach Paris zurückkehren.
Das Schwergewicht liegt derzeit noch bei den Verhandlungen hinter den Kulissen und in den Ausschüssen; irgendwelche Anzeichen, daß dieses Geflüster hinter verschlossenen Türen bisher einen Erfolg gebracht hätte, liegen nicht vor.
Mlttdonalb und Simon gehen nrchl nach Gem
Es bestätigt sich, daß Macdonald und Simon nicht nach Genf kommen werden. Fm englischen Unterhaus gab es am Dienstag lautes Gelächter, als der oppositionelle Liberale Mander Macdouald fragte, ob er nicht glaube, „daß die augenblickliche Lage der' Abrüstungskonferenz eine höchste Anstrengung, wie z. B. den Besuch des Negierungsoberhauptes in Genf erfordere".
Das Fernbleiben Simons von Genf wird mit der Freitag im englischen Unterhaus beginnenden außenpolitische» Debatte begründet.
Silfloö!
Der am Sonntag veröffentlichte Bericht des Völkerbundausschusses für den Chacv- i Krieg spiegelt die ganze Hoffnungslosigkeit ! der Genfer Einrichtung wider. Es wird : nngestanden, daß der Völkerbund gar nichts >u tun in der Lage ist, wenn die beiden I kriegführenden Staaten Bolivien und Para- zuay trotz der unmenschlichen Grausamkeit, nit der der Krieg geführt wird, von seiner Fortsetzung eine Besserung der Verhandlungslage erwarten. Ein praktischer Er- ^ lolg ist nicht erzielt worden. Der Ausschuß ! verspricht sich selbst von dem letzten Mittel ! des moralischen und wirtschaftlichen Druckes ! nicht viel Erfolg.
! vernichtende Kritik an der Eaarpolittk des Völkerbundes
^ Das „Berner Tagblatt" bringt am Liens- - tag einen langen Aussatz über die Saar- ! trage, die es von allen Seiten beleuchtet. Das Blatt kommt darin zu folgender Schluß- tolgerung: Bei aller Neutralität wird mau tagen dürfen, vast es aut ist. wenn die Saar
trage ihr natürliches Ende findet. Nutzen hat diese eigenartige Isolierung des Saar- gebietes niemanden als der französischen Schwerindustrie gebracht. Sehr viel an Leid aber der betroffenen Bevölkerung. Der Treuhänder Völkerbund hat dabei, vornehmlich in den ersten Jahren, eine sehr klägliche Rolle gespielt. Es ist zu wünschen, daß wenigstens jetzt zum Schluß der Völkerbund bzw.'der Rat seine Aufgaben unparteiisch, gerecht und wirkungsvoll erfüllt.
Der Berich; des VöikerbundKUs'chufseS
Das Völkerbundsekretariat veröffentlichte dm Dienstagnachmittag den vorläufigen Bericht des im Januar eingesetzten Ausschusses zur Prüfung vorbereitender Maßnahmen für die Abstimmung im Saargebiet. Der Bericht, dessen Ergänzung im Lause der gegenwärtigen Ratstagung sich der Ausschuß ausdrücklich vorbehält, behandelt zunächst die Frage der Abstimmungsorgane. Er stellt sich auf den Standpunkt, daß nach dem Versailler Vertrag die Regierungsbefugnisse im Saargebiet von der Regierungskommission nusgeübt werden müssen. Andererseits schlägt er die Einsetzung einer A b st i in m u n g s- k o in in i s s i o n und ei n e s A b st i in - mungsgerichtes vor. Die Abstim- mungskommissivn soll aus drei Mitgliedern bestehen, die keinem der beiden interessierten Länder angehören. Das Abstimmungsgerichr soll aus zwei gleichfalls neutralen Mitgliedern bestehen und vor allem in letzter Instanz über die Eintragung in die Stimmlisten und die Gültigkeit der Abstimmungsverhandlungen befinden und jeden Vorstoß gegen die Abstimmungsvorschriften aburteilen.
Unter der Ueberschrist: „Bewertung der Wahlergebnisse" führt der Bericht aus: Der Ausschuß ist der Meinung, daß der Vertrag, wenn er bestimmt, die Abstimmung findet nach Gemeinden oder nach Distrikten statt, eine Methode zeigt, die es ermöglicht, die Ergebnisse der Volksabstimmung in dem Sinne zu bewerten, daß die Abstimmung in jeder Gemeinde oder in jedem Distrikt den Gegenstand einer besonderen Berechnung bildet.
Der Führer der Deutschen Fron; vor der mternationlsten MM
Der Führer der Deutschen Front im Saargebiet, Pirro, empfing am Dienstagnachmittag die internationale Presse. Nach einleitenden Worten Kommerzienrat Röchlings erklärte Pirro den Pressevertretern in kurzen Worten den Charakter der Deutschen Front. Er widerlegte hier die immer wieder auftauchenden Jrrtümer und Falschmeldungen und stellte dann der Deutschen Front, die mit ihren mehr als 460 000 Mitgliedern 93 v. H. der Abstimmungsberechtigten vertritt, jene an sich gespalteten Häupter der Landesverräter gegenüber. Pirro wandte sich dann gegen jede Verschleppung der Abstimmung und betonte, daß in fünf Monaten alle Vorarbeiten leicht bewältigt- werden könnten.
Im Anschluß hieran ging Pirro auf die Frage der sog. Garantien ein. Er wies nach, daß die einzige wirksame Garantie durch die Deutsche Front selbst gegeben werde, die in sich geschlossen sei und jeden ausschließe, der die Disziplin verletzt. Man brauche wahrhaftig keine ausländische Polizei, um Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten. Wie die Besatzungszeit gelehrt habe, seien fremde Truppen im Gegenteil immer nur der Anlaß zu Unruhen. Da die Saarfront selbst für ihre Disziplin sorge, so würde der Völkerbund, wenn er sich zur Entsendung einer Polizeitruppe entschließen sollte, damit beweisen, daß er befürchte, der kleinen Minderheit, dic nicht zur Deutschen Front gehört, nicht ohne derartige Truppen Herr zu werden. Die Einstellung von Emigranten bezeichnet Pirro ! als eine bewußte Zersetzung der ausgezeichneten saarländischen Polizei.
Norman Davis geht nach Gen;
Wie aus Washington gemeldet wird, Hai Roosevelt Norman Davis aufgesordert, «ach Genf zurückzukehren und angedeutet. Daß er bereit sei, seine Unterstützung zu gewähren, solange noch irgend eine Möglichkeit bestehe zu einem Abrüstungsübereinkommen zu gelangen. Norman Davis hat keine neue Anweisung erhalten.
Hilter verschlossene» Tiirea
Geheimsitzung des Völkerbunds- rates. — Vor Donnerstag keine öffentliche Sitzung
Genf, 16. Mai.
Der Völkerbundsrat hat am Dienstag vormittag wieder in geheimer Sitzung getagt. Er hat dabei — im Gegensatz zu der vorgestrigen Entscheidung — die deutsche Klage wegen der unterschiedlichen Gewährung des Alkoholausschanks in Polen wieder aus die Tagesordnung der gegenwärtigen Ratstagung gesetzt. Sonst wurden nur interne Fragen des Völkerbundssekretariats behandelt.
Wichtig war dagegen der Entschluß, vor Donnerstag keine öffentliche Sitzung mehr abzuhalten. Diese ungewöhnliche Tatsache spiegelt die Verleg e n h e i t w i d e r, in die der Rat durch die noch immer ungelösten Saarprobleme versetzt worden ist.
Der Schwerpunkt liegt also bei den Verhandlungen hinter den Kulissen und in den Beratungen der Ausschüsse. Im Laufe des Tages fanden zwischen den hier anwesenden Vertretern Englands, Frankreichs und Italiens eingehende Besprechungen über die Saarfrage statt. Im Vordergrund steht noch immer die Frage der sogenannten Garantien, die von Frankreich als taktisches Mittel benutzt wird und von >nncr Lösung offenbar noch weit entfernt ist.
IsIlW wird wild
Neue Terrormatznahmen angekündigt ek. Wien, 15. Mai.
Ter Empfang, der am Himmelfahrtstage dem österreichischen Bundeskanzler Dr. Doll-
«il. ». Paris, 14. Mai.
Man erfährt jetzt die näheren Einzelheiten über die großen Seemanöver, die Frankreich im Laufe dieses Monats im Aermel- kanal und im Atlantik abhält. Man spricht diesen Manövern eine besondere Wichtigkeit bezüglich der „taktischen Vorbereitungen und Proben" zu. Es wird neben der Schlachtslotte auch der größte Teil der Luftflotte bei diesen Manövern eingesetzt. Und al Manöverthema hat man einen — Angriff Deutschlands angenommen.
Zwei feindliche Streitkräfte, die eine von Norden, die andere vom Mittelmeer kommend, suchen sich an den Westküsten Frankreichs zu konzentrieren, mit der Absicht, eine Trennung der französischen Seemacht herbeizuführen nnd die Verbindungslinien abzuschneiden.
„Dieses Manöverthema", so schreibt ein militärisches Fachblatt in Paris, „ist für uns von größter Aktualität. Denn es besteht Wohl kein Zweifel, daß in den ersten Stunden einer Mobilisation die deutschen Geschwader, die Panzerschiffe „Deutschland" und „Leipzig", versuchen werden, unsere Stützpunkte in Marokko und an der Westküste Afrikas anzugreisen."
Zum erstenmal werden die gesamten Streitkräste des Nord- und des Atlantik- Lustgeschwaders zusammen mit den Schlachtschiffen eingesetzt.
Elfteres hat die Ausgabe, die feindlichen Streitkräfte während der Fahrt durch den Kanal zu bekämpfen. Das in Brest stationierte Geschwader soll Aufklärungsslüge zur
Jas Neueste in Kürze
In Genf wurde heute hinter verschlossenen Türen verhandelt. Die Saarfrage steht «ach wie vor im Mittelpunkt der Besprechungen.
Dr. Ley sprach vor Pressevertretern über die weiteren Aufgaben der Deutschen Arbeitsfront. Es sollen demnächst in den Betrieben sog. „weltanschauliche Stoßtrupps" gebildet werden.
Der überfällige Stratosphären-Ballon ist in Rußland niedergegangen. Die Insassen waren tot.
Die deutsch-polnischen Verhandlungen über den landwirtschaftlichen Güteraustausch sind nunmehr zum Abschluß gekommen.
In einer Actherfabrik in Sachsen brach ein Großfeuer aus, durch das sieben Arbeiter verletzt wurden.
Die polnische Regierung ist im Laufe des gestrigen Tages gebildet worden. Der neue Ministerpräsident Kozlowski studierte vor Jahren in Tübingen.
f u tz und dem Vizekanzler Starhemberg in Salzburg bereitet wurde — Eisenbahnsabotage, gesprengte Leitungsmasten und Papierböller — und der nicht verheimlicht werden konnte, hat die österreichische Regierung ganz aus dem Häuschen gebracht. Daß diese» Empfang nur eine Meinungsäußerung der Bevölkerung war, der man jedes legale Mittel zu Willenskundgebungen genommen hat, will man am Ballhausplatz nicht wahrhaven, sondern man sagt, daß die Regierung sich von der „Notwendigkeit schärf st er Gegenmaßnahmen" überzeugt hätte. Welcher Art diese Gegenmaßnahmen sein werden, ist noch nicht bekannt; doch soll „mit neuen, bisher noch nicht angewandten M'tteln" gegen den' „Terror" der Bevölkerung vorgegangen werden, wobei man insbesondere an einen stärkeren Einsatz der Wehrverbände denkt. Vermutlich wird also die Schreckensherrschaft der Hilfspolizisten eine Verschärfung erfahren und jeder Oesterreicher, der sich für die Klebefreu-- digkeit der Handlanger undentscher Kräfte nicht zu begeistern vermag, wird noch vogelfreier sein als bisher.
Otto von Msburg übt sich in Politik
Otto von Habsburg, der bisher mit
Meldung über feindliche Kräfte im Osten durchführen. Der „Kommandant Taste", eines der größten Mittelmeer-Transportflugzeuge, wird den die Luftmanöver führenden Stab aufnehmen, ihm sind mehrere Wasserflugzeuge des ersten Geschwaders zugeteilt. Es werden auch zum erstenmal Transportflugzeuge zur schnel- lenBeförderungkleinererTrup- penteile verwendet. Endlich wird auch das Riesenbombenslugzeug „Croix-du-Sud" an diesem kombinierten Luft- und Seemanöver teilnehmen.
Man hat vor, diesen großen Hhdroplan auf einer gewaltigen Basis einzusetzen und ihm während des Manövers einen Kreuzflug von insgesamt 3500 Kilometern Länge ausführen zu lassen.
Es ist das erstemal, daß der Marine- Generalstab Frankreichs die Nutzbarkeit eines solchen gewaltigen Schwer-Wasferflugzeuges ausprobieren will. Sollte sich dieser Typ, der hier als „Fliegendes Schlachtschiff" bezeichnet wird, bewähren, so wird man sich entschließen, weitere ähnliche Maschinen in die Luftmarine einzustellen. Diese neuen Lnst- kreuzer werden noch weitere Verbesserungen und Vervollkommnungen erfahren. Man bezeichnet sie in einem militärischen Fachblatt als „interessante und vielversprechende Neuerscheinungen des Luftkrieges".
Daß der angenommene „Feind" siegen wird, ist eine ausgemachte Sache; wie wollte der französische Generalstab sonst die „bedrohte Sicherheit" Frankreichs beweisen?
Französische Flottenmanöver sollen Lügen
beweisen
„Angriff Deutschlands" als Annahme — Die befohlene „Niederlage"