Nr. 101
Donnerstag, 3. Mai 1934
108. Jahrgang
er Gele lisch alter
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Umbildung der österreichischen Regierung
Wien, 1. Mai.
Der Eimdespräsident hat auf Antrag des Bundeskanzlers Dollfuß den bisherigen Vizekanzler Fey auf dessen Ersuchen von seinem Posten als Vizekanzler enthoben und den Bundesführer des Heimatschußes Star Hemberg zum Vizekanzler ernannt. Weiter hat der Bundespräsideut Major Fey zum Bnndesminister ernannt und ihm das öffentliche Sicherheitswesen übertragen. Der bisherige Minister Kerber wurde mit der Führung des Bundesamtes für Statistik betraut. Der bisherige Staatssekretär Fehs, Karmin sky, wurde mit der Unterstützung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers beauftragt.
MlmWche Demonstrationen in den Wölbern um Wien
Die Sozialdemokraten hatten für den l. Mai die Parole ausgegeben. in den Wäldern in der.Umgebung Wiens zu demon- strieren. Tatsächlich fanden in der Umgebung Wiens, im Wiener Wald und in den Wäldern des Waldviertels zahlreiche Versammlungen mit Tausenden von Teilnehmern statt. Die größte dieser Versammlungen kam auf dem Tafelberg in der Nähe Wiens zustande. Dort halten sich 10 000 Sozialdemokraten eingefunden. Ein Polizeiflieger kundschaftete die Versammlung aus und große Gendarmerie- und Schutzkorpsabteilungen griffen Plötzlich aus dem Wald an .und zerstreuten die Sozialdemokraten. Dabei wurde der Redner, der eben zu sprechen begonnen hatte, verhaftet. Die Ueberraschung war groß, als es sich herausstellte, daß es sich um den Abgeordneten Jaksch der deutschen sozialdemokratischen Partei in der Tschechoslowakei handelte.
An der österreichischen Grenze war eine Gruppe von 140 Faschisten aus Bologna aus Motorrädern einoetroffen, um an den Feierlichkeiten des 1. Mai in Wien teilzunehmen. Die ganzen Straßenzüge von der Grenze bei Tar- vis bis Wien waren von den Nationalsozialisten mit Hakenkreuzen bestreut worden. Tie Sozialdemokraten hatten streckenweise zahlreiche Nägel ausgestreut und die Kolonne hatte bis Wiener Neustadt mehr als 200 Reifenpannen. In den Werkstätten, wo sie ihre Motorräder zur Reparatur gaben, wurden Sabotageakte ausgeübt.
Au einem blutigen Zwischenfall kam cs außerdem in Krieglach in Steiermark am Semmering. Dort überschüttete eine Gruppe von Kommunisten die Faschisten mit einem wahren Steinbombardement. Einer der Faschisten, angeblich soll es der Kommandant gewesen sein, zog seinen Revolver und streckte einen der kommunistischen Angreifer durch einen Schuß in den Kopf nieder. Der Verletzte wurde ins Krankenhaus gebracht und liegt im Sterben. Die Faschisten konnten nur mit Mühe nach BlVien gelangen.
! Heimwehrüberfall auf die > deutsche Kolonie in Innsbruck
Die berüchtigte Penzplaite reißt bei oer Maifeier die Reichsfahncn her- j unter und versucht Angriff auf die Bilder des Reichskanzler«'
ek. Wien, 2. Mai.
! Ungeheure Empörung in allen nationalen ' Kreisen Oesterreichs hat die Nachricht von ! kiriem unerhörten Ueberfall von Angehörigen der berüchtigten Penz - Platte. die sich I offiziell „Gausturmkompanie der Tiroler ^ heimatwehr" nennen darf, auf die Maifeier .der reichsdeutfchen Kolonie in Innsbruck ausgelöst.
Am von vornherein alle Zwischenfälle aus- !Uchalten, hatten die Veranstalter dieser ! öfter, an der etwa 600 Personen teilnahmen, i die Teilnehmer ausdrücklich gebeten, den . sistsoK crü m verlassen, wenn di? vaterländische Maifeier, die gleichzeitig stattfand, abgeschlossen ist. Während der Feier aber Zangen etwa zwölf Heimwehrleute, di« der ^nannten Penz-Platte angehöMn — ein«
! «aride, deren Mitglieder z. T. mehr Vorstrafen als Lebensjahre zählen — in den Festsaal ein und besannen.
MWiWof skr HM- und Laudesvllrai
Neugestaltung der Strafvorschriften
Berlin, 2. Mat.
Im Reichsgesehblatt wird jetzt das Gesetz zur Aenderung von Vorschriften des Strafrechts und des Strafverfahrens vom 24. April 1934 veröffentlicht, über das schon kurz vor Ostern Mitteilungen gemacht worden sind. Das Gesetz dient dem Zwecke, die Straf- vorschristen wegen Hochverrats und Landesverrat, die in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen zerstreut sind, übersichtlich zusammenzufassen und noch wirksamer zu gestalten. Das vergangene Jahr hatte auf diesem Gebiet bereits diejenigen gesetzlichen Aenderungen eingeleitet, die dem Erstarken des Staatsgedankens und der Wertung entsprechen, die im neuen Reich schwere Vergehen gegen die Volksgemeinschaft finden. Aus diesem Gesichtspunkt waren insbesondere durch zwei Verordnungen vom 28. Februar und durch Gesetze vom 26. Mai und 13. Oktober 1933 die Strafdrohungen erhöht und für schwere Staatsverbrechen auch die Todesstrafe angedroht worden. Das neue Gesetz spricht es noch deutlicher aus, daß derjenige, der seinem Volke die Treue bricht und den Bestand der Volksgemeinschaft gefährdet, sein Leben verwirkt.
Gleichzeitig mit der Neuregelung der Strafvorschriften werden die Bestimmungen über das Verfabren in Hochverrats- und
Landesverratssachen neu gefaßt. Dabei wird eine Schwierigkeit beseitigt, die sich bisher daraus ergab, daß das Reichsgericht nach den früheren Vorschriften zwei völlig verschiedene Aufgaben in sich vereinigen mußte, nämlich die des Hüters der Rechtseinheit durch seine Tätigkeit als höchstes Revisionsgericht und die eines erstinstanzlich urteilenden Gerichtshofs für die Staatsverbrechen. Beide Aufgaben hatten nur wenige Berührungspunkte. Sie werden deshalb künftig zwei verschiedenen Gerichtshöfen zugewiesen.
Für die bisher dem Reichsgericht obliegende erstinstanzliche Tätigkeit, die Aburteilung von Hochverrat und Landesverrat, wird ein besonderes oberes Gericht in Gestalt eines Volksgerichtshofs geschaffen und das Reichsgericht wird ganz seiner der Fortbildung des Reichsrechts oienenden Aufgabe als Revisionsgericht zurückgegeben.
Der Gerichtshof wird teils mit juristisch gebildeten Richtern und teils mit solchen Mitgliedern besetzt, die über besondere Erfahrungen auf dem Gebiete der Abwehr staatsfeindlicher Angriffe verfügen. Seine Mitglieder werden vom Reichskanzler auf Vorschlag des Reichsjustizministers ernannt. Der Zeitpunkt, zu dem der neue Volksgerichtshof Zusammentritt, wird »och bekannt gegeben werden.
Jas Neueste tu Kürze
Staatsfeindliche Elemente steckten die große Augsburger Sängerhalle in Brand, um die 1.-Mai-Feier zu stören. Ein kommunistischer Funktionär wurde bereits verhaftet.
In Paris kam es erneut zu regelrechten Straßengefechten mit der Polizei, wobei es verschiedene Tote und Verletzte gab.
Polnische und südslawische Journalisten weilen zur Zeit in Deutschland. Sie legten am Ehrenmal Unter den Linden Kränze zur Ehrung der deutschen Gefallenen nieder.
Im Saargebiet befürchtet man ein Attentat auf den Regierungspräsidenten Knox, das von Emigranten ausgeführt, separatistische Hintergründe haben soll.
Bei der Maifeier der Deutschen Kolonie in Innsbruck kam es zu schweren Ausschreitungen von seiten der Heimwehrler.
in angeregtester Unterhaltung über alle das Verhältnis beider Länder betreffenden Fragen zusammen. Sodann begaben sich di» Gäste nach einer Fahrt um die schöne Alster zum Hamburger Flughafen, um die Weiterreise nach Düsseldorf anzutreten.
Saar-AWmmlings- brrechtigtr, meldet euch!
Fahnen h e r u n t e r z u r e i ß e n" und Bilder zu zerstören. Ein herbeigeholter Polizeibeamter erwies sich diesen Banditen gegenüber als machtlos. Aus dringendes Ersuchen des Generalkonsuls Geheimrat Saller wahrte di? Menge die Ruhe. Die Heiimvehrbandiien trieben es aber immer ärger und scheuten vor keiner Provokation zurück. Daraufhin verständigte ein Festteilnehmer die Polizei, die mit einem größeren Aufgebot im Saale erschien und — statt d i e R u h e st ö r e r z u v e r h a s t e n — die „Träger" des neuösterreichischen Staates nach längerem Verhandeln zum Verlassen des Saales, bewog. Aus Ersuchen des deutschen Generalkonsuls wurden dann die Fahnen und die Bilder des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers unter polizeilichem Schutz in das deutsche Generalkonsulat gebracht.
Ein Bericht über den empörenden Zwischenfall wurde unverzüglich dem Sicherheitsdirektor von Tirol zuaeleitet.
Ausländische ZomnalWn besuchen Deutschland
kü. Berlin, 2. Mai.
In Deutschland weilen gegenwärtig zwei Gruppen ausländischer Journalisten um das neue Deutschland kennenzulerncn: Polnische und südslawische. Die südslawischen Pressevertreter veranstalteten am Mittwoch eine eindrucksvolle Heldenehrung am Ehrenmal Unter den Linden, bei der ihr Sprecher u. a, sagte, daß die südslawischen Journalisten, die selbst fast durchweg Frontsoldaten sind, „durch Dich, gefallener deutscher Krieger, allen gefallenen deutschen Soldaten die Ehrenbezeugung leisten. Wenn uns der Krieg damals gegeneinander stehen ließ, so waren wir damals Gegner, nicht Feinde. Zum Zeichen der tiefen Achtung, die wir in diesen Tagen für Dich und Dein Volk empfinden gelernt haben, grüßen wir Dich, gefallener deutscher Krieger, in Ehrerbietung und mit Schweigen". Die Journalisten legten dann einen großen Lorbeerkranz mit einer Schleife in den südslawischen Farben am Ehrenmal nieder.
Die in Deutschland bereits seit voriger Woche weilenden polnischen Journalisten nahmen am Dienstag an den Veranstaltungen des Feiertags der nationalen Arbeit teil, die sie begeisterten. Eine Ueberraschung war es für sie, daß sie die in der Mittagspause entwickelten Aufnahmen von der Kundgebung im Lustgarten schon um 17 Uhr im
> Flugzeug nach Warschau senden lomrten, so ! daß sie bereits in den Warschauer Spätabendblättern erschienen. Mittwoch flogen die polnischen Journalisten nach Hamburg, von wo sie nach Besichtigung des Hafens und einer Hafenrundfahrt nach Düsseldorf weiter» reisten.
Zn Hamburg
Der' polnische Journalistenbesuch in H a m- burg gestaltete sich zu einem eindrucksvollen Bekenntnis für die Politische, wirtschaftliche und kulturelle Annäherung zwischen Deutschland und Polen. Nach einer Rundfahrt durch die Stadt, bei der die polnischen Herren mit großem Interesse die Denkwürdigkeiten und Baulichkeiten Hamburgs besichtigten, fuhren sie in den Hamburger Hafen und begaben sich an Bord des Ha- pag-Dampsers Deutschland, wo der Vorstand der Hamburg-Amerika-Linie zu Ehren der polnischen Gäste ein Frühstück gab. Der Vorsitzende des Vorstands der Hamburg- Amerika-Linie. O b o u s s i e r, hieß die polnischen Gäste mit herzlichen Worten willkommen.
Für die polnischen Journalisten sprach sodann in glänzender deutscher Rede Hauptschriftleiter Dunin-Keplicz vom Illustrierten Krakauer Kurier. Herr Dunin- Keplicz führte aus: Als wir gestern durch die festlich geschmückten Straßen Berlins fuhren und auf dem Tempelhofer Feld eine großartige Kundgebung von iVs Millionen Deutschen sehen konnten, da erregte unter den zahlreichen über die Straßen der Reichshauptstadt gespannten Inschriften eine unsere besondere Aufmerksamkeit: „Ehrt die Hände, die Schwielen haben!" Wir brachten dies in Verbindung mit einem bekannten Wort, das unser Marschall Pilsudski
in die Polnische Nation geworfen hat, als er sagte: „Die Zeiten des Wettstreits von Eisen und Blut sind vorbei, nun kommen die Zeiten des Wettstreits der Arbeit." Wir glauben, ein besseres Verstehen zwischen den Völkern als dadurch, daß man die gegenseitige Arbeit ehren und achten lernt, ist wohl nicht möglich.
Der Redner sprach sodann dem Vorstand der Hamburg-Amerika-Linie den Dank der polnischen Gäste aus und fuhr fort: „Ich möchte der „Deutschland" eine glückliche Reise wünschen und ich glaube, diese Reise wird nicht nur das Schiff Deutschland betreffen, sondern auch dasLandDeutsch- land, das, so hoffen wir, in einem sicheren Hafen glücklich landen wird " Spontaner Beifall folgte den Ausführungen des polnischen Redners. Noch lange Zeit blieben die polnischen Gäste mit ihren Gastgebern
Ausruf der Reichsregieruna
Berlin, 3. Mai.
Die Reichsregierung erläßt folgenden Aufruf:
Der Zeitpunkt, an dem die Saarbevölkerung nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages im Wege der Volksabstimmung über ihr künftiges Schicksal entscheiden soll, rückt heran. Der genaue Zeitpunkt steht noch nicht fest; fällig ist die Volksabstimmung vom 10. Januar 1935 ab.
Abstimmungsberechtigt ist ohne Unterschied des Geschlechts, wer am Tage der Unterzeichnung des Versailler Vertrages, d. h. am 28. Juni 1919, im Saargebiet gewohnt hat und am Abstimmungstag wenigstens 20 Jahre alt ist.
An alle im Reich, außerhalb des Saargebiets wohnhaften Personen, die am 28. Juni 1919 im Saargebiet gewohnt haben und vor dem 11. Januar 1915 geboren sind, ergeht die Aufforderung, sich in der Zeit von Donnerstag, den 3. Mai. bis Sonnabend, den 12. Mai, bei ihrer Gemeindebehörde (Einwohnermeldeamt), in den Städten aus den Polizeirevieren ihres jetzigen Wohn- sitzes zu melden. Das gilt auch für Personen, die sich schon früher als Saarabstimmungsberechtigte gemeldet haben. Personalausweise und. soweit möglich. Nachweise über den Wohnsitz am 28. Juni 1919 (An- und Abmeldebescheinigungen. Beschästigungszeugnisse usw.) sind mitzubringen. Wo und zu welche« Tageszeiten die Meldungen entgegengeuom- men werden, wird durch jede Gemeinde rechtzeitig besonders bekanntgegeben.
AmerttanWer Schritt in Tokio
Washington, 2. Mai
Der amerikanische Botschafter in Tokio hat auf Weisung des Staatsdepartements am 29.4. den japanischen Außenminister ausgesucht und eine Erklärung abgegeben, die im wesentliche« folgendes besagt:
Neuerdings sind übe^ die Haltung der japanischen Regierung hinsichtlich der Interessen Japans und anderer Länder in China Andeutungen erfolgt, die von maßgebenden Quellen ausgehen, daß es unmöglich ist, sie unbeachtet zu lassen. Sie nötigen die amerikanische Regierung, die Haltung der Vereinigten Staaten hin« sichtlich dieser Fragen, Rechte und Interessen erneut zum Ausdruck zu bringen. Die Beziehungen der Vereinigten Staaten mit China sind ebenso wie unsere Beziehungen mit Japan und anderen Ländern von den allgemein anerkannten Grundsätzen internationalen Rechts