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Der Gesellschafter
Samstag, den 7. April izzz
Svnntagsgedanken
Von W. Rih m
„Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist." Matth. 2? 21 .
^ Das Verhältnis des Christenmenschen zu Staat und Obrigkeit ist noch immer ein Gegenstand vielseitiger Betrachtung und Erörterung gewesen. Die katholisch-ultramontane Weltanschauung denkt darüber anders als die protestantische und weithin haben die verschiedenen Staatsauffassungen auch die christliche Haltung gegenüber dem Staat entscheidend beeinflußt; rs war 'ebenfalls Tatsache, daß. avaesehen voni Katholizismus, unter dem Einfluß der verschiedensten, oft diametral einander entgegengesetzten Staatsauffassungen keine einheitliche christliche Grundhaltung gegenüber dem Staat da war.
Darin liegt vielleicht auch die Ursache, das; da und dort christliche Kreise noch nicht so ganz in das richtige Verhältnis zum Dritten Reich zu kommen vermögen. Die alten Fragestellungen, die den ehemaligen christlichen Konservativen oder christlichen Liberalen beschäftigt haben, sind durch den Umschwung gegenstandslos geworden. Auch die sonst in frommen Kreisen beliebte Teilung: Hie Gott — da Welt und die damit verbundene Distanzierung von allem staatlichen und völkischen Leben ist heute Praktisch unmöglich geworden, wenn man nicht in den Verdacht der Staats- und Volksfeindlichkeit kommen will, da der nationalsozialistische Staat mit einem totalen Anspruch an jeden deutschen Menschen herantritt. Dieser totale Anspruch schließt in sich, daß der Mensch sein Inneres und sein Leben nicht mehr teilen und diese und jene Dinge seines Lebens als Privatgebiete behandeln kann, in die sich niemand sonst einmischeu darf. Dieser totale Anspruch ist aber zugleich nicht vom Charakter einer tyrannischen Vergewaltigung des deutschen Menschen, der gegenüber der Christ sich etwa auf den duldenden Standpunkt des Apostels Paulus zurückziehen könnte, den er der ersten Christenheit gegenüber der heidnischen Obrigkeit gab, sondern der totale Anspruch des nationalsozialistischen Staates geht darauf aus, den deutschen Menschen zu ganzer Mitwirkung und zu restlosem Einsatz seiner Kräfte an dem Staat und für das Volk ans freien Stücken, eigener Ueberzeugung und heißer Liebe zu erziehen. Durch den Durchbruch der nationalsozialistischen Weltanschauung ist auf diesem Gebiet die Lage völlig verändert worden und es ist ein vollkommenes Neubesinnen über die chri st liche Grundhaltung gegenüber einer nationalsozialistischen Obrigkeit nötig.
In manchen christlicheil Kreisen herrscht hier noch eine totale Verständnislosigkeit, die sich um so verheerender auswirken muß, wenn sie bei Männern zu finden ist, die in leitender kirchlicher Stellung stehen und dadurch immer noch starken Einfluß ausüben. So mußte es aufs tiefste befremden, wenn sich erst kürzlich ein bekannter Landeskirchenführer hinsichtlich seines Verhaltens gegenüber dem Staat auf die Grundhaltung des Apostels Paulus gegenüber der heidnischen Obrigkeit bezog. Um so wichtiger ist es, daß vollends überall die führenden Männer der Kirche Leute sind, welche verstehen, was Nationalsozialismus ist, und nicht mehr in den Borstellungsformen entweder alten konservativen oder liberalistischen Denkens leben.
Die nationalsozialistische Staalsauffassuug und politische Willensbildung unterscheidet sich grundsätzlich von allen bisherigen Staatsauf- sassungen dadurch, daß sie nicht auf irgendwelche menschlichen Theorien und philosophischen Gedankengebäude über das Verhältnis von Staat und Einzelperson zurückgreift, sondern aufgebaut ist auf den ewigen göttlichen Schöpfungs- und Sittenordnungen, die Gott dem Leben der Völker zugrunde gelegt hat. Ausgehend vom Volk als einer göttlichen Schöpfung und Stiftung erkennen wir im Staat weder einen Selbstzweck noch ein Mittel zum Zweck einzelner Schichten und Stände, sondern Staat und Obrigkeit hat ihre Aufgabe allein darin zu sehen, diese göttliche Stiftung des Volkes zu erhalten, zu Pflegen und zu fördern. Der Staat hat sich damit selbst als Werkzeug in die Hand des ewigen Schöpfers gestellt und sein totaler Anspruch an den Einzelmenschen ist nicht ein irgendwie menschlicher Anspruch oder ein Akt tyrannischer Willkür, son oern ein Anspruch, der sich aus dem Berank wortungs- und Sendungsbewußtsein ergibt, das die nationalsozialistische Obrigkeit gegenüber dem ewigen Schöpfer erfüllt.
Durch diese nationalsozialistische Staatsauffassung und politische Willensbildung sind nicht nur die verschiedenen bisherigen Staatsauffassungen vernichtet worden, sondern es ist auch dafür grundsätzlich Garantie geschaffen, daß der Wille des Einzelmnschen Parallel mit dem Staatswillen geht. Volk ist Staat und Staat ist Volk geworden. Dadurch ist aber auch Christenheit und Kirche die Möglichkeit gegeben, sich positiv, froh und freudig in diesen neuen Staat einzugliedern und ihn mit ihren besten Kräften zu dienen. Es geht nicht mehr an, staatliches und völkisches Leben nur als „Welt" zu bezeichnen und sich daran desinteressiert zu erklären; es ist ferner ein Unrecht, diesem Staat gegenüber nur Gehorsam zu üben, weil man „muß" und dieser Staat Gewalt über einen hat; es ist ferner nicht berechtigt, mit Hilfe von christlichen Argumenten de» Emzelmenschen den totalen Ansprüchen dieses Staates entziehen zu wollen etwa unter der Parole: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen."
Erfüllung des Gotteswillens und Gehorsam
unter die Obrigkeit, ganzer Einsatz für Volk und Staat steht heute in engster Verbindung zueinander. Wer Gott aie'-en will, dient dem Staat und Volk und umgekehrt. Es ist auch hier, wie auf andere,! Lebensgebieten durch den Sieg des Nationalsozialismus alles so einfach und unkompliziert geworden. Wer aber diese engen Beziehungen auseinanderreißt, der versündigt sich gleichermaßen an Gott und Volk. Jetzt ist der Zeitpunkt nach einer tausendjährigen Geschichte unseres Volkes endlich da, daß auch die Christenheit zu einer einheitlichen, positiven, christlichen Willensbildung gegenüber dem Staat kommen kann:
„Mein Herz ist entglommen Dir treu zugewandt,
Du Land der Freien und Frommen, Du herrlich Hermannsland!"
Aoh/'e/Lske
Acchne/Sske am/ -/?.
//r FToFe/- Zusiva/r/
ll/rrk — Ü////Z //r che/-
-VsFv/ch
Wer hat Sauvtmann Werther ermordet?
Schweinfurt, 4. April.
Am Mittwoch nachmittag wurde gegen den ledigen Kraftwagenführer Karl Liebig in die Beweisaufnahme eingetreten. Als erster Zeuge wurde Amtsgerichtsrat Kaiser aus Mellrichstadt vernommen, der die ersten gerichtlichen Vernehmungen nach der Mordtat leitete. Der Zeuge bekundet, daß er in dem völlig in Unordnung gebrachten Zimmer u. a. ein Buch vorgefunden habe, auf dessen Rückseite stand: „Karl hat uns gemordet heute nacht um V 22 Uhr" und einen Zettel, der die Aufschrift trug: „Karl war es." Im weiteren Verlauf der Vernehmung habe Frau Werther angegeben, daß sie dies getan hat, um, falls sie in der Nacht ihren Verletzungen erliegen sollte, zu hinterlasse,,, wer der Täter gewesen sei. Im übrigen habe Frau Werther angegeben, daß sie durch ein Geräusch aus dem Schlaf geweckt worden sei. Bein, Erheben habe sie Liebig in der Türfüllung stehen sehen. Auf ihre Frage, was denn los sei, sei Liebig auf sie zugegangen und habe mit den Worten: „Nun erst recht, gnädige Frau" Schüsse auf sie abgefeuert. Sie sei im Folgenden nicht ohnmächtig gewesen, habe aber vorläufig nichts weiter unternehmen wollen, da sie einmal geglaubt habe, ihren. Manne, der jedoch bereits gestorben war, helfen zu müssen und zum anderen Angst gehabt habe, Liebig würde noch einmal kommen. Als man ihr Liebig am Morgen des 1. Dezember gegenübergestellt habe, habe sie gerufen: „Das ist er, tut ihn hinaus." Liebig habe eine Frage an sie stellen wollen, doch kaum habe er die Worte „Gnädige Frau" über die Lippen gebracht, als auch schon Frau Werther von einem Schreikrampf befallen worden sei. Dabei habe sie behauptet: so hat er (Liebig) heute nacht geredet. Liebig sei bei seiner Vernehmung außerordentlich ruhig gewesen, was ihn,, dem Zeugen, besonders aufgefallen sei. Er habe Fragen gestellt, die gänzlich belanglos gewesen seien und sich für Dinge interessiert, die nicht Gegenstand seiner Vernehmung gewesen seien. Der Zeuge fuhr weiter fort: „Ich habe den Eindruck gehabt, daß Frau Werther an dieser Sache mindestens stark beteiligt sein muß, denn ihre Angaben waren im wesentlichen unrichtig." lieber die Vermögensverhältnisse der Familie Werther befragt, bekundet der Zeuge, daß ihm bekannt war, daß seinerzeit das Zwangsverfahren gegen Schloß Waltershausen anhängig war. Die Verwandtschaft der Frau Werther habe es abgelehnt, als Geldgeber einznsprin- gen, weil man dort allgemein gegen den Hauptmann eingestellt gewesen sei. Auf Vorhaltungen des Verteidigers gibt Amtsgerichtsrat Kaiser zu, daß ihm ausgefallen sei, Frau Werther nach einer so aufregenden Nacht äußerst redselig aufzufinden. Auch die protokollierten Aussagen, wonach Frau Werther behauptet habe, niemals ohnmächtig gewesen zu sein, hält der Zeuge aufrecht.
Als nächster Hauptzeuge verbreitete sich Polizeiwachtmeister Bernhard Reu sch, der seinerzeit Polizeistationsführer war, überfeine Eindrücke auf Schloß Waltershausen und über die Erfolglosigkeit der eingeleiteten Untersuchungen.
Nachdem festgestellt war. daß bei dem Einbruch nichts gestohlen wurde, sei ihm der Gedanke gekommen, daß der Zweck des fingierten Einbruches der war, etwa von der Mordtat noch herrührende Spuren zu verwischen. Als dann Reusch über die Vorfälle, die sich unmittelbar nach dem Mord ereigneten, berichtete, gab er an, daß er aus dem Telephon- anrufLiebigs entnommen habe, daß derHauPt-
mann erschossen wurde, obwohl Liebig um diese Zeit hierüber noch nichts wissen konnte. Dr. Beck fragte den Zeugen, ob es nicht der in der Zwischenzeit von Dorfbewohnern aufgeklärte Bürgermeister war, der diese Nachricht durch Fernsprecher gab. Diese Möglichkeit gibt der Zeuge schließlich zu.
Hat Nau Werther einen Mörder gesucht?
Aufsehenerregende Mitteilung des Verteidigers im Waltershausencr Mord- Prozeß
Schweinfurt, 5. April.
Der zweite VerhandlungZtag begann mit der Vernehmung des Sachverständigen des Waltershausener Mordprozesses, Obermedi» sinalrat Dr. H a r t i a. der am 3. Dezember 1932 zusammen mit dem Bezirksarzt Dr. Hetterich die Leiche des Schloßbesitzers sezier; hatte. Die Knochenzertrümmerungen sprächen für einen Nahschuß, und es sei anzunehmen, daß der Tod bald nach der Tat eingetreten sei, da die Blutung langsam verlief. Ein Selbstmord erscheine unwahrscheinlich.
Dann folgte das äußerst bemerkenswerte Gutachten des Sachverständigen Pros. Hermann Fischer von der Universität Wttrz- burg. Seine erste Feststellung war, daß der ganze Monteuranzug des Liebig absolut srei bon Biuislecken war. Znsammenfassend stellte
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Prof. Fischer fest, daß nach seinem Errnepen die Baronin 5 Schüsse erhalten hat. Von den 5 Kugeln erwiesen sich 3 als Bleigeschosse unk 2 als Stahlmantelgeschosse, die zu einem Teil aus der amerikanischen Pistole des Hauptmanns Werther und zum anderen au» einem Revolver geringeren Kalibers gekommen sein mußten.
Als dritter Sachverständiger wurde Prof Reich art gehört. Eine geistige Krankheit der Frau Werther halte er für ausgeschlossen ebenso seien keine Anzeichen von Hysterie bemerkbar gewesen. Ihren Charakter bezeichnet der Sachverständige als einen ruhigc,, und abgeklärten.
teidiger Liebigs ein. daß sie sich nicht mit d», Tatsachen vereinbaren ließen, daß Fra» Werther ihre 65 Jahre alte Köchin, die ihr ihre ganzen Ersparnisse von 260 NM. geliehen habe, und um ihre letzten Pfennige der Schloßherrschaft Essen gekauft habe, eine verlogene und hysterische Person nannte, und daß sie ferner einem jungen Mann, der einmal in der Gegend umherstreifte, 20 Mark gegeben, und ihm ihre Hand und das Schloß Waltershausen versprochen, habe, wenn er rhren Mann ermorden würde.
s^'"Rubrik die wir alle l-i Tage verösfenlltchcn. werden Mmilikbe bet II,iS etnaetie,!^» ^cücüuirvben einer genauen gravllotvgUMen Prutung unler^vgen und üwar aeaen üke Gebulir von 7S Ptenn.a in Br e markeu Tie SchrU,proben musien Uinne bin ,3 2 fassen und un^ivungen möglich» m» Time, geschrieben ,e,n <AUo keine Abichn/ien von dichten u'w.i Ten .-zu'chrikien ,st ein Irankierter Nrieiumichlaa ,ür die Riickautwor, bei?, ino?n Ta nur einzelne Benriellungen bier zum Abdruck kommen können ei'vlgi wik durcbgebend die Be» aniwoi'una der Ansragen unmiue bar an die flutender. S,rc»a»e Tiskreiion ielbsiveniand- lich zugesicherl Tie Erledigung erlolgi >n der Neide der Eingänge meist in eiwa 14 Tagen Hür umgebend aewltnschie Erledigungen erböben »cb d«e Bedingungen des Unkostenbe iraaeS von --7K au' das Tovvelte. Eilgn'iräae dteter Ar, sind m» dem Vermerk d r,„ae.id'zü verübe„ - Tie §>n,endunaen die die aennne Adresse des Ab'cnders enibalica müsse,I sind z„ röchle» an- N s - Prelle Württemberg. Abtciluna Gravlioloattchcr Brlekkasten. Stuttgart. sirledrichstrabe 13 . '
F. A. T. Trotzdem Sie geistvolle Reden anpasfend formen, tragen Sie Ihr Herz nicht auf der Zunge, und in den Händen halten Sie es noch viel weniger. Tie Kopsgefühle kümmern sich kaum um den Pulsschlag, und die Lebenssülle der oft recht unberechenbaren Gedanken verdrängt alle Wünsche zärtlicher Hingabe. Nicht, daß es Ihnen, den Freuden des Lebens gegenüber, an Ansgeschlossenheit fehlen würde, nur stellen Sie eben sich selbst in Ihrem gesamten Denken und Fühlen viel mehr nach außen dar. als daß Sie sich zugeneigt — jemand ergeben würden. — So leben Sic ganz von der Biegsamkeit Ihres
Geistes, und vor der Fülle Ihrer farbenprächtigen Ideen werden andere, weniger gewandte kleine Leute, sehr still und unscheinbar. — In einem Kreis, wo einfachere Lebensformen gelten, und man mit schlichten Gefühlen auskommt, sind Sie wahrscheinlich weniger beliebt. Die Originalität Ihrer Jch- Entsaltung bedrückt Menschen von einfacher Wesensart oft sehr. Doch Sie werden sich in solchen Fällen kaum umznstellen vermögen, denn die Rückkehr zu Einfachheit in Ausdruck, Sein, und innerstem Gehalt, ist wohl das allerschwerste. Dazu muß man sehr reis sein, und ganz zu den Quellen allen Lebens zurück- sinden können.
O. A. Drei Begriffe sind es, welche Ihnen die Vorstellung von einen, glücklichen und schönen Leben vermitteln: Bequemlichkeit und Behagen, gefühlvolle Gespräche und bewundernde Anerkennung. — Wenn Sie ans diesen Quellen reichlich und gut genährt werden, dann sind Sie vollauf zufrieden, und fangen keinen Streit an. Ein recht behaglicher Genuß macht Sie besonders weich gestimmt, Gespräche voll Rührung ergeben sich dann von selbst, und wenn jemand wirklich einmal die gebührende Anerkennung vergißt, so behelfen Sie sich mit immerbereiter Selbst- bewnnderung. — Ihre Gedanken haben sich allerdings etwas verkrochen, und sind ganz ohne Freiheit. Es lebt und leuchtet da nichts in den geistigen Bezirken, das Genußleben wirkt beschwerend und einschläfernd. — Hier und da werden Sie einmal sehr nachdrücklich gerührt, besonders hingebend über sich selbst und Ihre Güte, über Ihre Menschenfreundlichkeit und die Wohltaten, welche Sie andern erweisen. Die sanfte vorwurfsvolle Klage über die Undankbarkeit der Welt ist dann natürlich Ihr besonders erfolgreiches Gebiet. Hier leben Sie sich aus. schöpfen Kraft sür neue Enttäuschungen »nd Verbitterungen. und gestalten Ihr Leben nach dem Muster eines schluchzenden Rührstückes, an dem Sie sich, als Heldin desselben, immer von neuem erbauen. — Aber leider ist das für andere gar nicht so bedeutungsvoll, was Sie da anstellen, denn Ihre Hingabe an die Umwelt schasst gar keine Werte, sondern ist nur dazu da. sich selbst mit Ihrem Tun einen Sinn vorzugaukeln.
O. 729 K. Wie wirkungsvoll Sie in Erscheinung treten! Kraftvoll männlich, im Gehen, im Stehen, in Lachen und Händedruck. Aber das ist Blendwerk und täuscht. Innerlich sind Sie nicht solch ein Heid der zuverlässigen Selbstbehauptung und Beherrschung, und das siegesgewisse Mannesturn ist schnell einmal vorüber, wenn es sich um die notwendige Charakterfestigkeit handelt, den mehr oder weniger bedenklichen Genüssen des Lebens gegenüber. Da, wo Menschen recht seßhaft beieinander sind, können Sie immer schwer widerstehen, verschwenden Ihre besten Kräfte an Lebensfreuden von nicht immer guter Art und vergessen ganz dabei, daß jeder für den Aufbau seines Daseins doch mitverantwortlich ist. Wenn Sie jedoch in Ihrem Arbeitsbetrieb einmal einiges erledigen, was nur ein wenig sichtbar ist, so stellen Sie sich sofort laut damit in den Vordergrund und benehmen sich äußerst betriebsam und geschäftig. Jeder andere erscheint Ihnen dann unfähig und unbegabt, und Ihre eigenen Anlagen wachsen ganz überlebensgroß vor Ihnen auf. Mit halben Andeutungen und bewußt nachlässig hinaewor- fenen Redewendungen geben Sie sich nun den Anschein einer sehr verantwortungsvollen führenden Persönlichkeit, aber wenn man ^lmen dabei prüfend ins Gesicht schaut, so steht man vor einer nichtssagenden Gedankenwelt. Wie soll ich mit ein paar Worten nur Ihr Bild noch erheben? Ich kann Ihnen nur nachdrücklich sagen: Versuchen Sie innerlich so zu werden, wie Sic äußerlich erscheinen.
A. 853. Was sind Sie für eine schwerfällige und unbewegte Frau! Kalt im Blick, lauwarm im Ausdruck, und ungelöst in der Lebensform. Man friert, wenn man Ihre Schriftzüge sieht, und möchte die blutarmen Buchstaben einmal untereinanderwühlen, nur damit etwas Lebensvolles geschieht. — Härte und Verschlossenheit, ein starres Beharren in Vorurteilen, die gar keinen Sinn haben, nimmt Ihnen die natürliche Lebenswärme. So sehen Sie in der Natur das Blühen nicht, und wenn Sie einem Menschen die Hand reichen, so neigen Sie sich ihm doch nicht zu. An aller Schönheit der Schöpfung gehen Sie teilnahmslos vorbei, sind unempfänglich für Licht, und ziemlich gleichgültig auch für Leiden. Es kommt doch aufs
Leben an, und nicht nur aufs Da-sein! Wirklich weiter kommt man ja nur durch Erschütterungen, durch leuchtende Kräfte, welche man aussendet und aufnimmt. Sicher sind ja auch Sie in Ihrer Weise glücklich: die frischgewaschenen Gardinen in der Stnatsstube machen Ihnen ebensoviel Freude, wie anderen eine Wanderung im Maienglanz, und allerlei lebenswichtige Ehrungen und nmständ^'.be Titulaturen erheben Sie genau so stolz ans dem Alltag, wie andere Menschen das Weihespiel eines großen Meisters. Aber Sic müssen doch erst! noch leben lernen. Bis jetzt langweilt inick»- Ihre Nähe sehr.
Peter Schlich.