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Der Gesellschafter

Samstag, den 24. März 1934.

Osterwasserholen

den Hammer nicht rühren nnd den Amboß nicht gebrauchen. Man soll keine Wäsche rufhängen, sonst hänge man damit eine Viehhaut aus. Man darf keinen Besen oder onstiges Geschirr vor dem Hanse stehen lassen.

Eine schöne Sitte in katholischen Gegen­den ist es. daß nach dem Gloria am Grün­donnerstag die Glocken verstummen. Sie reisen nach Rom, erzählt man den Kindern. Mit hölzernen Klappern und Rätschen gehen die Kinder durchs Torf und rufen die Gläu­bigen zur Kirche oder besorgt dieses Rät­schen der Mesner. Im Hunsrück und ander­wärts sprechen die Kinder besondere Rufe, die im Takt den Glockenklang nachmachen.

Eigentümlichen Prozessionen begegnet man im Westfälischen, bei denen in Maske und Perücke als Christus eine Person mitgeht, die durch diese Rolle Buße tun will nnd noch Las schwere, oft mit Steinen gefüllte Kreuz trägt. Anderwärts sucht ein als Teufel Ver­kleideter, mit Hörnern und einem Drachen­schwanz Gezeichneter die Andächtigen im Gebet zu stören, also das immer andrän­gende Böse darznstellen. Das Austreiben des Bösen finden wir am Karsamstag dar­gestellt imJudas-Jagen", ansgeftthrt von Schulknaben, die sich lärmend durch die Straßen treiben. In der Kölner Domkirche, wurde früher der Judas verbrannt, indem ein Bündel Werg, das vom Gewölbe herab­hing, mit der Osterkerze angezüiwel onrde. 'Dieses Judasverbrennen geschah auch in den Straßen. So ceihen sich Liese K n-freitags- und Jndasfener den verschiedensten Früh- lingsieuern an, denen sich ja da und dort am gleichen KarsamStag das avgemeinr Osterfeuer anschließt, das an anderen Orlen wieder auch erst am Osterabend aufslammt. Auch das Hansaussegen erhielt in Köln den Rainenden Jndas^ ansfegen". Das Ver­brennen des Judas, das Anssegen des Judas, die lodernden Flammen des Oster- seners gelten der Vernichtung des Bösen. Wie in den heiligen zwölf Nächten trieb sich auch in dieser Woche das wilde Heer umher, besten Wirken ein Ende gemacht werden sollte. Am Ostermorgen verschwanden alle Spukgestalten. Nach altem Glauben hüpfte die Sonne beim Aufgang vor Freude über die Auferstehung des Herrn. Sie segnete Feld und Flur, teilte auch dem Wasser wun­derbare Kräfte mit. So wurde da und dort im Niedersächsischen das heilige Osterwasser geschöpft. In strengem Schweigen schöpfen die Mädchen gegen den Strom, in dem Glauben, daß dieses Osterwasser ihnen das Gesicht verschönern solle. Vergeblich ver­suchen die übermütigen Burschen sie zum Sprechen zu bringen. Mit der Gewinnung und Uebertragung der neuerwachten Segens­kräfte in der Natur hängt es auch zusam­men. daß in Schlesien. Pommern und Preu­ßen Mädchen und Frauen mit Ruten, viel­fach mit einer geschmückten Weidenrute, ge- sttzt werden: sogar in die Schlafkammern drangen da und dort ehedem die Burschen ein, um die Mädchen aus den Betten zu Peitschen. Schmackostern heißt man den Brauch. Es ist dies die allbekannte Berüh­rung mit der Lebensrute, was ja in ande­ren Gegenden Deutschlands schon an der Fastnacht, ja sogar schon amPsesfertag" Feiertag an Weihnachten) geübt wurde, sich aber besonders sinnvoll gerade mit Ostern verbindet.

In den drei ersten Stunden der Osternacht zog in Delbrück eine Schar Menschen durch die Straßen mit dem alten Osterruf:

Stohet uP jung und olt,

Deinet Guod dem Heeren!

. Am Ostermorgen ging man da und dort w den Wald, wallfahrtete ans bestimmte Berge, zu alten Bäumen und Quellen. Ein döllig Neues war die Welt in der unberühr­

Fritz Röhr­

ten Frühe. So hatte des Nachbars weißer Hausgieoel im ersten Sonnenschein nie aus­gesehen, so festlich strahlend weiß; so auf­geräumt war es nie gewesen in Haus und Hof, so reingefegt war die Straße nie da­gelegen; so atemverhalten und märchenselig war die Welt nie gewesen. Alle Wunder konnten nun passieren, man war bereit, alles zu glauben, alles zu hoffen, ein Ereig­nen, das kein Ende haben mußte, konnte nun anheben, es gab keine Hemmung. Das Leben hatte seinen ersten tiefen Atemzug ge­tan. Wem mochte noch in den Sinn kom­men, von Tod und Karfreitag, von Nacht und Winter zu reden? Ostern war, Früh­ling war. Wer mochte nicht jubeln! In ungebrochener Kraft stoben die Kinder­schwärme auf den Wiesen um das Dorf und sangen das Lied des unsterblichen Lebens, des unumbringlichen Glaubens und Hofsens...

Von Leo Weis mantel

Am Karfreitag hatten die Leute von Spar- brot einenewigen Tag", der Kirchgang nahm an diesem Tag kein Ende, eh' nicht die Sonne untergegangen war.

Am Abend dann gingen die Weber und Bauern und Steinbauer durch die Gräber ihrer Toten, und wo ein Kreuz abgefault war von der Erde, trugen sie dies Kreuz vor die Kirchentür, dort warfen sie die alten Kreuze zu einem Stoß zusammen.

Noch lag vom Karfreitag her die Nacht über Sparbrot da kam es trippelnd und

trappelnd durch alle Gasten, die Leute von Sparbrot kamen zur Kirche gehuscht in den grauenden Karsamstagmorgen, durch die Gräber zu den aufgeschichteten Holzkreuzen, die Buben von Sparbrot kamen geschwirrt wie die Fledermäuse mit ihren Knarren durch die Gassen; sie sangen ein eintöniges Singen:

Zur Kirche! Zur Kirche!

Der Judas, der Judas,

Der unfern Herrn verraten hat.

Der hat gehängt am dürren Ast,

Der hat gebrennt in der untersten Höll, Daraus ist er entsprungen.

Sie haben ihn wieder gefangen,

Jetzt muß er wieder hangen.

Jetzt muß er wieder brennen Am gleichen Tag in jedem Jahr.

Zur Kirche! Zur Kirche!"

Die Leute von Sparbrot standen wie Ge­spenster in einem dicken Kranz um den Stoß der Holzkreuze, sie wisperten.

Eh' es Tag wurde, wenn die Buben! dreimal mit ihren Knarren und ihrem an­sagenden Lied durch die Webergassen ge­sprungen waren, kam Tertullian Wolf, der Psarrherr von Sparbrot, aus der kleinen teinkirche, er trug eine Kerze in der Hand, die flackerte im Wind, nnd Tertullian Wolf betete über die Holzkreuze nnd besprengte sie mit geweihtem Wasser.

So oft Tertullian Wolf, der Psarrherr, dann betete:Oominius vobiseum", sag­ten die Leute von Sparbrot:st oum spiritu tuo", dann steckte der Psarrherr Tertul­lian Wolf die Kerze in die Holzkreuze. Unter das Holz hatten die Buben einen Bündel Werg vergraben, der brach in Feuer aus und das Leuchten kam aus dem bren­nenden Kreuzen, dann schlug es in Flam­men hoch und die Gesichter der Leute von Sparbrot rundum glühten auf aus der Nacht. So standen sie lange, und das Feuer schlug auf, da wichen die Leute zurück, die Hände vor dem Frost der Morgenstunde in den Taschen, und als das Feuer nieder­gebrannt und die Glut versunken war, als alle Kreuze rot aufgeglüht hatten, und in weißer Glut zerfallen waren, standen die Leute von Sparbrot in der bläulichen Däm­merung des Morgens, blutrot kam jetzt die Sonne von der Hochstraße her, wie mit einem Ruck sprang sie an den Himmel, da griff der Psarrherr Tertullian Wolf mit einem eisernen Haken die erste glühende Kohle aus dem Judasfeuer heraus und legte sie auf das Räucherfaß, streute Weihrauch darüber nnd ging zurück in die Kirche. dort weihte er das Taufwasser und die Oster­kerze. Die Leute von Sparbrot, so Tertul­lian Wolf, ihr Psarrherr sortgegangen war, rafften die Kohlen an sich ans der versinken­den Glut des Judasfeuers und trugen sie heim wie einen heiligen Schatz.

Hausfrau, tu deine Schatztrnhe ans," hörte ich die Alten sagen. Da lag schon der erste Schatz des Jahres darinnen: vom Palm­sonntag die Palmen, ein Bündel Weiden­ruten, an denen die ersten Kätzchen saßen. Die waren dann immer schon acht Tage alt, am letzten Sonntag, dem Palmsonntag, an dem die Leute von Sparbrot jenes Ein­zugs des Herrn Jesu Christi.in Jerusalem gedacht hatten, bei dem alles Volk den Herrn mit Palmen begrüßt und die Kleider

Ostermorgen in der Rhön Franz Türck

MusDie SchönbeU deutscher Landschaft" Hermann EtLblaU Bcrlaa Leivzia»

auf seinen Weg gestreut hatte, den er aus einer Eselin geritten war hin zum Tempel, das hatten die Sparbroter immer ge­feiert mit ihrem Pfarrherrn Tertullian Wolf, der war dann in Messegewändern auf einem Esel durch die Webergasse geritten und hatte das Kreuz in den Armen getragen, und die Leute von Sparbrot hatten ihm zugesunge« mit Weidenruten in den Händen:

Streu du, Zion, deine Palmen, sieh, dein König kommt heran."

(AnsDas alte Dorf" von Leo Weismantel, Bühnenvolksbundverlag. Berlin.)

SiterjanMas

Von C h ri st ia n Wagner Wie die Frauen

Zions wohl dereinst beim matten Grauen Jenes Trauertages beisammen standen, Worte nicht mehr, nur noch Tränen fanden.

So noch heute

Stehen, als in ferne Zeit verstreute Bleiche Zionstöchter, Anemonen In des Nordens winterlichen Zonen.

Vom Gewimmel

Dichter Flocken ist er trüb, der Himmel. Traurig stehen sie, die Köpfchen hängend Und in Gruppen sich znsammendrängend.

Zehn und zwölfe hier so leidgemeinsam. Da und dort verstreut auf grauer Oede, Weiße Tüchlein aufgebnnden jede.

Also trauernd.

Innerlich vor Frost zusammenschanernd. Stehn alljährlich sie als Klagebildnis In des winterlichen Waldes Wildnis.

Osterfeuer im Harz (Ostersamstag)

Neinecke-Altenau

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Die gestorbenen und wiedererwerkten Glocken in Altbayern

Vom Glockensterben im Gründonnerstags­gloria bis zur Glockenauferstehung im Kar­samstagsgloria führt im katholischen Bayern den Ratschen das Zepter. Sie kündigt den Morgen. Mittag und Abend an. desgleichen die Gottesdienststunden. In den verschiede­nen Pfarreien verschieden: an einem Ort tönt ihr hölzernes Getös vom Turm her­unter, am andern Ort vom Friedhof heraus, den dritten Ort durchlaufen die Ministran­ten und lärmen mit der Handratschen den Mittag ans. Der Bayer, welcher dem ein­schmeichelnden Klange der Glocken hold ist, hält wenig aus das unliebliche Gelärm der hölzernen Klappern und tauft ohne Federlesen ein unhemmbares Weibermaul eineKarfreitagsratfchn".

Das Karsamstagsgloria spielt, wer möchte auf das raten, eine kosmetische Nolle. Sowie sich nämlich die Glocken in ihrem Wetter- gebräunten Eichenstnhl schwingen, schleicht die eine und andere ländliche Schöne ver­stohlen zum einsamen Bächlein nnd wäscht sich unter dem Karsamstagsgloria das Ge­sicht: das hilft von den garstigen Sommer­sprossen.

Der geheimkräftige Segenstrom, welcher von der wieder erweckten geweihten Glocke ausgeht, läßt sich nach bayerischem Haus- franenglauben sogar auch noch für das Hühnernest und den Schmalzkübel verwerten. Sowie nämlich das Gloriageläute anhebt und hintönt über die Jlmfluren, läuft draußen vom Einödhöfl heraus schon das Kuhmädel zur sonnenbeglänzten Hecke und rupft so eilfertig, als gelte es eine Wette um Millionen, das junggesproßte Gras ins Fürtuch: je mehr, um so besser. Das ist nämlich auserlesenstes Schmalzfutter und sie > zeidelt jeftt in diesem Jahr doppelt so viele und gute Milch aus den Kühen. Während die , Lene Kühgras ausranft. schlägt der Hans inmitten des Hofs ebenso eilig nnd mit dröh­nenden Streichen den Fnchspflock in die Erde: So weit es den Pflockschall rings , herum ins Feld und Holz auseinander trägt, ist der räuberische Fuchs gebannt; er kann jetzt in diesem Jahr nicht mehr, durch die Getreide anschleichend, die Hennen dutzend­weise vom Hofe wegfangen, würgenj rupfen und in die Höhle seinen Jungen zum Fräße , zuschleppen.

(Aus: Josef Schlicht, Bayerisch Land und Bayerisch Volk.)

Herausgegeben im Auftrag der NS.-Preste Würt­temberg von Hans Neyhing (Ulm a. D.1.