Nr. 28
Samstag, 3. Februar 1934
108. Jahrgang
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Helmehr-TWa rast durch Oesterreich
Klägliches Ende des österreichischen Schrittes in Berlin Staatsstreichpläne der Heimwehr
ek. Wien, 2. Febr. Die Politische Entwick- > lung in Oesterreich nähert sich mit Niesen- schritten ihrem Höhepunkt. Die Gegensätze > innerhalb der Regierung haben sich derart ! zugespitzt, daß jeden Tag mit den schwer- i wiegendsten Ereignissen gerechnet werden ^ muß. !
Bekannttich hat Bundeskanzler Dr. Dol 1- f u ß um Neujahr herum versucht, eine Aus- ! söhnnng mit den Nationalsozialisten zu er- ^ reichen. Kanin hatte die Heimwehrführung - ersahren. daß Dr. Dollfuß mit den National- - fozialisten zu verhandeln beabsichtige — es ! war bereits Zeit und Ort einer Aussprache > festgesetzt — als Vizekanzler Feh den Bun- ! deskanzler unter Druck setzte und die Mini- ^ sterratsbeschlüsse vom 8. Januar erzwang, - die in einer verschärften Verfolgung der ; Nationalsozialisten in Oesterreich und in - einer Beschwerde des österreichischen Gesand- : ten in Berlin mit gleichzeitiger Androhung . eines internationalen Schrittes gipfelten. Tie - verschärfte Verfolgung der österreichischen ! Nationalsozialisten hat nur zu einem im ^ gleichen Maße verschärften Widerstand der ; Bevölkerung geführt und der Schritt in Ber- j lin zu einer diplomatischen Nie- ^ Verlage. >
Am Donnerstag hat der deutsche Reichs-- ^ autzenminister, Freiherr von Neurath — i nachdem bereits der Reichskanzler Adolf Hit- j ler am 30. Januar im deutschen Reichstage i dem Gejammer der österreichischen Regie- ! rung über die angeblich bedrohte „Unab- i hängigkeit" Oesterreichs eine Abfuhr vor ! aller Welt erteilt hatte — den österreichischen Gesandten, Ing. Tauschitz, zu sich gebeten und ihm die Antwort der Reichsregierung auf die am 17. Januar überreichte Note ausgehändigt, in der Beschwerden der österreichischen Regierung über angebliche Einmischungen Deutschlands in die innerösterreichischen Angelegenheiten enthalten waren. Die deutsche Antwort umreißt noch einmal die grundsätzliche Haltung der Neichsregierung zum österreichischen Problem und widerlegt aus Grund der angestellten Ermittlungen Punkt für Punkt die einzelnen österreichischen Beschwerden. Gleichzeitig gibt die deutsche Antwort zu verstehen, daß das Problem einer internationalen Behandlung nicht zugänglich ist und auf diesem Wege nicht gelöst werden kann.
Aber weder die diplomaiische Niederlage "och die vergeblichen Versuche, die nationale Opposition in Oesterreich zu brechen, können die Heimwehr zur Vernunft bringen, Fhv Führer. Fürst Starhemberg, hat erst vor einigen Tagen ein „N o t r e ch t de: Heimwehr" — auch gegen die staackich. Exekutive - verkündet. Die Heimwehr stell! den Anspruch auf Totalität, d. h. auf die Alleinherrschaft in Oesterreich, und versucht sie niit allen Mitteln zu erringen. Unter dev Vorgabe, daß die Nationalsozialisten am 30. Januar einen Putsch planten, wurden an diesem Tage in Tirol alle Heimwehrsorma j tionen mobilisiert und die Mobilisierung in ! den anderen Bundesländern vorbereitet. Mit i Recht befürchteten die christlichsozialen Kreise ^ daß ein bewaffneter Staats- ; st r e i ch der Heimwehren bevorstünde i weshalb auch die Ostmärkifchen Sturm j scharen i,ud die christlichen Turner auf ! geboten, bewaffnet und kaserniert wurden > es nun mit dem Staatsstreich Essig wen ! die Hei,»wehren wurden nicht im Zweisi: § rarüber gelassen, daß ihre bisherigen Bun > desgenossen, die Sturmscharen, rücksichtslos ' schießen würden — richtete man die zusam mengezogenen Kräfte gegen die National lozmlifteii. Zuerst in Tirol, dann in allen übrigen Bundesländern, setzten wahllose -N a s s e n v e r h a f t u n g e n von Personen dik nur irgendwie nationaler Gesinnung verdächtigt werden konnten, ohne daß sic je » verbotenen NSDAP, etwas zu tun gehabt hätten. So wurde in Längenfeld ch Fuhrwerksunternehmer, bei dem
ein Vavierböller aefunden wurde, zu sechs
Monaten Arrest verurteilt, seine beiden Lastkraftwagen wurden beschlagnahmt und die Gewerbekonzesston entzogen.
Gleichzeitig wurde von Feh im Ministerrat eine Verordnung durchgedrückt, die nicht nur die brutale „Säuberung" des B e a m t e n k ö r P e r 8 von allen „staatsfeindlichen" Elementen ermöglicht, es wurde auch dem Ermessen Fehs überlassen, jederzeit und überall die Leiter der Staatscxekutive ohne weiteres vom D'eust zu entheben und durch sogenannte Kommissare, die natürlich der Heimwehr entnommen werden, zu ersetzend diese Kommissare erhalten unbe- s chränkt e Voll m achte n. Sicherheitskommissare sollen auch bei allen Bezirkshauptmannschaften errichtet werden ebenso in allen Gemeinden bei gleichzeitiger Auflösung der Gemeindevertretungen.
Vadgastein. der bekannte Kurort in Salzburg, wurde mit einer von Vizekanzler Feh persönlich angeordneten Strafexpedition bedacht, weil dieser Ort vor einiger Zeit den Vizekanzler m liebenswürdigster Weise mit Hakenkreuzsahnen und Papierböllern empfangen hatte. Ein großes Aufgebot von Gendarmerie. Heimwehr und Militär umstellte den Ort und nahm 30 angesehene Persönlichkeiten je st. die nach Wölkersdorf gebracht wurden. In Tirol. Salzburg und Oberösterreich, weiter in Kärnten und in Wien wurden Hunderte von Personen festgenommen und in das Konzentrationslager nach WöIlersdvrf, bzw. dessen Zweigstelle in K a t s e r e b e r s d o r f gebracht.
Die neueste Forderung der Heimwehr ist. den Landeshanvtleutcu einen ans Hsim- wehrmünnern gebildeten A u sschuß zur Bekämpfung der .st a a t s f e i n d - l i ch en El e m e n t e" zur Seite zu stellen. Damit wären die v b e r st en Beamten der Bundesländer Gefangene der Hei in w e h r geworden. Ten Christlichsozialen blieb nichts übrig als sich auch hier einzuschalten und die Forderung dahin zu ergänzen, daß dieser Ausschuß aiis Vertretern der Heiinwehre» und der Sturmscharen bestehen müsse. Tie Kosten für alle diese Säuberungsaktionen sollen von den verhafteten Nativnalsvziali'ten selbst ansgebracht werden.
Die Erbitterung der Bevölkerung über diese jedem Rechtsgefühl hohnsprechende Verfolgung aller, die der Heimwehr nicht zu Gesicht stehen, ist ungeheuer und die Gefahr schwerer Zusammenstöße wird von Tag zu Tag größer. Auch bei den Christlichsozialen erkennt man die Gefahr, die von den Heimwehren droht Bundeskanzler Tr. Dollfuß begibt sich daher am 7. Feb r u a r nach BudaPe st. Welche Bedeutung dieser Reise zukommt, geht aus folgendem Sah eines ganz hinter Dollfnß stehenden Blattes- hervor: ..Dem Kanzlerbesuch lin Budapest) kommt erhöhte Aktualität zu, als gegenwärtig >» Ungarn iv i ch ttge Wirtschaft - o e r Handlungen m i t D e u t s ch l a u d iinZuge sind..."
Dollfuß wünscht eine internationale Blamage
Die deutsche Antwort für „unbefriedigend" befunden.
ek. Wien, 2. Febr. Die Antwort der deut- sehen Reichsregierung auf die Beschwerden des österreichischen Gesandten in Berlin ist am Donnerstag abend gerade während eines Ministerrats in Wien ein- gelangt und sofort geprüft worden. In einer amtlichen Verlautbarnna wird über die Stellungnahme der österreichischen Regierung gesagt:
„Der Ministerrat mußte aus dieser Antwort der deutschen Reichsregierung mit Bedauern entnehmen, daß auch dieser Versuch der österreichischen Bundesregierung, den Konflikt unmittelbar zwischen den beiden deutschen Staaten zu bereinigen, bei der deutschen Reichsregierung kein Verständnis
gesunoeu yal. Lie Annvvrknvle der deutschen Reichsregierung ... begnügt sich damit, die einzelnen Beschwerdepunkte einfach in Abrede zu stellen. Aus diesem Grunde hat der Ministerrat die deutsche Antwortnote einhellig für unbefriedigend gefunden. Im zuversichtlichen Vertrauen aus das gute Recht und in einmütiger Entschlossenheit wird die Bundesregierung unter Führung des Bundeskanzlers Dollfuß nunmehr den Weg weitergehcn. der ihr durch die Verhältnisse aufgezwüngen ist."
Tie österreichische Bundesregierung wird also, wie sie bereits angekündigt hat, eine Beschwerde b e i in Völkerbund einreichen. Es wird ausschließlich ihre Schuld sein, wenn sie sich bei dieser Gelegenheit eine internationale Blamage holt, da sie von der Neichsregierung ausdrücklich vor einem solchen Schritt gewarnt wurde.
Große Demonstrationen in Salzburg
I» Salzburg ist es anläßlich des Transportes der ans persönliche Veranlaß sung des Vizekanzlers Fey in Bad Gastein oerhafteten 30 Nationalsozialisten, unter denen sich drei Polizisten, ein Professor und mehrere Hoteliers befinden, nach Wöllers- dorf zu großen Kundgebungen gekommen. Mehrere tausend Personen sammelten sich bereits bei der Ankunft des Zuges und begrüßten die Verhafteten mit „Heil-
Das Neueste 1a Kurz»
Die französische Denkschrift, die der deutschen Regierung vor einigen Wochen überreicht worden ist, wurde nunmehr veröffentlicht. Sie enthält wenig neue Vorschläge zur Abriistungsfrage.
Am kommenden Dienstag findet im englischen Unterhaus die große Abrüstungsaussprache statt.
Der Reichsinnenminister hat die Länder- rcgierungen ersucht, sämtliche monarchistischen Vereine und Verbände aufzulösen.
Bei dem geheimnisvollen Mord in Nowa- wes handelt es sich nach den Feststellungen der Kriminalpolizei um einen kommunistischen Fememord.
Die österreichische Bundesregierung wird sich nunmehr beim Völkerbund über Deutschland beschweren.
Ein Erlaß des Württ. Kultministeriums regelt grundsätzlich die Beziehungen zwischen der Hitlerjugend und der Schule.
Hitler!"-Rusen, dem Deutschland- und deu- Horst - Wessel - Lied. Die Polizei war bei immer größer werdenden Menge gegenüber machtlos. Mit Mühe konnten sechs Demonstranten festgenommen werden.
Vor -erMes AWnnMatte im Unterhaus
Veröffentlichung des Notenwechsels zur Abrüstungsfrage
kk. Berlin, 2. Febr. Nach eingehender Prüfung erfolgt nunmehr die Veröffentlichung des deutsch-französischen Schriftenwechsels im Januar. Die von der deutschen Reichsregie- rung dem französischen Botschafter Francois Poncet übergebene Note wird am Samstag der Oefsentlichkeit mitgeteilt werden, während die französische Note, die am Nen- jahrstage dem Reichskanzler überreicht worden war. bereits am Donnerstag von der offiziösen Pariser Presse veröffentlicht wurde.
Der Anhalt ber französischen Note
Das „Aide memoire der französischen Regierung zu den Forderungen Deutschlands hinsichtlich seiner militärischen Gleichberechtigung" geht -zunächst nur ans die Vorschläge der Neichsregierung an sich ein. ohne die allgemeinen Erwägungen zu erörtern, die zur Unterstützung dieser Vorschläge besonders in bezug auf den Rüstungsstand Deutschlands angeführt werden. Die französische Regierung begrüßt die Bereitschaft zum Abschluß von Nichtangriffspakten, sofern die m Kraft befindlichen Verträge, insbesondere Vas Locarno-Abkommen, dadurch nicht geschmälert werden. Sie nimmt weiters von der Zustimmung der Neichsregierung zu einer automatischen, periodischen und gegenseitigen Kontrolle Kenntnis.
Tie deutschen Nüstnngsfordernngen werden als den Grundsätzen der Genfer Konferenz (Erklärung vom ll. Dezember 1932) znwiderlaufend bezeichnet. Nach französischer Auffassung würde die deutsche Truppenmacht, die ohne Mobilisierungsmaßnahmen verfügbar wäre, nicht nur aus den verlangten 300 000 Mann bestehen, sondern auch aus den Polizeikräften, weiters aus den „militärähnlichen Organisationen, die seit der Machtergreifung des jetzigen Regimes eine Entwicklung und einen Ausbau erfahren hätten, daß sie ein umgängliches militärisches Problem darstellten". Das Aide memoire wiederholt dann die gewohnten Behauptungen über die militärische Ausbildung und Organisation dieser Formationen. Die französische Negierung müsse deshalb auf der Einrechnung dieser Formationen in die Personalbestände bestehen.
Tie französische Regierung stellt weiter fest, daß Deutschland eine bedeutende Aufrüstung ans dem Gebiete des Kriegsmaterials z» Lande und in der Luft sowohl in quantitative als auch in qualitativer Hinsicht verlange. Die grundsätzlich anerkannte Gleichberechtigung setze aber eine vorherige
Angleichung und Vereinheitlichung ber Personalbestände voraus, wozu mehrere Jahre nötig seien. Tie französische Regierung fordert schließlich eine klare Aeußernng über die Frage, von welchem Zeitpunkt an die Kontrolle wirksam werden io!!.
Frankreich erklärt sich zu einer Abänderung des britischen Planes in dem Sinne bereit, daß einer Herabsetzung der französischen Streitkräfte in den ersten Jahren zeitlich eine Umbildung der jetzt bestehenden deutschen Streitkräfte mit dem Ziele des einheitlichen Typs eines Verteidignngsheeres mit kurzer Dienstzeit und beschränkter Trnppenzahl parallel läuft; d. h. der Personalbestände, die zur Verteidigung des Mutterlandes bestimmt sind. Hinsichtlich des Landkriegsmaterials will Frankreich von Beginn des Abkommens den gegenwärtigen Stand seiner Ge- samtrttstungen nicht überschreiten und di» Herstellung größerer Kaliber oder höherer Tonnengehalte, als sie allen Staaten gestattet sind, verbieten.
Gleichzeitig wäre die Anwendung und Klarstellung einer auf alle Staaten anwendbaren Kontrolle zu betreiben, die sich auf die Personalstärke wie auf die Herstellung oder Einfuhr von Kriegsmaterial erstrecken würde. In einem zweiten Stadium des Abkommens wäre die allmähliche Abschaffung des über die festgesetzten qualitativen Grenzen hinausgehenden Kriegsmaterials vorzunehmen, ebenso allmählich die Steigerung der Zuteilung des erlaubten Kriegsmaterials an die den Militärbestim- mnngcn der Kriegsverträge unterworfenen Staaten. (In dieser Forderung ist also die „Probezeit", wenn auch unausgesprochen, so doch praktisch, enthalten.) Die französische Regierung ist bereit, die Hceresstärken, Kaliber- und Tvnnengehalte genau zu beziffern, meint aber, daß eine Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland zur Bestimmung dieser Zahlen allein nicht genügen könne. Schon jetzt sei aber gesagt, daß Frankreich gern in Aussicht nehmen würde, das Kaliber der allen Staaten gestatteten beweglichen Geschütze auf 15 ein herabzusetzen.
Hinsichtlich der Luftrüstnngen erklärt sich Frankreich zum Verbot des Bomben- abwurfes unter den in der Entschließung zum 23. Juli 1932 festgelegten Bedingungen bereit und würde bei einer allgemeinen Herabsetzung der Stärke der hauptsächlichsten Luftflotten und bei einer wirksamen Kontrolle der zivilen Luftfahrt und der Herstellung von Luftfahrtmaterial eine Herabsetzung seines jetzt im Dienst befind-