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Nr. 4
Der Gcieüichai'lcr
Freitag, den 5. Januar 1681.
, Bittlich ersuchen dich,
O Kindelein!
Daß diesem Haus,
Villen heraus,
' Willst geben immerdar
( Dein Segen noch viel' Jahr',
< O Jesulein!
< O Jesulein!
, Wir jetzund fertig sein.
So schlaf denn wieder ein,
' O Kindelein!
O Herzelein schlaf,
«chlaf, ach schlaf.
Doch schlaf' nicht, wenn wir Klopfen an der HimmelStur,
O Jesulein!
Fürwahr, Friedrich von Spee, der fromme Dichter, hat in seiner „Trutznachtigall" kaum ein lieblicheres und naiveres Lied, als dieses Dreikönigslied meiner Jugendzeit.
Es war im Jahre 1849, da mich, der ich auf dem Kirchenchor Sopran sang, die Reihe traf, unter die Heiligen Drei Könige einzn- treten, ein Los, auf das ich um keinen Preis der Welt verzichtet hätte. Und als die Mutter mich znm alten Buchbinder Gvttlieb Hinterskirch führte, damit er mir die „Krone anmesse", da war ich glücklicher und stolzer, denn ein römischer Dichter, der ans dem Kapitol gekrönt wird.
Jeden Abend von Weihnachten ab hielten wir Singprobe, wobei ich den Sopran und die zwei Mitkönige die Altstimme vertraten und des „Schmied-Bälden Louis", ein vormaliger Treikönig, der jung sterben musste, den Instruktor spielte. Den Baß übernahm der Sternenträger, wenn er es nicht Vorzug. zu rauchen. Tann ward auch der „Sternen" in Reparatur genominen, geflickt, gepappt und frisch eingeölt. All das mit einem seligen Eifer, als ob es gälte, ein Schauspiel für Menschen und Engel, für Himmel und Erde ansznführen.
Was tut der Mensch nicht ans Eigenliebe! Der schwarze Treikönig, Kaspar, war von uns Kindern von jeher am meistern bewundert worden, und deshalb war ich nicht wenig stolz auf seine Nolle und das schwarze Gesicht. Auch schritt der Kaspar stets in der Mitte seiner beiden Kollegen hinter dem „Sternen" her.
Beim unteren Tor wurde abends sieben Uhr angefangcn, und vor jedem Hans ein Lied, und wenn im zweiten Stock eine zweite Familie wohnte, ein zweiter Sang losgelassen. Aus dem unteren Stockwerk brachten die Kinder des Hauses, in einem Papier eingewickelt, die «ängergabe, und das war der innerste Kern des ganzen Königtums und der Sternendreherei — die Leute im oberen Stockwerk brannten das Papier an und warfen die Kreuzer und Groschen wie Leuchtkugeln zu den Füßen der „Heiligen Drei Könige". Ter „Schwarze" aber, als der vornehmste, hob nie „ein Geld ans", däs besorgte einer der anderen, entweder der Melchior oder der B<?lthasar.
Wenn Könige und Stern den halben Lauf der Altstadt durchzogen hatten, kamen sie an das Hans meines Vetters Bosch, eines reichen Bäckers. Ta ward seit alten Zeiten von den Heiligen Drei Königen und ihrem Stern Einkehr gehalten. Ter letztere wurde in den Hausgang gestellt und einstweilen gelöscht, den Heiligen Drei Königen und ihrem Sternenträger aber am Studentisch Wein und frisch gebackene Brezeln serviert.
Ich bin überzeugt, daß es den wirklichen Drei Königen im Palast des Herodes, als sie ihn besuchten, nicht so geschmeckt hat, wie uns beim „Boschenvetter", da wir in königlicher Vertretung bei ihm zu Tische saßen.
Dem Bäckermeister mußten wir jeweils vor seinem Hause sein Lieblings-Dreikönigslied singen, dessen erste Strophe also lautete:
„Dinderade", wie man dem Bierbrauer „Znm grünen Baum", Seraphin Franz, einem Netter meines Vaters, sagte.
Hier wurde das Geld gezählt und verteilt. Denn dem Melchior und dem Balthasar wurde es die Nacht über nicht anvertraut.
Ter Jägermurer bekam einen halben Gulden, und aus jeden König traf es über einen Gulden.
Königlichen Hochgefühls voll und reicher als Krösus mich dünkend, ging ich heim, wusch mein schwarzes Gesicht und legte mich zu Bette mit der Freude, morgen noch einmal den schwarzen Treikönig spielen zu können. Denn am Tag deS Festes selbst ging die Fahrt durch die Vorstadt und vor die Häuser am „Graben."
Fast 30 Jahre später, am Abend vor dem Dreikönigstag 1 8 7 6, stand ins „Kirchgäßle", im Dunkel der Nacht, eine lange Gestalt an der Ecke des westlichen Zehnt - Gebäudes, als eben die Heiligen Drei Könige vor dem Hause sangen, das zu meiner Zeit der „Bergsidele" bewohnte. Tie Knaben hatten scheint's erst an- gesangen und waren von wenigen Kindern noch begleitet; sie sangen das Lied: „O Jesulein!" Ta liefen dem Manne, der ungesehen in ihrer Nähe stand, die Tränen von den Winter im Dorf (AuS Augen; er gedachte der Jugendzeit, seiner eigenen Dreikönigswürde und des kindlich seligen Glückes jener Tage, da auch er „dem Sternen" gefolgt und gesungen: „O Jesulein!"
Lange noch folgte ich von ferne den Dreikönigen und der still lauschenden Kinderschar durch die Gassen und träumte mich zurück in die Kinderzeit und in den Kinderhimmel. Ich hätte sterben mögen an jenem Abend, so
Kalender Kunst und Leben)
Otto Moderfohn
selig und wehmütig zugleich war mir zumute.
(Ans: Heinrich Hansjakvb „Aus meiner Jugendzeit", Verlag Bonz L Co., Stuttgart.)
Ein tvenbiskim Nolksbrauch,
DvMryvWAM der aus dem Winter in den Frühling weilt
Von Mar Zeibig, Bautzen
In der Wiuterfrühe des 21. und 22. Januars kündet sich der Frühling zum ersten Male leise singend in den Zweigen an. „Fabian und Sebastian lassen den Säst in die
Ich lag in einer Nacht und schlief.
Da träumte, mir, König David rief:
Wie kann ich singen und träumen.
Wie kann ich singen und träumen.
Von den Herl'gen Drei König ein Lied!
Sie liegen zu Köllen am Rheine,
Sie liegen zu Köllen am Rheine.
Der Bäcker Bosch war ehedem „zu Köllen am Rheine" auf der Wanderschast gewesen und deshalb wollte er dieses Lied haben, über das der sonst so strenge Mann ganz weichherzig wurde.
Draußen warteten die Kinderherzen des ganzen Städtchens auf die Wiederkunft von Königtum und Stern, frierend in der kalten Nacht, während die „Drei Heiligen" sich wärmten und gütlich taten. Doch nahm ihnen das in den Augen der Kinder nichts von ihrem „Heiligenschein". Sobald der „Jägermurer" seinen Stern wieder leuchten ließ, war alles zufrieden, und die Fahrt ging weiter, den Häusern in der Mühlen- straße zu.
Gegen zehn Uhr war die Sternenfahrt der Lrei Könige zu Ende. Und dann ging's zum
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Lchlittenfahren (AuS Kalender Kunst und Leben)
Neuer
Bäume gähn", so sagt eine alte zuverlässige Bauernregel. Die Tiere, die den Winter der- schlafen, rühren und strecken sich und drehen ihren Kops nach oben. Die Vögel rufen und locken schon beherzter, und am 25. Januar ist Vogelhochzeit.
Das wissen die wendischen Dorf- und Stadtkinder genau. Winters über haben sie ja mit den stillen Brüdern aus der Lust in guter Kameradschaft gelebt, haben ihnen Schutzhütten gebaut und schönes, körniges Futter gestreut. Nun kommen die Vögel, sich zu bedanken. Am Abend stellen die Buben und Mädchen blanke Teller an die Fenster. Ueber Nacht geschieht ein Wunder. Am Morgen sind dre Teller dicht angefüllt von süßen, bunten Dingen.
Die Zuckerbäcker in Stadt und Land dürfen den Tag nicht vergessen. Schon lange vorher gleichen ihre Schaufenster einem richtigen Frühlingsmärchenhimmel. Sie sind wahre Königreiche der Kinderfreude, so
schön fast, wie die bunten, glänzenden Weih- nachtswresen, und verraten, wie fleißig die Zuckerbäcker waren. Sie haben aus Eiweiß, Zuckerschaum, Schokoladeguß und Marzipan kleine Vogelkörperchen zu Hunderten förmlich hingezaubert, haben sie mit weißen, roten, goldenen oder himmelblauen Flügeln aus leuchtendem Glanzpapier besteckt und rote, gelbe oder schwarze Schnäbel angesetzt. Die Augen sind aus süßen Rosinen und blik- ken ganz treu und schwärmerisch. Nun schwirrt und schwatzt' das gefiederte Völkchen durch den frohen Himmel seliger Kindergedanken. Da gibt es winterweiße Vögel, sv zart und sein, wie frischgefallener Schnee, kleine Vogelpärchen, die schnäbeln sich in verliebter Lust. Auch dottergelbe, etwas schwerfällig wackelnde Entenvölker sind zu sehen, und ganz große Hühnerscharen. Dazu liegen kleine Nester wirr umher. Manche sind aus wunderbar knusprig braunen Schokoladezweigen geflochten. Das sind die Schwalbennester. Die Storchennester aber sind einfach zum Anbeißen. Und alle sind angefüllt von ganzen Eierbergen, gesprenkelte Eier, wie sie der Kiebitz legt, auch rote und blaue, ja sogar silberne und goldene gibt es. Welch eine Lust! Welch herrlicher Dank! Das.ist ein Fest.
Nun besinnen sich die Hühner, daß sie wieder fleißig Eier legen müssen, schöne, große, frische Eier. Die will die Bäuerin in Bautzen zu Markte bringen. Auch die anderen Vögel müssen an die Zukunft denken, an den Frühling und an den Nachwuchs. Also muß man zur Hochzeit richten.
Davon singen die Deutschen ein sehr langes, lustiges Lied. Aber das der Wenden ist fast noch länger und schöner. Es erzählt eigentlich so eine richtige, derbe Bauernhochzeitsgeschichte. Darin kommen alle Vögel der Heimat vor. Und so singt das Lied:
> Winterlich« Behaglichkeit K. Sigrist.
„Heut macht die Elster Hochzeit mit der
Krähe.
Da kommen viele Hochzeitsgäste.
Der Hahn, das ist der Hochzeitsbitter,
Der heißt willkommen alle Gäste." Festredner ist der Habicht. Mundschenk der Storch. Das Rebhuhn Koch. Der Eichelhäher wäscht aus. Nach dem Essen wird getanzt. Lerche und Schwalbe spielen Flöte. Der Zaunkönig bläst Horn. Die Wachtel Tuba oder Posaune. Soweit geht alles ganz lustig und ordentlich zu. Aber nun „schnapst" die Schwarzamsel, bis sie sich „vor Betrunkenheit kugelt". Die Bläßente ist auch schon „benebelt". Das ärgert den sonst so vornehmen Fischreiher. Er schimpft wie ein Rohrspatz. Die Betrunkenen tun beleidigt. Es wird wohl eine Rauferei geben. Da, wirklich: Die Grasmücke stößt' die Bachstelze. Die Meise backpfeift den Goldammer. Das Rotkehlchen packt den Finken. Der Würger faßt die Waldschnepfe. Da heult der Wiedehopf. Irgend jemand hat ihn Stinkvogel genannt. Er beschwert sich beim Kreuzschnabel ... Ein wüstes Durcheinander!
Wenn nicht der Kuckuck wäre! Er teilt mit seinem Ruf alles hübsch ab, tröstet und redet zum Frieden. Blitzschnell erfassen die Musikanten die Situativn und spielen wie- der zum Tanz auf. Pirol und Nachtigall sangen an, wunderschön zu singen. Da sind die lärmenden Brüder mit einem Male ganz bezaubert, singen sich selbst die kleine Seele aus dem Leibe, und alles ist wieder gut. Es herrscht schönste Einigkeit. Die Vogelhochzeit kann weitergehcn.
Der Dorfbursche Jankv hat die Vögel belauscht. „Ist das ein Fest!" denkt er. und denkt weiter an seine Hanka. Die ist bestimmt das schönste Mädchen auf der ganzen Welt, hat ein rundes, rotbackiges Gesicht, lachende Augen und blitzblanke Zähne. Stolz trägt sie ihre Tracht, die enge schwarzseidene Jacke und den weiten, faltenreichen Rock. Im Winde flattern die langen, knisternden Bänder von der Flügelhaube herab. Zur Hanka will er gehen! Und er nimmt sie beim Kopf und singt ihr was ins Ohr. (Aus wendisch heißt das):
„Hanka, tv sx moja,
Ilanka, äav mv mulku nor: na inalu Irlrrvillln."
Hanka horcht, wird ganz rot und lacht dabei. (Auf gut deutsch muß man sich das so erklären):
„Hannchen, du, sei mein,
Hannchen, gib mir dein Mäulchen nur ein kleines Weilchen!"
Wer weiß, was daraus noch werden kann ...
Ludwig Richter.
Sanuar
Ein strenger Herr, der Januar,
Mit Kälte, Eis und Schnee fürwahr. Das Jungvolk liebt die Schlittenbahn, Der Aehne sitzt beim Ofen dran. H. R.
Es ist eine Kachel im Sfen...
Der Ofen im Volksmund
Das Weib und der Ofen gehören zum Haus.
Wenn der Ofen brummt, der Sturm bald summt.
Ritter mit Eis und Schnee tun dem Ofen noch vier Tage weh.
Hat d' Sonn' en G'walt, ist der Ofe kalt.
E schö's Weib und e schöner Ose und e schöne Uhr zieret die ganz Stub.
Wo d' Stubetür gege d' Ofe aufgaht, find d' Weiber Herr.
An großen Oefen ist sich gut wärmen, sie bedürfen aber viel Holz.
Am warme Ofe ist's gut g'wärme.
Der hat si' am kalte Ofe g'wärme wolle.
Du wirst dich brennen am kalten Ofen.
Der nächst beim (am) Ofe g'wärmt fi'.
Es sucht keiner den andern hinterm Ofen, wenn er nicht selber schon dahinter gewesen ist.
Er ist scho' hinterm nämliche Ofe g'sesse.
Hinterm Ofe ist au in der Stub, aber nit in der Mitte.
Wer si' allst fürchtet, ist hinterm Ofe it sicher.
Wer allst hinterm Ose bleibt, kommt (in der Welt) it weit.
Hinterm Ofe ist gut schwätze.
Hinterm Ose hat no keiner auf Rom g'funde.
Hinterm Ofen und in der Hüll (Osenhafen) M aller bösen Weiber Stell.
Der verkauft einen hinterm Ofen.
Wenn die Katze im Februar in der Sonne siegt, muß sie im März wieder hinter de» Ofe«.
Der ist recht hinter den Ofen.
Es ist eine Kachel im Ofen. (Wenn Kinder dabet sind, die nicht alles hören dürfen.)
Du bist so dumm, ma' könnt de Ofe mit dir ei'pumpere.
Herausgegeben im Auftrag der NS.-Presse Württemberg von Hans Reyhing (Ulm a. D.O
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