Nr. 288
breitag, 7. Dezember 1934
108. Jahrgang
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Frankreich. England. Italien sör internationale Saarpolizei
Reichsregierung stimmt zu
EmmselMbdt ins ömr« orbiet für SA. und SS.
Neustadt a. H., fl. Dezember.
Genf, 5. Dezember.
Um 18 Uhr trat der Bölkerbund wieder zu der angesagten öffentlichen Sitzung zusammen. Er erteilte sogleich zu dem Punkt ..Aufrechterhaltung der Ordnung im Saargebier" dem französischen Außenminister L a v a l das Wort. Dieser gab bekannt, daß er eine Erklärung abzugeben habe. Er bezog sich zuerst auf die am 30. November vor der französischen Kammer abgegebene Erklärung, die er nochmals wörtlich wiederholte. Daran anschließend machte er folgende Bemerkungen: Er lei bei den Erklärungen vom 30 November aus'Höflichkeit vor dem Völkerbund in seinen Gedanken nicht zu Endegegangen. Frankreich sei selbstverständlich der Meinung, daß sich andere Länder an einer eventuellen Polizeiaktion beteiligen sollten. Er müsse jedoch weiter gehen. Das «aarproblem sei kein deutsch-französisches Problem, und dürfe das nicht sein. Es sei ein internationales Problem.
Es handle sich nun um die Aufrechtcrhaltung der Ruhe und Ordnung. Er wende sich mit der Bitte an den Völkerbundsrat. st'ir diese Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung während der Abstimmung Sorge zu tragen. Damit keine falsche Auslegung dieser Bemerkungen erfolgen könne und im Geiste der Versöhnlichkeit verstanden werde, formuliere er seinen Vorschlag folgendermaßen: Er ersuche den Völkerbundsrat. selbst die Aufgabe der Ausrechterhaltung der Ruhe und Ordnung, die sonst Frankreich zugekommen wäre, aui sich zu nehmen. Wenn sein dahingehendes Ersuchen bewilligt werde, so werde Frankreich gerne damit einverstanden sein, sich nicht in der einzusetzenden internationalen Polizei vertreten zu lassen mit dem selbstverständlichen Hinweis darauf, daß Deutschland darin auch nicht vertreten sein könne.
Nachdem Lavals Erklärung, die schon größtes Aufsehen hervorrief, übersetzt morden war, ergriff der Vertreter Englands. Eden, das Wort. Er las eine formulierte Erklärung 'der britischen Regierung vor, in der es heißt, im Saargebiet herrsche während und nach der Abstimmung eine Krisenzeit: die Polizeikrästc seien sehr schwach. Vorbeugen sei besser als heilen. Er schlage deshalb vor. schon jetzt ein? internationale Macht ins Saargebiet zu schik- ken unter der Voraussetzung, daß Deutschland und Frankreich zustimmten und daß an den Kontingenten weder Deutschland noch Frankreich beteiligt seien. Er könne im Na- men seiner Regierung erklären, daß England für den Fall, daß es eingeladen werden sollte, an dieser internationalen Truppe teilzunehmen, das in angemessenem Maße tun werde.
Aloisi schloß sich in großen Zügen diesem Vorschlag an unter der Voraussetzung, daß Deutschland und Frankreich damii einverstanden seien. Auch Italien würde sich gegebenen Falles in angemessener Weise an einer solchen internationalen Truppe beteiligen.
Auf Vorschlag Benesckis beschloß sodann der Rat. den Dreierausschuß aufzufordern, die Frage einer internationalen Polizeitrupp? für das Saargebiet zu prüfen und dem Rar noch im Lause dieser Tagung einen endgültigen Vorschlag zu unterbreiten.
Baron Moisi bittet die Reichsreqierung vm Darlegung ihres Standpunktes
Der Vorsitzende des Saarausschusses des Völkerbundes, Baron Aloisi, hat in Ausführung des ihm durch den Völkerbundsrar erteilten Auftrages durch Vermittlung des deutschen Konsuls in Genf ein Telegramm an die Neichsregierung gesandt, in dem er sie bittet, ihm ihren Standpunkt hinsichtlich der Fragen mitzuteilen, die am Mittwoch abenl durch die verschiedenen Erklärungen der Mächte vor dem Völkerbundsrat aufgeworfer worden sind. Er erinnert in diesem Tele- Aamrn gleichzeitig daran, daß der Saaraus- ichuß beauftragt worden sei, dem Völkerbundsrat auch hinsichtlich der Frage der internationalen Truppenkontingente Vorlchlägi i>u unterbreiten.
gleichzeitig hat Baron Aloisi der Reichs- regrerung den Wortlaut der heute dem Völ
kerbundsrat abgegebenen Erklärungen am telegraphischem Wege übermitteln lassen.
In Ergänzung des Berichts über die Ratstagung ist berichtigend zu melden, daß Eden nicht gesagt hat, daß Kontingente der Staaten Europas geschickt werden. Er hat vielmehr von Staaten gesprochen, die durch ihre Lage als Nachbarn besonders geeignet seien. Truppenkontingente zu stellen.
ktz. Berlin, 6. Dezember.
Wie im Laufe des Donnerstag bekannt wurde, wird noch im Laufe des Tages die zustimmende Erklärung der Reichsregierung zur Entsendung internationaler Polizeitruppen in das Saargebiet nach Genf abgehen.
Die Antwort Deutschlands hat folgenden Wortlaut:
„Ich beehre mich, den Empfang Ihres Telegramms vom 5. Dezeniber über die Sitzung des Völkerbundsrates vom gleichen Tage zu bestätigen und Ihnen daraus namens der deutschen Regierung folgendes mitzuteilen: Tie deutsche Negierung hat von den Erklä- rungen Kenntnis genommen, die im Dölker- bundsrat zur Frage der Ausrechterhaltuug von Ruhe und Ordnung im Saargebiet während der Abstimmungsperiode abgegeben worden sind. Sie ist ihrerseits zwar der Ansicht. daß die Verhältnisse im Saargebiet eine Heranziehung auswärtiger Kräfte für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung nicht notwendig erscheinen lassen: sie will sich aber gleichwohl damit einverstanden erklären, daß. sofern der Rat dies beschließt, neutrale internationale Kontingente in angemessener Stärke zu dem erwähnten Zweck ins Saargebiet entsandt werden, gez. Freiherr von Neurath. Neichsminister des Auswärtigen."
In Genf selbst hat vor allem die Haltung Großbritanniens in dieser Frage große Ueberraschung hervorgerufen, die auch in der Presse aller Länder zum Ausdruck kommt. Man empfindet damit die Gefahr eines Einmarsches französischer Truppen in das Abstimmungsgebiet als gebannt au. „Times" stellen fest, daß der deutsche Einwand gegen die französischen Einmarschabsichten durchaus- stichhaltig gewesen sei. In den letzten acht bis vierzehn Tagen sei es deutlich geworden, daß Laval daran sei, bessere Beziehungen zu Deutschland herzustellen. „Daily Expreß" ist das einzige Blatt, das mit dieser Abkehr von der bisherigen Isolierungspolitik Großbritanniens nicht zufrieden ist.
Auch die französische Presse ist — mit einer einzigen Ausnahme — durchaus befriedigt. Sie Preist das „staatsmännische Geschick" Lavals. Tre Ausnahme bildet Pertinax vom „Echo de Paris", der die Beweggründe Groszbritanniens für die Aenderung seiner Haltung untersucht und zu dem Schluß kommt daß die britischen Truppen im Saargebiet Frankreich gegenüber die Macht Großbritanniens zeigen sollen: darauf gestützt, werde die britische Regierung ans ihre Abrüstungsdenkschrift vom 4. Januar zurückgreifen und Frankreich zur Annahme dieser Grundsätze bestimmen. Laval müsse sich daher den Folgen dieser britischen Haltung entziehen.
Nach englischen Dlättermeldungen soll daS Polizeiaufgebot kür das Saargebiet zweitausend Mann betragen, davon -MO Mann (zwei Infanteriekompanien) aus Großbritannien.
Die Annahme des Aloisi-Berichkes
Die Ratssitzung am Donnerstag begann wieder mit einer kurzen Geheimsitzung, in der. wie man hört, der britische Lordsiegelbewahrer Eden zum Berichterstatter im südslawisch-ungarischen Streit bestellt wurde.
In der anschließenden öffentlichen Sitzung gab zunächst der französische Außenminister
Laval eine Erklärung ab. Er dankte dem Dreier-Ausschuß und kam auf die Frage des Status quo für das Saargebiet zu sprechen. Sollte sich eine Mehrheit für den Status qur» aussprechen, so müßte die Souvernität voll und tatsächlich auf den Völkerbund übergehen. Wenn dann später die Saarbevölkerung den Wunsch haben sollte, ins Reich zurückzukehren, dann hätte der Völkerbunds
rat darüber zu entscheiden. Frankreich würde sich dem nicht widersetzen.
Nach Laval sprach der britische Lord- Siegelbewahrer Eden. Er. der Polnische Vertreter Komarnicki, die Vertreter Chiles Mexikos, der Türkei und Portugals, sowie K n o x dankten insbesondere dem Baron Aloisi für die kluge Führung der römischen Verhandlungen. Litwinow propagierte die „zweite Abstimmung".
Nach einem Schlußwort des Vorsitzenden Dr. Benesch und Dankesworten Baron Alvi- sis wurde der Bericht vom Rat einstimmig angenommen.
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über die Hintergründe der separatistischen Partcigründung im Saargebiet
Saarbrücken, 6. Dezember.
Die Hintergründe der vor wenigen Tagen gegründeten Katholischen Partei werden am Donnerstag als eine Propagandamache entlarvt, bei der der P r o p a g a n d a a g e n t der französischen Bergwerksdirektion, Rosfenbeck, die Hand, in: Spiele hat. Tie Tageszeitung „Deutsche Front" veröffentlicht einen Rechenschaftsbericht dieses Herrn Rosfenbeck an seine Vorgesetzten Dienststellen, u. a. das Büro Fribourg, der ausführlich und eindeutig auseinandersetzt, welche Aufgaben sich Herr Nossenbeck gesetzt hat. Das Schriftstück läßt keinen Zweifel darüber, daß diebisherr- gen Machenschaften der „Neuen S a a r p o st" ausschließlich von französischen Propagaudagel- dern finanziert wurden. In dem sehr- ausführlichen Rechenschaftsbericht beklagr sich Herr Rosfenbeck zunächst eingehend darüber, daß die bisherigen Versuche, den katholischen Volksteil für den Status quo zu gewinnen, klüglich mißglückt seien.
Einige Stellen des Berichtes Rosfenbeck? sind zu köstlich, als daß man sie nicht im Wortlaut wiedergeben müßte. So schreibt er u. a.: „Nun werden aber monatlich 120 000 Franken an Hosfmann für sämtliche Unkosten der Zeitung einschließlich Gehälter der Redakteure überwiesen und man fragt sich unwillkürlich, wo die Differenz geblieben ist und noch bleibt. Im günstigsten Falle könnte man annehmen, daß dieser Kredit teilweise zur Begleichung gewisser unwichtiger Dinge gedient hat. Aber allem Anschein nach, haben diese Konten kaum ihrem eigentlichen Zweck gedient. Auf jeden Fall ist aber der wichtigste Teil der Aufgabe vernachlässigt worden. Man fragt sich unwillkürlich — so fährt Rosfenbeck fort —. ob Hoffmans Hauptsorge nicht darin besteht.
Ter Saarbcvollmächtigtc des Reichskanzlers, Vürckel, erläßt folgende Anordnung:
„An alle SA.- und SS.-Männer im Reich! Kommunisten und Emigranten versuchen unter dem Hinweis, daß aus dem Reich „größere Trupps" von SA.- und SS.-Män- nern in das Saargebiet kämen, die Oefsent- lichkeit wieder von angeblichen deutschen Putschabsichten zu unterrichten.
Um auch diese Zweckmeldung von vornherein entsprechend zu beleuchten, wird angeordnet: Allen SA.- und SS.-Männern ist es strengstens untersagt, in das Saargebiet einzurerfen, gleichviel, aus welchem Grunde dies geschehe, es sei denn, daß es sich um Abstimmungsberechtigte handelt. Diese haben sich selbstverständlich an den vorgcschriebenen Einreisetermin zu halten.
Wer trotz dieser Anweisung den Versuch macht, in das Saargebiet einzureisen, wird von der zuständigen Parteidienststelle sofort zur Rechenschaft gezogen."
pekuniäre Vorteile aus der Lage zu ziehen, vorausgesetzt, daß er sich überhaupt jemals für die ihm anvertraute Aufgabe interessiert hat."
Tun französischen Propagandaagenten ist svear das Recht > ingeräumt worden, die Rollenverteilung bei der katholischen Partei, gründnng zu bestimmen. So ist er u. a. da- für, daß der berüchtigte Eberhard Schopen ausgeschisft wird, da sein Vorleben der Deutschen Front zu gut bekannt sei und befürchtet werden müsse, daß die Gegner zu gegebener Zeit Enthüllungen über ihn veröffentlichen. Zu diesen Enthüllungen verhilst Rosfenbeck der Deutschen Front liebenswürdigerweise selbst, wenn ev- erklärt: .In diesem Zusammenhänge muß auch unbedingt darauf hingewiesen werden, daß »wischen Hosfmann, dessen Adjutanten Eberhard, richtig Schopen genannt, ein mehr als Verdächtiges Individuum mit undefinierbarer Nationalität (deutscher Vater und holländische Mutter), der während des Krieges unter dem Verdacht der Spionage zugunsten des „Intelligence Service" in Deutschland inhaftiert und jedenfalls auch verurteilt worden, und dem Kassierer der Zeitung, der früher mit Hossmann auf Kriegsfuß stand- ein verdächtiges Einvernehmen besteht. Diese drei haben zusammen schön manches Stückchen geliefert und scheinen viel Geld auszugeben."
Dagegen ist Rosfenbeck dafür, daß Vater und Sohn Imbusch im Rahmen der neuen Partei eine wichtige Rolle anvertraut wer- den könnte. Beide seien Emigranten und erbitterte -Feinde des Hitler-Regimes, stimmten also für den Augenblick mit den erforderlichen Interessen überein. Außerdem stehe ihre Ehrbarkeit außer jedem Zweifel, waS die Lage nur in günstigem Sinne beeinflußen könnte.
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Ueberleitung der gesamten Rechtspflege auf das Reich
kk. Berlin, 6. Dezember.
Unter den am Dienstag vom Reichskabi- nett verabschiedeten Gesetzen befindet sich ein Zweites Gesetz zurUeberleitung der Rechtspflege auf das Reich, dem weittragende Bedeutung zukommt. Danach übernimmt das Reich, das bereits die Geschäfte des preußischen Justizministeriums vor längerer Zeit übernommen hatte, nunmehr auch in den außerpreußischen Ländern die unmittelbare Leitung der Justizverwaltungen. Die Zuständigkeit der obersten Justizbehörden aller deutschen Länder geht damit auf den Reichsminister der Justiz über, die Justizverwaltungen der Länder und des Reiches werden zu einer einheitlichen Reichsjustizverwaltung zusammengejaßt, d i e Landesjustiz Ministerien fallen also fort.
Für die Uebergangszcit können für einzelne Länder „Beauftragte des Reichsministers der Justiz" bestellt werden, die ihre
Dienststellen als Abteilungen des Reichs- fustizministeriiims zu leiten haben: ihnen stehen die Einrichtungen, Beamten und Hilfskräfte der früheren Landessustizministerien zur Verfügung.
Ab 1. Januar 1935 werden im Reichs» fustizministerium Abteilungen für die einzelnen Reichsgebiete gebildet, und zwar Bayern, Sachsen-Thüringen. Württemberg-Baden und Nord (für die freien Hansestädte. Mecklenburg und Oldenburg).
' Die Befugnisse der bisherigen obersten Landesbehörden können vom Reichsjuftiz- minister auch aus Nachgeordnete Behörden übertragen werden.
Die vollständige Vereinigung der Landes- justizverwaltungen mit der Reichsjustizverwaltung erfolgt erst später. Das gilt insbesondere für die Uebernahme der Justizhaushalte der Länder durch das Reich, Die beamten- und verwaltungsrechtlichen Verhältnisse der Landesjustizbehörden bleiben oorläusia unberührt.