Sette 3 — Nr. SSL
Der Gesellschafter
Montag, den 3. November 1S34
Ausrüstung überall!
Neue Valilla-Gliederunq für Sechsjährige / Erhöhung der Militiirdienstzeit in der Tschechoslowakei
kk. Berlin, 2. November.
Mussolini hat erst kürzlich verkündet, daß das italienische Volk eine militärische Nation werden müsse. Der Ankündigung sind am Jahrestage des Marsches auf Rom die entsprechenden Maßnahmen gefolgt. Während bisher für den Eintritt in die Balilla. die faschistische Jugendorganisation, ein Alter von acht Jahren notwendig war, wird unter dem Namen „Söhne der Wölfin" nun- mehr die gesamte männliche Jugend von sechs bis acht Jahren zusammengefaßt. Die „Söhne der Wölfin", die auf dem Schwarzhemd die kapitolinische Wölfin tragen werden, sollen hier eine Vorbildung zur bekanntlich nach militärischen Grundsätzen erzogenen Balilla erhalten.
Auch in der Tschechoslowakei ist man vom Rüstungsfieber erfaßt. Der tschechoslowakische Generalstab hat soeben die Verhandlungen mit den tschechischen Agrariern und den tschechischen Nationalsozialisten erfolgreich beendet, io daß die Verlängerung der Militärdienst zeit von 18 24 Monate gesichert erscheint und nur mehr eine Frage ganz kurzer Zeit sein dürste.
Ei» Fest, wie seist» eines
Mitglieder der Reichsregierung kommen zur Schillerfeier
Stuttgart, 2. November.
Die Landesstelle Württemberg des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda teilt uns mit:
Zn keinem deutschen Land ist die Dichtkunst so zu Hause, wie gerade in Schwaben. Wenige Bauernhäuser gibt es, in denen nicht neben der Bibel ein Band Schillers steht, wenige Schwaben, die nicht einmal ein dichterisches Genie in sich entdeckten und einige Verse schmieden, kaum ein Ort, der nicht seinen Hausdichter hat. der in mehr oder weniger klapprigen Versen die örtlichen Geschehnisse unter die Lupe nimmt. Es ist darum kein Wunder, daß der Tag des 175.' Geburtstages Friedrich Schillers am 10. November vom schwäbi- schen Volk in einer Weise gefeiert wird, wie selten ein Fest. Die Feiern in Stuttgart und Marbach stehen natürlich im Vorder- grund. Aber auch die anderen Städte und Ortschaften werden nicht zurückstehen wollen, lieberall wird die Parteiorganisation die Bevölkerung zu einer Schillerfeier zusammenrufen, die der Verehrung Ausdruck geben soll, die dem Namen Schiller in Württemberg entgegengebracht wird.
Die Vorbereitungen gehen ihrem Abschluß entgegen. In Marbach ist der Anbau an das Schillermuseum vollendet und Geheimrat Dr. Otto von Günther hat bereits das umfangreiche Material, das bisher wegen Raummangels der Oeffentlichkeit nicht zugänglich war, aufgestellt. Auf der Wiese vor dem Museum werden eben die Tribünen aufgeschlagen. Eine künstlerisch ausgeführte Pla- kette, die um 20 Pfg. zu kaufen sein wird, ist dazu bestimmt, den Tausenden, die vor dem Museum auf der Wiese >latz finden können, als Eintrittsausweis zu den Feierlichkeiten zu dienen. Ein von der Landesstelle Württemberg des Neichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda herausgegebenes Plakat wirbt im ganzen Land für den Besuch der Feiern « Stuttgart und Marbach. InStutt- gart steht zusammen mit den Aufführungen der Staatstheater und einer Kundgebung desschwäbischenSängerbun- des, die große Schillerbuchigung desReich -
sendees Stuttgart im Festsaal der Liederhalle im Mittelpunkt des Interesses. Die Einzelheiten des Programms sind im wesentlichen durch frühere Veröffentlichungen bekannt und werden später noch einmal ausführlich in der Presse behandelt. Die starke Beachtung, die die j württembergischen Schillerfeiern im ganzen Reich genießen, geht schon daraus hervor, daß Mitglieder der Reichsregierung und viele bekannte Persönlichkeiten des staatlichen und kulturellen Lebens und der Partei ihr Erscheinen in Marbach und Stuttgart zu- qesagt haben.
Seift
iwtleidenden Bvlksaemffen!
Ein Erlaß des Innen- und des Wirtschaftsministeriums über das Winterhilfswerk deS Deutschen Volkes 1934/35 besagt:
„Das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes 1934/35 hat begonnen. Wieder gilt es unter Beweis zu stellen, daß das deutsche Volk in Einmütigkeit und Geschlossenheit hinter seinem Führer steht und gewillt ist. die Not der Volksgenossen, die bisher nicht in Arbeit und Brot gebracht werden konnten, nach besten Kräften zu lindern und die Volksgemeinschaft durch wahren Sozialismus der Tat immer weiter zu festigen. Um eine enge Zusammenarbeit d-r -kürtoraeverbände mit den Stellen des Wmterhilfswerks zu gewahr, leisten, werden die Bezirks, und Ortsfürsorgeverbände angewiesen, im engsten Zusammenwirken mit den Stellen des Winterhilfswerkes zu arbeiten und diesen Stellen alle erforderlichen Auskünfte, besonders bei Durchführung von Unterstützungsmaßnahmen für einzelne Hilfsbedürftige zu erteilen. Ferner werden die Stiftungsaufsichtsbehörden veranlaßt, Vorsorge zu treffen, daß alle deutschen Stiftungen im engsten Einvernehmen mit dem Winterhilfswerk arbeiten und ihrerseits dem Winterhilfswerk jede mögliche sachliche Hilfe angedeihen lassen."
Ser Kolzmarkt weiter seit
Heber den Holzmarkt veröffentlicht der Reichsnährstand folgenden Bericht: Die Lage am Rundholzmarkt ist unverändert gut, die Kauflust hat auf der ganzen Linie angehalten. Nach den amtlichen Verlautbarungen über die Bereitstellung von Holzmengen und die Preisregelung haben Waldbesitz und Holzwirtschaft Vernunft angenommen. Die überspannten Preisforderungen sind verschwunden wie überhaupt allgemein eine gerechte Beurteilung des Holzmarktes Platz gegriffen hat. Der Schnittholzmarkt hat seine Belebung beibehalten.
Die Sägewerke waren meist gut beschäftigt und hatten ziemlich regelmäßigen Auftragseingang. Auch hier liegen die Preise unverhältnismäßig fest, was auf die gefestigte Preistendenz am Nadelstammholzmarkt zu- rückzuführen ist. Die Nachfrage nach Kant- Holz für Siedlungsbauten war gut, da die Bautätigkeit anhielt. Ebenso konnten Vorratshölzer gut abgesetzt werden. Die Um- sätze in Schal- und Betonbrettern waren zufriedenstellend. Gute Fichtenbretter waren stark befragt. Für starke Fichte zeigte die Sperrholzindustrie starkes Interesse. Neben Buche gewinnt Fichte zur Herstellung von Sperrplatten eine erhöhte Bedeutung. Leb- Haft war auch das Geschäft in Hobeldielen und Latten. Möbelkiefer konnte ständig umgesetzt werden, der Bedarf hält durch die lebhafte Beschäftigung der Möbelfabriken weiter an.
Durch das Kompensationsabkommen mit Polen besteht die Möglichkeit, auch einer weiteren Verstärkung der Nachfrage nach
gutem Ttfchlermaterial gerecht zu werden. Die Gefahr einer plötzlichen HolzknaPPheit besteht also nicht, und man kann beruhigt in die Zukunft blicken. Schließlich bleibt immer- hin noch die Möglichkeit, daß die Landes- sorstverwaltungen einem lokalen HMmangel durch entsprechende Znsatzhiebe abhelfen. Am Lanbholnnarkt war Rotbuche wie bisher stark gefragt. Das rege Interesse für zähes, erstklassiges Eschenschnittmaterial hielt an. Die Furnier-Sverrlwlzindnstrie hatte außer für Rotbuche Kaufinteresse für Eiche. Birke und Rappel. Bemerkenswert war der Bedarf m Ahornschnittware: Nußbaumschnittmatemal ausländischer Herkunft wurde dauernd gehandelt.
Humor
Peinliche Verwechslung
„Denken Sie sich nur", berichtet Frau Peschke, „vorhin kam jemand zu Kanzleirat Lehmanns und hielt Frau Kanzleirat für das Dienstmädchen!
„Fürchterlich!" entrüstet sich Frau Schmitz. „Und was geschah darauf?"
„Das Dienstmädchen kündigte!"
Abgewiesen
Sie (zu ihrem Manne). „Nächste Woche sind wir 25 Fahre verheiratet. Der Tag fällt grade auf den Sonntag. Da müssen wir in die Kirche und Gott danken". — Er: „Das kannst du tun. Ich habe keinen Grund dazu."
Verwandlung
„Sieh da, der strenge Vegetarier ißt ein Kotelett". begrüßte Kosemilch seinen Freund am Stammtisch.
„Wieso Kotelett?" für mich handelt es sich um eine verbotene Frucht".
„Ich kenne eine Wurzel, wenn man die in der Hand hält, vergehen einem die Zahnschmerzen."
„Blödsinn, du immer mit deinen Quacksalbereien!"
„Nein, wirklich — die Zahnwurzel."
Ich bitte um Auskunft....
Briefkasten des »Gesellschafters*
Unter vieler Rubrik veröitentltcken wir vte c>us unserem Leserkreis au die Redaktion gertctuereri Anträgen Ten tragen iit iewetls die letzte Abounemenlsauittuna betzulcaen keiner Rückvorto kalls briefliche Auskunft aewünichi wird. Die Beantwortung der Anfragen erfolgt iewetls Samstags. Hür die erteilten Auskünfte übernimmt die Redaktion nur die vrekaeletzliche Verantwortung
T. T. in Sch. Die Anschrift der Neuyorker Zei- tung lautet: Deutsche Zeitung, Neuyork, P. O. Box 432, Madison Square Station, Neuyork N. ?1.
L. B. Das alte Lied: man läßt sich von einem Agenten überreden, eine Sache, die besonders bei Frauen gerne vorkommt. Nun hat Ihre Frau aber die Versicherung einmal unterschrieben und damit ist der Vertrag absolut gültig. Das ist auch für Sie bindend, wenn Sie auf Gütergemeinschaft geheiratet haben. Dieses eine Jahr gibt es nun keinerlei Möglichkeit für Sie, die Versicherung zu lösen. Uebrigens ist für 1.40 RM. im Monat eine Kranken- und Unfallversicherung nicht übermäßig hoch, insbesondere wenn Sie auch noch alle 14 Tage eine Zeitschrift bekommen. Klären Sie Ihre Frau dahin auf, daß sie in Zukunft nicht mehr ohne Ihr Wissen auf irgendwelche Abmachungen eingeht und vor allem nichts unterschreibt. Aber nehmen Sie es ihr nicht gar zu sehr übel. Schließlich: wenn Sie heute krank werden, sind Sie recht froh an einer Versicherung.
Haftpflicht. Ihr Sohn hat die Haftpflicht also wohl auf seinen Namen abgeschlossen und seinen eigenen Betrieb mit versichert. Nachdem nun Sie wiederum das Geschäft übernommen haben, haben Sie auch die Verpflichtungen desselben übernommen. Allerdings könnten Sie sich mit der Versicherung ins Benehmen setzen und sich eine Ihnen genehme Regelung erbitten. Immerhin müssen Sie aber der Versicherung von der ganzen Veränderung Kenntnis geben, und sollte man Ihnen bei einer Neuregelung nicht entgegenkvm- men. kündigen Sie zum nächst möglichen Termin. Anerkennen müssen Sie aber die Abmachungen Ihres Sohnes, denn Sie haben das Geschäft ohne Vorbehalt übernommen.
Opfer der Abeit. Wenden Sie sich an die Geschäftsstelle der Deutschen Arbeitsfront, die es in jeder Stadt gibt. Dort wird Ihr Antrag weitergeleitet.
Kleingarten. Hauptdüngemittel ist der Stickstoff, der das Wachstum im allgemeinen und besonders das der Blätter fördert und für beinahe jeden Boden nötig ist. Im Handel erhalten Sie als Stickstoffdüngemittel Salpeter. Phosphorsäure dagegen fördert die Blüte und die Fruchtbarkeit. Phosphorsäure ist enthalten im Thomasmehl. Zur Festigung der Pflanzengewebe und zur Förderung der Reife nehmen Sie Kaimt. Allgemein günstig wirkt auch kohlensaurer Kalk, der das Versauern des Bodens verhindert. Die Menge Pro Ar kann man nicht absolut sicher angeben. Das bängt von Ihrem Boden ab. Aber
fragen Sie doch den nächsten besten Gärtner. Er gibt Ihnen sicher gerne Auskunft. Wann Sie düngen sollen, ist wiederum verschieden, je nachdem, welche Bebauung Ihres Bodens Sie vornehmen wollen. Im allgemeinen unterscheidet man Herbstdüngung und Frühjahrsdüngung. Weiterhin wird auch Kopfdüngung angewendet. All das kann Ihnen der Gärtner an Ort und Stelle leicht erklären.
Fr. R. A. Wir raten Ihnen, bei Ihrem Finanzamt einen Antrag zu stellen, daß der steuerfreie Lohnbetrag erhöht wird. Sie müssen dabei nur Ihre Lohn- und sonstigen Verhältnisse schildern, daß Sie mit Ihrer Mutter Zusammenleben, daß diese keinerlei Einkommen und Rente bezieht und daß Sie für deren Unterhalt sorgen müssen. Für den Abzug kommt der Bruttolohn in Betracht.
G. H. in A. Ihr Provisionsanspruch verjährt in 2 Jahren. Die Verjährungsfrist hat begonnen mit der Entstehung des Anspruchs. Das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart ist also in Ordnung. Sie selber haben keinen Rechtsanspruch gegen die Firma.
M. E. Invaliden-, Witwen-, Waisen-, Militär- reuten usw. sind nicht ersatzpflichtig. Dagegen sind die von den Bezirksfürsorgebehörden gewährten Zusatzrenten (Sozialrentner-, Kleinrentnerunterstützungen), sowie die von den Wohlfahrtsämtern in Anspruch genommenen Armenunterstützungen grundsätzlich ersatzpflichtig, ohne Rücksicht daraus, ob der Rentenempfänger kinderlos ist oder nicht. Ob nach dem Ableben des Rentenempfängers von den Erben Ersatz verlangt werden kann, kommt auf die feinerzeitigen Verhältnisse der Erbberechtigten und vor allem auf den Nachlaß des Rentenempfängers an.
Kl. in G. In 8 823 BGB. ist bestimmt: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig Eigentum eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem andern zum Er- satz des daraus entstehenden Schadens ver- pflichtet." Ohne genauen Tatbestand können wir eine Auskunft nicht geben. Der Amtsrichter, bei dem Ihre Frau sich befragt hat und der den Tatbestand genauer kennt, wird aber den Fall besser beurteilen können, als wir es von hier aus ohne genaue Kenntnis des Tatbestandes vermögen.
R. 33. Eine Prüfstelle für Arztrechnungen gibt es nicht, aber wenn Sie glauben, daß die Rechnung zu hoch sei ioder gar zu nieder?), dann können Sie doch sicher einmal mit dem betreffen- den Arzt Rücksprache nehmen und er wird Ihnen gerne über die einzelnen Rechnungsposten Auskunft geben.
enmen
(Urheberschutz durch T. Ackermann, Romanzentrale Stuttgart)
Sie streichelte mit der Hand über sein schlicht gescheiteltes Haar. „Nun haben wir uns hier getroffen," sagte sie. „Wir verlebten schon viele sonnige Tage zusammen. Aber schließlich, was wird das Ende sein? Abschied auf ewig, es ist wohl auch am besten so."
Sie küßte ihn leise auf die Stirn. Da hielt ihn nichts mehr. Er, der solange nach Liebe und Schönheit gehungert, riß sie plötzlich an sich und küßte den Mund voll heißer Leidenschaft. Und sie, die an der Seite des alten Mannes nach wahrer Liebe und echtem Glück sich verzehrt, erwiderte diese Küsse.
Doch dann entwand sie sich seinen Armen und sagte fest:
„Nun anständig bleiben und obenauf, wir werden uns nicht vergessen. Doch wir wollen die beiden anderen nicht vergessen; ich fürchte, bei Frau Christa wird einst die Liebe kommen — was dann, Dietz?"
„Das wäre das Schlimmste von allem," sagte er erschrocken. „Ich würde diese Liebe nie erwidern können."
„Nun hat sich Ihr Besuch erledigt, Dietz. Mit der Lüge auf den Lippen kann und will ich meinem Mann keinen Gast bringen, ich muß ihm sein Haus in Ehren halten. Wenn wir jetzt auseinandergehen, dann, Dietz, dann ist es für ewig."
„Ich kann ober so nicht weiter leben," sagte Dietz ungestüm, „ich kann mit dieser Frau nicht Jahr um Jahr wunschlos dahinleben. Wenn Sie mich ein wenig lieb haben, Gisella, dann fliehen Sie nicht vor mir, ich muß Kio reiimoik- (eben dürfen, muß Ibr Lacken hören."
Frau von Schönburq aber wußte, daß nur die grenzenlose Einsamkeit ihn zu ihr trieb. Daß auch sie nicht ge- nügt hätte, sein Leben auszufüllen. Diese Herrennaturen brauchten eine fülle, zarte Schönheit, die mit den kleinen Händen das Herz des Gatten festhält. Freilich, Frau Christa würde die Frau nicht sein, dazu war sie zu häßlich.
„Kommen Sie, Dietz, wir wollen sehen, was der Professor macht, denn wir dürfen uns keinen Mißhellig- ketten aussetzen."
„Sie gehen leicht über das alles hinweg, Gisella. ich aber kann das nicht." sagte Dietz finster.
Da nahm sie seinen Kopf in beide Hände und flüsterte:
„Du dummer, wilder Bub, ich will ja nur den Kopf oben behalten für uns beide."
Da küßte er sie noch einmal lange und heiß. Sie ließ es geschehen. Dann gingen sie den Weg zurück, den sie gekommen. Sie fanden den Professor ausgeruht und bereits nach ihnen Ausschau haltend. Es war gut, daß er so schwer etwas merkte, der alte Herr. Denn auf der Heimfahrt waren seine jungen Gefährten recht ruhig und einsilbig geworden. Er trug die Kosten der Unterhaltung fast allein. Der vorzügliche Wein hatte ihm eingeheizt und er erzählte Jugendstreiche aus seiner Studentenzeit. Er wurde sobald nicht fertig damit und freute sich, daß er so aufmerksame Zuhörer hatte. Er sah sehr schlecht, der gute Professor, sonst hätte er gesehen, wie die Augen des Paares aneinander hingen.
6. Kapitel.
Durch die großen Fabrikhallen ging ein Surren. Jeder brutale Laut war vermieden. Die zahllosen Verbesserungen, die Nickisch im Laufe der Jahre an seinen Maschinen anbringen ließ, sorgten dafür, daß der gewöhnliche Spektakel nachgelassen hatte. Während man in fremden Betrieben viele Frauen und Mädchen vorfand, fiel es hier sofort auf, daß nur Männer bei der Arbeit waren. Und es war noch frisch in aller Beteiligten Erinnerung, als
der Geldfürst auf dem letzten großen Kongreß der Industriellen erklärt hatte:
„Frauen gehören in den Haushalt; wo will ein Staat hin, der den Männern die Arbeit nimmt, um Frauen zu beschäftigen? Frauen gehören in das Heim. So haben es unsere Väter gehalten und sie sind gut dabei gefahren. Bezahlt die Männer ausreichend, daß sie mit ihrer Familie gut leben können; von Schlemmen ist keine Rede, aber gut leben sage ich, denn auch der kleine Mann ist kein Tier, welches froh sein muß, den Futternapf gerade soweit gefüllt zu bekommen, daß es am anderen Taq den Karren wieder weiter schieben kann, ohne zusammenzu- brechen. Dann werden viel mehr ordnungsmäßige Ehen geschlossen werden, denn nur darin liegt das Wohl des Staates."
Und man schwieg dazu. Dort, wo sonst nichts als Hader und Zänkerei herrschte, wenn ein Redner zu ende war, dort konnte man sich der Wahrheit dieser Worte nicht verschließen.
„Die dummen Ideen der heutigen Welt, eine Einheit auf dem Gebiet des Kapitalismus zu schließen, verwerfe ich." setzte der Geldmann damals hinzu. „Das gibt es nicht und wird es niemals geben. So wenig, wie sich der Dümmste auf einer Schule jemals erzwingen wird, Primus zu werden, so wenig wird die Unintelligenz sich er- zwingen, den Platz der Intelligenz einzunehmen. Cs steht jedem frei, aus diesem Gebiet etwas zu leisten. Wer sich das nicht zutraut, der soll sich einem anderen unterord- neu, ohne daß der andere seine eigene, bevorzugte Stellung mißbraucht. Jeder Mensch ist gleichberechtigt dem anderen. Die Dame darf nicht ängstlich den Rock zusammen- raffen, damit er im Gedränge nicht etwa das schmutzige Kleidchen des armen Kindes berühre. Wiederum werden alle Aufstände der Welt es nicht schaffen und ändern. Arm und Reich wird es geben bis ans Ende der Welt. Aber der geistige wie der körperliche Arbeiter werden so bezahlt, daß sie sich so wohl fühlen." (Forts, folgt.)