Nr. 246
Montag, 22. Oktober 1934
198. Jahrgang
er OeseUsrhakter
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W M vMlmer ohne Winterhilfe
Saarregierung verbietet Organisation des Winterhilfswerkes
Saarbrücken, 21. Oktober.
Wie im Vorjahre, so sollte auch in diesem Winter ein großzügiges Winterhitsswerk an der Saar ausgezogen werden. Die karitativen Verbände zusammen mit der Sozialabteilung der Deutschen Front wollten sich in den Dienst der großen Sache für die leidenden deutschen Volksgenossen an der Saar stellen.
Wie ans dem jetzt veröffentlichten Briefwechsel zwischen den karitativen Verbänden und der Negierungskommission hervorgcht. hatten sich die beteiligten Stellen bereits Mitte September an die Regierungskoin- mission mit der Bitte um Genehmigung der Sammlungen sür das Winterhilfswerk gewandt. Nach wochenlangem Schweigen erteilte die Negierungslommissivn einen abschlägigen Kescheid mit der eigenartigen Begründung, daß sie sich i in -Hinblick aus die bevorstehende N b st i m ui u u r auf den grundsätzlichen Standpunk t st e l l e n müsse, keine Sam ni- lung zu einem Winter hilfsw er! zu genehmigen, wenn die Träger odei Mitträger eine an der Abstimmung beteiligt: politische Organisation sei.
Es muß daher merkwürdig berühren, das der ablehnende Bescheid der RegierungSkom- miffion mit politischen Gesichtspunkten begründet wird, obwohl es sich bei der Durchführung des Winterhilfswerkes um eine rein karitative Angelegenheit handelt.
Sinn und Zweck des Winterhilfswerks an der Saar und im Reiche ist einzig und allein, die Not der Aermsten zu lindern, zumal von dem Winterhilfswerk des Saargebietes wie stets alle notleidenden Saarländer ohne Rücksicht auf die politische Einstellung ersaßt wer- den sollten.
Auf den abschlägigen Bescheid der Ncgie- rungskommission hin hatten sich dann die karitativen Verbände allein an die Regie- rungskommission gewandt. Bis heute ist ihr am 5. Oktober gestellter Antrag ohne jede Beantwortung geblieben.
Bei dem abgelehnten Winterhilfswerk handelte es sich um die Versorgung von rund 180 000 Volksgenossen. Es hatte am 1. Oktober beginnen sollen.
Wegen eines Witzes aber die Separatisten verhaftet
Der Verband Deutscher Rundfunkteilnehmer an der Saar, der in den wenigen Monaten seines Bestehens bereits wertvolle Pionierarbeit sür den Saarrundfunk geleistet hat, hatte den 21. Oktober zum Tag des deutschen Rundfunks an der Saar bestimmt. Zur Feier dieses Tages waren außer einer Funk- und Bastelschau, die am Samstag eröffnet wurde, zwei lustige Abende und eine Matin« sür Sonntag vormittag vorgesehen. Bei diesen Veranstaltungen sollten eine Reihe Künstler, hauptsächlich Rundfunkkomiker aus Frankfurt, Leipzig, Köln und München Mitwirken. Nachdem die Polizeiverwal- tung vor 8 Tagen diese Veranstaltung genehmigt hatte, wurde sie am Sonntag nachmittag verboten, und zwar, «sie es in dem amtlichen Text heißt, „auf Grund grundsätzlicher Erwägungen".
Wir wissen nicht, welches die grundsätzlichen Erwägungen sein mögen, aber man wird nicht fehl gehen in der Annahme, daß die Regierungskommission mit diesem Verbot den deutschen Rundfunk, besonders aber den Reichssender Frankfurt treffen will. Daß man sich dafür das Treffen der Nundfunk- komiker ausersehen hat. gibt der Sache einen besonders lächerlichen Beigeschmack. Ein neuer Beweis für die Rücksichtslosigkeit, mit der die Regierungskommission gerade gegen die deutschen Veranstaltungen vorzugehen pflegt, ist es aber, daß das Verbot wieder einmal in letzter Stunde erfolgte. Wie wir weiter erfahren, wurde einer der Komiker. Karl Heinz Schneider vom Reichssender Köln sestgenommen. Seine Festnahme erfolgte wegen eines Witzes, den der Künstler über die Separatisten gemacht hatte. Schneider wird sich vor dem Abstimmungsgericht zu verantworten haben.
Soring bei der Königin-Mutter
und bei König Carol
Belgrad, 20. Oktober.
Ter preußische Ministerpräsident General Hermann Göring wurde am Freitag um 14.30 Uhr von der Königinwitwe Maria von Südslawien auf Schloß Dedinje in persönlicher Audienz empfangen. Daran schloß sich ein weiterer Empfang durch die Königinmutter Maria von Rumänien und schließlich durch den König Carol von Rumänien mit dem Göring eine längere Unterredung führte. Sein Aufenthalt im Schloß währte insgesamt über zwei Stunden. Sowohl aus der Hinfahrt, als auch aus der Rückfahr! vom Schloß war der Minister-Präsiden! Gegenstand ununterbrochener herzlicher und lebhafter Ovationen. Sein Erscheinen bot der Bevölkerung offensichtlich die langersehnte Gelegenheit, dem Vertreter des Führers die freundschaftlichsten Gefühle für das neue Deutschland zum Ausdruck zu bringen.
Am Abend stattete der Minister-Präsiden! dem Außenminister Jeftitsch einen Besuch ab. Der Außenminister hatte den Mini- sterpräsidenten Göring von der Deutschen Gesandtschaft abholen lassen.
Vorher hatte sich General Hermann Göring in das Belgrader Ministerpräsidium begeben, nm dort dem Ministerpräsidenten Usunowitsch einen Besuch abzustatten. Der Ministerpräsident unterbrach sogleich die Kabinettsitzung, die den ganzen Vormittag andauerte und verblieb 20 Minuten im Gespräch mit General Göring. Sodann besuchte General Göring im gegenüberliegenden Kriegsministerrum den Kriegsminister Mi- lowa nowitsch und anschließend den Generalstabschef und Armeegeneral Netz i t s ch. Vom Kriegsministerium fuhr der preußische Ministerpräsident zum rumänischen Gesandten, wo er seinen Namen in das für König Carol äufliegende Besuchsbuch eintrug.
General Göring wird am Samstag um 10 Uhr mit seiner Maschine „Manfred von Richthofen" vom Belgrader Flugplatz aus starten. Nach einer kurzen Zwischenlandung in Budapest wird er voraussichtlich gegen 1b Uhr in Berlin eintreffen.
MikWkrvrMent Höring aus Belgrad zurürkgekeW
Berlin, 21. Oktober.
Der Abschied des Ministerpräsidenten Göring von Belgrad gestaltete sich ebenso sierzüch wie beim Empfang vor drei Tagen. Ehe der Ministerpräsident abflog, be- suchte er die Ortsgruppe der NSDAP.
Am Flugfelde in Temlin hatten sich der Admiral der südslawischen Flotte, Politsch, und der Kommandant der südslawischen Flugstreitkräfte, General Neditsch, eingefunden. Unter brausenden Heilrufen erhoben sich sodann um 10.40 Uhr die beiden Maschinen mit dem Ministerpräsidenten Göring und seinen Begleitern in die Luft.
Unmittelbar nach seiner Landung auf dem Tempelhofer Flughafen begab sich der Preußische Ministerpräsident General Göring zum Führer und Reichskanzler, um ihm über seinen Aufenthalt in Belgrad Bericht zu erstatten.
Berlin, 81. Oktober.
Nach aus Belgrad vorliegenden Meldungen ist die Regierung Uzunowitsch, die bekanntlich erst kürzlich der Regentschaft ihre Aemter zur Verfügung gestellt hatte, von dieser aber gebeten worden war, im Amte zu bleiben, erneut zurückgetreten. Der Rücktritt steht mit der durch den Marseiller Anschlag geschaffenen Lage im Zusammenhang. Die Regierung war Mar vom
neuen Regentschastsrat schon einen Tag nach dem Königsmord in ihrem Amte bestätig! worden, allein diese Bestätigung hatte augenscheinlich den Zweck, ihren Rücktritt bis zum Tage des Begräbnisses zu vermeiden und sie vor einer Geste zu bewahren, die wie ein Mißtrauensvotum ausgesehen hätte. Wie verlautet, hält man es jetzt trotzdem an maßgebenden Stellen für zweckentsprechend, sie durch ein Kabinett der nationalen Einheit zu ersetzen. Der ehemalige Slowenenführer Dr. Koro sch eh soll diesem Kabinett angehören. Gerüchtweise wird der Name des bisherigen Außenministers Jes- tlisch genannt, zu dem der König großes Vertrauen gehabt habe, rmd von dem man behauptet, daß er schon seit längerer Zeit von Alexander l- als Leiter der Regierung ausersehen sei. Tenn Alexander habe schon seit Monaten eine nen>' Regieruna vorbereitet, die er nach seiner Rückkehr aus Frankreich habe bilden wollen.
Zwei Reden
ktz. Berlin, 20. Oktober.
Reichsbankpräsident Dr. Schacht
sagte Freitag abend bei einer Kundgebung der Betriebsgemeinschaft der Deutschen Reichsbank u. a.:
Geldkapital ist kein beliebig vermehrbarer Papierfetzen, sondern das Ergebnis von Arbeit und Sparer. Darum kommt es nicht auf die Notenpresse an, sondern allein auf Arbeit und Sparen. Der Nationalsozialismus erkennt nur Taten an, aber keine Pläne.
:> Nur in zäher praktischer Arbeit im nationalsozialistischen Geiste werden wir uns die Wirtschaftsreform der Zukunft erringen.
Wir werden uns bei diesem mühevollen Werk nicht von vagen Theorien leiten lassen, sondern einzig und allein vom praktischen Lebensinteresse unseres Volkes. Die Wirtschaft der Zukunft wird weder eine freie Wirtschaft, noch eine Planwirtschaft, ganz gewiß aber keine theoretische, bürokratische j oder utopistische Wirtschaft sein,
> sondern einzig und allein ein .gesundes,
> lebensfähiges im deutschen Volkstum verwurzeltes. von Leistungsdrang beseeltes Ar-
! beiten, i
! Der britische Außenminister ! Sir 3ohn Simon
! In Northampton erklärte Sir John , Simon:
' Schon vor dem Verbrechen von Marseille ^ i haben wir mit großer Befriedigung die Rede j Mussolinis vom 6. Oktober in Mailand zur ! Kenntnis genommen, in der er die Absicht ! der italienischen Regierung bekannt gab, mit ! den Nachbarn Italiens und besonders mit j Frankreich und Südslawien zu einer Verein- ! barung und zu einem Bündnis zu gelangen, i Die Gefühle, denen damals Mussolini Aus- j druck verlieh, sind jetzt nach dem Tode.König j Alexanders um so wertvoller, als wir keinen ! Augenblick daran zweifeln, daß sie auch jetzt ! noch der Inhalt der Politik der italienischen ^ Regierung sind. Der Besuch König Alexan- : ders in Frankreich war in Wirklichkeit ein i Unternehmen, das als ein neuer Meilenstein aus dem Wege zu einer allgemeinen Entente ! zu betrachten ist, so wie sie von Mussolini ! skizziert worden war. Die Politik Groß- ^ britanniens ist in diesen traurigen Tagen ? ständig darauf gerichtet gewesen, ohne natürlich eine neue irgendwelcher Art einzugehen, zur Geduld und zur Mäßigung in jeder Hinsicht zu raten.
Lava! er» tm Smmber in Rem?
Paris, 20. Oktober.
Der ,,Matin" will melden können, daß die Romreise des französischen Außenministers Laval kaum noch im Monat November, sondern erst in den Dezembertagen erfolgen wird.
Die italienische Abendpresie nimmt mit Befriedigung von dem Entschluß des französischen Außenministers Laval Kenntnis, an- stelle seines verstorbenen Doraängers Bar- thou Rom zu besuchen.
Der Berichterstatter des ..Lavoro Fascista"
glaubt hinsichtlich der Romreise Lavals behaupten zu können, daß die Besprechungen zwischen Rom und Paris zu einem Ueberein- kommen in großen Zügen bereits geführt hätten. Uebrigens hänge der Zeitpunkt der Reise nicht nur mit der Genfer Tagung zusammen, sondern mit der Notwendigkeit sür Laval, alle mit den römischen Besprechungen zusammenhängenden Fragen gründlich zu prüfen. Das Datum der Reise werde ferner durch die französische Innenpolitik mitbestimmt, besonders durch die Einberufung der Nationalversammlung in Versailles zur Der- fafsungsreform. Der Dezember sei also wahrscheinlicher als der November.
MMMti aus der mMLalWKm Kartet ausgetreten
Paris, 21. Oktober.
Der Arbeitsminister im Kabinett Doumer» j gue, der neusozialistische Abgeordnete Mar» quet, der mit den Abgeordneten Renaudel und Montagnon zu den Gründern der Partei gehört, hat am Samstag nacht seinen Aus- : tritt aus der Partei vollzogen, nachdem diese ! ihn Vox die Wahl gestellt hatte: Entweder j Verbleiben im Ministerium oder in der Par- j tei. Marquet gehörte dem Kabinett Doumer- ! gue mit Zustimmung der neusozialistischen i Partei an, die ihm diese Genehmigung zwei- j mal ausdrücklich erteilt hatte, allerdings j nicht als Parteivertreter, sondern »unter ! persönlicher Verantwortung". Aus diesem ! persönlichen Auftrag hat Arbeitsminister ! Marquet nun für sich das Recht abgeleitet, ! selbst über sein Verbleiben oder seinen etwai- , gen Austritt aus der Regierung zu entschei- ! den. Andere führende Mitglieder der Partei. > Renaudel, Montagnon und der Generalfekre- I tär Dsat, dachten anders: Sie verlangten den , Rücktritt Marquets als Minister. Aus dieser i Lage, die erst am heutigen Sonntag in einer i Sitzung des Zentralrates der neusozialisti- i schen Partei zur Entscheidung kommen sollte.
! hat nun Marquet am Samstag nacht selbst die Schlußfolgerung gezogen, nachdem er sich mit Staatsminister Herriot beraten hatte. In dem Schreiben, in dem Marquet seinen Aus- : tritt der Partei mitteilt, verwahrt er sich da- gegen, angesichts der jetzigen dramatischen internationalen Lage und der Krise, mit der ! die arbeitenden Klassen zu kämpfen hätten.
! -von seinem Ministerposten zurückzutreten. Er wolle im Gegenteil seine Bemühungen zur Ueberwindung der Schwierigkeiten fortsehen»
Engftr Mitarbeiter Pawelitscks verhaftet
Paris, 21. Oktober.
In Lüttich ist, wie erst jetzt bekannt wird, am Mittwoch ein Mann verhaftet worden, der im Lauf der Vernehmung am Samstag schließlich eingestanden haben soll, der unmittelbare Mitarbeiter des Dr. Pawelitsch, Perschetz, zu sein. Nach dem „Petit Parisien" soll es aber nicht seststehen, daß dieses Ge- ständnis auch der Wahrheit entspricht, denn der Verhaftete soll nach dieser Lesart nicht Perschetz, sondern ein Rechtsanwalt sein, der mit Dr. Pawelitsch in Verbindung gestanden habe.
KEoltwe Biwöie MIS MM laMMkwkien
8^. Reuyork, 21. Oktober.
Die mexikanische Kammer hat die Ausweisung aller römisch-katholischen Erzbischöfe und Bischöfe mit -er Begründung beschlossen, daß sie nur dem Vatikan verpflichtet und da, her als Ausländer zu betrachten seien.
Der Kirchenkonslikt in Mexiko nimmt wieder schärfere Formen an. Die Einführung des „sozialistischen Unterrichts" hat zu einem regelrechten Schulstreik geführt. Tie Regierung hat darauf erklärt, daß die streikenden Schüler und Studenten zu den Prüfungen nicht zugelassen werden.
Die Behörden deS mexikanischen Staate« Zacaticas haben den Geistlichen die Abreise nahegelegt. Sämtliche Geistlichen des Staates Zacaticas sowie die Geistlichen des Staates Chiatas find in Richtung Mexiko-Cittz abgereist.