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Briefkasten des »Gesellschafters*
Unter dieser Rubrik veröffentlichen wir die aus unserem Leserkreis an die Redaktion derikvteken
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Zehn Tage Cannstatter Volksfest
Die Pressestelle des Fremdenverkehrsamts der Stadt Stuttgart schreibt uns:
Zum ersten Male wird in diesem Jahr das berühmte Cannstatter Volksfest, das traditionelle Teptemderiest Schwaden, die Dauer von zehn Tagen umfassen. Sein Programm ist überaus reichhaltig und vielseitig und sieht neben den eigentlichen Volksbelustigungen eine Reihe von sportlichen Veranstaltungen und Volkstümlichen Darbietungen vor. Das Cannstatter Volksfest wird am Samstag. 22. September beginnen und am Montag. 1. Oktober seinen Abschluss finden.
An allen 10 Tagen wird vom Württember- aischen Landesschützenverein ein Volksfest- Schiehen für Kleinkaliber- und Zimmerstutzen abgehalten werden, das allen Volksgenossen für eine Teilnahme offen ist und nach den Erfahrungen der beiden letzten Volksfestschießen sicherlich viel Anklang finden wird. Die Tage des 29. und 30. Septembers (Samstag und Sonntag werden dem Reitsport gewidmet sein: an ihnen werden Reit- und Springturniere stattfinden. Der 1. Volksfest-Sonntag (der 23. September) bringt nachmittags eine Flugveranstaltung.
Die grosse Wassersport-Veranstaltung auf dem Neckar bei der Talstraßenbrücke am Samstag, 22 Sept. wird eine Ruderer- und Paddler-Auffahrt, Schwimmen. Kanusportspiele und das beliebte und humorvolle Fischerstechen ze.igen. Die Stuttgarter Turner und Sportler aber werden am Sonntag, 30. September in der Adolf- Hitler-Kampfbahn Mehrkämpfe für Männer und Frauen sowie Handball- und Fußballspiele mit einem auswärtigen Gegner zur Schau bringen. Am Mittwoch, 20. oder Donnerstag 27. September wird ein großes Feuerwerk abgebrannt werden. Eine weitere Bereicherung des Volksfestes bringt ein Propaganda-Auflaß von Brieftauben, den der Brn»taubenklub Stuttgart am 20. September, vormittags 11 Uhr, veranstaltet.
Das Cannstatter Volksfest ist im Jahre 1818 als Fest der Landwirtschaft gegründet worden und hat sich als solches seine Tradition durch die Jahrzehnte erhalten. Aus der Not heraus ist es entstanden. Von seinem Stifter. König Wilhelm I.. ist es gegründet worden, um nach schweren Hungerjahren der württembergischen Landwirtschaft neuen Mut und neuen Erwerb zu geben. Pferderennen und Fischerstechen waren frühzeitig in das Programm eingefügt worden. So fand es alljährlich nach seiner alten Tradition in den letzten Septembertagen statt. Erst 1847 fiel es zum erstenmal wegen Mißwachs und Teuerung aus. 1851 unterblieb es, weil der Cannstatter Wasen von dem damals noch nicht korrigierten Neckar überschwemmt worden war. In den Jahren 1800 und 1870 verhinderte der Krieg und 1873 und 1892 die drohende Choleragefahr die Abhaltung des Volksfestes. Nach elfjähriger Pause wurde nach dem Weltkrieg im September 1924 wieder das erste Volksfest abgehalten. Wie stark sich die Teilnehmerzahl an dem Feste vermehrt hatte, beweist die Tatsache, daß im Stiftungsjahr 1818 die Zahl der Festbesucher aus Stadt und Land gegen 39 099 betrug. Im letzten Volksfestjahre vor dem Kriege, im September 1913, hatten die Stuttgarter Straßenbahnen allein nahezu eine halbe Million Besucher dem Wasen zugeführt und die letzten Volksfestjahre hatten diese Zahl noch bei weitem überschritten.
Das Cannstatter Volksfest sah im Laufe der Jahrzehnte mitunter Volksfestbesucher von höchstem Rang und Stand. Vor allem das Jahr 1857 wurde für seine Tradition von besonderer Bedeutung. Damals besuchte König Wilhelm I. von Württemberg mit seinen Gästen, dem Kaiser Napoleon HI. und dem Zaren Alexander II. von Rußland zu Pferde das Volksfest. Auch die Zarin, die Königin von Holland und die Königin von Griechenland sowie 200 ausländische Generäle, Diplomaten und Würdenträger sahen die Besucher des bedeutsamen Volksfestes. Die Jahre 1870 und 1881 brachten den Besuch des
zu den Manövern nach Süddeutschland gekommenen Kaisers Wilhelm I. Mit dem alten Kaiser wohnten 1870 auch Kaiserin Augusta, Kronprinz Friedrich Wilhelm und der Eroßherzog und die Eroßherzogin von Baden dem Feste bei.
Im September 1893 gab die Einweihung der neuen Neckarbrücke und 1895 die Eröffnung der elektrischen Straßenbahn Anlaß zu außergewöhnlich starkem Besuch des Festes. Im Jahre 1924 gab neben dem Reit- und Fahrturnier und der landwirtschaftlichen Ausstellung die Trachtenschau dem Volksfest weiteren Gehalt.
Das diesjährige Volksfest, welches die Dauer von 19 Tagen umfassen soll, wird zweifellos in der Geschichte des Cannstatter Volksfestes einen Markstein bedeuten können. Zum erstenmal seit der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus wird das Volksfest in größerem Rahmen aufgezogen werden. Die Tradition seiner Volksbelustigungen wird in Gemeinschaft mit wertvollen sportlichen und volkstümlichen Veranstaltungen ein Fest verbürgen, das nicht nur eine rein schwäbische Angelegenheit bedeuten, sondern auch weit über Württemberg hinaus Interesse und Beachtung finden dürfte.
Fetzt aber rasch!
Außerkurssetzung der 3-RM.-Stücke
Noch einmal sei darauf hingewiesen, daß mit Wirkung dom 1. Oktober 1934 ab die Reichssilbermünzen zu drei Mark und zu drei Reichsmark außer Kurs gesetzt sind. Sie werden aber noch bis zum 31. Dezember 1934 von den Reichs- und Landeskassen in Zahlung genommen oder umgewechselt.
Verleumder am Wett!
Das Presseamt der Deutschen Arbeitsfront, Bezirk Südwest, teilt mit: „Seit einigen Tagen gehen in der Oefsentlichkeit Gerüchte um, nach denen der Bezirkswalter der Deutschen Arbeitsfront für Südwestdeutschland, Pg. Fritz Plattner, MdR., seines Postens enthoben und fristlos entlassen sei. Andere »ersteigen sich zur Behauptung, daß Bezirkswalter Plattner in Nürnberg in Schutzhast genommen sei. Von verantwortungslosen Elementen wird außerdem verbreitet, Pg. Plattner sei unter Mitnahme eines größeren Geldbetrages in das Saargebiet geflüchtet.
Von all diesen Gerüchten ist auch nicht das g e r i n g st e wahr. Pg. Plattner befindet sich auf dem Reichsparteitag in Nürnberg. Es wird daraus aufmerksam gemacht, daß gegen jeden, der ein solches Gerücht verbreitet, mit den schärfsten Maßnahmen vorgegangen wird
SchuWern am -kttormattolisfeft
Zum 400. Jahrestag der Vollendung der Bibelübersetzung
Reichsminister R u st hat zur 400. Wiederkehr des Jahres der Bibelübersetzung durch Dr. Martin Luther folgenden Erlaß heraus» gegeben:
Vor 400 Jahren hat Martin Luther seine Bibelübersetzung vollendet. Angesichts der großen Bedeutung, die diese Tat für die religiöse und sprachliche Entwicklung des deutschen Volkes gehabt hat, ordne ich an, daß für alle evangelischen Schüler des Reiches anläßlich des diesjährigen Resorma- tionsfestes diese Tatsache in Feierstunden oder in den betreffenden Unterrichtsfächern gebührend gewürdigt wird.
Fensterladen. Auch selbst, wenn Sie im Mietvertrag die Verpflichtung übernommen hätten, die anfallenden Schönheitsreparaturen auf eigene Kosten auszuführen, so würde das Neulackieren der Fensterläden nicht zu Ihren Pflichten als Mieter gehören. Dagegen wird ja jede Hausfrau von selbst bestrebt sein, die Fensterläden einmal im Jahr abzuwaschen, sofern diese Arbeit ohne besondere Schwierigkeiten durchgeführt werden kann.
H. H. i. W. Wenn Ihre Stachelbeeren von dem häufig auftretenden Stachelbeermehltau befallen sind, so empfiehlt es sich, die Pflanzen mit Schwefelkalk zu stäuben. Dies mutz jedoch bei trübem Wetter vorgenommen werden. Schwefel- kalk erhalten Sie in jeder Drogerie. Es wird gut sein, wenn Sie beim Kauf dem Drogisten den Zweck des Kaufes angeben.
K. Pf. Nachdem Sie keinen Mietvertrag abgeschlossen haben, wäre der Mieter an sich nicht verpflichtet, für die durch den vertragsmäßigen Gebrauch der Wohnung entstandene Verschlechterung einzutreten. Sie als Vermieter können jedoch in diesem Falle eine Erneuerung der Küche verlangen und zwar mit dem Hinweis darauf, daß der Mieter die Küche insofern zu einem ver- tragwidrigen Gebrauch benützt hat, als er in der Küche gewaschen und gebadet hat. Nach einer landgerichtlichen Entscheidung ist das Waschen in der Küche bereits nicht mehr mit den Obhuts- Pflichten, die der Mieter wahrzunehmen hat, zu vereinbaren. Verstößt der Mieter gegen diese Obhutspflicht, so muß er für die Ausbesserung der Küche Sorge tragen.
Rach Knittlingen. Bei Weinbergen außerhalb Etters muß mit Drahtzäumn von dem Grundstück des Nachbars ein Abstand von SO Zentimeter eingehalten werden. Sie können auf Einhaltung dieses Abstandes beim Gericht klagen.
Nr. 1885. Die Sache steht für Sie sehr ungünstig. Wenn der Vertreter den Apparat widerrechtlich verkauft hat, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als den Apparat der Firma wieder zur Verfügung zu stellen. Es ist hier der gleiche Fall, wie wenn man einen gestohlenen Gegenstand im guten Glauben kauft; der Käufer muß den Gegenstand dem rechtmäßigen Eigentümer wieder zurückgeben. Es besteht sür Sie lediglich die Möglichkeit, sich an den Vertreter für die bezahlten 25 RM. schadlos zu halten.
Zinseinkommen. Die Berechnung der freien Miete bei der Einkommensteuer durch das Finanzamt besteht insofern zu Recht, als diese Miete, die ja von dem steuerpflichtigen Ehepaar an Ihre Tochter tatsächlich nicht bezahlt wird, entweder von dem Ehepaar oder aber von der verheirateten Tochter versteuert werden muß. Es besteht also die Möglichkeit, daß die verheiratete Tochter den Ertrag der Miete zu ihrem steuerpflichtigen Einkommen rechnet. Auf diese Weise würde dann das Ehepaar mit seinen Zinseinkommen allein nicht mehr zur Einkommensteuer herangezogen werden.
Religionssache. Unsere im letzten Briefkasten gegebene Auskunft, wonach in einer Mischehe auch die Frau für ihre Kirche Kirchensteuer bezahlen muß, hat für beide Konfessionen Gültigkeit.
H. W. Sie machen sich wohl über das „Guthaben". das Sie bei dem Geflügelzuchtverein auf Grund der im Jahre 1922 und 1923 gelösten Anteilscheine von je 500 RM. haben, falsche Vorstellungen. Selbst bei einer hundertprozentigen Aufwertung würden Sie von dem am 20. Juli 1922 gelösten Anteilschein von 500 RM. rund
4 Reichsmark erhalten, während der zweite Anteilschein vom 10. Februar 1923 lediglich einen Wert von 25 Neichspfennigen hat. Unter diesen Umständen werden Sie selbst einsehen, daß eine lange Prozesstererei mit dem Verein keinen Sinn hat.
Trudel 1632. Ob Sie als Hausgehilfin nach Vaihingen a. d. Filder können? Die Antwort auf diese im Hinblick aus die Zuzugssperre gerichtete Frage hängt ganz von den Umständen ab. Das Arbeitsamt Stuttgart, in besten Bereich Vaihingen a. d. F. fällt, erhebt gegen Ihren Stellenantritt nur dann keinen Widerspruch, wenn Sie zu Hause keinen größeren landwirtschaftlichen Besitz haben. Wohl besteht an sich ein Mangel an Haus- gehilfinnen, es soll jedoch verhindert werden, daß sich diese aus Mädchen rekrutieren, die auf dem Lande in der Landwirtschaft Unterkommen und Arbeit finden. Wir raten Ihnen, beim Arbeitsamt Stuttgart unter Einsendung von Belegen m dieser Frage vorstellig zu werden.
Pilzzucht. Wenn Sie eine Champignon-Pilzzucht treiben wollen, so ist Voraussetzung eine gewisse Fachkenntnis. Vor hochtrabenden Anpreisungen und märchenhaften Verdiensten muß nachdrücklichst gewarnt werden. Es handelt sich um eine sehr schwierige Arbeit, die insbesondere anfangs viel Mißerfolg zeitigen kann. Sie mästen sich auch überlegen, daß die Pilze nicht nur gezüchtet, sondern auch verkauft werden müssen. Sie müssen sich also vorher nach einem günstigen Markt Umsehen. Auch das ist nicht so einfach, wie Sie sich das denken. Wenn Sie über alle diese Fragen sich genau orientieren wollen, so raten wir Ihnen, sich an die Landesbauernschaft Württemberg. Stuttgart, Hauptabteilung II, wenden zu wollen. Dort erhalten Sie zuverlässige Auskunft.
Wem gehört der Vogel? Man sollte es fast nicht glauben, wieviel Kopfzerbrechen so ein harmloses Vögelein seinen Besitzern und darüber hinaus auch dem Briefkastenonkel machen kann. Rein juristisch gesehen ist die Beurteilung Ihrer Frag! deshalb nicht leicht, weil wir nun nicht wissen, ob Sie das Kanarienvogelweibchen Ihren Bekannten geschenkt oder nur geliehen haben. Dieselbe Frage erhebt sich auch bei dem Hahn. Unter Umständen würde sogar ein Tausch vorliegen. Aber wie gesagt, das hinterher juristisch zu ver- klauben. ist nicht einfach. Und ausgerechnet dieser Kanarienvogelsall ist im Bürgerlichen Gesetzbuck gar nicht in dieser Form berücksichtigt. Da gibt es eben nur Kauf. Tausch, Schenkung, Leihe. Wenn wir das Juristische beiseite lasten und nur nach der Billigkeit urteilen, dann will uns scheu nen, daß man Ihnen wohl das neugebacken« Kanarienvögelein geben könnte. Insbesondere, wenn man Ihnen eine ähnliche Versprechung gemacht hat.
Rr. 109 a. Wenn Ihnen die Mitgliedsbeiträgc der Krankenkasse nachweislich durch die Schuld des Unternehmers falsch abgezogen worden find, dann sind Sie als Arbeitnehmer nicht verpflichtet, diese Beiträge auf längere Zeit zurück nachzubezahlen. Bei einem Falschabzug kommt lediglich eine Nachzahlung für eine Lohneinhei! zurück in Frage, d. h.. wenn Sie Wochenlohr haben, ist der Unternehmer nur berechtigt, auj eine Woche zurück die Beitrüge nachzuerheben jedoch nicht länger. Frage 2. Auch bei einem Betriebsunfall ist beim Krankengeld eine Wartezeit vorgeschrieben. Ihre dritte Frage läßt sich ohne die genaue Kenntnis der Verhältnisse nicht beantworten.
W. Wenden Sie sich an das Innenministerium Stuttgart. Abteilung Amts- und Körperschafts, verwaltuna.
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„Fräulein Dr. Hellmauu", rief er. „Warten Sie doch..." Erika wandte sich kühl halb um. „Bitte?"
Er machte bekannt. „Meine Braut — Fraulein Dr. Hellmann."
Er wandte sich an Evelyn ... „Eine bewährte Mitarbeiterin unserer Bank." Evelyn nickte kühl und musterte den einfachen grauen Mantel und das schlichte Filzhütchen der jungen Akademikerin mit sichtlichem Spott. Overberg war ihr kühler, spöttischer Blick unangenehm.
„Ich hatte eigentlich vvr, mit Fräulein Tr. Hellmann einen Krankenbesuch zu machen. Hansen hat gestern ein Kind angefahren und Fräulein Dr. Hellmann war Zeuge des Unfalls ...", sagte er schnell.
„Aber du bist doch mit mir verabredet", meinte Evelyn achselznckend.
Eine kurze, peinliche Pause entstand.
Erika brach als erste das Schweigen. „Ich werde nach dem Kleinen sehen", sagte sie vollkommen ruhig, kühl und beherrscht. „Vor meiner Abreise gebe ich Ihnen vielleicht dann noch eben Bescheid, Herr Direktor ...
„Für uns wird es jetzt Zeit", sagte Evelyn Ostin hastig. „Ich habe nur zwei Stunden Zeit. Wo ist dein Wagen, Rudolf?"
„Hansen hat ihn drüben zum Parken untergestellt", sagte Overberg kalt. „Fräulein Hellmann, Sie benutzen ihn. Wir fahren mit deiner Taxe weiter, Evelyn ..."
Ehe Evelyn oder Erika etwas sagen konnte, war er nach kurzer Verbeugung gegen Erika aus die Taxe zugegangen und hals Evelyn, die ihn noch immer fassungslos ansah, beim Einsteigen. Eine Minute darauf lief auch Overbergs großer Wagen bei Erika vvr, widerstrebend sah sie Hansen an.
„Herr Overberg hat befohlen", sagte er sachlich. „Zum Mariahilf-Krankenhaus. Es liegt ziemlich weit draußen..."
Leise glitt der Wagen davon.
„Wie kommst du denn dazu, deiner Angestellten deinen großen Wagen anzubieten?", fragte Evelyn Ostin, während sie durch die Straßen glitten. „Lag dir daran, mich zu kränken?"
„Aber Evelyn, ich bitte dich! Fräulein Dr. Hellmann hat sich des kleinen Verletzten so rührend angenommen, sie tritt morgen für unsere Bank eine große Revisionsreise an, es lag mir daran, ihr jetzt — wenn sie schon so hilfsbereit ist — ihre Freundlichkeit ein wenig zu belohnen..."
Evelyn schwieg verstimmt. Dann begann sie lauernd:
„Du bist wohl gegen alle deine weiblichen Angestellten so - galant?"
Sein finsterer Blick brachte sie zum Schweigen.
„Fräulein Dr. Hellmann ist eine unserer tüchtigsten Mitarbeiterinnen. Ich kann übrigens wohl auch verlangen, daß du einer jungen Akademikerin höflicher begegnest. Dein Benehmen war direkt ungezogen ..."
Evelyn biß sich auf die Lippen. Der Wagen hielt. Da setzte sie ihr bezauberndes
Lächeln aus. Aeußerlich im besten Einvernehmen betraten sie das Lokal.
10. Kapitel.
Der Kaufmann Wilhelm Bergmann bewohnte ein großes HanS im Tiergartenviertel. Er hatte die schöne alte Villa erst kürzlich mit dem gesamten Inventar ans der Konkursmasse eines Bankiers übernommen.
Seltsam nahm sich die kleine, untersetzte Gestalt des Kaufmanns in dem großen Arbeitszimmer im Stile der italienischen Renaissance aus. Der kurze, etwas unbeholfen sich bewegende Körper verschwand fast hinter dem breiten, beinahe drei Meter langen Schreibtisch.
Die schönen, echten englischen Stiche, der große Bücherschrank, die hohen Fenster und echten Teppiche, das alles stand in merkwürdiger Disharmonie zu der Erscheinung dieses Mannes, der mit seinem nachlässigen, grauen Straßenanzug, dem runden, kahlgeschorenen Kopf, den kleinen, stets unruhig zwinkernden Augen auf den ersten Blick abstoßend und unangenehm wirkte.
Erika Hellmann, die ihm gegenüber saß, bemerkte das alles, sie sah auch eine leise, nervöse Unruhe in seinen Zügen. Jetzt begann er von neuem zu sprechen:
„Ich weiß wirklich nicht, wo Ihr Bruder ist, Fräulein Dr. Hellmann! Seine Sekre- türarbeiten hier in meinem Hause sind nicht übermäßig anstrengend. Er wird spazieren gegangen sein ..."
Die klaren, graugrünen Augen des Mädchens und die dunklen des Mannes trafen sich. Erikas Blick war hart.
„Sie wissen genau, weshalb ich hierherkam. Es war mir durchaus nicht recht, daß mein Bruder sein Studium unterbrach und bei Ihnen arbeitet..."
In den verschlossenen Zügen des ManneS begann es seltsam zu arbeiten. Aber er beherrschte sich.
„Und warum nicht? Wissen Sie nicht selbst, daß sein Studium fast aussichtslos ist? Ich glaube. Sie dürften über die Wendung im Geschick Ihres Bruders wohl eher froh sein."
Nachlässig setzte er hinzu? „Ich hätte tausende haben können, die bei mir gern arbeiten würden ...
Erika parierte den Hieb schnell.
„Und warum haben Sie von diesen „Tausenden" keinen genommen? Ich will es Ihnen offen sagen: weil Robert besonders leicht beeinflußbar ist. weil Sie seine Notlage bequem ausnutzen konnten ..
Das Gesicht des Mannes wurde wieder ganz verschlossen.
„Ausnutzen? Wieso denn? Ich muß wirk- lich sagen. Sie verkennen die Sachlage ganz und gar. Es lag mir nur daran. Ihnen und Ihrem Bruder zu helfen."
Seine Stimme klang schmeichelnd und freundlich.
„Ich brauche keine Hilfe. Was arbeitet denn Robert überhaupt bei Ihnen?"
Ein spöttisches Lächeln flog über die Züge des Maklers.
„Nun, er Hilst mir bei meinen Hausver- küufen, bei meinen kleinen Bankgeschäften und so weiter..."
„Ihre „kleinen Geschäfte" scheinen sehr einträglich zu sein", jagte Erika Hellmann, und sah ihn mit beißendem Spott an. Ihr Blick flog dabei durch das kostbar eingerichtete Zimmer.
Bergmann erhob sich ruckhaft. »Was wünschen Sie eigentlich von mir?"
Fortsetzung folgt.