Seite 5 — Nr. 204
Der Gesellschafter
Montag, de« S. September 1834.
Eine trostlose Statist» der Weltvot
Das „Hilfskomitee zur Linderung der Welt- >nvt", eine sich eng an die Heilsarmee an- llehnende Institution, veröffentlicht für das vergangene Jahr folgende Statistik: Im Jahre 1933 starben den H u n g e r t o d in der .ganzen Welt rund 2 400 000 Menschen. In Der gleichen Zeit endeten durch Selbstmord, infolge Not, rund 1 220 000 Menschen.
An Lebensmitteln wurden vernichtet, „um die Preise stabil zu halten", Getreide 568 600 Waggon, Reis 144 VOY Waggon, Kaffee 267 »90 Sack, Zucker 2 56» v»ö Kilogramm. Verheizt wurden 423 »0» Waggon Getreide. An Fleisch wurden vernichtet bzw. dem Verderben preisgegebn: in Form von Konserven 560 vov Zentner, in frischem Zustand 145» Ovü Kilogramm.
Das Hilfskomitee hat berechnet, daß man «mit den vernichteten Lebensmitteln ungefähr S7 Prozent der Verhungerten Nä-ste retten können.
Eetrrtes HellMec"
Von Ludwig Bäte
Klingend sirrt die Luft, wenn noch ein Falter hindurchtaumelt oder eine Biene trüge vorübertreibt. Eine dünne Witterung fchwe- lender Kartoffelfeuer kommt aus den Gärten vom Dorf her. Manchmal summt irgendwo eine Dreschmaschine, rollt ein Wagen, und es ist hin und wieder so, als würde hinter der flachen Blaustahlwand des Berges ge- sprengt, denn ein ungewisses Rollen bebt dann und wann auf, bis wieder flirrend das trockene Geknister der Lüfte anhebt.
„Zum Abschiednehmen nicht das rechte Wetter", sagt lächelnd daS schlanke, schöne Mädchen, das gerade den Fußweg von der Wiese her zur Straße emporsteigt und beugt sich zu dem jungen Manne um, der den ganzen Arm voll weißer Achilleen, die er am halbversiegten. Bache pflückte, trägt.
Ein Erröten, das seltsam auf feinem straf- fen, braunen Gesicht steht, zuckt auf. Er ent- gegnet nichts und reicht ihr eine langstenge- kige, von einem hauchfeinen Blau durchleuchtete Blüte, die sie ansteckt. Dann steht er neben ihr.
„Müssen Sie denn schon fort?" Ein leises Beben ist in feiner Stimme.
„Meine Tante erwartet mich, und um diese Zeit gibt es auf dem Gute immer viel Arbeit. Zudem: Seien Sie froh, daß Sie mich Unrast los werden! Aus Ihrem Buche ist sicher nicht viel geworden in diesen Wochen!"
„Fräulein Elisabeth!" Wieder ist das Beben in feiner Stimme.
„Nun ja! Aber ich danke Ihnen so vieles, was ich" — für einen Augenblick kommt ein warmes Leuchten in ihre Augen — „niemals vergessen werde!"
„Daß mein Buch wird, weiß ich nun gewiß", hebt er plötzlich an, und Glut strömt aus seiner kaum gezügelten, dunklen Stimme.
Eine Blutwelle springt ihr ins Gesicht. Sie antwortet nicht. Die ansteigende Straße der- engt sich und biegt dann um den Berg herum. Sie gehen durch eine niedrige Allee Pflaumenbäume. Links und rechts Weißdornhecken mit kleinen, rotlodernden Fruchtknopfbüscheln. Sonnenblumen. Hohes, beinahe noch grünes Gras. Ein Nußheckengebüsch, ein weißer Gartenzaun. Das Anschlägen eines Hundes. Einige rotleinengedeckte Tische vor der blauweißen, schattenüberbreiteten Fach-
werkwand. Samttiese Astern, Phlox, Georginen, Reseden; gegenüber an der Feldsteinmauer, die den Garten nach den Aeckern hin abgrenzt, einige Büschel gelber Rudbeckien.
Die Achilleen leuchten wie kostbares Geschmeide auf weinrotem Frauenkleid.
Ein kleines Mädchen fragt nach ihren Wünschen. Man bestellt Kaffee. Sie schneidet ein Stück Kuchen in dünne Scheiben.
Manchmal klirren die Apfelbaumblätter wie Tannennadeln. Eine Frucht fällt mit scharfem Knall und zerbirst. Dumpfes Gerolle, das Form wird. Glühende Sonne. Plötzlich fegt ein greller Blitz über den zitternd glastenden, unruhig gedehnten Horizont. Das Dorf unten liegt dunkelüberwölkt. Donner bricht auf. Einige Hühner stieben ängstlich fort. Kühe brüllen vor dem Stalltor. Scheltworts, ein Peitschenhieb. Heudunst.
„Kommen Sie!"
Sie sitzen allein in dem schmalen Wohn- zimmer, in dem sie oftmals an Regentagen zusammen gelesen haben. Sie ordnet mechanisch die Blüten in die große Tonvafe auf dem Tisch.
Der Donner steht über dem Haus. Die Apfelbäume vor den Fenstern zischen im jäh einsallenden Winde. Das Land ist schwarz wie ein Tuch. Schwere Tropfen fallen. Es ist zum Ersticken heiß. Er reißt einen Fensterflügel auf. Der Wind wirft ihn zu.
Draußen auf der Diele ist es mit einem Male still. Eine ängstliche Kinderstimme betet. Dumpf fallen die Erwachsenen ein.
Sie schaut vom Sofa aus in die Stube. Ihre Hände liegen blaß auf dem grünen Polster. Die Achilleen duften betäubend.
„Warum das alles, Elisabeth?"
Der Regen rauscht vom Dach. Die Lust ist stickig-grau. Eine Glockenstimme quält sich unbestimmt vom Dorf herauf.
Sie sagt nichts.
„Elisabeth!"
„Lassen Sie mich, Ernst! Ich kann nicht! Darum reise ich morgen. Haben Sie Dank für diesen Sommer!"
Nebenan geht die Schwarzwälderuhr un- aufhörlich in gleichem Takt. Der Donner ebbt ab. Der Regen wird leise. Zögernd pochen noch einige Tropfen. Die Sonne kommt zage durch.
Im Dorf schlägt eS sieben. Die Uhr aus dem Flur rasselt Hinterher.
„Elisabeth!"
„Leb wohl!"
Sie steht müde aus. Tr folgt langsam. SB ist beinahe kalt draußen.
Ihre Füße gehen in gelben Blättern.
Das nasse Kartosfellaub strömt Verwesung.
Mitten auf der Landstraße liegt ein zerrissener Eberefchenzweig.
Humor
Prosessoren-Witz
Ein Universitätsprofessor hatte von seinen Studenten wegen seiner außerordentlichen Leibesfülle den Spitznamen „Faß" erhalten. Als er nun eines Morgens ins Kolleg kam, hörte er die leisen Worte: „Achtung, Faß kommt!" Der Professor trat ruhig zum Katheder und begann seine Vorlesung dann mit der unerwarteten Einleitung: „Sie irren sich, meine Herren! Ein Faß ist von Reifen umgeben, ich aber bin nur von Un-reifen umgeben!"
In einer medizinischen Prüfung stellte sich ein Kandidat mehr als unwissend an. Der Professor wurde ärgerlich. „Jetzt erklären Sie mir endlich den Begriff Schöpfung richtig!" — „Schöpfung — schaffen — erschaffen . . ." stotterte der unglückliche Student, „heißt aus nichts etwas machen." — „Nun schön, mein Herr, mein
te der Professor ironisch, „wir werden Sie zum Doktor erschaffen!"
Eine Zeitlang gehörten die Berliner Universitätsprofessoren Eck, Kothe, Tiefenbach u. Wolf zu den am meisten gefürchteten Examinatoren. Man nannte sie gern dis „Durchfallkommission" und machte seinem Aerger des öfteren Luft. So standen eines Tages am Schwarzen Brett die folgenden Verse: „Kommst du glücklich um die Ecken — bleibst du nicht im Kote stecken — fällst nicht in den Tiefenbach — frißt dich doch der Wolf hernach!" Am nächsten Tage hielt Professor Wolf eine Vorlesung über Rechtsgeschichte und begann mit den Worten: „Meine Herren! Ich habe gestern den Vers am Schwarzen
Brett mit einer gewissen Genugtuung gelesen, da es mit dem Inhalt der letzten auf mich bezüglichen Zeile feine Richtigkeit hat, allerdings mit der selbstverständlichen Einschränkung, daß dieser Wolf nur — Schafe frißt!"
Es war tiefe Nacht. Mr. Sandy aus Aberdeen stieg aus der Taxe und begann in seinen Taschen herumzukramen. Schließlich zahlte er den auf der Uhr angezeigten Betrag.
„Ich habe schon Herren gekannt", brummte der Chauffeur wütend, „die etwas drüber gegeben haben!"
„Ja, ja", meint Mr. Sandy gedankenvoll, „deshalb habe ich Ihnen ja auch ausdrücklich gesagt, Sie sollen vor der Laterne halten!"
Ich bitte um Auskunft....
Briefkasten des »Gesellschafters"
Unter dieser Rubrik veröffentlichen wir die aus unserem Leserkreis an die Redaktion gerichtete» rlnsragen. Den Fragen ist jeweils die letzte Abonnementsauittuna beizulegen, ferner Rückporto, tallS briefliche Auskunft gewünscht wird. Die Beantwortung der Änftagen erfolgt jeweils Samstags. Für die erteilten Auskünfte übernimmt die Redaktion nur die vretzgesetzliche Verantwortung.
P. Pf. Lohnforderungen gehören auch im Falle eines Konkurses zu den bevorrechteten Forderungen, d. h. sie werden von der Kon- kursmasse von vorneweg in Abzug gebracht. Wir möchten Ihnen in Ihrem Interesse raten, die Summe nicht zu groß werden zu lassen, und energisch auf der Rückzahlung zu bestehen. Um einer Verjährung vorzubeugen, raten wir Ihnen weiter, den Schuldner zu veranlassen. Ihnen gegenüber ausdrücklich die schriftliche Anerkenntnis der Schuld vorzunehmen.
P. A. H. Der Name Hörnig kommt von dem althochdeutschen Hurna her. Das Wort hieß mittelhochdeutsch „Horn" und bedeutete wie auch heute noch „Horn" (Masinstru- ment). Bei dem Familiennamen Hörnig handelt es sich um eine einstämmige Kürzung und um eine Ableitung vom Vater her, d. h. Hornig war der, der zur Sippe des „Horn" gehörte. Ebenso Hornung, Horning und Hör- «ing.
K. W. Auf Grund des Versäumnisurteils können Sie durch jeden Gerichtsvollzieher die Beitreibung der ausstehenden Lohnforderung verlangen. Wenn die Beitreibung besonders schwierig ist, empfiehlt es sich viel- leicht, den Auftrag, das Geld einzutreiben, einem Jnkastobüro zu übergeben, das auch bereit ist, den Betrag in kleinen Raten einzuziehen.
G. B. Nach einer Verordnung des Würt- kembergischen Staatsministeriums wird bei solchen Neuhausbesttzern, deren Wohngebäude in den Rechnungsjahren 1924 bis 1930 bezugsfertig geworden sind, die Gemeindeumlage um die Hälfte gesenkt. Erkundigen Sie sich beim Bürgermeisteramt, wie bei Ihnen der Fall liegt.
W. S. Der Pächter ist verpflichtet, auch dann den vereinbarten Pachtpreis für das Gebäude bzw. für die Räumlichkeiten zu bezahlen, wenn er aus Gründen, die er zu vertreten hat, diese Räumlichkeiten nicht in Benützung nehmen kann. Anders verhält es sich dagegen, wenn der Verpächter verpflichtet ist, die Hindernisse, die einer Benützung entgegenstehen, zu beheben. In diesem Falle braucht der Pächter dann den Pachtpreis nicht entrichten.
Drahtzaun. Bei einem Grundstück außerhalb Etters müssen Sie mit Ihrem Drahtzaun gegenüber Grundstücken, die regelmäßig mit Gespann bearbeitet werden, 50 Zentimeter von der Grenze entfernt bleiben. Gegenüber anderen Grundstücken ist kein Abstand einzuhalten.
A. V. Sie kommen nicht anders um die Geschichte herum, als daß Sie dem Makler die von ihm geforderte Entschädigung gewähren. Höchstwahrscheinlich werden Sie beim Geben des Auftrags an den Makler vereinbart haben, daß im Falle eines anderweitigen Verkaufs des Anwesens der Makler auf Bezahlung einer gewissen Aus« Wandsentschädigung bestehen kann. Daß daS Haus nun unter diesen Umständen und zu einem derartigen billigen Preis verkauft wurde, ändert an der Tatsache des Verkaufes an sich nichts.
P. W. 898g. Trüb gewordene Bernsteinknöpfe erhalten durch Neupolieren wieder ihren frischen gelben Glanz. Die Arbeit lasten Sie am vorteilhaftesten bei einem Juwelier machen.
M. R. Als Kolonialwarenhändler müssen Sie sich bis spätestens 15. September entweder bei der zuständigen Ortsbauernschaft oder aber bei der für Sie zuständigen Be- zirksorganifation des „Rekofei" anmelden. Ihre Mitgliedschaft beim Kyffhäuserbund und bei der NS.-Kriegsopferversorgung entbindet Sie von dieser gesetzlichen Pflicht nicht.
R. R. in E. Wenn Sie sich einen neuen Militürpaß ausstellen lasten wollen, müssen Sie sich an das Reichsarchiv, Zweigstelle Stuttgart, Gutenbergstraße 10S, Abteilung Kriegsstammrolle, wenden.
P. W. Um einen guten Bratbirnensast herzustellen, nimmt man zu 38 bis 35 Liter Saft einen Zentner Bratbirnen. Auf diese Weise erhalten Sie ein vorzügliches Hans- getränk. Sie müssen den Saft wie Wein behandeln. Allerdings ist es nötig, den Saft schon in der ersten Hälfte im Januar abzu- lasten.
G. U. Der Fall liegt für Sie sehr ungünstig. Nach dem alten Nachbarrechtsgeseh hätte Ihr Nachbar mit seinen Tannen sechs Meter von der Grenze wegbleiben müssen. Nach dem neuen Gesetz beträgt dieser Abstand 8 Meter (beide Maße für Grundstücke außerhalb Etters). Nachdem Ihr Nachbar diesen Abstand nicht eingehalten hat, hätten Sie inner- halb fünf Jahren nach erfolgter Pflanzung Klage auf Beseitigung erheben sollen. Nach- dem Sie das nicht getan haben, steht Ihnen heute das Recht nicht mehr zu, eine Beseiti» gung der gesetzwidrigen Anlage zu verlangen. Dieser Anspruch verfährt in fünf Jahren. Es bleibt Ihnen nur noch übrig, sich mit dem Nachbar in gütlicher Weise zu verständigen.
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Overberg blickte nachdenklich in die klugen Züge feines alten Freundes. Die Züge des Freundes waren ihm so vertraut; feit ihrer Kindheit verband sie eine enge Freundschaft, das schmale Gesicht mit der hohen Stirn, das fast häßliche, aber kluge und anziehende Gesicht des Freundes, das war etwas, was zu seinem Leben gehörte. Aber wenn er Evelyn heiratete, würde diese Freundschaft sich langsam auflösen, das fühlte er ganz deutlich. Evelyn haßte den Mann. War es ein Wunder, nach dem, was er erzählt hatte . . .
Es war, als erriet Kernbach feine Gedanken.
Er beugte sich vor und sah dem Fremü) herzlich ins Gesicht.
„Rudolf! Es ist wirklich nett von dir, daß du gekommen bist! Und eins glaube mir! Es war nicht meine Absicht, dir wehe zu tim, als ich dir von den Gerüchten, die deine Braut angehen, sprach! Und noch weniger wollte ich dich mißtrauisch machen . . ."
„Ich weiß schon, Alfred . . ." Overbergs Stimme kam müde zu ihm herüber.
„Wenn deine Braut selbst sagt, daß alles Unsinn ist, wird's schon stimmen", meinte Kernbach.
-Ja. ja . . .' kam wieder Overbergs Stimme aus dem
„Rudolf! Was ist denn? Dn siehst so verstimmt aus..."
Overberg zuckte zusammen. Er versuchte ein Lachen.
„Verstimmt? Mag sein. Ich weiß nicht recht, alles erscheint mir auf einmal so sinnlos . . ."
„Nette Ansichten für einen Bräutigam, der heiraten will", spottete Kernbach gutmütig. „Ich glaube, du hast in der „Goldenen Bar" zu viel von dem schlechten Wein getrunken. Menfchenskind, geh nicht so viel in das Lokal! Die Pantschen einen scheußlichen Wein! Du weißt doch, meine Eltern hatten ein Weingut, ich versteh mich darauf und schmecke es heraus. Und dann bekommt selbst ein so seriöser Direktor wie du davon Weltschmerz ..."
Aber der heitere Ton verfing nicht. Overberg lachte nicht auf und rüttelte den spott- lustigen Freund nicht derb an den Schultern wie sonst. Er blieb still und sah nachdenklich vor sich hin.
Zögernd kam jetzt KernbachS Stimme: „Ist irgend etwas mit deiner Braut?"
Unbehaglich zuckte Overberg die Achseln.
„Ach, eigentlich nicht . . ."
„Hat sie dir die Sache mit mir übel genommen?"
Overberg hob den Blick vom Boden.
„Ach, das ist längst vorbei ... ich sagte ihr, daß ich ihr glaube, und ich tue es auch. Es wird wohl alles ein Mißverständnis sein..."
„Natürlich", bestätigte der Freund.
„Ich sagte ihr, daß ich ihr glaube und nicht dem GeschwLH, und alles war gut."
„Aber weißt du . . . Kernbach ..." Er stockte einen Augenblick, sah den Freund lange an . . . „Ich glaube manchmal, sie ist nicht die rechte Frau für mich ..
Overberg machte eine fast hilflose Bewegung.
„Und warum hast du dich denn mit ihr verlobt? Und was brachte dich eigentlich zu ihr?" . . . kam die tastende Stimme des Freundes zu ihm.
„Ja, was? Wenn ich das nur heute wüßte! Sie war schön und gefeiert, sie war klug und geistreich ... ich habe mich gern mit ihr unterhalten ... ich habe mich sehr bald mit ihr verlobt ... du weißt es ja. Und jetzt fühle ich manchmal eine scheußliche Leere, ein Einsamsein . . . noch schlimmer, als ich es früher hatte, als ich allein war. Wie soll ich mir das erklären?"
„Und sie . . . und Evelyn . . . ?"
„Ja, Evelyn . . . Vielleicht wird's bester werden, wenn wir verheiratet sind. Du weißt, sie ist viel im Theater, auf Proben. Wir haben eigentlich nie Gelegenheit, recht miteinander zu sprechen. Sie ist immer lieb und gut . . . Gewiß! . . . Nur manchmal ..."
„Was denn . . . manchmal . . . sprich doch, Rudolf."
,Ha, manchmal meine ich eben, ihre ganze Liebe ist nicht echt, sie erscheint mir gekünstelt, manchmal theatralisch ... ja, ich muß es dir garq offen sagen! Evelyn ist manchmal müde und verstimmt. Ich kann ihr das nicht übelnehmen, ihr Beruf bringt es eben mit sich. Wie kann ich ihr zürnen? Aber trotzdem, manchmal ist eine schreckliche Leere zwischen uns! Heute abend zum Beispiel."
Er richtete dre große Gestalt auf, erhob sich aus dem Sessel und ging ein Paarmal im Raum auf und ab.
Kernbach sah nachdenklich vor sich hin.
Wäre es nicht am besten, dem Freund zu sagen: Diese Frau ist schön, gefeiert, elegant, alles zugegeben! Aber sie ist trotzdem nicht „die rtchstass Frau Mr dich. Die erscheint nur
kalt, berechnend, herzlos. Du wirst dich nicht glücklich fühlen. Sie glänzt und blendet, aber sie hat kein warmes, gütiges Frauenherz, das du brauchst. Du suchtest Sonne, Schönheit und Freude in dein arbeitsreiches Leben zu bringen . . . und was wirst du machen? Deine größte Dummheit! Aber kann man das sagen. . . muß er nicht selbst ani besten wissen ...
Overberg hatte seinen Rundganog beendet. Er blieb vor dem Freund stehen.
„Auch allerlei von mir," sagte er jetzt wieder ruhig und heiter. „Mitten in der Nacht überfalle ich dich und quäle dich mit meinen Angelegenheiten! In Wirklichkeit bin ich nur etwas verstimmt, und Evelyn war es wohl auch. Vergiß, was ich dir sagte. Man soll so kleine innere Unzufriedenheiten nicht mit sich herumtragen, aber sie dann bei seinem besten Freunde, und dazu noch mitten in der Nacht abladen . . . das ist auch ein starkes Stück!" Er lachte aus, aber es klang unecht und forciert.
Kernbach ging auf den heiteren Ton nicht ein.
„Und wenn du die Verlobung kosen würdest. . ."
Overberg fuhr herum.
„Du magst Evelyn nicht . . . Alfred . . . sei ganz offen ..."
Der Dozent wandte den Blick ab.
„Ich mag die Frau, die du zu deiner Gattin machst, schon", sagte er ernst. „Aber manchmal bezweifle ich auch, ob Evelyn die Rechte für dich ist. Sie ist eine große Künstlerin. Aber ich halte sie Mr kalt, für ehrgeizig . . ."
„Was sollte sie denn bei mir erreichen wollen . . . wenn sie mich nicht liebt? Sie ist gefeiert, berühmt . . . was kann sie mehr gewinnen?"
Fortsetzung folgt.