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Nr. 2«3

Der Kei'ellWalter

Lamrtaa. den 1. September 1834.

Eonberbeilase der NE. Prejje Württemberg

L!.S

September - Serbftmonat

Der Wind fährt über: Stoppelfeld, sein Brausen will mich mahnen, dag auch für mich ein End' bestellt.

Ein meerestiefes Ahnen

zieht schauervoll durch mein Gemüt:

Der Mensch verwelkt, der Mensch verblüht. Es rauscht im dürren Laube:

Staub kehrt zum Staube.

Maria Lutz-Weitmann.

Die Aepfel lösen sicq vom Baum Und kollern zu des Gartens Saum.

Die vollen Trauben reifen schwer;

Der Herbstwind streicht im Stoppelmeer.

Noch einmal glühen Rosen auf;

Goldränder trägt des Waldes Trauf.

Fritz Butz

»

Me verehrlichen Jung.., welche Heuer Meine Aepfel und Birnen zu stehlen gedenken, Ersuch ich höflichst, bei diesem Vergnügen Womöglich insoweit sich zu beschränken.

Daß sie daneben auf den Beeten

Mir die Wurzeln md Erbsen nicht zertreten.

Theodor Storm.

Die Monatsschau

Der September leert die letzten Getreide­felder. Das letzte Getreide, etwa noch der Hafer, wird eingeführt. Das Oehmdgras wird gemüht und Oehmdgeruch erfüllt die Luft. Ter Schäfer darf nun mit feiner Herde die Stoppelfelder weiden, ehemals wurden die Viehherden darüber getrieben. Vielfach läßt man das Vieh auf die abgemähten Wie­sen, namentlich in den Berggegenden, um das noch wachsende dritte Gras abweiden zu lassen. Der Himmel ist oft leicht überlaufen, Schleier ziehen an ihm hin. Der Sommcr- bogen des Jahres neigt sich endgültig dem Herbst entgegen.

Um St. Gillis geht Kaiser Karl nach dem Winterquartier, um Christi Himmelfahrt kommt er wieder heraus.

Oder:

Mariä Geburt

sagt alle Schwalben furt.

An den Feldrainen und im Garten blühen die Herbstblumen mit ihren satten Farben. Die Obstgärten stehen in voller Reife oder gehen ihr vollends entgegen, die späten Pflaumen werden gepflückt, die Aepfel. die Birnen, soweit es nicht späte oder ganz frühe Sorten sind. Ueberall an den Bäumen sieht man angelegte Leitern. Ihre heruntergeboge­nen Neste werden geschüttelt, zu Boden pras­selnde Früchte. Helles Kindergelächter, zufrie­dene Gesichter, gute Laune, leuchtende Freude, stille Zufriedenheit bas sind die Tone und Farben dieser herbstlichen Obsterntetage.

An den Berghängen der Weingegenden der deutschen Lande reist vollends die Traube. Viel liegt daran, daß gerade der September noch warme oder bester noch heiße Tage bringt, um dem Wein das letzte Feuer zu geben.

Wenn Matthäus (21.) weint statt lacht.

Er aus Mein oft Essig macht.

Oder:

Matthäus mit viel Wasser Ist guten Weines Hasser.

Oder:

St. Michelswein (29.) wird Herrenwein.

St. Galluswein ist Bauernwein.

Mit dem Pflug fährt der Bauer in das Feld, die Stoppelfelder werden herum­gerissen. Die Herbstsaat wird der Erde an- vertraut. So reihei "w in diesem Monat! Ernte und neue Saat aneinander und greifen! ineinander. Das Auf und Ab im Jahrlauf prägt sich dem Menschern emüte rn starker Weise ein, der Wechsel im Iah.lauf und in den Jahr­läufen überhaup-, wo reiche und magere, gute und böse einander ablösen. Doch der Acker bleibt, und Friedrich Griese sagt in seinem Ro­manDas letzte Gesicht" treffend:Gute Jahre wechselten mit weniger guten ab, aber schlecht. ging es den Leuten eigentlich niemals. Der. Acker war ewig, und ewig war die Wolke hoch ! über ihm, der Wind, der sie Herantrieb und das ! Wasser, das den Fruchtboden schuf. Jahr um! Jahr kam der Segei herab, and niemand ^ brauchte ihn zu halten, weil er sich aus sich sel der immer wieder erneuerte. Ein Mensch wurd geboren, ein Mensch starb. An das Leven schlos sich der Tod, und selbst der war oft noch ein

Segen, weil er auslöschte, was zuletzt nur noch ein Stumpf gewescn war, seine eigene Fußspur gleichsam ein St ^chen Rinde. Niemand hielt die Zeit, sie ging hin.

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Schon beginnen auch die herbstlichen Märkte und Feste, belebt und getragen von der Freude an dem Eingebrachten, die Kirchweih- oder Kirmesfeste. Schon Ende August, an Dartholomäi, sind die Schäfer- zunstseste gewesen. Wettläufe und Spiele der>

Mit Sommertagen mild und klar Neigt sich dem Herbste zu das Jahr.' Den Süden sucht der Vogelflug,

Und wieder geht durchs Feld der Pflug.

Schäfer. Nun. im September, klingen die Kirmesgeigen drein.

Matthäus (21.) und Michael (29.) sind die bedeutenden Lostage des September, die das Wetter machen:

Hat Matthäus, der Evangelist, schöne Wetter im Haus,

So hält er's noch vier Wochen aus.

Oder:

Wenn Nord- und Ostwinde um Michaelis wehen.

Werden wir einem kalten Winter enl- gegengehen.

Allmählich nimmt nein ab der Tag.

Die Buben suchen in dem Hag Nach all den Beeren und der Ruß,

Den Apfel reift der Sonne Kuß.

Hans Reyhing

M'r sitzet onter Aepfelböm

M'r sitzet unter Aepfelböm,

M'r sitzet unter Nussa

so beginnt ein schwäbisches Volkslied, und das Bild, das dabei vor unseren Augen aufsteht, paßt nirgends so gut hin wie nach Schwaben.

Ueberall in deutschen Gauen, von den frucht­baren, obstwaldüberfluteten Ufern des Boden­sees bis herauf an die Marschen, finden wir Anbau und Pflege des Obstbaumes. Die aller­stärkste Verbreitung aber hat der Obstbau im mittleren und nördlichen Württemberg, im Neckarland, gefunden. Hier kommt auf das Hek­tar Land die größte Zahl von Obstbäumen in ganz Deutschland. Es wäre eine köstliche Sache, all die mannigfaltigen Obstsorten an Aepseln und Birnen aufzuzählen, ihre Art und Güte zu zeichnen. Sie sind verschieden, je nach den Gegenden. Aber überall in deutschen Landen ist die gleiche Freude am Baum und Obst zu Hause und es gibt eine gewisse Verschwisterung von Baum und Mensch, so daß man überall die schöne Sitte trifft, bei der Geburt eines Kindes einen Baum zu pflanzen, auch die gemütstiefe Sitte, daß man den Bäumen da und dort den Tod des Bauern anzeigt. Ja, plötzliches Krän­keln und Absterben eines Obstbaunies zeigt nach dem Volksglauben sogar den Tod des Haus­herrn an. Glaube und Aberglaube und mannig­faltiges Brauchtum haben sich in Ser Baum- oflege herausgebildet. In den heiligen 12 Nach ' !en schüttelt oder schlägt man da und dort die Länine, umwickelt sie mit Stroh, umtanzt sic ogar oder umfaßt sie mit den Armen, an denen roch Teig vom Kneten des Weihnachtsgebäckes längt; damit sie gesund bleiben und wohl tra­gen sollen. Das Setzen und Veredeln soll man :m zunehmenden Mond vornehmen. An Fast­nacht soll man die Bäume putzen und Edel­reiser holen, in anderen Orten wieder am Kar- freitag. An Allerheiligen und an Allerseelen, also im November, soll man die Bäume um graben und düngen Die ersten Früchte eines jungen Baumes soll man möglichst nicht ab­pflücken, oder soll sie nur der Hausherr abneh­men oder das jüngste Kind des Hauses. Schon singst sind Kirschen und Pflaumen reif gewor­den. Auch Frühbirnen und Frühäpfel. An Bartholomä (24. August) ist kein Apfel und keine Birne mehr grün, sagt eine alte Bauern­regel. An Galluslag gehört der Apfel in Sack, weiß eine andere. Zwischen diesen beiden Ter­minen ist also die Obsternte, eine herrliche und fröhliche Zeit, eine chöne und köstliche Arbeit. Wie schön ist es schon, auf den lieben heimeligen grünen Rasenpfaden oder auf feinkörnigen Kieswegen zwischen den unzähligen Gärten hindurchzugehen und den Menschen beim Obst­pflücken zuzusehen. In wortloser Profitlichkeit und in jubelnder Herbstfreude werden da die Gartenfrüchte eingetan, wird vorab das Obst von den Bäumen geschüttelt und gepflückt. Ha! da prasselt's wie mit kurzen Peitschenschlägen im Tempo eines Maschinengewehrfeuers auf den Boden, und emsige Hände lesen auf. Lieb­los und völlig entfremdet dem geheimnisvollen Leben der Baumnatur und blind für seine volle Schönheit werden zwar da und dort auch Bäume, deren diesjähriger Ertrag meistbietend ersteigert wurde, ihres Segens beraubt, und Baumschänder sind darunter, welche die zarten jungen Zweige in Menge mitleidlos von den Bäumen herunterschlagen. Doch haben die mei­sten Menschen noch Ehrfurcht und Liebe für das Heiligtum des Lebendigen auch m Baum und Strauch, wenn diese Tugenden auch im Zwie­licht liebenswürdigen und wohlverständlichen Eigennutzes stehen. Und die meisten Früchte, wenigstens viele Aepfel und Birnen, werden sorgsam gepflückt. Da steigen die Obstpflücker j vergnügt in den grünen, durchlichteten Räumen ! der Bäume herum und brechen mit behutsamen ! Fingern Frucht um Frucht und reichen sie in i gefüllten Körblein froh herunter. Oft fliegen ; Neckwort und Scherzwort hin und her, wenn ! oben ein junger Bursche pflückt und unten war­tend ein Jungmägdelein die Schürze sprenct. Dann steigt der Bursche gipfelwärts und holt den allerschönsten Apfel, der von allen frischen Winden gesundgeblasen und von allen linden Lüften umschmeichelt wurde, der nun einen ganzen Sommer lang im Vollgenusse aller Sonnenwärme, die den unendlichen Raum zwi­schen Himmel und Erde füllte, langsam heran­reifen durfte, und wirft ihn in die wartende Schürze, nimmt dafür köstlichen Tribut aus den leuchtenden Augen und köstliche Versprechun­gen von dem blühenden Mund, der kein Wort spricht und doch viele schöne Dinge verheißt- Aber die Schürze hat noch nicht genug. Sie bleibt weit ausgebreitet, und die leuchtenden Augen sind bereit, in unzähligen Funken noch weiteren Tribut zu geben für die köstlichen Früchte vom Baume des Lebens, die kein har­tes Gebot verweigert. Alles her! Alles, was du zu geben hast, du reiche, bunte, gesegnete Welt alles!

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