Nr. 173

Samstag, 28. 2uli 1934

108. Jahrgang

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! Papen Sondergesandter in Wien

- Ein Friedensschritt des Reichskanzler als Antwort auf die Preffehetze

Wer ist Mid?

Die Ereignisse von Wien haben in der ganzen Welt berechtigtes Aussehen erregt.

Die Tragik der innerpolitischen Entwick­lung Oesterreichs während der letzten Jahre hat sich in ihnen blitzartig enthüllt.

Wer mit offenen Augen die selbstmörderi­sche Innenpolitik der österreichischen Regie- rung verfolgte, wer sah, wie sie Stand um Stand, jedes Glied des österreichischen Volkes sich langsam zum erbitterten Gegner machte, wie sie in immer schärferem Terror die letzte Rettung erblickte, der steht zwar erschüttert vor der Plötzlichkeit, mit der wieder einmal eine Verzweiflungstat in das österreichische Schicksal eingegrifsen hat, aber er sieht auch die Zwangsläufigkeit, mit der sich die ver­antwortlichen Männer in Oesterreich immer mehr selbst den Boden unter den Füßen wegzogen.

Üm so mehr nimmt die Dreistigkeit wunder, mit der ein Teil der Auslandspreise die mit auf ihren Schultern ruhende Ver­antwortung denn aus den Spalten dieser Presse konnte die Regierung allein die Aner­kennung lesen, die ihr das Volk versagte, und sich so über den Ernst der innerpoliti­schen Lage Oesterreichs hinwegtäuschen dadurch abzuwülzen versucht, daß sie Deutschland mit der Schuld an den Er- eianissen belasten will.

Diese Brunnenvergiftung kann nicht scharf genug gebrandmarkt werden. Die ebenso un­geheuerlichen wie sinnlosen Behauptungen eines Teils der Auslandspresse widerle- en sich s e l b st, sie zeigen aber die eichtfertigkeit, mit der man hier die übelsten Verleumdungen gegen Deutsch­land in die Welt setzt. Sonst könnte es nicht passieren, daß die Tatsache, daß bei den Aufständischen sich nur Personen österreichi­scher Staatsangehörigkeit, ja wie es in zahl­reichen Blättermeldungen heißt, zahlreiche frühere Angehörige des Bundes- Heeres befanden, geflissentlich unbeachtet bleibt. Auch daß die deutsche Regierung so­fort bei den ersten Meldungen die Gren­zen nach Oesterreich sverren ließ und - ied"n Neb-rtritt in D-ick ^ be­findlicher österreichischer Flüchtlinge verhin­derte, paßt den Hetzern wenig in den Kram. Dafür spielt die Legende von deröster­reichischen Legion" eine um so größere Rolle. Daß freilich die wenigen österreichischen Flüchtlingslager sich in großen Entfernungen von der Grenze befinden und im ü br > g c u ebenfalls von der R e ichZr e ai e - rung gesperrt wurden das tut der üppi­gen Phantasie weiter keinen Abbruch.

Bemerkenswert ist ferner, daß der christ­lich-soziale Dr. Rintelen von den Aufstän­dischen bei der ersten Rundfunkmeldung als Bundeskanzler propagiert wurde. Wie gerade Nationalsozialisten eine derart intensive Vor­liebe für einen Mann aus den Reihen ihrer ichärssten politischen Gegner plötzlich an den Tag legen sollten, bleibt ebenso unerforsch- lich.

Der Eindruck, den diese Hetzkampagne, die in manchen Blättern der Auslandspresse or­ganisiert wird, hinterläßt, geht dahin, daß hier versucht wird, erneut die tatsächlichen Verhältnisse in Oesterreich zu verschleiern, die wahre Schuldfrage ungeklärt zu lassen, um damit ihre eigene Mitver­antwortlichkeit an der Not des ge­quälten österreichischen Volkes zu verdecken.

Tenn: schuld an den Ereignissen in Wien sind diejenigen, die den Boden für solche Akte, wie wir sie im Februar und jetzt wie­der^ erlebt haben, legten.

Schuld sind, die über dem deutschgesinnten und friedlichen österreichischen Volk ein Ge­waltregiment aufrichteten, das in sei­nem Grundgedanken dem Denken und Füh­len des österreichischen Volkes zuwiderläust und in seinen Methoden tiefstes Mittelalter wieder lebendig werden ließ.

Schuld sind die, die Dollfuß immer wieder auf seinem verhängnisvollen Wege der Ge- Walt gegen das eigene Volk bestärkten, und durch ihre Propaganda in der ganzen Welt unterstützten.

Je mehr man in der Well diese wahren Schuldigen erkennt, desto eher ist zu hoffen, daß der Zustand, daß ..der Balkan nach Wien versetzt" sei, wie eine englische Zeitung schrieb, ein Ende nimmt

Berlin, 27. Juli.

Reichskanzler Adolf Hitler hat an Vize­kanzler von Popen nachstehendes Schreiben gerichtet:

Sehr verehrter Herr v. PaPenl

In Verfolg der Ereignisse in Wien habe ich mich gezwungen gesehen, dem Herrn Reichs- Präsidenten die Enthebung des deutschen Ge­sandten in Wien, Dr. Rieth, von seinem Posten Voranschlägen, weil er auf Aufford" .ung öster­reichischer Bundesministcr bzw. der österreichi­schen Aufständischen sich bereit finden ließ, einer zwischen diesen veidcn getroffenen Abma­chung bezüglich freien Geleites und Abzug der Aufständischen nach Deutschland ohne Rück­frage bei der deutschen Reichsrcgierung seine Zustimmung zu geben. Der Gesandt) hat da­mit ohne jeden Grund das Deutsche Reich in eine interne österreichische Angelegenheit hin- einoezoosn.

Das Attentat gegen den österreichischen Bun­deskanzler, das von der deutschen Rcichsregie- rung aus das schärfste ver 'rteilt und bedauert wird, hat die an sich schon labile Lage Europas ohne unsere Schuld noch werter ver­schärft. Es ist daher mein Wunsch, wenn möglich zu i n. r Entspannung der Gcsamtlage beiz»ragen und insbe­sondere das seit langem getrübte Verhältnis zn dem deutsch-östcrreich'sckeu Staat wieder in normale und freundschaftliche Bahnen geleitet zu sehen.

Aus diesem Grunde richte ich die Bitte an Sie, sehr verehrter Herr von Papen, sich dieser wichtigen Aufgabe zu unterziehen, gerade weil Sie seit unserer Zusammenarbeit im Kabinett mein vollstes und uneingeschränktestes Ver­trauen besaßen und besitzen.

Ich habe daher dem Herrn Reichspräsidenten vorgeschlagcn, daß Sie unter Ausscheiden aus dem Rcichskabinctt und Ent-

ktz. Berlin, 27. Juli,

Seit 17 Monaten stützten sich die Feinde des deutschen Volkes auf den unglückseligen Gegensatz, der zwischen den beiden deutschen Regierungen in Berlin und Wien entstanden war. Als nun am Mittwoch ein Häuflein verbitterter, um ihre Existenz gebrachter deutscher Oesterreicher den Handstreich auf das Bundeskanzleramt unternahm, weil es wähnte, mit Revolvern das eigene Schicksal und das der zahllosen, um ihrer Gesinnung willen verfolgten Volksgenossen wenden zu können, da glaubten jene dunklen Mächte, die schon vor zwanzig Jahren den Ring um Deutschland geschlossen hatten, daß die Stunde gekommen sei. um eine neue Fla nr nr e des Hasses gegen Deutschland schüren zu können. Es gibt keine Lüge und keine Verleumdung, die in diesen Tagen nicht gegen Deutschland ge­richtet worden wäre, wenn sie nur dazu beitrug, die Völker Europas irrezuführcn und mit Haß gegen Deutschland zu erfüllen.

Es braucht nicht betont zu werden, daß der Nationalsozialismus und die national­sozialistische Bewegung mit dem Handstreich in Wien nichts zu tun haben, daß umgekehrt ein Vorgehen, wie es die 144 entlassenen Heeres- und Polizeiangehörigen in Wien am Mittwoch an den Tag gelegt haben, m i t Nationalsozialismus nicht ver­einbar i st und seine Erklärung nur in der maßlosen Erbitterung finden kann, wenn sie nicht mißbrauchtes Werkzeug in den Händen ande­rer waren eine Frage, die jetzt auch in der Auslandspresse aufgeworfen wird.

Umso niederträchtiger ist die Haltung eines Teiles der Aus­landspreise. Der Führer hat nun durch seinen Auftrag an Herrn von Papen dieser Hetze den Boden entzogen. So wie er da­durch, daß er der nationalsozialistischen Be­wegung die Macht erkämpfte, Europa im letzten Augenblick vor dem Chaos des

b t n d u n g v, n d c m A m t als Saar­kommissar für eine befristete Zeit in Son­dermission auf den Posten des deut­schen Gesinden in Wien berufen werden. In dieser Stellung werden Sie mir ! unmittelbar unterstehen.

Indem ich Ihnen auch heute noch einmal danke für alles, was Tie einst für die Znsam- mensührung der Regierung der nationalen Er­hebung und seitdem gemeinsam mit uns für Deutschland getan haben bin ich Ihr sehr er­gebener

sgcz.) Mols Hitler.

Bayreuth, 26. Juli 1934.

Während sich die französische Presse in ganz unerhörten Beschimpfungen des Deut­schen Reiches ergeht, während die italieni­schen Zeitungen ihre sonstige ruhige Ileber- legung verloren zu haben scheinen, beweist A d o ls Hitler durch die Tat den n n b e d i n g t e n F r i e d e n s w i l l e n des Deutschen Reiches.

Herr von Papen gehr als Svndergesand- ter mit dem Auftrag nach Wien, für die i Wiederherstellung normaler und frennd- ! schriftlicher Beziehungen zwischen den beiden ? deutschen Staaten zu arbeiten ! Damit bricht Adolf Hitler einer Hetze,

: für die gewisse Kreise des Auslandes die Er­eignisse in Oesterreich als willkommenen An­laß betrachten, die Spitze ab. Wenn auch anzunehnien ist. daß die Kabinette in Lon­don. Paris und Rom kühlen Ropf bewahren, so besteht bei Forloauer dieser Hetze doch die Gefahr einer gefährlichen Ve r g i f t u ii g der internationalen AtmosPhä r e.

Das Reich hat. wie ausdrücklich festgestellt wird, den V o r g ü n g e n in Le st e c» reich gegenüber st r i k t e st e N e,i» tzralität bewahrt. Nicht ein

Bolschewismus rettete, so hat er auch jetzt Mitteleuropa und damit den ganzen Kontinent vor schwe­rer Wirrsal bewahrt, das jene an­zurichten drohten, die immer nur im Trüben fischen wollen. Er fühlt sich nicht nur ver­antwortlich kür das Deutsche Reich und das deutsche Volk, dessen Führer er ist. er ist sich auch der Verantwortung bewußt, die er als Führer des im Herzen Europas wohnenden deutschen Volkes für den ganzen Erdteil und damit für die Welt trägt.

Die Ernennung von Papens

Amtlich wird mitgeteilt:

Im Anschluß an das von dem Herrn Reichskanzler an den Vizekanzler v. P a p e n gerichtete Schreiben vom 26. Juli 1934 hat sich der Herr Reichspräsident einverstanden erklärt, den Vizekanzler von seinem Amt als Stellvertreter des Reichskanzlers und als Saarbeaustragten zu entbinden, um ihn mit ver vom Reichskanzler vorgeschlagenen wich­tigen Ausgabe zu betrauen.

Demzufolge hat der Reichskanzler beschlos­sen. den Vizekanzler von Papen zum Gesandten in Wien in befristeter Sonder Mission zu ernennen. Das Agreement wurde Freitag in Wien nach- ie sucht.

Begeisterte Aufnahme in Oesterreich

Die Nachricht von dem Schreiben Adolf Hitlers an Herrn von Papen wurde in Oesterreich durch eine Extraausgabe derNeichspost", die auch von Flug­zeugen ans in den Kampfgebieten in Steier­mark und Kärnten abgeworfen wurde, be­kanntgemacht. Gleichzeitig wurde der Wort­laut des Schreibens des Führers alle halbe Stunde im Rundfunk Verlautbart.

Der Eindruck dieser Nachricht war außer­ordentlich tief. Ein Aufatmen ging durch die ganze Bevölkerung, lieberall hört man:

Jas Neueste in Kör?«

Die Ernennung von Papens zum Sonder- gciandtcn in Wien wird allgemein als Be­friedung der österreichischen Verhältnisse durch Deutschland angesehen.

Tie Kämpfe in Oesterreich heben nach­gelassen.

Frankreich bringt nach wie vor gehässige Meldungen über eine angebliche Beteiligung Deutschlands beim Putsch in Oesterreich.

' m 28. August werden in der Ostsee gr> " Uebungen der deutschen Flotte statt- findcn.

Reichsdeutscher, n i ch l einmalein im 'Reiche lebender L e st e r r e i ch e r. konnte am Mittwoch die Grenze überschreiten oder sich sonst irgendwie in den Wiener Putsch einmische n.

Wer hat in Oesterreich geputscht?

Im übrigen bedarf die Urheberschaft des Handstreiches in Wien noch einer weitgehen­den Aufklärung. Es ist ausfällig, daß wohl Dr. Dollfuß, nicht aber der in Oesterreich weil mehr gehaßte Minister Feh sein Leben einge­büßt hat. Ausfällig ist weiter, daß Dr. Rintelen. der in Graz bei seiner Familie aus Urlaub weilte, io rasch bei der Hand war, auffällig ist, daß auch der Unterrichts­minister Dr. Schuschnigg mit Dr. Rin­telen verhandelte.

Man weiß seit langem von den schweren Gegensätzen, die im Kabinett Dollfuß bestan- den haben, man weiß, daß Feh vor nicht all- znlanger Zeit in Budapest war. um Stim- mang für ein Kabinett Fetz zu machen.

Die gegen das Reich in so unverschämter Weise hetzende Presse das Stichwort wurde von gewissen Wiener Blättern ge­geben wird also gut daran Inn. zunächst einmal diese Fragen zn klären, ehe sie das Reich beschuldigt.

Frieden mit Deutschland! Adolf Hitler bringt den Frieden!"

In dem Schreiben des Reichskanzlers sieht man den Schritt zur entscheidenden Wendung in den deutsch-österreichischen Beziehungen und in der europäischen Gesamtlage über­haupt. Das Vertrauen, das der Führer Herrn von Papen in seinem Schreiben ansivricht, überträgt sich auch auf die gesamte Bevöl­kerung Oesterreichs; die deutschbewußten Kreise sehen in der Person des Herrn von Papen volle Bürgschaft für die Lösung der ihm vom Führer gestellten Aufgaben.

Einige Emigrantenblätter versuchten zwar, auch die Ernennung von Papens zum Ge­sandten in Wien zu Verleumdungen und Verdächtigungen zum Anlaß zu nehmen; doch wurde auf Anfrage bei den amtlichen Stellen ausdrücklich erklärt, daß man überhaupt nicht Stellung genommen habe, weil das deutsche Agreementsansuchcn noch nicht ein- aelangt sei, daß man aber von dem Schreiben des Reichskanzlers mit Genugtuung Kenntnis ge- nommeü habe.

Tiefer Eindruck im Auslande

In der englischen Presse wird die Ernennung von Papens zum Sonderge­sandten in Wien allgemein als versöhnender und die Lage rettender Schritt gewertet.Die Tatsache der Ernennung eines so wichtigen Staatsmannes zum Vertreter Deutschlands", so meldet Reuter,bedeutet mittel­bar eine EhrekürOe st erreich und stellt eine weitere Geste der Ver- iöhnung gegenüber Oesterreich d a r."Evening Standard" spricht von einer bemerkenswerten Umbildung in den Bezie­hungen zwischen Oesterreich und Deutschland. Evening News" stellt u. a. fest, daß Hitler weitere Schritte unternommen habe, um die Spannung zu erleichtern.Daily Mail" hat das Handschreiben des Führers seinen Lesern Freitag früh sogar in einer Souveräns«

Der deutschen Zwietracht mitten ins Herz!"

Ungeheurer Eindruck des Kanzlerbriefes an Herrn von Papen